All inklusive - Johannes Girmindl - E-Book

All inklusive E-Book

Johannes Girmindl

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Beschreibung

Wochen in Sambita. einem All-inclusive-Club in Kroatien, südlich von Split. Kindergeschrei, freie Getränke und ein Buffet, das den Cholesterinhaushalt ordentlich durcheinander bringt. Für die einen ist es ein Leberbelastungstest, für die anderen eine Zeit fern der Heimat und dem Eheleben, tägliche Animation inklusive.

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Seitenzahl: 99

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Johannes Girmindl, 1978 in Wien geboren. Musiker und Schriftsteller, veröffentlicht im Eigenverlag Tonträger, schreibt unentwegt neue Lieder und Geschichten. Bisher erschienen: Die Moral ist eine Hure (2012), Hot Whiskey (2014), Simmering (2015).

www.girmindl.at

Alle Orte, Personen & Situationen dieser Geschichte sind frei erfunden, mir aber persönlich bekannt. Zufällige Ähnlichkeiten sind nicht beabsichtigt, aber gewollt und wohl auch nicht vermeidbar, vor allem in der Hauptsaison.

Inhaltsverzeichnis

Kleider machen Leute

Samstag Mittag

Samstag Nacht

Sonntag – Freizeit

Montag – Karaoke

Dienstag – Quiz

Mittwoch – Adam und Eva (Singleprogramm)

Donnerstag – Live Musik

Freitag – Feuershow

Samstag – Tombola

Sonntag

Montag – Karaoke

Dienstag – Quiz

Mittwoch – Live Musik

Donnerstag – Adam und Eva (Singleprogramm)

Freitag – Feuershow

Kleider machen Leute

Wenn man von Split aus auf der D8, sich weiterhin südlich bewegt, mit dem Mietwagen wohlgemerkt, kommt man durch die typischen Ferienorte, die in den Jahren nach dem Krieg und unter großzügiger Unterstützung der EU, revitalisiert wurden. Wenn sie im Laufe des Tages dort eintreffen, sehen sie die übliche Schaar an Touristen, die sich dann, in den Abend- und Nachtstunden verdoppelt, wenn nicht sogar verdreifacht; je nachdem, wo man sich gerade befindet. In den mittlerweile künstlichen Ortschaften, in denen an jedem Haus ein Schild für Apartmenti und ähnliches wirbt, dort wo am Abend mittelmäßige Musik sich mit Evergreens aus der Konserve mischt, beziehungsweise sich noch anderes Liedgut prostituiert, herrscht reges Treiben und sind die Angebote an „Party“ und dergleichen, ins Bedrängliche gestiegen; währenddessen es kleine Küstenorte, die keine offensichtlichen Strände zum In-Öl-Braten bieten, das Angebot an Kulinarik und Unterhaltung übersichtlich geblieben ist. Jedes dieser Angebote zieht eine bestimmte Gruppe von Reisenden an, und sie bleiben alle unter sich. Die, die auf der Suche nach etwas Ursprünglichen sind, das es natürlich nicht mehr in der gewünschten Form gibt, und jene, die glauben, alles würde ausschließlich für sie bereit stehen, denn dafür haben sie ja schließlich bezahlt. Beide Gruppen aber, treten die Heimreise in die gewohnte Tretmühle dann aber doch wieder auf derselben Straße an, stehen an derselben Grenze im Stau und machen schlussendlich Rast, an denselben Parkplätzen entlang der Autobahn, wo sie dieselben Toiletten benutzen; und was ihnen allen gemein ist, alle kommen sie im Auto. Die einen im Opel Corsa, wahlweise ohne oder mit Anhänger, auf dem sich, Ruderboot oder Fahrräder befinden, und die anderen im SUV, vorausgesetzt, sie sind nicht geflogen und haben sich eben den Luxus eines Mietwagens gegönnt. Die Wohnwagenfraktion zieht es vor, gleich den halben Hausstand auf Urlaub mitzunehmen und beansprucht mehr als die eigene Spur, vor allem auf den engen Küstenstraßen. Ausgenommen die alternativen VW Campingbusse, erkennbar an den veralteten Nummernschildern und den doch längeren Wartezeiten beim Grenzübergang. Kritische Blicke der Zollbeamten entscheiden über eine rasche Weiterfahrt oder eine etwas genauere Kontrolle des Fahrzeuginhalts, beziehungsweise sonstige weiterführende Maßnahmen. Auch hier gilt, und das wohl ganz besonders, Kleider machen Leute, oder eben Autos.

1 – Samstag Mittag

„Das is a Wahnsinn.“

„Ja, jetzt hör schon auf, du jammerst seit zwei Stunden.“

„Ja, weil wir seit zwei Stunden nur stehen. Da kann i gleich zu Fuß gehen.“

„Ja, dann geh.“

Die Spannung im schwarzen Ford war mittlerweile selbst für gefühlskalte Zeitgenossen spürbar. Zum allgemeinen Glück schliefen die Kinder in ihren Sitzen und trugen so wenigstens dazu bei, dass die Situation nicht ganz eskalierte. Es war ein Samstag, es war heiß und es war Sommer. Die Temperaturanzeige im Wageninneren brachte im Minutentakt eine Hiobsbotschaft nach der anderen. Es schien eine Ewigkeit her, dass kühler Fahrtwind die Gemüter einigermaßen im Zaum gehalten hatte und die offensichtliche Ausweglosigkeit der Situation drückte noch mehr auf die schon angespannte Stimmung.

„Wie kann man nur an so einem Tag fahren. Da fahren alle Trotteln, warum ned unter der Woche?“

„Weil man dort nur am Samstag einchecken kann.“

„A geh, nur am Samstag. Dann zahl ma ab Samstag und kommen erst später.“

„Ja, gut, nächstes Mal.“

„Nächstes Mal? I fahr da nie wieder hin.“

„Geh bitte, hör jetzt auf, glaubst für mich ist das lustig.“

„Na, aber wir kommen in dem Tempo wahrscheinlich eh erst am Montag an.“

„Bitte hör auf, fang ned jetzt schon damit an, mach mir das nicht kaputt.“

Um elf Uhr hatte die Sonne den Platz eingenommen, den sie die nächsten Stunden wohl nicht mehr verlassen würde. Sie tat ganze Arbeit, ließ den Asphalt zäh wie Gummi werden und erhitze die Gemüter. Zähflüssiger Verkehr mutete in dieser Situation wohl wie ein Formel1 Rennen an, die Wagenkolone auf der E 59 kam nicht vom Fleck. Jede Steigung war ein Beanspruchungstest für die Bremsen, jedes Gefälle ein Auslöser für Unmut. Bis zum Horizont reihte sich ein Urlaubsgefährt ans nächste, und es war keine Ende in Sicht. Links und rechts der mehrspurigen Fahrbahn erstreckte sich die idyllische Landschaft des Südens, gemütliche Ortschaften, weite Felder, entschleunigte Ortsansässige, die sich wohl belustigten, ob der fluchenden und schwitzenden Urlauber, die weit entfernt von ihrem Ziel, mit den besten Voraussetzungen gesegnet waren, zu Beginn ihrer hart erarbeiteten Freizeit, schon wieder in die Stressfalle zu tappen. Andererseits ließ das enge Korsett der gesetzlichen Sommerferien nicht viel Spielraum für Familien mit schulpflichtigem Nachwuchs. Die Eltern schworen sich, nächstes Mal mit dem Flugzeug zu verreisen, beziehungsweise, wenn die Kinder aus dem kritischen Alter wären, sich alleine und nicht in der Hauptsaison, auf Reisen zu begeben. Später einmal. Doch es schienen nicht alle hier ihren Humor verloren zu haben. Aus einem Autoradio, mit Betonung auf den Bass, dröhnte Last Christmas von Wham. War es eine geplante Aktion um die Stimmung aufzulockern oder doch nur Zufall, für kurze Zeit jedoch schneite es, und es war fühlbar kühler. Alles nur Einbildung, doch zumindest funktionierte sie solange, bis Udo Jürgens Urlaub im Süden trällerte; als wäre er vor Ort und säße selbst am Steuer. Mittlerweile waren einige der Beifahrer und Mitfahrer ausgestiegen und spazierten neben den stehenden Autos dahin. Tromboseprophylaxe. Die Beine vertreten. Und man konnte sich sicher sein, hatte man eine bestimmte Wegstrecke hinter sich, die Wagenkolonne war auch vorangekommen, begrüßten einen vertraute Stimmen aus einem vorbeifahrenden Wagen, der keine hundert Meter weiter, verlässlich auf den Spazierer wieder warten würde. An den Abfahrten zu den Rastplätzen gab es Konflikte, das Reißverschlusssystem schien hier wohl niemand zu beherrschen, oder es sah sich jeder als erster, und das konnte natürlich nicht funktionierten. Die Wortwahl ließ zu wünschen übrig und so mancher verriegelte seine Türen ob der Aggressionen der anderen Verkehrsteilnehmer.

Mittlerweile waren auch die Kinder wieder munter und stellten die adrenalinfreisetzende Frage: „Sind wir schon da?“

„Nein, das dauert noch doppelt so lange wie jetzt. Muss wer aufs Klo?“

Alle mussten. So parkte der schwarze Ford und die traute Familie strömte aus. Manfred Bauer machte sich auf den Weg zum Kiosk um seine Biervorräte aufzustocken, mit derartiger Dehydration hatte er nicht gerechnet. Die wenigen Dosen die er mitgenommen hatte, mussten wohl mittlerweile verdunstet sein. Der einzige Lichtblick an diesem Tag, waren für ihn wohl die Preise. Keine Urlaubsschnäppchen, nein, hier wurde der Tourist kräftig zur Kasse gebeten, aber immer noch billiger als daheim. Also, was sollte es. Die Kinder hatten mittlerweile ihren Bedürfnissen freien Lauf gelassen und kamen erleichtert mit Silvia Bauer im Schlepptau angelaufen. Eis, logisch. Eis war drinnen, bei den Preisen, das Angebot musste genutzt werden. Kurz darauf saß Familie Bauer wieder im schwarzen Ford und versuchte die Ausfahrt auch in deren vorgesehenem Sinn zu nutzen.

„Schau dir diese Arschlöcher an, kommen eh ned weiter, aber lassen niemanden rein, als wärens früher dort.“

„Ja, wie zuhause, kennt ma ja.“

„Ja, aber schau, das sind alles Deutsche.“

„Naja, weißt ja wie die fahren.“

„Eh, und wir stehen um fünf auf, damit wir ned in den Hauptreiseverkehr kommen und wo sind wir jetzt? Mitten drin.“

„Jetzt fang nicht wieder damit an, das ändert doch nix.“

„Na, eh ned, aber i reg mich auf.“

„Und trink ned so viel.“

„Na soll ich austrocknen?“

„Nein, aber du könntest was anderes trinken.“

„Ich trink eh auch Wasser.“

„Ja, auch.“

„Na eben.“

Die weiteren Kilometer lief das Autoradio und die Kinder wiederholten ihre beiden Fragen. „Wie lange noch?“, und „Sind wir bald da?“

Zur selben Zeit herrschte reges Treiben am Zielort selbst. Es war An- und Abreisetag. Das bedeutete, dass die Appartements einer Grundreinigung unterzogen werden mussten, die Zimmer im Hotel selbst zumindest einmal in der Woche gesaugt werden mussten und die zweite Charge der Animation sich vorstellte. Politisch korrekt waren das Silvana Blima, Ilona Cuko, Micael Istock und Slobo Kosturica. Die erste Partie hatte ihr Urlaubsbudget aufgefettet und war nun unterwegs, in neuer Konstellation den Sommer zu genießen, so lange man noch jung war. Die vier neuen Ressortunterhalter bezogen einen Bungalow mit zwei Zimmern und richteten sich erst einmal häuslich ein. Die strenge Geschlechtertrennung würde wohl in den nächsten Tagen aufgehoben, und in Zweckbeziehungen umgewandelt werden. Zwei Monate konnten lange sein, fern der Heimat und fern von vertrauten Gesichtern.

„Und wie schaut es bei euch beiden aus?“

„Gut, wir sind gleich fertig, wir könnten dann den Plan erstellen.“

„Ach was, das können wir am Abend auch noch. Ich würde vorschlagen, wir gehen mal zum Strand und schauen, was es hier alles gibt.“

„Wasser?“

„Ja, aber wir könnten die Temperatur einmal testen.“

„Ist gut, wir ziehen uns unserer Badesachen an, dann kommen wir.“

Slobo Kosturica verließ den Raum und kehrte in das andere Schlafzimmer zurück, wo Micael Istock gerade seine Sporttasche in den Kasten stellte.

„Alles gecheckt. Sie kommen mit.“

„Wird auch gut sein, wir müssen ja wissen, worauf wir uns da einlassen.“

„Eben, keine Versteckspiele, offene Karten.“

„Genau, wer will die Katze im Sack?“

„Im eher nicht, am schon.“

„Ach, das wird schon, welche willst du?“

„Abwarten, ich will mich erst vorinformieren, rein optisch.“

„Alles klar.“

Die jungen Damen betraten das Zimmer und ihre Kollegen verstummten. Ihre Stimmung hellte sich aber umgehend auf, als sie die beiden in ihren Bikinis und kichernd im Zimmer stehen sahen. Weniger Stoff wäre wohl nicht mehr jugendfrei, der Sommer konnte also umgehend beginnen.

Die Mittagssonne hatte den Sand zu einem glühend heißen Erlebnis gemacht und die schnellen Tappser der vier Beinpaare zeugten davon. Badetücher wurden aufgelegt und umgehend war die Szenerie von idyllischer Meeresbucht zu Eis am Stiel gewechselt, welcher Teil auch immer. War es Absicht, dass Slobo eine weiße Badehose trug, die, nach Wasserkontakt, seinen üppigen Stolz noch besser zur Geltung brachte, oder hatte er sie aus dem Grund gewählt, seinen gebräunten Körper mehr zu unterstreichen. Eigentlich war es egal, beides machte mächtig Eindruck auf Ilona Cuko und so stand die Zimmereinteilung fest. Micael Istock und Silvana Blima fügten sich, vorerst. Die vier verbrachten die nächsten Stunden im Wasser und auf ihren Badetüchern, deren Anordnung sich mittlerweile den hormonellen Präferenzen gefügt hatte. Danach, und noch vor dem Abendessen, bestand Silvana Blima aber darauf, den Plan für die nächsten Wochen auszuarbeiten. Kein aufwändiges Unterfangen. Es musste ein Programm für sechs Tage gefunden werden, das sich Woche für Woche wiederholen würde. Sonntag war frei. Im Grunde genommen ging es um sportliche Betätigung und ein wenig Kinderbeschäftigung. Die Kleinen waren genau so dankbar wie ihre Eltern. Eine Schatzsuche, ein wenig Gebastel, so etwas in der Art eben. Das Abendprogramm war zum Großteil ohnehin vorgegeben. Alleinunterhalter, eine Feuershow, unverfängliches Entertainment für den gestressten Stadtmenschen, der im Urlaub unterhalten werden möchte und sich bedienen ließ.

2 – Samstag Nacht

„Ob wir zu spät sind?“

„Zu spät? Ich meine es ist halb zwölf, es geht sich also heute noch aus, was solls, für den Stau können wir nichts.“

„Ok, ich geh hinein, gibst du mir die Unterlagen?“

„Ja, hier. Ich werde Daniel wecken.“

„Ach lass ihn doch schlafen.“

„Und wie soll er in unseren Bungalow? Soll ich ihn tragen, er ist siebzehn, den trag ich nicht mehr.“

„Ja, weck ihn.“