Absinth - Johannes Girmindl - E-Book

Absinth E-Book

Johannes Girmindl

0,0

Beschreibung

Zwischen Lovecraft & Poe, zwischen Stadt und Land, zwischen Okkultem und Realem - 5 dunkle Erzählungen

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern

Seitenzahl: 110

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Johannes Girmindl, 1978 in Wien geboren. Singer, Sinner, Songwriter und Schriftsteller, veröffentlicht im Eigenverlag Tonträger, schreibt unentwegt neue Lieder und Geschichten. Zuletzt erschienen: Unter 4 Augen (CD), Der Junggeselle (Erzählungen).

www.girmindl.at

Inhaltsverzeichnis

Absinth

Die Gesellschaft

Debussy

Libido

Tauwetter

Absinth

In stiller Gelassenheit fallen die Tropfen in regelmäßigen Abständen auf das gelbliche Stück Zucker, das sich seinem Schicksal auf dem dafür vorgesehenem Löffel ergibt. Jeder einzelne Tropfen löst einen geringen Teil des Zuckerwürfels auf und nimmt ihn, gerade dazu ermuntert, durch die Zwischenräume des Silberbestecks, in flüssiger Form mit, in die Tiefen des sich darunter befindenden Glases, das mit einer grünlichen Flüssigkeit bis zur Hälfte gefüllt ist. Die Ornamente im Kristall brechen das Licht der Kerzenflamme und lassen so die Tropfen, die das Grün des Getränks in eine milchige und trübe Farbe umwandelt, gespenstisch und scheinbar nicht von dieser Welt. Die Augenblicke bis zur Vollendung des Vorgangs scheinen keinerlei Eiligkeit zu besitzen, sie unterwerfen sich nicht den Gegebenheiten einer Zeitmessung, im Gegenteil, sie scheinen einen Vorgeschmack auf die Unendlichkeit zu geben, auf die nicht enden wollenden Weiten des Universums und die Untiefen der menschlichen Seele. Ein winziger Rest des Zuckers fällt mitsamt dem letzten Tropfen kristallklaren Wassers in das Glas. Vollkommenste Vollendung, das Ende eines Lebens, der Beginn eines neuen. Die Zubereitung erfordert Geduld, das Auskosten des gewollten Ergebnisses ebenso. Der Löffel verliert seine Position am oberen Rand des Glases, wird behutsam auf das silberne Tablett gelegt und wartet dort seines abermaligen Einsatzes. Vorerst will das Glas geschwenkt werden, die abgesetzten Zuckerkristalle müssen vor dem Genuss noch einmal Bewegung erfahren und die milchigen Schlieren im opalen Grün der Flüssigkeit sollen sich ausbreiten, sodass die Farbe und letztendlich die Mischung homogen und gleichartig wird. Der erste Schluck ist jener, der den Geist in eine sinnliche Welt entführen zu vermag, der vollkommene Hingabe erwartet und Lust im Reich des Unentdeckten verspricht. Die weiteren Schlucke sind Schritte die wohl gewählt sein wollen, verführen sie einen doch tiefer in die Welt des Unbekannten, in die Tiefen der eigenen Seele, an Orte von denen man nicht einmal in den kühnsten Träumen zu Denken wagte. Auf diese Weise beginnt eine Reise durch Zeit und Raum die den eigenen Körper am selben Platz lässt, den Geist jedoch, ohne zu fragen mitnimmt, wohin auch immer.

Es ist dies der letzte Abend meines Lebens, eines Lebens wie ich es bisher gekannt und geführt habe. Was der Morgen bringt, sollte es überhaupt noch einen Morgen für mich geben, kann ich nur erahnen und es lässt mich alleine der Gedanken daran erschaudern. Die Zeit, die mir jetzt noch bleibt und die ich in größter Angst verlebe, in Erwartung der unmenschlichsten Blasphemie, dem grausten Farbton meines bisherigen Lebens, der abgrundtiefsten Abscheu vor dem was kommen mag und muss, ist eine Zeit, die genutzt werden muss. Was mir der morgige Tag bringen wird, um genauer zu sein die morgige Nacht, wage ich nicht zu erdenken. Alleine die Aussicht auf mein weiteres Dasein lässt mich erschaudern. Der Fehler, den ich begangen habe, lässt sich nicht mehr umkehren, niemand kann mir dafür die Absolution erteilen, es gibt kein Verzeihen und es gibt keinerlei Hoffnung in diesem Tal von Schmerz, schwarzer Magie und Verderben, welches ich in Kürze für den Rest meines Lebens durchwandern werde. Das ist auch der Grund, der Anlass, um diese Zeilen zu verfassen, von denen ich hoffe, dass sie die, die noch nicht diesen furchtbaren Fehler, der ihre Seele der ewigen Verdammnis zuführen wird, begangen haben, lesen werden, um danach zu handeln, um gewappnet zu sein. Diese Aufzeichnungen sollen eine Warnung an all jene sein, die noch die Möglichkeit haben das Tageslicht zu sehen, die keine Ahnung von den Untiefen der Nacht und der Verderbnis jener Kreaturen haben, die ihr teuflisches und unmenschliches Spiel mit uns Menschen treiben und das schon seit unendlich langer Zeit, abseits allen Lichtes, das sie scheuen, im Schutze der Dunkelheit und im Schutze der Unwissenheit der meisten Menschen auf dieser Erde. Ich muss mich beeilen, die Zeiger der Uhr bewegen sich langsam aber sicher auf den Abgrund zu, der sich heute Nacht öffnen wird, nur um mich in seinem bestialischen Schlund verschwinden zu lassen. Was mich auf der anderen Seite erwartet, kann ich nur erahnen und der Gedanke alleine, bringt die Feder in meiner Hand zum Schlingern, weil meine Ruhe und meine Gelassenheit, für die ich so anerkannt war, mich schon vor geraumer Zeit verlassen hat; die Entdeckung, welche ich vor einiger Zeit gemacht habe.... Aber lassen sie mich am Anfang beginnen und erst einmal erklären wer ich überhaupt bin und wie auch auf dieses abgrundtief böse und verabscheuungswürdige Geheimnis, das mit seinem bestialischen Gestank die Reinheit meiner unsterblichen Seele vergiftet und somit vernichtet hat. Ich bin das, was man heutzutage einen Profiler nennt. Ich kenne den Täter schon, bevor er noch gemordet hat. Ich weiß wer er ist, wie er denkt und was er fühlt. Natürlich kenne ich nicht sein Aussehen und auch nicht seinen Namen und ich weiß auch nicht wo er, und in den meisten Fällen sind es fast ausschließlich Männer, wohnt. Ansonsten kenne ich die Person, als wäre ich mit ihr aufgewachsen, als hätte ich mein bisheriges Leben mit ihr verbracht. Die meiste Zeit, die ich für meine Arbeit aufwende, verbringe ich in den diversen Archiven, die mir zur Verfügung stehen, in meinem Büro vor dem Computer und im seltensten Fall am Tatort. Ich stelle Überlegungen an, ich verknüpfe Daten und versuche die Ergebnisse zu interpretieren, ihnen einen Sinn zu geben, sodass am Ende des Prozesses eine Verhaftung oder eine Kugel im richtigen Kopf stehen beziehungsweise stecken. Ich kann es wagen zu sagen, dass ich auf meinem Gebiet, einer der besten, wenn nicht sogar der beste bin. Nicht selten kommt es vor, dass ich ausgeliehen werde, um der Polizei befreundeter Länder mit meinem Wissen und meiner Erfahrung beiseite zu stehen. In den letzten Jahren habe ich mir sozusagen einen Namen auf dem Gebiet der Fallanalyse gemacht, dementsprechend ist die korrekte Bezeichnung meines Berufs Fallanalytiker, bei Profiler weiß jeder aber wovon ich spreche, dank der weitverbreiteten Falschinformationen durch das heutige Fernsehen. Ich habe keine Frau und auch keine Geliebte, es gibt keine Kinder aus vergangenen Beziehungen und meine Eltern sind vor vielen Jahren bei einem Wohnungsbrand ums Leben gekommen. Ich war damals dreiundzwanzig Jahre alt, habe mich aber damals recht schnell damit abgefunden. Im Großen und Ganzen sind das die besten Voraussetzungen für meinen Beruf. Es gibt keinerlei Ablenkung und Verpflichtung der ich nachzukommen habe, es wird, abgesehen von meiner Leistung nichts von mir erwartet. Was von mir wohl auch nicht erwartet worden ist, dass ich dieses schreckliche und blasphemische Geheimnis jemals ans Tageslicht zerren würde. Doch es bleibt mir nichts anderes übrig, ich muss, zumindest in der wenigen Zeit die mir noch bleibt, mein Wissen für die rechtschaffenen Menschen aufzeichnen, denn sie sind es, die noch eine kleine Möglichkeit haben, diese Welt, wie wir sie kennen, vor dem unausweichlichen Grauen zu retten. Einer meiner Arbeitsbereiche, abgesehen von Tatorten, ist das Archiv. Ich verbringe in ihm Tage und Wochen, an denen ich versuche, Parallelen zu finden, Schlüsse zu ziehen, aus längst vergangen Zeiten und Fällen, ob abgeschlossen oder nicht, die Vergangenheit in die Gegenwart zu bringen und daraus abzuleiten, was mir jetzt womöglich weiterhelfen würde. Der Mensch an sich, der Mörder, ist stets der gleiche. Seine kranke Psyche weist dieselben abartigen Züge auf, egal zu welcher Zeit. Die Krankheit, wie ich es nenne, war dieselbe, egal ob es sich 1755 oder 2017 begab. Während meiner Recherchen komme ich auch in Kontakt mit Abteilungen, von denen die meisten Normalsterblichen, und in meinem Fall Uneingeweihten, gar nichts wissen. Es gibt Abteilungen, die im Hintergrund agieren, deren Erfolg auch eben davon abhängt, dass die meisten Menschen von ihrer Existenz gar nichts wissen. Eine dieser Abteilungen ist jene, die mir eines endlos langen Nachmittags, den ich wieder einmal in den weiten unterirdischen Gängen des umfassenden Polizeiarchivs verbracht hatte, unterkam. Ich verglich Vorkommnisse im Laufe der Jahrzehnte, deren Parameter sich ähnelten, ja die fast ident waren. Was mich daran faszinierte war, dass ein Vorfall im Jahre 1887, dieselben Eigenschaften aufwies, wie die Verbrechen eines geständigen und mittlerweile toten Serienmörders. Hans Heiner hatte 37 Menschen in einem kleinen Ort, nahe der Tschechischen Grenze, bestialisch ermordet. Das war knappe vierzig Jahre später gewesen. Doch die Vorgehensweise von Heiner, glich den Morden von 1887 wie aufs Haar. Was mich dabei aber noch stutziger machte, war, dass der Wortlaut der Protokolle fast ident war. Und es war nicht nur der Wortlaut, der dem vor knapp vierzig Jahren davor glich, wie ein Ei dem anderen. Es war die Aktenzahl, die scheinbar einem völlig anderen System als wie üblich folgte, und es war die Abteilung, der diese Akte zugeordnet waren. Der Name der Abteilung, V-III, war mir nicht geläufig, er war völlig unüblich für eine Sonderkommission und vor allem, welche Sonderkommission arbeitete über Jahrzehnte und war gänzlich unbekannt? Ich forschte also weiter, auf eigene Faust, und auch immer nur dann, wenn ich Zeit dazu fand, und stieß im Laufe der Jahre auf die Protokolle einer offensichtlichen Verschwörung. Meine Erkenntnisse aber ergaben letztendlich keinen Sinn, zumindest nicht, wenn man alles nüchtern und rationell betrachtete und nichts anderes hatte ich in meinem bisherigen Leben getan. Die einzige Erklärung, die es für mich gab war: es gab eine Spezialeinheit, die Ereignisse nachträglich nach einem bestimmten Schema änderte, um von den ursprünglichen Vorkommnissen abzulenken. Aber warum geschah so etwas und was steckte dahinter? Ich hatte bis dahin noch mit niemandem darüber gesprochen, aber nun war es an der Zeit um jemanden ins Vertrauen zu ziehen. Wie schon gesagt, ich war recht angesehen und hätte, wenn es mein Wille gewesen wäre, ohne weiteres Ressourcen zur Verfügung gestellt bekommen, um meinen Forschungen nachgehen zu können. Im Regelfall; jedoch hier war ich mir ziemlich sicher, dass wenn ich mich nicht irren würde, ich einer Sache auf der Spur war, die, würde sie mich wirklich zu dem Ergebnis bringen das ich vor Augen hatte, es wohl nicht im Interesse derer sein konnte, die dafür gesorgt hatten, dass niemand von den Aktivitäten der Abteilung V-III erfuhr. Ich vertraute mich also einem väterlichen Freund an, einem Polizeibeamten der mich in meiner Anfangszeit und nach dem Tod meiner Eltern unterstützt und gefördert hatte. Anfänglich versuchte er meine Anstrengungen klein zu reden, wollte mir einreden, dass ich mich auf einer falschen Fährte befinden würde und, dass ich es lieber wieder sein lassen sollte. Denn würde ich meine absurden Überlegungen und Schlussfolgerungen publik machen, würde man im Gegenzug an meinem Geisteszustand zweifeln und meine, mit Geduld und Fleiß über lange Jahre aufgebaute Karriere wäre mit einem Schlag beendet. Ich glaubte ihm kein Wort. Wir kannten uns schon so lange, dass ich mir ziemlich sicher war, das, hinter dem ich her war, war es wert ans Tageslicht zu kommen. Ich verabschiedete mich freundlich und entgegnete, dass ich mich, wenn es denn so sei, wie er sagte, davon wieder abwenden und meiner üblichen Tätigkeit wieder nachgehen würde. In Wahrheit aber stürzte ich mich nur noch mehr in meine Recherchen und entdeckte im Laufe des folgenden Jahres, noch viel unheimlichere Umstände, die allesamt mit dieser offensichtlich geheimen Abteilung und deren Wirken bei Vorkommnissen, die alle in einem bestimmten Zyklus stattgefunden hatten, in direktem Zusammenhang zu stehen schienen. Ich sprach weiterhin mit niemandem über meine Entdeckungen, begann aber, diverse Vorkehrungen zu treffen, denn ich fühlte mich nicht mehr all zu sicher. In meiner Wohnung war, wenn auch äußerst professionell, eingebrochen worden, meine Schränke und mein Schreibtisch waren offensichtlich durchsucht worden, und was mich daran so verunsicherte war, dass keinerlei Spuren