Der Versicherungsfall - Johannes Girmindl - E-Book

Der Versicherungsfall E-Book

Johannes Girmindl

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Beschreibung

Was macht ein Auftragskiller wenn er keinen Auftrag hat? Er tut es den unzähligen anderen gleich, die ebenso wie er, keine Aussicht auf alsbaldige Beschäftigung haben: er meldet sich beim AMS.

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Inhaltsverzeichnis

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Kapitel 13

Kapitel 14

1

Ein bis zwei Monate sind leicht auszuhalten. Danach werde ich immer etwas unruhig. Das aber nur so lange, bis ein neuer Auftrag hereinkommt und ich mit den Vorbereitungen dazu beginnen kann. Ich muss nicht immer beschäftigt sein, ich kann auch die Zeit zwischen meinen Aufträgen genießen. Das letzte halbe Jahr hat mich aber einiges an Nerven gekostet. Mein üblicher Rhythmus war aus dem Takt gekommen - ein Auftrag im Quartal - möglicherweise etwas Dringliches einschieben, etwas Lukratives vorziehen, das alles war nicht geschehen. Und ich muss ehrlich zugeben, die Vorzeichen waren schon einige Zeit nicht mehr zu leugnen gewesen. Die Auftragslage war mittlerweile dünner geworden, es gab weniger Möglichkeiten sich seine Arbeiten auszusuchen, geschweige denn Aufträge überhaupt abzulehnen. Die Preisgestaltung war in einem Sinkflug begriffen und selbst wenn man einen guten Ruf in der Branche hatte, war es nicht mehr so, als zu der Zeit, in der ich begonnen hatte. Natürlich konnte ich verlangen was ich für angemessen empfand, ob es jemand, abgesehen von treuer Stammkundschaft, der man aber ohnehin einen Freundschaftspreis oder zumindest einen Nachlass gewährte, bezahlen würde, stand auf einem anderen Blatt. Ich übte seit mehr als dreißig Jahren meine Profession aus, davon seit fünfundzwanzig Jahren freischaffend. Als ich Mitte der 80er Jahre des vorigen Jahrhunderts während meiner Lehre zum Maschinenschlosser auf diese Branche aufmerksam geworden war, gab es eine Auftragslage, die von Jahr zu Jahr besser wurde, ebenso die Tarife, und es war ein Einfaches, wenn man Talent hatte, Fuß in der Szene zu fassen. Wie gesagt, es waren die 80er Jahre und es ging bergauf. Der erste große Einschnitt kam zehn Jahre später mit Ende des Jugoslawienkrieges. Die Bruderschlachten hatten nicht nur weite Teile des Landes mit Uranmantelmunition verseucht, Städte in Schutt und Asche gelegt, Familien ausgerottet, die Psyche folgender und am Krieg teilnehmender Generationen aus der Balance gebracht, nein, sie hatten auch eine Menge arbeitsloser Profis produziert, die zu einem nicht unbeträchtlichen Teil auf den freien Markt drängten. Wer keinen Grund hatte in sein Heimatdorf zurückzukehren, möglicherweise auch wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen, die er im Laufe der sinnlosen Auseinandersetzung begangen hatte, gesucht wurde oder einfach nur, im wahrsten Sinne des Wortes, Blut geleckt hatte, versuchte mit seinem Wissen und seinem Können auf dem freien Markt Fuß zu fassen. Gut, die Branche hat das zu einem Großteil verkraftet und es gab damals ohnehin viel zu viele Aufträge, die ja auch ausgeführt werden mussten; vor allem bei Termingeschäften gab es immer wieder Engpässe. Was das Drängen auf den heimischen Markt aber an negativer Auswirkung mit sich brachte war, dass die Preise etwas verfielen. Ich kann in diesem Fall aber nicht wirklich viel dazu sagen, da es mich, im Großteil meiner Aufträge nicht wirklich betraf. Ich konnte mir meine Arbeit aussuchen, war zwar nie wählerisch gewesen, aber ab einem gewissen Ruf in der Branche muss man sich nicht mehr für alles hergeben. Und das ist gut so. Die Jungen, die nachkamen, mussten sozusagen auch erst einmal ihr Lehrgeld bezahlen. Nun, Ende der 90er, nachdem sich die Situation wieder etwas eingependelt hatte, schien es so, als würde es wieder gemütlicher und ruhiger werden. Weit gefehlt. Mit den Investitionen im Land aus dem erblühenden Osten, vor allem aus Russland und der Ukraine, wurden auch die Aufträge die sich im Umfeld der Wirtschaft und der sich darin befindlichen Geschäftstreibenden ergaben weniger. Aber nicht weil ab sofort nur noch verhandelt wurde, nein, die umtriebigen Geschäftsleute hatten ihr eigenes Personal mitgebracht, die im Nu die ihnen überantworteten Aufträge erledigten, die Überbleibsel der selbigen fachgerecht entsorgten und sich darauf umgehend wieder in die Heimat begaben. Es war ein wenig wie bei den Chinesen, man regelte, wenn es sich nicht vermeiden ließ, alles unter sich. Und das war gut so.

Der größte Einbruch kam aber mit dem Internet. Ab sofort konnte sich jede Person darüber informieren, wie viel Liter Salzsäure notwendig waren um ein unliebsames Familienmitglied verschwinden zu lassen, wie man es richtig anstellte den zu lauten Nachbarn ruhig zu stellen oder aber auch nur den unliebsamen Chef für den Rest seines Lebens außer Gefecht zu setzen. Informationsfreiheit auf allen Ebenen, sozusagen. Es trafen also einige Umstände zusammen, die es einem, wenn auch handlich begabten und renommierten Problemlöser, das Leben schwer machten, beziehungsweise den eigenen Job so gut wie obsolet. Und was macht ein Auftragskiller, wenn er keinen Auftrag hat? Die Antwort ist relativ einfach, er tut es den unzähligen anderen gleich, die ebenso wie er, keine Aussicht auf Beschäftigung haben: er geht zum AMS um sich arbeitslos zu melden.

2

„Warum haben sie sich nicht online arbeitslos gemeldet?“

„Ich bevorzuge das persönliche Gespräch.“

„Aha, ist aber jetzt so üblich.“

„Was?“

„Dass man sich online arbeitslos meldet.“

„Möglich, es ist das erste Mal bei mir, ich hab da keine Erfahrung.“

„Macht nix, die werden sie schon noch bekommen, in ihrem Alter.“

„In meinem Alter?“

„Egal, was ist ihr Beruf oder ihre zuletzt ausgeübte Tätigkeit?“

„Ich helfe Menschen ihre Probleme zu bewältigen.“

„Aha.“

„Genau.“

„Und was tun sie da so?“

„Was die Situation gerade erfordert.“

„Das ist keine eingetragene Berufsbezeichnung. Was bitte machen sie, oder haben sie gemacht?“

„Die Kunden kommen mit einem Problem zu mir und ich versuche es zu lösen.“

„Sie sind also in der Beraterbranche tätig.“

„Wenn sie es so nennen wollen.“

„Es ist völlig egal wie ich es nennen will, sie werden doch wissen was ihr Job war. Coach?“

„In gewisser Weise.“

„Aha, haben sie ihre Unterlagen mit?“

„Welche Unterlagen?“

„Zeugnisse, Zertifikate, das Übliche halt.“

„Ich habe keine.“

„Sie werden doch einmal in einer Schule gewesen sein.“

„Das schon, ist aber eine Ewigkeit her.“

„Und für ihren Job als Coach müssen sie doch auch die eine oder andere Ausbildung absolviert haben.“

„Eigentlich nicht, ich bin da so hineingerutscht.“

„Wie haben sie dann diesen Beruf ausüben können, sie benötigen dafür doch eine Berechtigung.“

„Ach, das ging schon, ich bin da eher intuitiv.“