Abrechnung in Ames Rock - Logan Kenison - E-Book

Abrechnung in Ames Rock E-Book

Logan Kenison

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Beschreibung

Die brutale Familie Crocker beherrscht das Valley und alle, die darin wohnen … und sie reißt jeden in den Abgrund, der es mit ihnen zu tun bekommt. In einem Land, in dem das Gesetz schwach und die Einwohner feige sind, wagt es nur ein einziger Mann, gegen die Outlaw-Rancher anzutreten.

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Seitenzahl: 157

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Abrechnung in Ames Rock

Westernroman

von Logan Kenison

Das Buch

Die brutale Familie Crocker beherrscht das Valley und alle, die darin wohnen … und sie reißen jeden in den Abgrund, der es mit ihnen zu tun bekommt. In einem Land, in dem das Gesetz schwach und die Einwohner feige sind, wagt es nur ein einziger Mann, gegen den Clan anzutreten.

Der Autor

Logan Kenison (vormals Joe Tyler) ist Autor von Western-, Abenteuer- und Spacegeschichten. Neben seinen Western, die er mit Leidenschaft verfasst, schreibt er seit 2018 die Reihe Spacewestern.

Inhalt

Impressum

Disclaimer

Abrechnung in Ames Rock (Roman)

Weitere Titel von Logan Kenison

Ungekürzte Erstausgabe

Copyright © 11/2015 by Logan Kenison

Lektorat: Carola Lee-Altrichter

Das Cover wurde gestaltet nach Motiven der Episode »Jonahs kurzes Leben« (Orig.: »He Was Only Seven«, USA, 1972) der Bonanza-Komplettbox. Im Handel auf DVD erhältlich. Mit freundlicher Genehmigung von www.filmjuwelen.de

[email protected]

Disclaimer

Das vorliegende Werk ist ein Produkt der Fantasie. Jede Ähnlichkeit mit reellen Personen, Orten oder Geschehnissen ist nicht beabsichtigt und wäre reiner Zufall.

Abgerechnet wird zum Schluss

Westernroman von Logan Kenison

Sie waren zu fünft.

Als sie aus der Dunkelheit traten und vom Schein seines Lagerfeuers angeleuchtet wurden, hielt jeder von ihnen ein Gewehr in den Fäusten. Sie starrten ihn mit bösen Gesichtern an.

Er fuhr fluchend hoch, in einem Reflex nach seinem Colt greifend, doch da überholte ihn eine schneidende Stimme:

»Stopp, Freundchen! Lass die Pfoten von der Bleispritze, oder es ergeht dir übel. Wir sind hungrige Wölfe, und in diesem Zustand haben wir noch nie danebengeschossen.«

Da gab er auf. Sein Körper erschlaffte, und er ließ sich auf sein Lager mit der zerwühlten Pferdedecke zurückfallen. War die Erwähnung des Hungers von Bedeutung? Ging es den abgerissenen Kerlen nur um etwas zu essen?

Während sein Blick über die fünf Burschen glitt, deren Anblick nichts Gutes verhieß, verfluchte er sich selbst. Wie hatte er so nachlässig sein können? Sein Pferd hatte gemerkt, dass sich jemand dem Lager näherte. In den letzten sieben Minuten hatte es zwei Mal geschnaubt, die Ohren gespitzt, ständig in eine Richtung geblickt und mit den Hufen gescharrt. Er hätte gewarnt sein müssen.

Doch er war zu müde gewesen, um den Anzeichen die erforderliche Aufmerksamkeit zu schenken. Jetzt kam es ihm so vor, als hätte er bereits geschlummert, und die Warnsignale waren ihm in einen rastlosen Traum eingebaut worden.

So war er diesen Pilgern in die Falle gegangen, und nun blickte er auf einen Halbkreis aus fünf runden, glänzenden Mündungen. Die dazugehörigen schwarzen Löcher waren bestens geeignet, einem Mann die Knie schlottern zu lassen. Nur eine Fingerkrümmung, und schon würde der Mann selbst sich mit einem Loch im Bauch am Boden krümmen.

Flüchtig fragte er sich, was er gegen fünf Kerle hätte ausrichten können. Selbst wenn es ihm noch gelungen wäre, den Colt zu schnappen und in die Dunkelheit zu entwischen, wären Fünf einfach zu viel für ihn gewesen. Zumindest im jetzigen Zustand. Er war zu erschöpft. Er hatte keine Kraft mehr für irgendwelche Action.

Diesmal hätte er also besser auf das Lagerfeuer verzichtet. Doch wie hätte er das wissen sollen?

Als der Jüngste begann, mit der Stiefelspitze in seinem Proviant herumzustochern, schöpfte der Mann einen Moment lang neue Hoffnung. Vielleicht würden sie ihm nur ein paar Lebensmittel rauben und ihn dann gehen lassen.

»Schau mal, was der hier hat, Pa«, rief der Junge, dem noch nicht mal ein richtiger Bart im Gewicht wachsen wollte. »Pfirsiche! Der hat ja Pfirsiche in Konservendosen bei sich. Süße Pfirsiche! Aaah, Hölle, knurrt mir der Magen. Ich mach’ gleich eine auf.«

»Den Teufel wirst du«, bellte der Älteste, augenscheinlich der Vater des Jungen und der Anführer des Trupps, zurück. »Zuerst kümmern wir uns um den da. Danach kannst du dir den Bauch vollschlagen. Erst die Arbeit, dann das Vergnügen. Merk’ dir das.«

»Ja, ja, schon gut, schon gut. Ich kann diese alten Sprüche nicht mehr hören. Nerv’ doch Dude oder Jake damit. Aber lass mich damit in Ruhe. Na gut, wenn du es so willst, kümmern wir uns erst um den Burschen. – Also, Mister: Wie heißt du? Woher kommst du? Was machst du hier auf unserem Land?«

»Walker«, sagte der Mann mit krächzender Stimme. Er räusperte seine Stimmbänder frei und sagte erneut: »Ich heiße Chet Walker und bin auf dem Weg nach Minneola.«

»Minneola. Minneola«, kläffte der Junge. »Was für ’ne Scheiße! So ’ne Stadt gibt’s in den ganzen Staaten nicht.«

»Nun, es ist … eine Siedlung«, sagte der Mann. »Meine Schwester lebt dort mit ihrem Mann. Sie betreiben eine Farm. Wenn die Siedlung wächst, wird vielleicht mal eine Stadt daraus. Es gibt gutes Land dort.«

Der Junge preschte vor, ging vor Walker auf die Knie und drückte Walker die Mündung seiner Winchster unters Kinn, so fest, dass es schmerzte.

»Pa, glaubst du diesen Schwachsinn? Soll ich ihn gleich erledigen? Hier und jetzt? Lass mich ihm eine Kugel in den Schädel jagen. Hast du gehört, Pa? Ich will ihn abknallen.«

Walker rührte sich nicht und ertrug alles: Den beißenden Druck der Mündung auf seinem Kieferknochen, die unflätigen Worte, den bestialischen Mundgeruch des Jungen. Zu gerne würde er aufspringen und ihm die Faust in sein freches Maul rammen, doch er wusste, dass die anderen das nicht zulassen würden. Was immer für ein Clan das war – diese Pilger würden ihn zusammenschießen, wenn er sich wehrte. Das spürte er; das las er in ihren finsteren Mienen.

»Ich wusste nicht, dass das Ihr Land ist«, stieß er hervor. Er hatte immer noch die Hoffnung, die Sache gütlich beizulegen. Irgendwie. Sie würden ihn doch nicht etwa abknallen, nur weil er sich auf ihr Land verirrt hatte und hier für die Nacht lagerte? Aber im Westen waren dieser Tage viele Dinge möglich, und instinktiv spürte Walker, dass er es nicht lediglich mit ein paar rauflustigen Kerlen zu tun hatte, sondern mit Halunken von ganz anderem Kaliber.

Nun ergriff der Alte das Wort:

»Jake, durchsuch seine Taschen. Aber pass auf, dass du nicht in die Schusslinie läufst. – Und dir gilt folgender Rat, Mister«, wandte er sich an Walker: »Wenn du auch nur mit der Nasenspitze zuckst, durchlöchern wir dich mit Blei und teilen unter uns auf, was du bei dir hast. Kapiert? Hier draußen kräht kein Hahn nach dir. Wir erledigen dich, und kein Mensch wird je davon erfahren.«

Nun wusste Walker, woran er war. Offensichtlich handelte es sich um eine üble Bande von Wegelagerern, und er war dumm genug gewesen, diesen Kerlen vor die Flinten zu laufen. Aber er hatte einfach nicht mehr gekonnt. Seit Tagen unterwegs, hatten die Strapazen ihren Tribut gefordert, und er war noch am Feuer eingeschlafen, hatte nichts dagegen tun können.

Er ließ es geschehen, dass jener, der mit ›Jake‹ angesprochen worden war, vortrat und sich an seinen Sachen zu schaffen machte. Mindestens drei Mündungen zeigten immer auf Walker, und im Sitzen hatte er der Bedrohung nichts entgegenzusetzen. Selbst wenn er gestanden hätte, wäre es fraglich gewesen, ob er so schnell hätte zur Seite springen können. Ein Finger krümmte sich sehr viel schneller, als sich zweiundachtzig Kilo in Bewegung setzen konnten, selbst wenn diese zweiundachtzig Kilo muskulös und gut durchtrainiert waren.

Es blieb ihm also nichts anderes übrig als zuzusehen, wie der Fremde seine Sachen durchwühlte, die Satteltaschen öffnete, mit seinen schmutzigen Fingern hineinfuhr und all die Dinge in den Schein des Lagerfeuers brachte, die Walkers ureigene Besitztümer darstellten: Ein Lederbeutel mit zwei Dollarbündeln und ein wenig Schmuck, darunter der Goldring, den er Edwina zur Verlobung geschenkt hatte. Er hatte es nicht übers Herz gebracht, diesen Ring zu verkaufen, auch dann nicht, als ihm ein paar Mal das Wasser bis zum Hals gestanden hatte. Denn dieser Ring war seine einzige Erinnerung an bessere Zeiten, als er und Edwina drauf und dran gewesen waren, Mr und Mrs Walker zu werden, und er in Cedar Stone sesshaft hatte werden wollen. Typhus hatte seinen Träumen ein jähes Ende bereitet und ihn einsam, verbittert und wuterfüllt zurückgelassen.

Seitdem war er auf der Reise. Er war vielleicht nicht das, was man einen Drifter nennen konnte, denn er hatte ein Ziel deutlich vor Augen: die Farm seiner Schwester und seines Schwagers, doch er ließ sich Zeit, dieses Ziel zu erreichen. Immer wieder hatte er gestoppt und für einige Wochen irgendwo gearbeitet, einfach um unter Menschen zu sein und nicht völlig zu vereinsamen. Außerdem tat die Arbeit seinem Körper und seinem Geldbeutel gut. Er hatte schon einiges gespart, das er entweder als Einlage in die Farm einbringen konnte, oder das zum Aufbau einer eigenen Existenz reichen würde, wenn er feststellen sollte, dass die Farm nicht genügend abwarf.

Nun musste er mit ansehen, wie die Augen jenes Jake aufleuchteten, als er den Inhalt des Lederbeutels entdeckte. »Der Teufel soll mich holen, wenn das nicht geklaut ist!«, sagte Jake, während er mit der einen Hand die Dollarbündel seinen Kumpanen präsentierte, den Ring jedoch in seiner dreckigen Jackentasche verschwinden lassen wollte.

»Na! Na! Na!«, sagte der Anführer in schneidendem Ton, und schnell zog Jake die Hand zurück.

»Ich hoffe, du wolltest nicht gerade was einstecken, Junge«, sagte der Alte. »Sowas mögen wir hier gar nicht, und das weißt du.«

»Aber kein Gedanke, Pa! Ich wollte mich nur am Arsch kratzen.«

»Dein Glück. Und jetzt zeig’ mal her. Was ist das überhaupt?«

Dümmlich grinsend reichte Jake seinem Vater den Ring, und die Augen des Alten leuchteten auf. Er betrachtete den Ring lange und eingehend, drehte ihn in seinen dreckverkrusteten Fingern mehrmals hin und her, während die Flammen des Lagerfeuers sich auf der Oberfläche spiegelten.

»Mir schwant langsam, was für einen Fang wir gemacht haben«, murmelte der Alte dann und blickte zu Walker hinüber. »Aufstehen, Mister!«, befahl er. »Und keine Dummheiten. Meine Jungs sind die besten Schützen im County. Keiner kann’s mit denen aufnehmen.«

»Das habe ich nicht vor, Mister«, sagte Walker. Er erhob sich langsam und bedächtig, sodass ihm keiner, der ihn vor der Mündung hatte, eine martialische Absicht unterstellen konnte. Als er dem Alten gegenüberstand, bemerkte er, dass er ihn um fast einen Kopf überragte.

»Wo hast du den her?«, fragte der Alte nun hart und deutete mit dem Kinn auf den Ring zwischen seinen Fingern.

»Gekauft.«

»Was du nicht sagst. Gibt’s dafür auch eine Quittung? Eine Rechnung?«

»Nein.«

»Also geklaut.«

»Nein, gekauft«, beharrte Walker.

Der Junge trat neben ihn und schlug ihm nun mit dem Gewehrlauf von der Seite ins Gesicht. Walker taumelte nach links weg, sah gleißende Lichter vor den Augen, machte zwei, drei schwankende Schritte, blieb aber auf den Beinen. Er hielt sich den Kopf mit beiden Händen und stöhnte laut, doch nach ein paar Minuten richtete er den Oberkörper wieder auf. In seinem Kopf dröhnte ein Hornissenschwarm, seine Lippe war aufgeplatzt, und aus der Nase floss ein Rinnsal von Blut.

»Das passiert, wenn du dem Old Man widersprichst«, sagte der Junge, gefolgt von einem gackernden Lachen.

»Es ist die Wahrheit«, presste Walker hervor.

»So?« Der Alte musterte ihn mit blutunterlaufenen Augen. »Warum hast du dann keine Quittung bei dir?«

»Es ist drei Jahre her … Ich hatte den Ring einem Mädchen geschenkt. Die Quittung hatte ich schon weggeworfen.«

»Was du nicht sagst. Und wie heißt die Glückliche denn?«

»Edwina Cummings.«

Der Junge neben Walker lachte los, laut und künstlich.

»Sie hat dir den Ring zurückgegeben! Hat dir wohl einen Korb verpasst, was?«

»Wir waren verlobt, hatten den Hochzeitstermin schon festgelegt. Doch dann starb sie an Typhus.« Walker hatte keine Ahnung, warum er diesen bösartigen Fremden etwas von Edwina erzählte, doch er wollte einfach nicht, dass sie dumme Späße über den Ring rissen. Vielleicht würde sie das etwas gnädiger stimmen.

»Das ist nur deine Version der Ereignisse«, sagte der Alte. In seinem Gesicht lag ein misstrauischer Zug. »Vielleicht bist du in eine alleinstehende Farm eingebrochen und hast den Ring einer armen Witwe geklaut, während du dir die rührselige Geschichte nur ausgedacht hast. Wer kann das wissen?«

»Ich schwöre, dass es wahr ist.«

»Ja, ja. Wenn ich für jeden Schwur, den mir einer leistet, einen Penny bekomme … du kennst den Spruch ja.« Der Alte wandte sich an seine Jungs: »Durchsucht ihn! Seine Hosen, die Taschen, die Stiefel, alles. Ich will wissen, was er bei sich hat.«

Zwei der Männer packten Walker an den Armen und hielten ihn fest, während der Jüngste sich an ihm zu schaffen machte. Er tätschelte nicht nur über seinen ganzen Körper, sondern fuhr mit der Hand auch in seine Hose hinein, zwickte ihn mehrmals ins Fleisch und grinste ihm spöttisch ins Gesicht.

»Der ist sauber, Pa. Hat nichts bei sich.«

»Sieh in seinem Stiefeln nach, Dummkopf!«, befahl der Alte.

Der Junge gehorchte. Seine forschenden Finger glitten über die Lederschäfte. Am rechten Stiefel stoppte er, verhielt einen Augenblick. Als der Junge hochkam, hielt er ein Messer in seinen Fingern.

»Das hatte er da drin«, verkündete er hämisch.

Der Stahl blitzte gelb im Schein des Lagerfeuers.

»Was ist das?«, fragte der Old Man.

»Ein Messer«, antwortete Walker.

Der Junge schlug ihm erneut ins Gesicht. Weil die zwei Männer ihn festhielten, ging Walker nicht in die Knie. Eine üble Masse befand sich plötzlich in seinem Mund, und als er ausspuckte, kam Blut heraus.

»Ein Witzbold, so, so«, stellte der Old Man fest. »Warum hast du das Messer im Stiefelschaft?«

»Für Notfälle … falls mich ein wildes Tier ohne Kanone erwischt. Es ist besser, dann ein Messer bei sich zu haben, als völlig nackt dazustehen.«

Der Alte lachte sparsam. »Da hast du recht, Mister. Also, wir kommen jetzt zur Bestandsaufnahme. Du hast …«

»Die Stiefel gefallen mir«, sagte Jake. »Ich will die Stiefel haben.«

Der Old Man blickte musternd an seinem Sohn hinab.

»Dann nimm sie dir«, sagte der dann. »Deine Treter gehen schon aus dem Leim. Du kannst die Stiefel haben.«

Walker wusste, dass jetzt die Stunde der Wahrheit zu schlagen begann. Sie würden seine Sachen rauben, und wenn er sich zur Wehr setzte, würden sie ihn entweder zusammenschlagen oder niederschießen. Er musste es über sich ergehen lassen, wenn er überhaupt davonkommen wollte.

Während die zwei ihn immer noch festhielten, zerrte Jake an Walkers Stiefeln herum. Schließlich stand er in löchrigen Socken auf dem Prärieboden. Der erkaltete Sand fühlte sich seltsam grobkörnig unter seinen Sohlen an.

Jake hatte die keine Reitstiefel an den Füßen getragen. Seine Treter waren Arbeitsschuhe mit zähen Sohlen, die einem aufs Fleisch und auf die Knochen drückten. Das Leder war an manchen Stellen rissig und löchrig. Und die Schuhe stanken.

Es würde Walker nichts anderes übrigbleiben, als in diese Schuhe zu schlüpfen, wenn er nicht barfuß weitermachen wollte.

Jake machte in Walkers Stiefel ein paar staksige Schritte.

»Passen sie?«, fragte der Old Man.

»Sind ein bisschen eng«, stöhnte Jake mit verkniffenem Gesicht. Aber dann schien er zu befürchten, die Stiefel an einen seiner Brüder abgeben zu müssen. So setzte er rasch hinzu: »Aber das wird schon. Muss sie nur einlaufen.«

»Na gut«, meinte der Alte, »du kannst sie behalten. – Was machen wir mit dem Kerl?«

Der Jüngste näherte sich wieder mit dem Gewehr im Anschlag. Seine Augen flackerten böse. Das Messer hatte er inzwischen in seinen eigenen Stiefelschaft gesteckt.

»Wir legen ihn um«, sagte er.

Walker zweifelte keinen Moment daran, dass er meinte, was er sagte. Er las blanke Mordlust in den Augen des Jungen.

»Ich bin dafür, dass wir ihn nach Ames Rock bringen«, meinte Jake. »Whittaker wird ein schönes Sümmchen für ihn ausspucken.«

»Es sind zehn Meilen bis dahin«, gab der Old Man zu bedenken. »Fast elf.«

»Wir könnten fünfhundert Dollar für ihn kriegen«, verteidigte Jake seinen Vorschlag.

»Na gut. Aber dann müsst ihr es allein tun. Ich gehe nicht mit, kapiert? Mich zieht’s zu eurer Ma ins Bett. Dort ist es warm und weich.«

»Und es stinkt«, setzte der Junge feixend hinzu.

»Halt den Rand, du Schwachkopf.«

Der Old Man wandte sich wütend ab. Er machte einen Schritt rückwärts aus dem Schein des Lagerfeuers, und schon war er in der Dunkelheit verschwunden.

Die Kerle lauschten ihm einen Moment nach, bis die schleifenden Schritte im Sand verklungen waren. Dann erwachten sie zu neuem Leben.

Jetzt, wo ihr Anführer gegangen war, hatten sich die Machtverhältnisse neu geordnet. Jetzt lief der Junge zu neuer Höchstform auf.

Er tänzelte affektiert auf Walker zu und drückte ihm die Mündung erneut unters Kinn.

»Ich will ihn erschießen. Hört ihr? Ich will den Hund abknallen.«

»Das lässt du schön bleiben«, sagte Jake. »Ich will die fünfhundert haben. Und Dude und Ahab auch. Also mach keinen Unsinn, Slim, oder wir verlangen die fünfhundert von dir.«

»Du bist geldgierig, Bruderherz, weißt du das?«

»Pah. Wen kümmert’s? Kein Pfarrer weit und breit. Also nimm den Schießprügel runter, oder  …«

Er setzte den Satz nicht fort.

»Oder was?«, fauchte der Junge.

Slim, dachte Walker. Jener Jake hat ihn Slim genannt. Ich muss mir ihre Namen merken. Vielleicht … wenn ich davonkomme … ich muss mir die Namen merken. Da war dieser Old Man, dann jener Jake. Der Junge heißt Slim, die anderen beiden sind Dude und Ahab. Aber er wusste nicht, wer wer war.

Die Mündung von Jakes Gewehr wanderte plötzlich nach oben und verharrte in Höhe von Slims Magengrube.

»Wenn du ihn abknallst, das schwöre ich dir, dann jage ich dir auch eine Kugel in den Balg.«

Walker fühlte sich äußerst unbehaglich bei dem Gedanken, das Objekt dieses Streits zu sein. Ein wenig aufatmend registrierte er, dass der Junge sämtliche Farbe im Gesicht verlor. Der Druck der Mündung unter seinem Kinn ließ merklich nach.

»Das wagst du nicht«, stieß Slim hervor. Erste Unsicherheit schwang in seiner Stimme mit.

»Dann lass es doch drauf ankommen«, triumphierte Jake. Anscheinend hatte er endlich eine Trumpfkarte gegen seinen Bruder gefunden. Es schien sich um einen alten Konflikt innerhalb der Familie zu handeln, der nichts mit Walker zu tun hatte.

»Pa wird dir was husten, wenn du mir in den Bauch schießt.«

»Mir egal. Ich will die fünfhundert, die auf den Kopf dieses Kerls ausgesetzt sind. Kapierst du das nicht?«

»Was willst du mit den Scheißmoneten denn anfangen? Kannst dir hier draußen doch sowieso nichts dafür kaufen.«

»Ich will ein neues Gewehr. Mit meinem alten kannst du um die Ecke schießen.«

Sie diskutierten noch eine Weile weiter, wechselten zum Teil die dämlichsten Argumente, aus denen nur eins klar wurde: Leben oder Tod von Walker interessierte sie nicht die Bohne.

Dann meldete sich einer der Männer zu Wort, die Walker festhielten.

»Wenn du unbedingt etwas erschießen willst, Slim, dann knall doch seinen Gaul ab.«

Walker zuckte vor Schreck zusammen.

»Nein!«, schrie er auf. »Nein!«

Er merkte, wie sich der Griff der beiden Männer verstärkte. Er wand sich, doch er konnte sich nicht befreien.

»Nicht mein Pferd«, keuchte er. »Das Tier ist gut dreihundert Dollar wert. Nimm es dir. Lass es für dich arbeiten. Aber erschieße es nicht.«

Ein bösartiges Grinsen prangte in Slims Gesicht, als er sich Walker zuwandte.

»Ja, ich nehme mir den Gaul, und dann tue ich mit ihm, was immer ich will. Und du kannst nichts dagegen tun.«

Er wandte sich dem Pferd zu, einem prächtigen Appaloosa in der Blüte seiner Kraft.

»Er ist vier Jahre alt, gesund und kräftig. Er wird dir gute Dienste leisten«, rief Walker ihm nach.