Komplett - Johannes Girmindl - E-Book

Komplett E-Book

Johannes Girmindl

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Beschreibung

Leichen pflastern ihren Weg. Noch nie war die Verwüstungsspur im Musikgeschäft eine breitere. Von Wien über Mariazell nach Graz und in die Brigittenau. Endlich komplett, alle neun Schneidakrimis! Mord am Möllplatz Endreinigung Familienausflug Sekundenschlaf Untergrund Eine Weihnachtsgeschichte Eine Dame verschwindet Wallfahrt Finale

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Inhaltsverzeichnis

Mord am Möllplatz

Endreinigung

Familienaufstellung

Sekundenschlaf

Untergrund

Eine Weihnachtsgeschichte

Eine Dame verschwindet

Wallfahrt

Finale

Mord am Möllplatz

Alle Handlungen und Personen, Orte und Getränke, sind frei erfunden, lediglichlich deren Eigenschaften wurden übernommen, ansonsten ist alles wahr!

1 – A Leich

Es liegt in der Natur der Sache, dass der Musikant, der es ja grundsätzlich schon schwer hat, noch dazu angeschlagen vom Vorabend und der daruf folgenden Nacht, sich auch noch am selben Ort und zur selben Zeit wie seine Kollegen einfinden muss. Wer probt verliert, lautet die von Generation zu Generation weitergegebene Weisheit. Nun ist es aber so, dass es in jeder Band zumindest einen Ehrgeizigen gibt, jenen nämlich, der vom Gedanken des Erfolgs beflügelt, seine Kollegen zu Höchstleistungen antreiben möchte, immer das Ziel vor Augen, einmal selbst so wie, ja wer eigentlich zu sein. Er hat es aber auch nicht immer leicht mit den anderen, sich mit ihnen abzukämpfen, sie zu motivieren oder sie einfach mitzuschleppen. Aber wohin? Ins Rampenlicht. Viel zu grell. Der Künstler scheut es ja eigentlich, den Möchtegernkünstler zieht es aber dorthin wie die Motte zum Licht. So bleibt der Künstler lieber im Hintergrund. Der dritte im Bunde, dem beides recht ist, grelles Licht oder die Kunst an sich, findet sich grundsätzlich mit vielem ab. Solch eine Konstellation, so grotesk sie auch anmuten mag, ist eine überaus fruchtbare, lebt sie denn auch aus dieser Spannung heraus. Und wenn es auch heißt: kommts näher, allzu nahe sollte man sich nicht ans Epizentrum heranwagen.

Wenn man beim Othmar rauchen möchte, so tut man das gefälligst im Freien. Wurde auch der häusliche Eingangsbereich diesbezüglich schon des öfteren geschändet, so gilt trotzdem die Regel, draußen bitte. Bietet diese kurze Unterbrechung der hoch konzentrierten Übungsstunden ja auch eine willkommene Verschnaufpause, und das im wahrsten Sinne des Wortes.

Es ist also wieder einmal Rauchpause und die Herren Dylan und Girmindl zündeln äußerst knapp an ihren Mündern herum. Dylan, ein australischer Wildhüter, der, nachdem ein Großteil seines üppigen Fuhrparks einem Dingoüberfall zum Opfer gefallen war, nach Neuseeland emigrierte , dort aber, aufgrund seiner doch etwas ungehobelten Art, vor allem aber wegen seiner australischen Aussprache, gelinde gesagt, gemobbt wurde, nach Europa flüchtete, um sich dann, nach mehreren Zwischenstopps in Wien niederzulassen. Mr Girmindl ist nicht ganz so weit herumgekommen, geklärt aus dem Simmeringer Urschlamm, nun unter der Aufsicht des Niederösterreichischen Landesfürsten residierend, gibt es in seiner Vita, den einen oder anderen Eckpunkt, der hier aber nicht einfließen darf.religion und Kirche müssen nun einmal streng getrennt betrachtet werden. Dass die beiden nun, nachdem sie siebzehn neue Songs, welche Othmar die letzte Nacht geträumt hatte, in fünfunddreissig Minuten durchgespielt haben, ihre Flimmerhärchen und Lungenbläschen neu teeren müssen ist wohl selbstverständlich. Othmar, der wieder einmal sagt: „da rührt sich was in mir“, sucht die hauseigene Toillette auf.

An der Rückseite des Hauses, hinter den Büschen und ans Nachbargrundstück angrenzend, befindet sich ein Nebengebäude, ein Schupfen wie man hier noch sagt und es auch versteht. Die Tür des Schupfens steht grundsätzlich offen. Heute aber war sie verschlossen. Und da eine kleine Unregelmässigkeit in der gewohnten Umgebung, die Aufmerksamkeit auf sich zieht, springt dieser Umstand Mr Girmindl ins Auge. Er sagt aber nichts, da sich in diesem fall die gesamte Überlegung im Unbewussten abspielt. Ebenso unbewusst holt sich Dylan ein weiteres Bier aus dem Eiskasten, in dem zur Abwechslung wieder einmal das Licht brennt. Während Mr girmindl also alleine im Garten steht und die fremdgedrehte Zigarette, die zum zigsten Mal wieder ausgegangen war, erneut zum Glimmen bringt, tut er die wenigen Schritte bis zum Schupfen um beiläufig hineinzusehen. Geschlossene Türen sind ja grundsätzlich interessanter als offene oder Glastüren, durch die man ohnehin hindurchsehen kann. Hier sah er aber vorserst gar nichts. Seine Augen mussten sich erst einmal an das Dunkel gewöhnen.

Nach weiteren zwanzig Nummern, die der Girmindl kontinuierlich versemmelt, endet das Spektakel. Die drei Herren unterhalten sich noch über irgendwelche Pickerldesigns und das wars. Es wird sich verabschiedet und wird gegangen. Um die Ecke, auf dem zur Schnellbahn bleibt Girmindl aber stehen und muss Dylan über eine Entdeckung unterrichten, die er im Schupfen gemacht hat.

*

„Ja, a Leich, wenn ich doch sag.“

„Wieso soll dort a Leich liegen?“

„Na woher soll i denn das wissen.“

„Und der Othmar ist der Mörder, kann i mir gar ned vorstellen.“

„Vorstellen, vorstellen. Ich hab die Leich gsehn, die liegt glei hinter der Tür.“

„Aber wieso sollt beim Othmar a Leich im Schupfen liegen.“

„Heast, ich weiß es nicht. Auf jeden Fall müss ma wos tuan.“

„Wieso?“

„Na willst, dass beim Othmar die Leich finden?“

„Du glaubst, der Othmar war des?“

„Keine Ahnung was der so treibt, die Leich muass weg. Der geht sunst in Häfen.“

„Aber wenn er nix gmacht hat?“

„Waaßt du des?“

„Na, aber des is so absurd.“

„Was is dort ned absurd?“

„Ok, was mach ma?“

„Na wir miassn die Leich wegbringen?“

„Was bitte?“

„Weg vom Othmar.“

Mr Girmindl hat Dylan gleich auf dem Weg zur Schnellbahn von seiner Entdeckung unterrichtet. Die beiden sitzen jetzt im Bahnhofslokal Leopoldau und trinken ein weiteres Bier. Es muss etwas geschehen. Ein Gig steht ins Haus, der Othmar darf nicht fehlen, ausserdem ist er ja der Booker, also auch sonst noch recht brauchbar in dieser Konstellation. Ein Plan muss her, ein wasserdichter.

2 – Kalter Kaffee

„Herr Othmar!“

„Ah, Herr Nachbar, san sie a do?“

„Ja, Herr Othmar, das sehns ja.“

„Na weil wir sehen uns ned so oft.“

„Ja, eh. Aber Herr Othmar, hams kurz Zeit?“

„Ja, i hab immer Zeit. Was gibt’s denn?“

„Kann ich kurz reinkommen? Ich möchte das nicht auf der Strasse besprechen.“

„Was gibt’s denn, war ma zlaut gestern? Oder hat die Katz wieder in ihren Garten gschissen?“

„Na Herr Othmar, was anderes, was Ernstes!“

„Was Ernstes? Na kommens rein.“

Der Othmar öffnet das Gartentor und Herr Kriwanez, sein Nachbar, der schon um einiges länger als Othmar hier wohnt kommt in den Garten. Beide gehen den mit Steinplatten bepflasterten weg entlang, an Rosen vorbei und kommen in den kleinen, aber gemütlichen Wintergarten.

„Setzens ihn ruhig nieder, wollens was trinken? Der Kafffee ist grad durch.“

„Na, Kaffee hab i scho. Da trink nur an am Tag. Aber wenns an Schnaps hätten…“

„Ja, hab i a.“

Othmar geht um kurz darauf mit einer nicht ettiketierten Flasche und einem Glas zurückzukommen.

„Der is no vom letzten Urlaub. A ganz a guada!“

Das Glas wird befüllt und umgehend vom Nachbarn gelehrt. Othmar schnekt nach und sich selbst einen doppelten in den Kaffee. Es ist zwar erst elf Uhr am Vormittag, quasi Morgengrauen für den Othmar, jedoch ist heute am Abend keine Konzert und auch keine Probe, da ist die Tagesplanung flexibler.

„Also, was gibt’s so dringliches, dass das nicht auf der Strasse geht?“

„Herr Othmar, wie gut kennen sie die zwei, die gestern da bei ihnen waren und diese faden Lieder gespielt haben?“

„Naja, wie gut, eigentlich ganz gut? Wieso?“

„Na san die vertrauenswürdig?“

„Vertrauenswürdig, wie kummens auf sowas? Der eine kommt zwar aus Neuseeland, aber ansonsten is er ok. Er wirkt zwar auf den ersten Blick ein bissl wie ein Draufgänger, weil er a immer sovü schimpft; jedes zweite Wort is Fuck, aber ansonsten, a patenter Kerl.“

„Was sagt der, Pack?“

„Na, Fuck, das is so wie, Scheiße.“

„Aha, und der andere, des Müchgsicht mitm Kapperl?“

„Der Girmindl, a schwierige Persönlichkeit, aber im Kern a lieber Kerl, a bissl unsicher und zerrissen manchmal, weil erm immer was einfällt. Und wissens ja, wenn an immer was einfoit, is a manchmal a Schaaß dabei. Aber trotzdem, beide voll ok!“

„Ich waaß ned, Herr Othmar. Manchmal kennt ma wen lang gnuag, dass ma drauf kummt, ma kennt erme eigentlich gar ned.“

„Ja, des gibt’s scho, aber mit die hat ma a Hetz, die san ok, da könnens ma glauben. Aber um was geht’s jetzt, hams was angstellt?“

„Vielleicht.“

„Na ruckens schon raus damit, hams wohin gschifft, die san vielleicht übermütig, trunken ham ma ja a was.“

„I weiß ned ob ma das übermütig nennen kann. Die ham wen umbracht.“

„Wos?“

„Die ham gestern wen umbracht, i habs selbst gsehn.“

„Des is a Bledsinn, die ham niemand umbracht.“

„wenn i ihnen aber sag, i habs gsehn, mit meine eigenen Augen.“

„Derf ich dann fragen warums zu mir kommen? Weil wenn die wen umbringen und sie sehns, dann müsstens ja zur Polizei.“

„Ja, eh. Aber i hab mir dacht ich sags ihnen zerst. San ja ihre Freund.“

„Naja, Freund hin oder her, wenns wen umbringen, warum auch immer, dann ist das ja ned nix.“

„Eh ned, es gibt da aber a klans Problem.“

„Das wär a großes Problem, tät ich da jetzt einmal sagen, obwohl i fest davon überzeugt bin, dass sie sich irren.“

„Na, so leicht is ned. Trinkens lieber no an Schluck von ihrem Turbokaffee und schauens, dass guad sitzen.“

„Ja, sagens doch schon was is, nix is so schlimm wias Warten.“

„Herr Othmar, die ham wen umbrocht und die Leich durtn aufs Bankerl glegt.“

„Geh bitte, hearns auf damit. Wos fia a Bankerl.“

„Na des da fuan, am Möllplatz, des in der Wiesn.“

„Hörns, i war grad vorher im Garten, und da siech i hin auf des Bankerl, aber da war niemand. Ka Leich und sunstn a kana.“

„Ja, weil die Kieberei scho da war in der Fruah.“

„Da hab i no gschlafen.“

„Ja, schaut ganz so aus. Wann stengan sie eigentlich auf?“

„Wenn i munter werd. Oder i hab an Termin. Aber heut hab i kan Termin.“

„Sie glücklicher; auf jeden Fall hab ich ihnen das sagen müssen. I wü nix ztuan ham mit der Polizei, das sind ihre Freund, kümmerns sie sich um die.“

„I wü a nix ztuan ham mit der Polizei. Erzählens mir das jetzt noch amoi genauer, was ham sie gsehn?“

„Na gestern, sowas uma elfe, i hab an Zigarettenspaziergang gmacht, i wü zhaus ned rauchen, stinkt ja furchtbar. Na und wie i da geh, siech ihre zwa Freund. I denk ma nix, geh weida, dann stellen diese riesen Taschen ab und kreuln bei ihna übern Zaun.“

„A Bledsinn, die könnten ja läuten, wenns erst elf war. Ausserdem san die um halb zehn scho weg. Der Dylan war wieder vernüftig, der Girmindl hät eh weitergsoffen, aber der muaß jetzt sei Ehe retten, das ist wahrscheinlich des anzige wos erm wichtig is grad.“

„Hurchens ma zua, die kraxeln also übern Zaun, und i denk ma no, hams wos vergessen oder was, und kurz drauf sans wieder da, mit ana Leich. Wos glaubens, wia i mi daschrocken hab.“

„Ja, aber das muass was anderes gwesen sein. Ja, es is scho komisch, dass die da ummekräuln, aber a Leich. Und woher soll die sein, wenns da bei mir warn? I hab kane Leichen im Keller, i hab ned amoi an Keller.“

„Hörns, Herr Othmar, ich weiß auch ned woher die Leich her sein soll, aber i waaß wos i gsehn hab. Vielleicht wars im Garten, oder im Schupfen.“

„In mein Schupfen is vü, aber sicher ka Leich. Ja, vielleicht ghört amoi zsammgramt, aber das Zeit bis wieder wärmer wird.“

„Ihr Schupfen ist mir egal, Herr Othmar, kümmerns ihna um ihre Freund, da stimmt was ned mit denen.“

„Ja, kann scho sein, dass da was ned stimmt, aber a Leich? I glaub des immer no ned so ganz.“

„Sie ham ja no ned alles ghört, Herr Othmar. Die ham die Leich umme zur Bank, dort hams as hingsetzt, und dann sans weg. Mit ihre Taschen.“

„Aber i hab ihna doch gsagt, dass die scho um halb zehn weg san, wengan Zug und allem.“

„Herr Othmar, i kann ihna nur des sogn, was i gsehn hab. Und i hab mir dacht, es san ihre Freund, kümmerns ihna um die.“

„Und die Polizei war da?“

„Ja, sowas um hoiba sechse.“

„Hoiba sechse? Pfui Teife!“

Othmar nimmt jetzt einen Schluck direkt aus der Flasche. Ob es an der Erwähnung der frühen Stunde liegt, oder an der ganzen Angelegenheit, wir wissen es nicht und werden es auch in dieser Geschichte nicht erfahren. Dann sagt er: „ok, ich kümmer mich drum. Ich weiß zwar noch ned wie, aber i kümmer mich drum. Die Polizei wird ja wahrscheinlich auch Befragungen durchführen.“

„Ja, wahrscheinlich. I hab ned aufgmocht, wies gläut ham. Bei ihnen hams glaubt, sie san in der Hockn.“

„Um hoiba sechse? Na!“

„Herr Othmar, i werd jetzt geh. Nix für ungut, schauns halt auf ihre Freund. I hab nix gsehn und hab nix ghört, aber sie müssen jetzt wissen was tuan. I bin a Pensionist, und wenn i die zwa verpfeif und sie kummen zu mir, was soll i tuan. Dann bin i Uhrwerk Orange.“

„Wos san sie?“

„Na der Füm, wos den so in die Goschn haun.“

„Aso. Aber na, die zwa san ned gewalttätig.“

„Naja, dann is die Leich an an Hitzschlag gsturbn, im November?“

„A Leich kann ned sterbn. Aber wurscht.“

„Sie sagen es, Herr Othmar. Wurscht. I geh jetzt, i find den Weg scho. Danke fian Sprit, a bissl herb.“

„Ja, des ghört so. Und stolperns ned über a Leich beim Gehen.“

Den letzten Satz, ein wahrliches Meisterwerk an Galgenhumor, hört der Nachbar nicht mehr. Er ist bemüht, schnell den Ort des Geschehens zu verlassen. Othmar sitzt etwas verstört auf seinem Sessel. Was ist an dieser Geschichte dran. Hat der Nachbar Halluzinationen? Kann das wahr sein. Und wieso sollte auf Othmars Grundstück eine Leiche liegen. Und wie kommt die dahin? Und was haben die zwei restlichen Drittel Schneida damit zu tun? Gut, Musiker sind ein eigener Schlag, aber muss man nicht, ein wenig zumindest, sagen wir einmal, anders sein, wenn man Künstler ist. Woher sollen denn all die Geschichten kommen, von denen die Lieder handeln. Gut, das Leben gibt einiges her, aber vieles ist natürlich auch Dichtung. Da fällt ihm dieser neue Song ein, den gerade einstudieren. Tagsüber. Alles Erfindung? Ein Körnchen Wahrheit steckt doch immer in solchen Texten. Oder ist es einfach ein sich von der Seele schreiben um gerade nicht so zu sein. Das alles verwirrt Othmar mehr und er geht zum Eiskasten, in dem endlich wieder Licht brennt, um sich das erste Bier des Tages zu holen. Der Kaffe darf kalt werden.

3 – Sicher ist sicher

Am nächsten Morgen sitzt die Hanna schon beim Tisch als der Othmar verschlafen aus der Küche kommt.

„Du Othmar, weißt was passiert ist. Da war a Toter. Da glei gegenüber. Hab ich heute in der Zeitung gelesen.“

„Heut? Wie spät ist es denn?“

„Geh Othmar, es ist zehn.“

„Ah eh erst.“

„Also noch einmal. Da hams gestern einen Toten gefunden, da drüben glei, auf dem Bankerl.“

„I woars ned, wennst das meinst.“

„Geh hör auf damit, da macht ma kann Spass. I fürcht mich jetzt direkt, wir wohnen ja da.“

„Ja, eh. Aber vor was hast jetzt Angst?“

„Na, dass da a Mörder herumrennt.“

„Geh bitte, die meisten Morde san Eifersuchtsmorde und passieren in der Familie. Da miassat i di ermorden.“

„Hör auf mit dem Bledsinn.“

„Eben, also brauchst ka Angst ham.“

„Trotzdem ist das beunruhigend.“

„Was passiert, kann ma si ned aussuchen. Wir können versuchen was ändern oder damit umgehen. Wir sperren eh immer ollas zu. Und was wü wer schon von uns? Wir ham ja nix und Feinde? A poa Grantler vielleicht, die tuan nix.“

Hannah und Othmar beschäftigen sich nun damit ihre Freunde durchzugehen, ob es jemanden gibt, der vielleicht etwas gegen einen der beiden haben könnte. Das Ergebnis ist relativ mager. Musikerfreunde denen die Gigbuchungen zu wenig sind? Kann nicht sein, im Gegenteil. Klar gibt es den einen oder anderen über den man sich hie und da lusig macht, aber umso näher man der Sache kommt, umso unglaubwürdiger wird es. Sie beschließen einfach, den Tag zu beginnen. Der Rest wird sich weisen, wie üblich.

Zu etwa selben Zeit geht Herbert Kriwanez argwöhnisch vorbei. Er lässt den Blick über Othmars Vorgarten schweifen, wendet sich ab und geht weiter. Drei Häuser weiter trifft er den jungen Herrn Thomas. Kriwanez kennt ihn zwar nur vom Sehen, spricht ihn aber trotzdem an.

„Arg was da passiert ist.“

„Ja, warum?“

„Naja, a Toter glei vor der Haustia…“

„Ja, aber ned vor meiner. Was war mit dem?“

„Keine Ahnung, in der Heute steht, dass erm daschlogen ham.“

„Daschlogn, aha. Aber da? Vor alle Leut? Die Bank steht ja mitten am Glacis.“

„Ja, vielleicht wars ja gar ned do.“

„Was meinens denn.“

„A geh, nix.“

„Nana, sie wissen wos. Rückens raus damit.“

„Ich weiß gar nix. Und es ist mir auch lieber so, was hab i damit zu tun? Nix!“

„Ja, aber sie haben doch was angedeutet…“

„I hab gar nix; i muass weiter. Scheen Tag noch.“

Thomas Vitula schaut dem alten Kriwanez nach. Was macht der für Andeutungen. Hat das was zu bedeuten, und warum erzählt er es gerade ihm?

*

Es ist ein kühler Herbsttag, an dem jeder am liebsten daheim bleibt. In seiner Wohnung im 5. Wiener Gemeindebezirk sitzt Dylan vorm Computer und beschäftigt sich mit seiner Lieblingsaufgabe. Das Filtern von Konzertfotos. Eine besondere Herausforderung, ist es doch auf der Langweiligkeitsskala ein patenter Titelverteidiger und eine asketische Geduldsübung, nichts wäre jetzt angenehmer als ein Bier. Es ist jedoch erst zehn Uhr vormittags und Dylan besitzt ein gewisses Maß an Disziplin; noch. Die Geschichte mit Othmars Leiche ist aber eine weiter Prüfung, die über seinem Haupt schwebt wie das Schwert des Damokles. Insgeheim hofft er, dass es nicht heruntersaust. Vielleicht wäre es eine Überlegung wert, Othmar direkt darauf anzusprechen. Konfrontiert mit einem solchen Vorwurf, würde diese sicher nicht Zuflucht in Ausflüchten suchen können. Abgesehen davon, weiß er ja was Sache ist. Er hat die Leiche ja selbst gesehen, und eben nicht nur das. Das bringt ihn dazu, dem Girmindl eine Nachricht über Facebook zu schicken. „Wir müssen zum Othmar und mit ihm reden“, lautet die kurze, aber für Eingeweihte, aussagekräftige Anweisung. Die Antwort vom Girmindl ist eine Frage, auf die er eigentlich keine Antwort möchte. „Wann denn, is eh Probe nächste Woche.“. Da sitzt er nun, der Dylan und weiß, der Girmindl möchte nicht. Also nervt er nicht weiter, sondern fährt damit fort, die Photos zu ordnen, in die obskursten Kathegorien. Die nächsten Tage werden für ihn rastlose Denkübungen sein, er wird Überlegen anstellen, jedoch zu keiner Erkentniss kommen. Ein Gespräch mit dem Hauptverdächtigen ist unausweichlich.

4 – Eine zweite Leiche

Der nächste Tag bringt eine weitere Leiche. Herbert Kriwanez sitzt leblos auf schon erwähnter Bank am Möllplatz und hat eine blutverkrustete Wunde am Hinterkopf. Die Spurensicherung hat den möglichen Tatort mitlerweile freigegeben und die wenigen Schaulustigen zerstreuen sich und gehen ihrer Wege. Beim Othmar sitzt die Hanna am Frühstückstisch und ist noch nervöser als am Vortag. Was ist hier bloß los? Ein Flecken am Rande Wiens, wo sich Fuchs und Hase gute Nacht sagen, und jetzt zwei Leichen in kürzester Zeit und das dann auch noch direkt vor der Haustüre. Kann man denn nirgens seiner Haut mehr sicher sein?

„Du Othmar, fahr ma weg.“

„Wieso willst wegfahren?“

„Na ich fürcht mich wirklich. Ich möchte nicht morgen dort drüben sitzen.“

„Geh bitte, das hat doch nix mit uns zu tun. Und schon gar ned mit dir.“

„Schon gar ned mit mir, und was hats mit dir ztuan?“

„Eigentlich nix.“

„Eigentlich? Ich kenn dich doch, was heißt eigentlich?“

„Gar nix, heißt eigentlich. Lass mi in Ruah jetzt.“

Die Hanna weiß, dass jetzt Hopfen und Malz verloren ist. Sie raucht sich eine an, während der Othmar in sein Musikkammerl geht. Dort stapeln sich in Regalen bis an die Decke diverse Ton und Bildträger aus dem letzten Jahrhundert. Die Songwriter geben sich die Hand die Countryoutlaws lugen gefährlich aus ihrem Fach. Othmar setzt sich an seinen, selbstverständlich auch mit diversesten Musikalien bestückten Schreibtisch und informiert sich darüber, wer wen gerade liked. Vernetzung ist wichtig in dieser Welt. Dann googelt er, Möllplatz Mord und diverse andere Kombinationen. Aber die einzigen Einträge die kommen sind die Berichte in den gestrigen Tageszeitungen. Ansonsten nichts. Auch kein Querverweis zu Dylan und Girmindl. Der Othmar ist sich mittlerweile nicht mehr so sicher ob die beiden wirklich unschuldig sind. Aber was ist in die beiden gefahren. Aggressiv waren sie ja wirklich nie, und wieso sollten sie hier jemanden ermorden. Und wieso ist die Leiche bei ihm im Garten gewesen. Und ausserdem haben sie den späten Nachmittag bis am Abend ja geübt. Was war passiert in der Stunde zwischen ihrem Gehen und ihrer Rückkehr. Und warum setzen sie die Leiche auf die Bank. Das ergibt alles keinen Sinn. Aber auch wenn es keinen Sinn ergibt, so liegt es trotzdem im Bereich des Möglichen. Daran möchte Othmar aber gar nicht denken. In zwei Wochen ist die Graz-Premiere von Schneida. Einige Freunde haben sich schon angesagt, das darf nicht ins Wasser fallen. Aber kann er schweigen. Schon, aber ist das auch in Ordnung. Ist es nicht seine Pflicht als Staatsbürger die Behörden zu informieren. Das kostet ihn einen Lacher. Er schaltet den Bildschirm aus und geht wieder zur Hanna. Die ist beim dritten Tschick und nun nicht mehr so nervös wie vorher. Der Othmar nimmt das neue Dave Alvin aus der Hülle, die limitierte Special Edition und legt es in den kleinen CD-Player. Twang.

„Gott sei Dank machst a Musik. Wenns ganz still ist und draussen der Wind geht, fürcht ich mich gleich wieder.“

„Geh bitte, fürcht di ned. Ich hab dir doch gsagt, dass das nix mit dir ztuan hat. Und rauch ned scho wieder so vü, stinkt ja im ganzen Haus.“

„Aber die anderen können rauchen wenns da sind….“

„Die rauchen a draussen, ausser es regnt. Und des weiteren san des Gäste, also bitte. Spiel ned die Beleidigte.“

„Na eh ned Othmar. Aber, dass das alles komisch ist, das verstehst schon?“

„Ja klar versteh i des. Glaubst i find das lustig. Aber was soll i tuan?“

„Naja, aufpassen auf mi.“

„I pass eh auf auf di.“

*

„Wir müssen was unternehmen. Es gibt jetzt schon eine zweite Leich. Der Othmar muss durchgedreht sein.“

Dylan und Girmindl sitzen im Johnnys und nützen die Happy Hour. Heute ist keine Probe, der Zweck heiligt aber die Mittel und deswegen einigen sich beide auf eine dringliche Lagebesprechung bei gleichzeitigem Besäufniss.

„Aber bitte was sollen wir machen? Zur Polizei gehen?“

„Na, in letzter Konsequenz vielleicht. Wir müssen mitm Othmar reden. Klar und direkt. Wenn ers war, dann fällt er eh um, der is ka kaltblütiger Killer.“

„Eben, deswegen ist es umso gefährlicher. Wir wissen überhaupt nicht was da abgeht bei ihm. Vielleicht hat er a zweite Persönlichkeit oder was.“

„Ja, vielleicht, bei dem Durscht. Nein, Ernst beiseite, was machen wir?“

„Du drahst mir eine und ich hol die nächste Runde, was sonst.“

Der Girmindl ist ein notorischer Schnorrer und hat selten bis gar nicht Zigaretten. Gut, die zwei, drei Monate wo er am Zahnfleisch daher kam, weil er glaubt hat er könnt bald wieder Single sein, da war er treuer Kunde in der kleinen Trafik in Möllersdorf. Kaum geht’s bergauf aber, schnorrt er sich wieder durchs Leben. Wir reden aber jetzt nicht weiter über ihn, weil er kommt grad mit einem Stiegl und einem Guinness zum Tisch. Auf seinem Platz liegt die penibel gedrehte Zigarette, die er sofort ergreift, und sie sich auch mit Dylans Feurzeug anzündet, wenn schon denn schon.

„Also, was mach ma?“

„Naja, wir sagen wir Proben bei dir. Der Othmar hat doch eh nix ztuan jetzt. Der soll kommen. Und dann stellen wir ihn zur Red.“

„Ok, ja, die Ulli ist heut eh länger nicht da. Das geht si aus.“

„Was geht si aus, dass uns als Leichen findt?“

„Mr Girmindl, jetzt is Pause fia di. rauch mein Tschick und trink dein Bier. I call Othmar.“

*

„Dass ihr heut proben wollts, bei dem Wetter.“

„Na so schlimm is a ned.“

„Ich hab glaubt wir spielen nächste Woche noch einmal und das wars.“

„Ja, aber hie und da überkommts uns.“

„Na i siechs. Ihr warts beim Wirten. Ist das eigentlich ned immer erst anschließend geplant?“

„Eigentlich schon. Aber wie ma dort waren, wollt ma unbedingt proben.“

„Eigenartiger Gesinnungswandel. Aber was solls. Spü ma die Setlist amoi durch.“

Die ersten drei Nummern werden kommentarlos heruntergespult. Der Othmar scheint heute in schlechter Verfassung zu sein. Er verpasst Einsätze und hat zu oft die falsche harp in der Hand. Dylan steht dem in nichts nach und spielt seine Soli so falsch wie nur möglich. Der Girmindl klammert sich an den Texten fest, kann aber keine Rhythmus halten. Irgendetwas stimmt hier. Und weiß, dass etwas nicht in Ordnung ist, aber keiner traut sich das erste Wort sagen. Bis der neuseeländische Austauschsgitarrist mitten in Song Nummer 4 stoppt und sagt: „ so geht’s ned weiter, Burschen.“

„Was?“, sagt der Othmar, „ so schlecht warma schon lang ned, aber so a Drama is das a ned.“

„Das nicht, Othmar. Aber was anderes gibt’s.“

„Aso, was denn?“

„Wir waren bei dir Othmar letztes Mal.“

„Ich weiß, i woa a do.“

„Jetzt hör bitte einmal zu. Wir ham a Leich gefunden in dein Schupfen.“

„Ihr habts a Leich gfunden? Bei mir? Ihr habts a Leich bei mir versteckt, glaubts i bin deppat? Was ist des jetzt, a schlechter Füm? Ihr habts a Leich von mein Garten wegzaht und auf des Bankerl glegt. Ned i, i hab gar nix. Warum muass i immer so deppate Leut treffen.“

„Othmar, jetzt bleib am Boden. Wir ham a Leich bei dir gfunden. Wir ham die Leich weg von dir. Was hast du bitte gmacht?“

„I? I hab gar nix gmacht. Ihr habts was gmacht. Und ausserdem seids eh gsehn worden.“

„Was heißt wir san gsehn worden?“

„Geh frag ned so bled. Ihr habts den ja a umbrocht. Mörder seids ihr. Aber wieso? Wer war des, was war da los?“

„Othmar, wir ham niemand umbrocht.“

„Na und wieso zahts ihr dann a Leich durch die Gegend?“

„Othmar, die Leich hab i in dein Schupfen gfunden.“

„Ja, wir hams weg, damit kana auf di kummt.“

„Wieso is a Leich in mein Schupfen? Da is vü in mein Schupfen, aber-„

„Ja, Othmar, wiss ma.“

„Aber was soll das ganze dann? Wenns ihr des ned warts, und i wars a ned, wer wars dann? Und wer is die Leich?“

„Und die zweite Leich?“

„Das war mei Nachbar, der hat euch gsehn.“

„War des der junge, der vor uns gangen is?“

„Na, des is a Oida, war schon älter.“

„Und der hat uns gsehn?“

„Ja, der war am nächsten Tag bei mir und hat mir erzählt, dass er euch gsehn hat. Wies die Leich über Zaun umme zum Bankerl habts.“

„Und wieso geht der ned zur Kieberei?“

„Na weil er gsagt hat, i soll mi drum kümmern, es san meine Freund.“

„Und du sogst nix? Du hast des wirklich glaubt?“

„Na wos soll i denn mochn? „

„Ja ber du kennst uns doch.“

„Jo eh, is ja wurscht jetzt. Wos moch i jetzt, da rennt a Mörder umadum bei mir.“

„Na wir können nur hoffen, dass ma kane Spuren hinterlassen haben.“

„A geh, die finden ja nie irgendwos. Nur wenns scho wissen wer der Mörder sein soll.“

„Da hast auch wieder recht.“

„Aber was soll i jetzt machen, i kann ja nur zuasperren, mehr kann i gar ned tuan.“

„Othmar, des hat mit dir ja gar nix ztuan. Da geht’s um was anderes.“

„Das hab i der Hanna a gsogt heut.“

„Siehst, sei vernünftig.“

„Aber i habs ja selber ned glaubt.“

„Lass ma des fia heut. Ich glaub es is ned die passende Stimmung dafia.“

„Ja, is besser, gemma ham. Naja, du ned, bist ja scho do. Aber, dass ihr des glaubt habts, dass i wenn umbrocht hab.“