Alles ist nicht genug - Maeve Haran - E-Book

Alles ist nicht genug E-Book

Maeve Haran

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Beschreibung

Warmherzig, witzig und unübertroffen unterhaltsam!

Liz Ward ist der festen Überzeugung, dass man alles unter einen Hut bringen kann: Karriere, Kinder, Küche und natürlich auch den Ehemann. Bisher lief es auch prächtig: Liz blickt auf eine glänzende Karriere, die Kinder sind zufrieden, die Gäste haben sich noch nie übers Essen beschwert, und ihr Mann beteuert ihr immer wieder, dass er niemals mit einem »Heimchen am Herd« verheiratet sein möchte. Deshalb zögert Liz auch keinen Augenblick, als sie die Chance ihres Lebens erhält: Sie wird Programmchefin eines neuen Fernsehsenders. Scheinbar mühelos bewältigt sie ihren überfüllten Terminkalender. Doch nach einiger Zeit beschleicht Liz das Gefühl, einen großen Fehler begangen zu haben, und sie schockiert ihre Familie mit einer unerwarteten Entscheidung …

Mit ihren turbulent-witzigen Geschichten über die Liebe, Freundschaft, Familie und die kleinen Tücken des Alltags erobert SPIEGEL-Bestsellerautorin Maeve Haran die Herzen ihrer Leser im Sturm!

»Maeve Haran erweist sich immer wieder als Spezialistin für locker-amüsante Geschichten mit Tiefgang!« Freundin

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Seitenzahl: 670

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Buch

Liz Ward ist der festen Überzeugung, dass man alles unter einen Hut bringen kann: Karriere, Kinder, Küche und natürlich auch den Ehemann. Bisher lief es auch prächtig: Liz blickt auf eine glänzende Karriere, die Kinder sind zufrieden, die Gäste haben sich noch nie übers Essen beschwert, und ihr Mann beteuert ihr immer wieder, dass er niemals mit einem »Heimchen am Herd« verheiratet sein möchte. Deshalb zögert Liz auch keinen Augenblick, als sie die Chance ihres Lebens erhält: Sie wird Programmchefin eines neuen Fernsehsenders. Scheinbar mühelos bewältigt sie ihren überfüllten Terminkalender. Doch nach einiger Zeit beschleicht Liz das Gefühl, einen großen Fehler begangen zu haben, und sie schockiert ihre Familie mit einer unerwarteten Entscheidung …

Autorin

Maeve Haran hat in Oxford Jura studiert, arbeitete als Journalistin und in der Fernsehbranche, bevor sie ihren ersten Roman veröffentlichte. »Alles ist nicht genug« wurde zu einem weltweiten Bestseller, der in 26 Sprachen übersetzt wurde. Maeve Haran hat drei Kinder und lebt mit ihrem Mann in London.

Von Maeve Haran bereits erschienen

Liebling, vergiss die Socken nicht · Alles ist nicht genug · Wenn zwei sich streiten · Ich fang noch mal von vorne an · Schwanger macht lustig · Und sonntags aufs Land · Scheidungsdiät · Zwei Schwiegermütter und ein Baby · Ein Mann im Heuhaufen · Der Stoff, aus dem die Männer sind · Schokoladenküsse · Mein Mann ist eine Sünde wert · Die beste Zeit unseres Lebens · Das größte Glück meines Lebens · Der schönste Sommer unseres Lebens

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Maeve Haran

Alles ist nicht genug

Roman

Deutsch von Gabriela Prahm

Die Originalausgabe erschien 1991 unter dem Titel »Having it All« bei Michael Joseph, London.

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

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Copyright dieser Ausgabe © 2020 by Blanvalet in der Verlagsgruppe Random House GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München

Copyright der Originalausgabe © 1991 by Maeve Haran

Copyright der deutschsprachigen Ausgabe © 1999 by Blanvalet in der Verlagsgruppe Random House GmbH, Neumarkter Str. 28, 81673 München

Covergestaltung: Buchgewand Coverdesign | www.buch-gewand.de unter Verwendung von Motiven von depositphotos.com: © maxym, © yupiramos, © Purple_Sky_Design, © 9george

DN · Herstellung: sam

ISBN978-3-641-26304-1V001

www.blanvalet.de

Für Georgia und Holly, die in mir den Wunsch weckten, mein Leben zu ändern, und für Alex, der mich dazu aufforderte.

1. Kapitel

Liz Ward, ehrgeizige leitende Angestellte und treibende kreative Kraft bei Metro Television, erwachte, als sich völlig unerwartet eine Hand unter das Oberteil ihres Seidenpyjamas schob und ihre linke Brust streichelte.

Für zehn Sekunden hielt sie die Augen geschlossen und gab sich der wohligen aufkeimenden Erregung hin. Als sich eine zweite Hand in ihre Pyjamahose stahl, bog sie als Reaktion darauf den Rücken durch, wandte den Kopf zur Seite und warf einen Blick auf den Wecker.

»Mein Gott! Schon zehn nach acht!«, keuchte sie, stieß unsanft Davids Hand zurück und sprang aus dem Bett. »Um Viertel nach neun habe ich eine Verabredung mit Conrad!«

Sie ließ den Pyjama einfach zu Boden fallen und stürmte ins Badezimmer. Auf dem Treppenabsatz blieb sie wie angewurzelt stehen und lauschte. Stille. Immer ein schlechtes Zeichen. Was, zum Teufel, trieben Jamie und Daisy?

In leichter Panik stieß sie die Tür zu Daisys Kinderzimmer auf. Jamie hockte in seinem neuen Batmanoutfit, das er verkehrt herum anhatte, neben Daisy in deren Kinderbettchen und versuchte seiner protestierenden Schwester das Batman-Cape umzulegen. Über den Fußboden verstreut lagen sämtliche Strümpfe aus Daisys Sockenschublade.

Schuldbewusst blickte Jamie auf. »Die haben wir gebraucht. Sie muss Strümpfe anhaben, wenn sie Robin sein soll. Stimmt’s, Daisy?«

»Ich bin Robin«, bestätigte Daisy.

Liz hätte ihn am liebsten angebrüllt, es war schon Viertel nach acht, und er würde noch zu spät zur Schule kommen, doch dann riss sie sich zusammen, denn schließlich war es ihre Schuld gewesen, weil sie so lange mit David herumgebummelt hatte, statt aufzustehen. Und so gab sie ihm voller Schuldgefühl einen Kuss und hetzte zurück ins Schlafzimmer, nahm ihr Kostüm aus dem Kleiderschrank und betete innerlich, dass Daisy es nicht mit schmierigen Schokoriegel-Fingern ruiniert hatte. Die Frauen bei Metro TV, angefangen von der vamphaften Chefredakteurin der Unterhaltungsabteilung bis hin zu der Lady, die die Toiletten reinigte, sahen stets so aus, als seien sie gerade dem Cover der Vogue entsprungen, und Liz hatte ihre liebe Mühe, da mitzuhalten.

David hatte sich mit verletztem männlichen Stolz unter die Bettdecke zurückgezogen. Ohne Erbarmen zog Liz die Decke weg und hielt ihm Jamies Schuluniform hin. »Komm schon, Daddy, du kümmerst dich um Jamie. Ich ziehe Daisy im Badezimmer an.«

Wieder schaute sie auf die Uhr. Acht Uhr fünfundzwanzig. O mein Gott! Die Freuden einer berufstätigen Mutter.

Als sie dann die Treppe herunterkam, unter einem Arm Daisy und unter dem anderen den Bericht, den sie eigentlich letzte Nacht noch im Bett hätte lesen sollen, war David noch immer in die Zeitung vertieft. Wie üblich ließ er dem Chaos auf dem Frühstückstisch seinen Lauf und machte nur sich selbst Toast, ohne den anderen etwas davon anzubieten. Wie hatte Donne nur behaupten können, ein Mann sei keine Insel? Beim Frühstück waren alle Männer Inseln, ganz für sich und abgeschottet von einem Meer weiblicher Aktivität.

Noch immer schmollend, weil sie ihn abgewiesen hatte, war er an diesem Morgen sogar noch schweigsamer als sonst, die Nase tief in der Financial Times. Plötzlich schob er ihr die Zeitung durch die übliche Spur aus zermanschten Bananen, Coco-Pops und hochkant gestellten Trainer-Tassen zu.

»Schau dir das mal an. Ist ein Artikel über Metro drin. Conrad sagt, dass er jetzt endlich einen Programmchef benennen will.« Er hob die Stimme, um Daisys Gekreische zu übertönen und Jamies hartnäckiges Nörgeln, doch endlich zu ihm zu schauen, während er unsicher auf seinen Stuhl kletterte, und rief ihr über das Gedudel eines Kylie-Minogue-Songs aus dem Radio des Kindermädchens hinweg zu: »Warum bewirbst du dich nicht für diesen Job?«

»Ich?« Liz wünschte, ihre Antwort hätte weniger wie ein Hilferuf geklungen. Erst vor wenigen Wochen hatte sie als Head of Features bei Metro Television angefangen; der Sender hatte gerade eine der kommerziellen Frequenzen in London erhalten, und jetzt freute sie sich darauf, in den drei bis zum endgültigen Sendebeginn verbleibenden Monaten endlich einmal in aller Ruhe ihre Ideen ausführen zu können.

»Ja, du. Elizabeth Ward. Talentierte Produzentin. Urheberin eines ganz neuen Stils der Programmgestaltung. Zweifache Mutter.« David begeisterte sich an dem Thema. »Eine Frau als Programmchef wäre ein brillanter Publicitycoup für Metro. Bei keiner der anderen TV-Stationen ist eine Frau an der Spitze.« Voller Enthusiasmus sprang er auf und kam auf sie zu. »Die Neunziger sind das Jahrzehnt der Frau, um Himmels willen! Und du bist die klassische Frau der Neunziger. Eine schillernde Karriere und Kinder! Du wärst perfekt!«

Kein Wunder, dass er einen so guten Chefredakteur abgibt, dachte Liz liebevoll. Das war seine große Stärke – Leute zu Dingen zu überreden, die sie gar nicht machen wollen. Aber er kannte Conrad Marks nicht, Metros australischen Eigentümer. Für Conrad taugten Frauen nur zu einem. Bei sich daheim, wo Männer Männer waren und Frauen ausgedehnte Reisen nach Europa unternahmen, hatte er seinen Chauvinismus zu vollendeter Form geschliffen. Nie im Leben würde er einer Frau Einfluss und Macht überlassen.

»Da kennst du Conrad aber schlecht.«

Sie zuckte zusammen, als sie an die Einweihungszeremonie für Metros hochglanzgestylten neuen Bürokomplex vor zwei Tagen dachte. Irgendwie hatte Conrad es fertiggebracht, die Herzogin von York zu überreden, die Ehrung vorzunehmen. Fergie war in einer ihrer Mode-Katastrophen erschienen, einem kurz geschnittenen Dirndl-Ding, mit dem sie besser auf den oberen Hängen des Montblanc geblieben wäre, wo es hingehörte. Conrad hatte die meiste Zeit der Einweihungsfeier damit zugebracht, ihr in den Ausschnitt zu gaffen, und sie war kaum außer Hörweite, als er seinem Sekretär deutlich vernehmbar zuflüsterte: »Hast du die Titten der Herzogin gesehen? Die glücklichen königlichen Gören!«

Conrad würde niemals eine Frau an die Spitze von Metro TV berufen.

»Ich bin auch eher jemand, der Ideen hat, und nicht so sehr die knallharte Ausführende.« Liz versuchte, einen Schluck von ihrem Kaffee zu nehmen und Jamie davon abzuhalten, sich die Nase an seiner Schuluniform abzuwischen. »Mir fehlt dieser Killerinstinkt.«

»Du versucht es nur nicht energisch genug, das ist alles.« Liz konnte die leise Frustration in seiner Stimme hören. Er war so anders als sie. Seiner selbst so sicher. Fünfunddreißig und bereits Chefredakteur der Daily News, Logan Greenes guter Junge, der Erbe des ganzen Greene Imperiums. Hin und wieder beurteilten die Leute David nach seinem jugendlichen guten Aussehen und unterschätzten ihn. Sie bereuten das ausnahmslos.

Aber David hatte immer gewusst, was er wollte. Noch weiter nach oben kommen. Raus aus Yorkshire und fort vom Landhaus seiner Eltern. Erfolg haben. Und den hatte er. Mehr als er sich jemals erträumt hatte. Und er konnte nicht verstehen, warum sie sich weigerte, es ebenso zu machen.

Er schaute auf seine Armbanduhr und stand auf. »Wir haben die Neunziger, denk dran. Das heißt miteinander und nicht gegeneinander. Killerinstinkt – so was ist out. Von uns wird jetzt erwartet, dass wir das Weibliche endlich respektieren. Intuition. Sensibilität.«

»Blödsinn. Versuch das mal Conrad zu erzählen.«

Er beugte sich vor und küsste sie neckend. »Nein. Du wirst es ihm erzählen.«

Liz wischte Daisy das Müsli aus dem Haar, wehrte die klebrigen Hände ab, die nach ihrem Kostüm griffen, und küsste ihre Tochter sanft auf den Nacken. Widerwillig reichte sie sie dann weiter an Susie, das Kindermädchen, und versuchte Jamie dazu zu überreden, ihr Bein loszulassen, damit sie ihre Aktentasche checken konnte. Wie üblich quengelte er und klammerte sich wie eine Klette an sie.

Auf dem Weg hinaus schaute sie noch einmal kurz prüfend in den Flurspiegel. Gar nicht mal so übel für sechsunddreißig. Sie könnte gut etwas Gewicht loswerden, aber damit würde sie letzten Endes nur etwas von ihren Kurven einbüßen. Zum Glück hatte sie sich letzte Woche einen dezenten Haarschnitt machen lassen, der sie zwar nicht unbedingt wie eine Frau aus den Neunzigern aussehen ließ, aber immerhin auch nicht mehr wie eine aus den Siebzigern. Und der rauchige Lidschatten, zu dem ihr Friseur sie überredet hatte, verlieh ihren Augen einen sinnlichen orientalischen Look, mit dem sie sehr zufrieden war. Es hieß ja immer, Brünette würden länger jung aussehen. Na ja, zumindest behaupteten die Brünetten das.

Sie schaute auf die Uhr und verspürte einen kurzen, aber vertrauten Anfall von Panik: Sie würde zu spät zum Termin mit Conrad kommen, der Hoover musste in die Werkstatt, und dann fiel ihr ein, dass Susie heute den Wagen haben wollte. Wie hatte David sie genannt? Die klassische Frau der Neunziger? Was für ein schlechter Witz!

Wie üblich nahmen nur zwei Frauen am wöchentlichen Creativ-Meeting teil: Liz und Claudia Jones, Metros Unterhaltungschefin. Liz war durch London gerast und, weil der Lift überfüllt war, die Treppen hoch gehetzt und kam geschafft und völlig außer Atem im dritten Stock an. Glücklicherweise war Andrew Stone, Metros Nachrichtenchef, ebenfalls zu spät dran, und so gelang es ihr, in den Raum zu schlüpfen und sich zu setzen, ohne dass es allzu sehr auffiel.

Es bedeutete, dass sie auf ihren Kaffee verzichten musste, für den sie jetzt glatt einen Mord begangen hätte, aber wenigstens konnte Claudia keinen ihrer üblichen vernichtenden Blicke auf die Uhr werfen. Schick, single und kinderlos, hatte Claudia das Motto »Der Job vor allem anderen« zu ihrer Religion gemacht.

Als Liz ihr quer durch den riesigen Vorstandsraum einen Blick zuwarf, konnte sie nicht sagen, was sie am meisten an Claudia verabscheute: die Art und Weise, wie sie es schaffte, stets so auszusehen, als sei sie soeben dem Schaufenster von Harvey Nichols entstiegen; oder wie unverfroren sie es ausnutzte, eine Frau zu sein, um zu kriegen, was sie wollte; oder dass es ihr an jeglicher Begabung fehlte.

Claudia war die Sorte Mensch, die anderen die Ideen klaute und selbst dann das Lob dafür einheimste. Sie liebte es, eine Frau in einer Männerwelt zu sein, und wollte nur sehr wenigen Frauen gestatten, diesem Club ebenfalls beizutreten. Und Liz hatte das unbestimmte Gefühl, dass das auch für sie galt.

Bei Metro ging ferner das Gerücht um, dass Claudia einen besonders guten Draht zu Conrad Marks habe. Und hin und wieder, so die Gerüchte, schloss das auch ihren Körper mit ein.

»Nettes Kostüm«, beglückwünschte Claudia sie. Liz schaute sie überrascht an. Nettigkeiten waren gar nicht Claudias Art. »Armani, stimmt’s?«

Die Blicke der Anwesenden wandten sich interessiert Liz zu und musterten sie von Kopf bis Fuß.

Claudia schmunzelte unerwartet. »Nur schade um den Rücken.«

Liz schaute entsetzt über ihre Schulter, wo, wie ein greller Schmuck aus der Post-Punk-Ära, Daisys halbes Frühstück klebte.

Auf der Damentoilette fand sich nichts, womit sie es hätte abwischen können. Toilettenpapier würde es nur noch schlimmer machen und das schwarze Jackett mit weißen Fusseln verschmieren, und das Abrollhandtuch war zu kurz. In einem plötzlichen Geistesblitz griff sie in ihre Brieftasche und holte ihre American Express Karte hervor. Damit würde es gehen.

Als sie wieder in den Sitzungssaal zurückkehrte, war Conrad bereits eingetroffen. Sie huschte auf ihren Platz und hoffte inständig, dass er es nicht bemerkte. Manche hoffen vergeblich.

»Wie ich gerade sagte, Liz« – er machte sich nicht mal die Mühe, zu ihr herüberzuschauen –, »ganz sicher fragen Sie sich alle, wen ich als Programmchef auf meiner Liste habe. Es gibt zwei Kandidaten, beide aus unseren Reihen. Ich schätze mal, dass Sie wissen möchten, wer das ist.« Er schaute sich im Raum um und genoss die Neugier auf den Gesichtern. »Der Erste ist Andrew Stone.« Stumme Zustimmung, als der Name des beliebten, aber ein wenig unorganisierten Leiters der Nachrichtenredaktion fiel. »Und Nummer zwei ist …« Er grinste wölfisch, spielte mit ihnen und weidete sich an der Spannung im Raum: »Metros Unterhaltungschefin: Claudia Jones.«

Liz hatte das Gefühl, als sei soeben ein Kübel Eiswasser über ihr ausgeschüttet worden, doch es machte sie klar im Kopf und ihren Verstand scharf wie eine Rasierklinge. Sollte Claudia den Job bekommen, wäre das ihr, Liz Wards, Ende. Das durfte sie nicht zulassen. Sie musste kämpfen.

Aber wie? Programmchef war ein Fulltimejob, bei dem man alles geben musste. Sie hatte zwei kleine Kinder und sah die beiden weiß Gott schon jetzt selten genug. Würde sie Metro leiten, bekäme sie sie überhaupt nicht mehr zu Gesicht.

Aber gut möglich, dass Claudia den Job gar nicht bekam, vielleicht entschied sich Conrad für Andrew. Sie schaute zu Andrew, der wie ahnungslos dasaß und albern grinste, während er seine Unterlagen zusammensuchte. Als er sich nach vorn beugte, sah sie, dass sein Hemd nur auf der Vorderseite gebügelt war, und ihr fiel ein, dass seine Frau mit einem Ex-Kollegen durchgebrannt war und dass Andrew nun die alltäglichen Dinge des Haushalts auf die harte Tour lernen musste.

Sie sah, dass Claudia jetzt direkt zu ihr herüberschaute und schmunzelte. Natürlich musste sie gewusst haben, dass Liz übergangen worden war. Nur deshalb hatte sie es ausnahmsweise unterlassen, sie vor versammelter Runde zu blamieren.

Und angesichts ihres selbstsicheren, katzenhaften Grinsens wusste Liz mit absoluter Sicherheit, dass Conrad den Job ganz sicher nicht Andrew geben würde. Er würde ihn Claudia geben.

Vor einem Monat, als sie ihre vielversprechende Stelle bei der BBC hingeschmissen und bei Metro angefangen hatte, wollte sie mithelfen, diesen Sender zum aufregendsten im britischen Fernsehen zu machen. Herausfordernd. Neu. Aufregend. Anders als die anderen. Und wie würde es unter Claudias Leitung aussehen? Billig. Schlampig. Nachgemacht. Berechenbar.

Liz saß regungslos da, von Panik ergriffen. Als das große Schauspiel vorüber war, fingen alle an, ihre Papiere zusammenzusuchen und den Raum zu verlassen. Sie gratulierten Claudia und Andrew, als sie aufstanden. Der günstige Moment verstrich.

Plötzlich vernahm Liz ihre eigene Stimme, überraschend ruhig und beherrscht, durch das aufgeregte Gemurmel hindurch. »Da Sie offenbar der Ansicht sind, dass eine Frau als Programmchef eine gute Sache wäre, Conrad, möchte ich mich ebenfalls um diesen Job bewerben.«

2. Kapitel

»Kann ich bitte die Vertriebszahlen der letzten zwei Wochen haben, Julie?«

David versuchte möglichst beiläufig zu klingen. Bis jetzt war niemandem außer ihm aufgefallen, dass eine kleine Anzahl News-Leser zum Konkurrenzblatt Daily World abgewandert war. Er aber hatte es bemerkt, und was er sah, gefiel ihm ganz und gar nicht. Leserverluste bei Zeitungen hatten die dumme Angewohnheit, sich zu einer wahren Fluchtwelle zu entwickeln, wenn man das Phänomen nicht rechtzeitig stoppte; und er wollte sich genau ansehen, wann und wie es angefangen hatte, ehe er sich Logans Gebrülle anhören musste.

David nahm sich eine Ausgabe der Daily World und rollte die Augen himmelwärts. Es hätte ihm nicht so viel ausgemacht, wenn sie Leser an die Sun verlieren würden – nein, das stimmte nicht, es würde ihn natürlich ärgern, aber letzten Endes war es einfach ein beschissenes Blatt. Aber die World war purer Dreck – halb Porno, halb Lügengeschichten.

Allein schon dieser Aufmacher: ICHWURDEVONEINEMUFOGEKIDNAPPT. Das war typisch für den Mist, den die World ausbrütete. Haarsträubende Storys, die sie nie nachprüften, weil sie von vornherein wussten, dass es Scheiß war. »Wahre« Geständnisse. Schnappschüsse aus der Luft von Joan Collins oder Prinzessin Di beim Sonnenbaden. Nur ihre Klatsch-Kolumnistin, Steffi Wilson, die war wirklich gut. Eine Hexe, ganz klar, aber immerhin verstand sie was von ihrem Job.

David stand auf und stopfte die Daily World so heftig in den Papierkorb, dass er umkippte. Es war Zeit für die erste Redaktionssitzung des Tages, und sie würden gottlob richtige Storys diskutieren. Aber wie lange noch? Wenn es ihm nicht gelang, die Flut abwandernder Leser aufzuhalten, dann wusste er, was kommen würde – Logan würde verlangen, dass die News zurückschlug. Mit denselben Waffen wie die World.

»Uiii, Mom! Du siehst ja aus wie Mrs Thatcher!«

Jamie stand splitternackt in der Tür und beäugte Liz inmitten des Kleiderhaufens, der sich bei ihrem vergeblichen Versuch aufgetürmt hatte, wenigstens halbwegs wie eine resolute Karrierefrau auszusehen für den wichtigsten Moment ihres Lebens.

Fast eine halbe Stunde lang hatte sie sich durch ihre Garderobe gewühlt und gewünscht, sie wäre nicht so voller Desaster: grauenhafte Ausverkauf-Schnäppchen; Steghosen, die ihren Po wie den eines Sumo-Ringers aussehen ließen; violette Tops im Trainingsanzug-Stil. Wenn sie doch nur neutrale Sachen gekauft hätte, wie es die Zeitschriften rieten. Dann würden all ihre Fehlkäufe wenigstens zusammenpassen.

Ihre letzte Chance war ein beigefarbenes Nadelstreifenkostüm aus Leinen gewesen, zwei Jahre alt, mit Power-Schultern und einem knielangen Rock. Ein Fingerbreit weiter über das Knie, und selbst sie würde zugeben müssen, dass es zu altmodisch war. Nein, es sah passabel aus. Sie zog den Reißverschluss zu und versuchte, nur ja nicht daran zu denken, was Claudia tragen würde.

Letzte Nacht hatte sie zwei Stunden lang vor einem leeren Blatt Papier gesessen und gedacht: Was soll ich denn morgen bloß erzählen?

Und dann war sie drauf gekommen. Das Problem der Privatsender waren die Zuschauer. Der Zuschauer des Kommerz-TV war alt und wenig anspruchsvoll. Eher Otto Normalverbraucher. Die BBC hatte sich auf clevere Weise die jüngeren, wohlhabenderen Zuschauer geangelt – die Martini-Trinker und BMW-Fahrer –, aber die waren genau das Publikum, das die Anzeigenkunden wünschten. Irgendwie musste sie auf einen Dreh kommen, diese Zuschauer zu gewinnen.

Als David gegen zwei Uhr morgens hereinkam und fragte, ob sie nicht ins Bett käme, war sie derart in ihre Programmpläne vertieft gewesen, dass sie verwundert aufgeschaut hatte. Ich will diesen Job!, wurde ihr mit einem plötzlichen Schub an Begeisterung klar. Ich will ihn unbedingt!

Nun, am helllichten Tag verließ sie der Mut. Würde sie ihre Ideen nur Conrad allein präsentieren oder dem gesamten Vorstand? Als zehn Minuten später der Taxifahrer läutete, war es fast eine Erlösung. Sie schaute zu David hinüber und beschloss, ihn nicht zu wecken, weil er im Moment so erschöpft wirkte, und ging auf Zehenspitzen zur Tür.

»Hey«, protestierte eine verschlafene Stimme unter der Bettdecke. »Ist heute nicht der große Tag?« Davids zerknittertes Gesicht tauchte grinsend unter der Bettdecke hervor. »Du kannst doch nicht los ohne einen Kuss als Glücksbringer. Ich wette, Claudia kriegt einen.« Er grinste aufreizend.

Liz setzte sich auf die Bettkante und strich ihm durchs Haar. Sie hatte sich Sorgen um ihn gemacht letzte Nacht. Er hatte schweigsam und bedrückt gewirkt. »Bist du okay, Schatz?« Sie nahm seine Hand und küsste sie.

Für den Bruchteil einer Sekunde war er versucht, ihr von der Sache mit den Verkaufszahlen zu erzählen, verwarf den Gedanken aber sofort wieder. Er benahm sich wie ein egoistisches Stück Scheiße. Dies war ihr großer Augenblick. Was sie jetzt brauchte, war ein klarer Kopf. Lächelnd zog er sie zu sich, bemerkte aber im letzten Moment ihr schimmerndes Lipgloss.

»Was hätte wohl Bogey bei Lipgloss getan?« Er beugte sich drohend zu ihr.

Sie duckte sich lachend weg, doch er packte sie, plötzlich ganz ernst.

»Und jetzt hör mir genau zu, mein Mädchen. Du bist brillant und du bist wunderschön. Denk immer daran. Und du wirst Claudia in die Tasche stecken. Los, jetzt ab mit dir. Und vergiss nicht, mich anzurufen und mir zu erzählen, wie es gelaufen ist.«

In die Wärme seiner Liebe gebettet, fühlte sie, wie ihr Selbstvertrauen zurückkehrte. Sie blieb an der Tür stehen und blies ihm einen Kuss zu, doch er war schon wieder unter der Bettdecke verschwunden und sogleich eingeschlafen. Noch immer lächelnd lief sie zum wartenden Taxi; ihre Nervosität und Zweifel waren vergessen.

Als sie auf der Rückbank des Minitaxis Platz genommen hatte, fragte sie den Fahrer, ob es ihm etwas ausmachen würde, das Radio leiser zu drehen. Wenn sie in aller Ruhe ihre Notizen zwanzig Minuten lang durchsehen würde, wäre sie bestens vorbereitet. Doch der Fahrer nahm ihre Bitte zum Anlass für einen munteren Plausch.

»Schöner Tag, was?«

»Sehr schön. Hören Sie, wenn es Ihnen nichts ausmacht …«

»Metro Television, ja? Hab ich noch nie von gehört.«

Bleib ruhig, sagte sie sich selbst, früher oder später wird er schon mit seinem Gefasel aufhören. Doch da irrte sie. Als sie das Gebäude von Metro TV an der Battersea Bridge erreichten, war Liz kurz vor einem Schreianfall und mit den Nerven am Ende. Und der Kerl schwafelte, noch während er ihr die Wagentür aufhielt, weiter davon, was er von sich überschneidenden Filmen und fehlenden Natur-Sendungen hielt. Liz schwang sich so hastig aus dem Taxi, dass sie sich an der Tür die Strumpfhose zerriss.

Als sie ihr Büro erreichte, war es Viertel nach neun, und sie war nahezu hysterisch. Viv, ihre Sekretärin, immer die Erste an ihrem Schreibtisch in diesem Stock, war bereits dabei, Kaffee aufzusetzen.

Liz ließ sich auf einen Drehstuhl fallen. Wortlos zeigte sie auf ihre Laufmasche; es war die einzige Strumpfhose, die sie dabeihatte. Claudia hätte sicher noch ein Paar in ihrer Schublade, sechs Paar, zusammen mit dem Dildo und der Peitsche, mit der sie ihre männlichen Kollegen bändigte. Alles, was Liz hatte, war eine alte Tüte Fertigsuppe und einer von Daisys Schnullern.

Verdutzt schaute sie ihre Sekretärin an. Viv streifte ihre blass beigen Strümpfe ab, hier mitten im Büro, wo zum Glück niemand außer ihnen war.

»Bitte schön. Nur gut, dass ich unter dem Solarium war. Sie können sie dringender gebrauchen. Das ist Ihre große Chance.«

Viv schob den Rock über ihre langen Beine und zog sich die Schuhe wieder an. »Und wenn Sie die Meinung aus der Tippsen-Abteilung interessiert – wir nehmen an, dass Conrad die Schnauze gestrichen voll hat von Claudia Jones; sie hat ihn zu derb und zu oft ins und aus dem Bett gestoßen. Und Andrew Stone ist so ein Schlappschwanz, dass wir glauben, dass nicht mal Conrad ihm den Job geben wird. Und deshalb meinen wir, dass Sie eine echte Chance haben.«

Strumpflos holte Viv ihnen beiden einen Kaffee und ließ Liz sprachlos zurück. Woher bloß wussten die Sekretärinnen das alles? Fünf Minuten später wirbelte Liz in ihrem Nadelstreifenkostüm mit dazu passenden Strümpfen herum. Mit jedem Schluck heißem Kaffee spürte sie, wie ihr Mut zurückkehrte. Ihren sorgfältig ausgearbeiteten Vortrag umklammernd und innerlich ganz ruhig, war sie schließlich bereit, in Conrads Büro zu gehen.

Im Lift traf sie auf Andrew, der gerade einen Zeitungsausschnitt las und noch nervöser aussah als sonst. Armer Andrew. Er war einer dieser Männer, die schwitzten wie Richard Nixon beim Lügendetektortest. Sie wusste, dass sein Handschlag sanft und klamm sein würde und sein Atem leicht nach Curry roch, auch wenn er sich die Zähne geputzt hatte. Kein Wunder, dass seine Frau ihn verlassen hatte.

Noch immer ganz vertieft in seinen Artikel bemerkte Andrew plötzlich, dass sie schon im vierten Stock waren und Liz bereits ausstieg. Er stürzte auf die Tür zu, als diese sich wieder schloss, und versuchte, die Türen auseinanderzudrücken, während seine Mappe auf den Boden fiel und sich seine Notizen und Presseausschnitte über den Flur verteilten.

»O Jesus!«, wimmerte er. »Das darf doch auf keinen Fall durcheinanderkommen!«

Liz hörte die Panik in seiner Stimme, schenkte ihm ein kurzes Lächeln des Mitgefühls und half ihm, seine Unterlagen aufzusammeln. Während sie auf dem Fußboden herumkrabbelten, öffneten sich die Türen des Fahrstuhls erneut und Claudia kam heraus. Plötzlich war der Korridor mit dem herben Duft von Giorgio erfüllt, so übertrieben und unmöglich zu ignorieren wie Claudia selbst. Verdammte Claudia! Wie schaffte sie es nur immer wieder, einen im ungünstigsten Moment zu erwischen?

»Hallo, Lizzie Darling. Hi, Andrew. Steht nicht extra auf.« Claudia ging um sie herum, wobei ihr Zehn-Zentimeter-Absatz nur knapp Andrews Hand verfehlte. Ihr kurzer dunkler Pagenkopf schimmerte, als sie in einem knallroten maßgeschneiderten Kostüm mit Goldknöpfen an ihnen vorbeischarwenzelte – die Farbe ihrer Lippen und Fingernägel exakt dazu passend.

Und das Schlimmste dabei ist, dachte Liz ärgerlich, als ein bewundernder Sales Executive Claudia die Tür zu Conrads Büro aufhielt, dass sie nichts bei sich hat. Keine Unterlagen. Keinerlei Notizen. Sie würde ihre Präsentation mit leeren Händen machen!

Liz reichte Andrew den letzten seiner Presseausschnitte und gab sich alle Mühe, nicht entmutigt zu sein. Denn genau das bezweckte Claudia ja. Sie war so unvernünftig stolz darauf gewesen, dass sie ihre Notizen auf eine einzige Seite reduziert hatte, und dann kam Claudia hereinstolziert und hatte alles im Kopf. Zum Teufel mit ihr! Bleib ruhig! Du bist diejenige mit den Ideen – nicht Claudia. Claudia weiß doch nur, wie man Agenten aufreißt und das Ego von Stars massiert. David hatte recht. Claudia würde im Traum keine Strategie für den Sender einfallen, mit der sie es schaffen konnte.

Liz strich ihren Leinenrock zurecht, der ganz zerknittert war vom Bücken, wischte sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht und hielt Andrew die Doppeltür auf, damit er nicht wieder alles fallen ließ.

Vor Conrads Büro saß Claudia und nippte an einer Tasse schwarzem Kaffee; die Beine in halterlosen schwarzen Strümpfen, keusch zu einer Seite gebeugt, sah sie genauso aus wie die Illustration zu einem dieser nervtötenden Artikel, wer in fünf Jahren die Top-Jobs haben würde.

Die Tür öffnete sich, und Conrad erschien. »Wir wären dann so weit, Claudia.«

Seelenruhig stellte Claudia die Tasse ab und stand auf.

Liz sah ihr nach und stellte fest, dass nicht eine einzige Knitterfalte in ihrem Jackett war, und sie verspürte einen Anflug von Wut und Neid. Wenn Claudia doch nur stolpern oder vergessen würde, was sie sagen wollte – vielleicht gar irgendwelchen Blödsinn vorschlagen oder die Sache mit den Marginalkosten missverstehen würde –, wenn sie doch nur irgendeine Art von Menschlichkeit verriete.

Aber Claudia war kein Mensch. Sie war ein Alien in einem roten Kostüm, bei dem jeder Schritt, jede Bewegung einprogrammiert war, kalkuliert, geplant. Würde man dieses selbstgefällige Gesicht zerkratzen, fände man wahrscheinlich keine Adern und Knochen vor, sondern Drähte und Elektroden.

Als Claudia die Tür hinter sich schloss, sprach Liz ein stilles Stoßgebet. Zwar glaubte sie nicht, dass es half, und auch nicht, dass Gott ihren Gefühlen unbedingt beipflichten würde. Aber sie tat es trotzdem.

An dem Lächeln auf Claudias Gesicht, als sie wieder herauskam, erkannte Liz, dass ihr Gebet nicht erhört worden war. Es verriet, schlicht, doch subtil, dass Conrad und der Vorstand ihre Programmchefin bereits gefunden hatten und dass jedes weitere Gespräch nur noch stattfinden würde, um die Form zu wahren.

»Wie ist es gelaufen?«, hörte sich Liz gegen ihren Willen fragen.

»Nicht übel. Wirklich nicht übel.«

Liz wusste, was Claudia ihnen damit mitteilen wollte, nämlich: Warum verabschiedet ihr euch nicht, ihr armen Schlucker? Ihr erspart euch damit doch nur eine Blamage!

Sie versuchte dennoch sich auf das zu konzentrieren, was sie gleich sagen würde.

Sie musste nicht lange warten. Wieder öffnete sich die Tür, und plötzlich war sie an der Reihe, langsam auf dem Bratspieß gedreht zu werden, während Metros Vorstand gewürzte Fragen wie Spieße in ihr zartes Fleisch stach.

Es waren insgesamt fünf, alles Männer, und außer Conrad, der in Hemdsärmeln und mit roten Hosenträgern dasaß, sahen sie grau und großstädtisch aus. Geldmänner. Überall hieß es, dass es die Buchhalter seien, die heutzutage das Fernsehen leiteten. Die höchste Auszeichnung war es nicht länger, einen Preis zu gewinnen, sondern unter dem veranschlagten Budget zu bleiben.

Als Liz sich setzte, war sie aufs Neue von Conrads Präsenz beeindruckt. Er mochte klein sein, aber man spürte immer, wenn er einen Raum betrat, selbst bevor man ihn überhaupt gesehen hatte. Es war, als würde der Energiepegel hochschnellen. Conrad besaß eine Ausstrahlung, als seien Millionen und Abermillionen Atome in einen zu kleinen Körper gepackt worden, die nun alle platzten, um da wieder rauszukommen. Man hatte das Gefühl, sich die Hände an ihm wärmen zu können.

Doch als er Liz dann dem Vorstandsvorsitzenden von Metro, Sir Derek Johnson, und zwei weiteren Mitgliedern des Vorstandes vorstellte, spürte sie, wie ihr Blick zu dem fünften Mann im Raum hingezogen wurde. Er war groß, wirkte gewandt und aalglatt, ein typischer Großstädter, aber keiner von denen mit Porsche und Autotelefon, sondern einer von der Sorte, die noch immer navyblaue Nadelstreifenanzüge und schlichte Krawatten trugen und daran glaubten, dass ein Versprechen etwas ist, das man auch einzuhalten hat. Liz hatte nicht gewusst, dass es noch welche von ihnen gab.

Irgendwie kam er ihr bekannt vor, und sie war so sehr damit beschäftigt, ihn anzustarren, dass sie gar nicht die Namen der anderen beiden Männer in Anzügen mitbekam. Schließlich war der fünfte Mann an der Reihe.

»Und hier haben wir unser kürzlich neu in den Vorstand berufenes Mitglied, einen der aufstrebenden Sterne der Square Mile, ein Wunderkind der Finanzen und wagemutiger Venture-Kapitalist, Mark Rowley.«

Liz spürte, wie ihr Nacken rot und fleckig wurde, was jedes Mal passierte, wenn ihr etwas plötzlich sehr peinlich war. Mark Rowley! Es konnte nicht derselbe sein! Mit erschreckender Klarheit und in schmerzlichem Detail kehrte die Erinnerung an einen Abend vor sechzehn Jahren zurück.

Sie hatte Mark Rowley auf einer Dinnerparty kennengelernt, nicht lange nachdem sie David zum ersten Mal in Oxford begegnet war. Mark war achtzehn, so wie sie, ein Junge von der Public School, der gerade bei Lloyds angefangen hatte, zuvorkommend, schüchtern, zurückhaltend. Mark schien nicht sonderlich interessiert am Stadtleben, sein ganzer Enthusiasmus galt seinem Hobby und seiner Leidenschaft, der Territorial Army. Er war ruhig und ernsthaft, ganz das Gegenteil von David, der darauf brannte, ein Journalist zu sein, und jeden verachtete, der einen eigentlich ungeliebten Job verrichtete, besonders aber einen Jungen von der Public School, der seine Kicks kriegt, wenn er Soldat spielt.

Doch dann hatte Mark Liz zu einem Zeremonien-Dinner seines Regiments in der Goldsmith’s Hall eingeladen, und sie hatte eingewilligt. David war fuchsteufelswild, als er davon hörte, und sie hatte seine Eifersucht genossen.

Marks Freunde waren ihr nicht besonders sympathisch gewesen, sie kamen ihr spießig und prahlerisch vor, aber sie hatte Mark gemocht. Sie war gerührt, dass er keinen Hehl daraus machte, wie stolz er auf sie war, und unentwegt erfreut lächelte, weil sie an seiner Seite war. Und doch gab es in ihren achtzehnjährigen Augen gleichzeitig etwas an seiner Unbeholfenheit und Unschuld, was sie abstoßend fand, so als wüsste er nicht, wie man küsst. Und sie fragte sich schließlich, ob er auf dem Heimweg einen plumpen Annäherungsversuch unternehmen würde.

Nach dem Dinner waren sie in den wunderschönen gepflasterten Innenhof gegangen, Marks Freunde und Offiziere plauderten und scherzten, ehe sie in ihre Wagen stiegen und davonfuhren. Liz bekam die Verabschiedung kaum mit, weil der ramponierte Mini heranrauschte. Auch ohne einen Blick auf die wilde Lockenmähne oder die herausfordernden blauen Augen wusste sie, dass David hinter dem Steuer saß.

Und in einem Akt der Grausamkeit, den sie noch heute bedauerte, hatte sie sich von Mark verabschiedet und war in den Wagen gestiegen. Als sie durch das Rückfenster schaute und ihn dort auf dem Pflaster stehen sah, umringt von seinen Freunden, die entweder peinlich berührt waren oder lachten, bemerkte sie, wie verletzt er war, und den Schmerz in seinem Blick hatte sie über die Jahre nicht vergessen.

Er hatte sich natürlich völlig verändert. Die linkische Schüchternheit war schon vor langer Zeit unter mehreren Schichten kultivierten Charmes begraben worden. Der Junge von der Public School, der Manöver in Salisbury Plain geliebt hatte, war nun in der Welt der Konzerne. Für einen Moment überlegte Liz, ob es wirklich ein und dieselbe Person sein konnte. Schließlich hatte er es sich bis jetzt nicht im Mindesten anmerken lassen, dass er sie wiedererkannt hatte.

Und dann schaute Mark in ihre Richtung; für einen Moment trafen sich ihre Blicke, ehe er die übrigen Personen im Raum überflog. Er ließ sich nichts anmerken, doch sie wusste jetzt, dass er es war. Und unter der kühlen Fassade spürte sie, dass er sich sogar mit noch größerer Klarheit an jenen Abend erinnerte als sie. Schnell senkte sie den Blick auf ihre Notizen.

»Also, Liz«, Conrads Stimme vertrieb ihre Erinnerungen. »Nun haben Sie die Gelegenheit, uns mit Ihren Vorstellungen für unseren Sender zu begeistern.«

Den Blick fest auf Conrad geheftet, schaffte es Liz, ihre Worte zu finden. Und während sie ihre Vorstellung von Programminhalten wie Drama und Comedy umriss und ihre Pläne für das laufende Programm und Dokumentationen, konnte sie spüren, wie ihr Enthusiasmus die steife Formalität der Situation durchdrang; sie heimste sogar das äußerst seltene Lächeln der Ermutigung ein. Und mehr noch – man schien ihr wirklich zuzuhören, und an den Fragen erkannte sie, dass sie ernst genommen wurde. Erleichtert atmete sie innerlich auf.

»Fein, Liz«, schnitt Conrad schließlich ihren Vortrag ab. »Ich denke, es steht außer Frage, dass Sie sehr beeindruckend sind, was die kreative Seite betrifft, aber Fernsehen in den Neunzigern ist ein hartes Geschäft. Wir Privatsender haben kein Monopol mehr auf die Werbung. Wir kämpfen an allen Fronten: die BBC, Video, und jetzt kommen auch noch die Satelliten-Sender und wollen ein großes Stück vom Kuchen. Wir werden nur überleben, wenn wir konkurrenzfähig sind.« Er hielt inne, und sie wusste, dass jetzt der Knackpunkt kam. »Sagen Sie, Liz, von welchem Budget würden Sie für das Programm ausgehen? In groben Umrissen, versteht sich.«

Liz versuchte verzweifelt, die Finger von der Löschtaste in ihrem Kopf zu lassen, die aus schlaflosen Nächten und ständiger Müdigkeit herrührte und manchmal vernichtete, was sie in wichtigen Momenten sagen wollte. Letzten Endes hatte sie mit dieser Frage gerechnet. Die halbe letzte Nacht hatte sie mit einem Taschenrechner zugebracht; also würde sie genau wissen, wovon sie sprach.

Ihr war immer bewusst gewesen, dass Ideen für das Programm die leichteste Übung waren. Das war ihre Stärke. Doch wenn es um das liebe Geld ging … Man kann Steven Spielberg persönlich sein, aber wenn man nicht das finanzielle Wissen eines Finanzberaters hat, wird man diesen Job nicht kriegen.

Sie schaute in die ernste nadelgestreifte Runde, und ihr wurde klar, dass sie gar nicht wirklich an Fernsehen interessiert waren. Alles, worum sie sich scherten, war die Frage, wie viel Profit Metro abwerfen würde, wenn man nur endlich die ermüdende und lästige Notwendigkeit, auch noch ein Programm machen zu müssen, abgehakt hatte. Fernsehen war nichts weiter als eine Möglichkeit unter anderen für sie, so wie Grundbesitz oder Aktien. Allein Conrad hatte zuvor mit Fernsehen zu tun gehabt, wenn man Channel 88, den beknacktesten Sender Australiens, überhaupt Fernsehen nennen konnte.

Sie wusste, sie wollten eine Zahl von ihr, wenigstens einen Anhaltspunkt. Und sie wusste auch, dass es Wahnsinn wäre, ihnen diese Summe zu nennen; es wäre eine finanzielle Fessel, die sie noch bitter bereuen würde, wenn sie den Job bekam.

»Ich weiß, dass die Zeiten hart sind, Conrad, aber mich zu diesem Zeitpunkt festnageln zu lassen, wäre dumm. Ich will es mal so sagen: Die Summe würde realistisch sein.«

Das war ein pures Ausweichmanöver, und sie wussten es.

Sie spürte, dass das Gespräch beendet war. Conrad erhob sich. »Vielen Dank, Liz. Das war sehr hilfreich.«

Sie stand auf und schüttelte Hände. Mark Rowley hatte noch immer nicht auch nur im Mindesten erkennen lassen, dass sie sich kannten. Liz begann sich zu fragen, ob er nicht vielleicht doch jemand anders war.

Andrew lächelte ihr mitfühlend zu, als sie herauskam. Claudia war bereits gegangen, wahrscheinlich, um die Klatschkolumnisten mit der Nachricht ihres bevorstehenden Erfolges zu füttern.

Doch als sie schon halb den Korridor hinunter war, fiel ihr auf, dass sie ihre Tasche in Conrads Büro vergessen hatte, und sie verfluchte sich für diese alberne weibliche Obsession, dieses Ding ewig und überall mit sich herumzuschleppen.

Die Hand zum Klopfen erhoben, lauschte sie an der Tür, um möglichst keinen ungünstigen Moment zu erwischen. Durch die dünnen Wände, die jedem hier ein Gräuel waren und schon für so manche Verärgerung gesorgt hatten, hörte sie, wie drinnen ihre Vorstellung diskutiert wurde. Zu ihrer Überraschung schienen sie ihr alle durchaus gewogen. Mit einer Ausnahme.

Mark Rowley verkündete in abgewogenem, weltmännischem Ton, wie seine Meinung dazu lautete: Bockmist.

Liz stand wie angewurzelt vor Wut da. An seiner Stimme konnte sie erkennen, dass sie nicht falschgelegen hatte. Er war der Mann, den sie vor so vielen Jahren brüskiert hatte. Und er hatte ein gutes Gedächtnis.

Ihr erster Instinkt, geboren aus ihrer Abneigung gegenüber Auseinandersetzungen, war, ihre Tasche zu vergessen und wieder zu gehen. Aber dann fragte sie sich, wie sie David klarmachen sollte, dass sie davongelaufen war.

Ohne anzuklopfen und ihnen Zeit zu lassen, das Thema zu wechseln, öffnete sie die Tür und betrat den Raum.

»Ich bin’s noch mal, Gentlemen. Bitte entschuldigen Sie. Ich hab die hier vergessen.« Sie langte nach ihrer Handtasche. »Und wenn ich eines noch sagen dürfte …«, Sie schaute in die versammelte Runde und bemühte sich, bewusst locker und betont zu klingen. »Mein Vorschlag ist kein Bockmist.« Sie lächelte. »Aber was sollte ich auch anderes sagen, nicht wahr? Es gibt nur einen Weg, das endgültig herauszufinden. Geben Sie mir den Job.«

Sie griff nach ihrer Handtasche und zog eine Mappe mit Kalkulationen heraus, an denen sie vergangene Nacht gearbeitet hatte, und drückte sie Mark Rowley in die Hand. »Dies ist eine detaillierte Aufstellung des Budgets, das ich benötige, um Metro zu Londons Top-TV-Station zu machen. Alles darüber hinaus werde ich eigenhändig aufbringen durch Sponsoren und Co-Produktionen.«

Auf dem Weg zur Tür drehte sie sich um und lächelte.

»Sehen Sie? Kein Bockmist.«

Auf der Damentoilette wusch sich Liz das Gesicht mit kaltem Wasser und versuchte, sich zu beruhigen. Was machte es schon, dass sie einen Narren aus sich gemacht und jede Regel gebrochen hatte, als sie noch einmal da reingegangen war? Sie war sowieso nicht der Typ für eine Programmchefin. Sie hatte es gegenüber David eingestanden, und es war die Wahrheit. Die letzten paar Tage waren eine hübsche Fantasie gewesen. Die Welt der Vorstandsetagen passte viel eher zu Menschen wie Claudia, die andere ausnutzten; und solchen wie Mark, die ihren Groll hegen und es jemandem noch nach fünfzehn Jahren heimzahlen konnten. Und sie waren dort sogar willkommen!

Vielleicht sollte sie nach Hause fahren und zusammen mit Jamie und Daisy zu Mittag essen. Sie brauchte jetzt ein bisschen unverdorbene Gesellschaft, um den Ärger wegzublasen und die Wut, die noch immer in ihr brodelte.

»Wer will denn auch Programmchefin werden? Iiiiiich … nicht.« Es klang ganz und gar nicht wie Frank Sinatra in High Society, als Liz’ Sekretärin versuchte, sie mit Kaffee und einem Donut zu trösten, der aussah wie die gesamte Tagesration an Kalorien während einer Diät. Liz lächelte dankbar und langte zum Telefon, um zu Hause anzurufen. Mist! Der Anrufbeantworter war eingeschaltet, und ihre eigene Stimme, viel beeindruckender als im wirklichen Leben, lud sie dazu ein, eine Nachricht auf Band zu hinterlassen. Sie bat Susie anzurufen, sobald sie zum Mittagessen zu Hause eingetroffen seien.

Fünf Minuten später klingelte das Telefon, und sie nahm hastig ab, in der Hoffnung, dass es Susie war. Wenn sie sich beeilte, könnte sie in einer halben Stunde daheim sein.

Doch es war nicht Susie. Es war Conrad, der sie bat, für fünf Minuten nach oben zu kommen, und der sie davon in Kenntnis setzte, dass sie zu einer Entscheidung gekommen waren.

3. Kapitel

Vor Conrads Büro wartete bereits Andrew, doch zu Liz’ Überraschung war von Claudia weit und breit nichts zu sehen. Conrad steckte den Kopf zur Tür heraus und bat Andrew als Ersten herein.

Der Stapel Hochglanzmagazine auf dem Tischchen vor ihr bestärkte noch das unbehagliche Gefühl, im Wartezimmer eines Zahnarztes zu sitzen. Liz las solche Zeitschriften nicht, aber um jetzt nicht völlig nervös zu werden, blätterte sie ausnahmsweise ein bisschen darin herum.

Ungefähr auf der Hälfte eines fesselnden Artikels über Karrierefrauen, die sich als unorthodoxes Mittel gegen Stress selber Schnitte in die Arme zufügten, traf Liz der volle Horror ihrer Lage. Völlig ausgeschlossen, dass Andrew den Job bekam. Der gehörte längst Claudia. Und während Andrew sich vielleicht noch durchringen könnte, zu bleiben und dann eben für Claudia zu arbeiten, war das für sie unmöglich. Die Wahrheit war, sie würde kündigen müssen.

Keine fünf Minuten waren verstrichen, als sich die Tür erneut öffnete und Conrad erschien, den Arm um Andrews hängende Schultern gelegt.

Conrad schaute sich überrascht um – sicher hatte er Claudia erwartet. Aber die wusste wahrscheinlich, dass das Resultat in umgekehrter Reihenfolge verkündet wurde, und machte auf cool. Er blickte auf die Uhr und zuckte mit den Achseln. Nun war Liz an der Reihe. Sie erhob sich, holte tief Luft und betrat bedächtig den Raum, die Augen stur geradeaus, um Mark Rowleys Blick auszuweichen. Während der letzten Minuten hatte sie sich den Kopf zermartert, aber nun war ihre kurze Ansprache anlässlich ihres Rücktritts perfekt und parat.

»Bitte setzen Sie sich, Liz.« Zu ihrer Verwunderung deutete Conrad auf den Platz neben ihm auf dem Sofa und nicht auf den Stuhl, auf dem sie während des ersten Gesprächs gesessen hatte. Sie setzte sich und versuchte klaren Kopf zu behalten; sobald das hier vorüber war, würde sie nach Hause zu den Kindern fahren.

Plötzlich machte es sie fürchterlich wütend, diese vertrauliche, kumpelhafte Art dieser fünf Männer, die Claudia den Job geben würden, weil sie dem Image des zähen Luders entsprach, was sie so einschüchternd, aber auch aufregend fanden, während man sie, die um so vieles talentierter war, überging und als Bockmist-Tante abtat.

Es mochte ein weiterer verhängnisvoller Fehler sein, der sie als »hysterisch« oder »aggressiv« brandmarken würde, jene beiden Begriffe, mit denen üblicherweise jede Form weiblichen Aufbegehrens diskreditiert wurde, aber das scherte sie nicht. Es würde ihr großen Spaß machen, ihnen mal ins Gesicht zu sagen, dass es im Business mehr als nur die männlichen Werte gab, und sicher auch bessere.

»Conrad …« Kampfbereit hob sie das Kinn. »Ich weiß, was Sie mir sagen wollen. Aber gestatten Sie mir zunächst selber noch ein, zwei Sätze.«

»Nur zu. Schließlich werden wir Ihnen von jetzt an alle zuhören müssen.«

»Was ich sagen wollte, ist …« Sie hielt inne, weil sie plötzlich begriff, was sein Satz bedeutete. »Sie meinen …?«

»Aber sicher. Schauen Sie nicht so überrascht. Ich hab doch immer gewusst, was Sie auf dem Kasten haben, wenn es um Programmgestaltung geht. Meine Güte, deshalb habe ich Sie doch auch eingestellt. Aber Ihr Zahlenmaterial, das hat uns alle verblüfft. Besonders Mark hier.« Er grinste Mark an, der unschuldig wie ein Lämmchen lächelte. »Meinen Glückwunsch. Wir möchten Ihnen hiermit den Job als neue Programmchefin von Metro TV anbieten.«

Als Conrad Liz dann aus dem Vorstandsraum geleitete, hatte sich Claudia endlich doch zu einem erneuten Erscheinen herabgelassen, aber ihr aufreizendes Lächeln, mit dem sie Conrad bedachte, wurde nicht erwidert. Die Gerüchteküche der Tippsen-Abteilung hatte also wie üblich richtig gelegen. Er hatte die Nase voll von Claudias Forderungen. Sie hatte es übertrieben. Ihre Ansprüche auf den Job als Programmchefin zum Beispiel. Sie war eine talentierte Managerin, aber ihre Ideen waren lausig.

»Claudia, würdest du bitte einen Moment hereinkommen?«

»Ich fasse es nicht, dass du mir das antun willst, Conrad.«

Claudia sprach mit ihm, als seien die anderen Männer gar nicht existent. Sie wusste, dass sie ihr Glück in letzter Zeit arg strapaziert und er sich ihr auf subtile Weise entzogen hatte, doch sie hatte angenommen, dass er es tat, weil eine Affäre ziemlich heikel und unklug wäre, wenn sie Programmchefin war. Sie war davon ausgegangen, dass er von sich aus auf Distanz ging und ihre Beziehung vielleicht sogar beenden wollte. Aber was hätte das schon gemacht, wenn sie den Job bekommen hätte?

Vor drei Stunden hatten sie noch miteinander im Bett gelegen. Und jetzt erzählte er ihr, dass er den Job, ihren Job, gerade Liz Ward gegeben hatte.

Sie war so fuchsteufelswild, dass sie für einen Augenblick daran dachte, ihn hier vor allen bloßzustellen. Das ist aber nicht das, was du mir gestern Nacht versprochen hast, als ich auf deinem Gesicht saß, Conrad, Schätzchen. Die Anspannung stand ihm ins Gesicht geschrieben. Er versuchte, das Gespräch voranzutreiben, damit er sie hier endlich rausbekam und sich nicht länger der Gefahr aussetzte, dass sie etwas tat oder sagte, was er bitterlich bedauern würde.

Vielleicht hoffte er ja, dass sie ohne laute Worte ging, vielleicht sogar die Kündigung einreichte, wie es die liebe Lizzie getan hätte. Aber Claudia hatte nicht die Absicht zu kündigen. Es sind immer die Frauen, die gehen. Diese Warnung hatte sie von einer Arbeitskollegin bekommen, als sie sich zum ersten Mal auf eine Affäre mit einem im Büro einließ. Doch fünf Jahre später war sie diejenige, die noch immer hier war. Und er derjenige, der gefeuert worden war. Seine Frau war ihm auf die Schliche gekommen und hatte ihn vor die Tür gesetzt. Als Claudia ihm dann ebenfalls die Tür vor der Nase zuschlug, ließ er sich eine Weile in Bars hängen, und es dauerte keine sechs Monate, und er wurde gefeuert.

Und als Nächstes würde Liz an der Reihe sein, das Feld zu räumen. Sie würde bleiben, und zwar als Programmchefin. Sie wusste es. Und diese Gewissheit war es, die ihr den Kopf vor Wut schwirren ließ, wie kurzsichtig diese fünf armseligen willensschwachen Kerle entschieden hatten. Liz Ward war es nicht vorbestimmt, Metro Television zu leiten. Sie war diejenige.

»In Ordnung, Conrad, es ist deine Entscheidung.« Claudia strich ihr aufreizendes rotes Kleid glatt und stand auf. »Gratuliere zu Ihrer Wahl, Gentlemen. Hoffentlich werden Ihre Erwartungen nicht enttäuscht.«

Liz lief die drei Treppen zu ihrem Büro hinunter, fest davon überzeugt, dass dort bereits ein Anruf auf sie wartete, mit dem man ihr mitteilen würde, dass alles ein Irrtum gewesen sei. Doch der Jubel, der losbrach, als sie hereinkam, konnte nur eines bedeuten: Die Nachricht war schon rum. Sie hatte den Job tatsächlich.

Ein ohrenbetäubendes Ständchen »For She’s a Jolly Good Fellow« setzte ein, und jemand drückte ihr einen Plastikbecher mit lauwarmem Champagner in die Hand, während sie noch immer benommen und ungläubig dastand.

Sie hatte es geschafft! Sie hatte es tatsächlich hingekriegt! Sie würde die erste Programmchefin bei einer der großen Fernsehsender in England sein, vielleicht sogar in der Welt! Und sie würde Erfolg haben. Sie würde diesen Piranhas in Nadelstreifen schon beweisen, dass eine Frau kein Biest sein musste, um einen Sender zu leiten!

Sie griff zum Telefon und versuchte David zu erreichen, doch der war in einer Besprechung, und so hinterließ sie bei seiner Sekretärin eine Nachricht für ihn.

»Würden Sie ihm bitte ausrichten, dass die neue Programmchefin von Metro Television ihn heute Abend gern zum Essen einladen möchte?«

Fast konnte sie das Lächeln der Sekretärin am anderen Ende der Leitung hören, als sie versprach, es ihm auszurichten.

»Und nun erlauben Sie mir einen Toast! Auf das heißeste Paar der Medien. David Ward, Chefredakteur der Daily News und eines Tages, wer weiß, vielleicht sogar ein bisschen mehr als das …« Logan Greene, Medienmogul und einer der hundert reichsten Männer der Welt, hob sein Glas auf sie und David. »… und auf seine wundervolle Frau Elizabeth, frisch ernannte Programmchefin einer der nettesten kleinen Lizenzen zum Gelddrucken – Metro Television!«

Liz fühlte sich geschmeichelt, dass Logan diese Party im Ritz schmiss, um ihre Ernennung zu feiern. Sie wusste, dass dies das Siegel der Zustimmung von Logan Greene bedeutete und Davids Weiterkommen auf der Karriereleiter des Konzerns. Früher hatte Logan kaum je mit ihr gesprochen, doch nun brachte er einen Toast auf sie aus. Das nannte man Macht.

Ein Kellner blieb stehen und schenkte ihr Glas mit Jahrgangs-Champagner nach. Sie schaute zu der mit Girlanden geschmückten Decke, den Plastiken und vergoldeten Möbeln und lächelte. Liz Ward hatte es geschafft. Sie wünschte nur, ihre drei besten Freundinnen könnten jetzt hier sein, um mit ihr zu feiern. Seit ihrem Abschluss an der Universität vor vierzehn Jahren teilten sie jede Beförderung und, Gott sei Dank, jeden Misserfolg. Und sie hätten das hier heute Abend genossen.

Sie spürte, wie David ihr den Arm um die Hüfte legte, stolz und glücklich über ihren Erfolg. »Ich wusste, dass du es schaffst! Conrad besitzt mehr Sachverstand, als ich angenommen habe.« Er küsste zärtlich ihren Nacken. Liz nahm seine Hand und hielt sie an ihre Wange. Sie wusste, dass alle im Raum ihr zusahen – aber was soll’s? Das war ihr großer Moment, und sie hatte hart genug dafür gearbeitet. Sie schaute in die Gesichter, die ihr voller Bewunderung entgegenstrahlten, und verspürte einen aufregenden Stich. So also fühlte sich Erfolg an. Und zum ersten Mal im Leben wurde ihr klar, wie berauschend das war. Sie schaute zu David auf und streichelte wortlos seine Hand. Doch David sah sie längst nicht mehr an. Sein Blick war auf einen großspurigen jungen Mann am anderen Ende des Raums fixiert, der sich gerade mit Logan unterhielt.

David schwang herum und unterbrach, reichlich müde, wie Liz fand, das Gespräch hinter ihm. »Bert, was, zum Teufel, hat der Stellvertretende der World hier verloren? Er ist der Feind.«

Der Leiter der Nachrichtenredaktion schaute verlegen drein. »Ist er nicht mehr. Logan hat ihn als Berater angeheuert. Hast du das nicht gewusst?«

»Lass mich in Ruhe, Jamie, bitte!« Liz bemerkte die Gereiztheit. »Wann werden Sie heute Abend zurück sein?« Liz versuchte, den schmollenden Ton des Kindermädchens zu ignorieren, als sie einen angebissenen Apfel aus ihrem Aktenkoffer nahm, den Daisy frühmorgens fürsorglich dort verstaut hatte. Montagmorgen war immer fürchterlich, und Susie war ärgerlich, weil sie Abend für Abend babysitten musste. Wenn doch nur David hin und wieder früher heimkommen könnte, doch das stand für ihn völlig außer Frage. Er musste im Büro bleiben, um die Zeitung ins Bett zu bringen, wie er es nannte. Oft blieb er jetzt sogar noch länger in der Redaktion, und wenn er dann heimkam, war er zu müde, um noch etwas anderes zu tun, als sofort ins Bett zu fallen.

»Um acht, Susie. Versprochen.«

Susie sah sie skeptisch an.

Liz war seit Wochen nicht mehr vor zehn oder elf zu Hause gewesen. Aber es gab so viel zu tun. Sie war es nicht gewohnt, mit riesigen Budgets umzugehen. Sendepläne für ganze Wochen aufzustellen, die Präsentation für die Presse zu planen, die Verhandlungen mit den großen Werbekunden zu überwachen. Sie war müde und ausgelaugt. Und Jamie und Daisy fehlten ihr mehr, als sie sich einzugestehen wagte. Doch sie wusste, wie viel auf dem Spiel stand, und sie musste nicht nur beweisen, dass eine Frau das alles hinkriegen konnte, sondern dass sie es auf brillante Weise schaffte.

»Wenn wir erst auf Sendung sind, wird alles leichter«, beschwichtigte sie. »Dann wird alles etwas ruhiger, und ich kann wieder früher zu Hause sein.«

»Klar.« Nicht zu überhören, dass Susie ihr nicht glaubte. »Aber bis dahin sind es noch zwei Monate! Und müssen Sie dann nicht auch weiterhin so hart arbeiten?«

»Das wird schon gehen. Mach du einfach deinen Job weiter, ja?«

Liz hätte nicht so barsch sein sollen – schließlich drehte sich ihr Alltag und das Leben ihrer Kinder um dieses eine Mädchen, aber Susie hatte nun mal genau ihren wunden Punkt getroffen. Würde es wirklich besser werden, wenn sie auf Sendung waren, oder machte sie sich da nur etwas vor?

Ach, verdammt! Es gab schon genug, was sie um den Schlaf brachte, da konnte sie sich nicht auch noch den Kopf zerbrechen, ob sie nun das eingeschnappte Kindermädchen beleidigt hatte! »Natürlich wird es dann leichter.« Liz versuchte sich selbst zu überzeugen, während sie dies sagte. »Ich werde mein eigener Boss sein und kann mir meine Zeit besser einteilen.«

Susie verzog nur kurz die Augenbrauen, sagte aber nichts. Sie mochte Liz und wollte nicht gefeuert werden. Der Haushalt der Wards war lustig und interessant, und sie wusste, dass beide, David und Liz, einander und die Kinder liebten. Sie war schon bei genügend anderen Familien gewesen, um zu wissen, wie selten das war. Aber sie liebte Jamie und Daisy auch. Das war ja das Problem. Und sie konnte etwas sehen, wofür Liz blind war aufgrund ihrer neuen Besessenheit von ihrer Arbeit: Sie und David arbeiteten so viel, dass sie Jamie und Daisy dabei vernachlässigten.

Seit Wochen musste sie die beiden abends ins Bett bringen, und auch wenn das zusätzliche Geld, das sie verdiente, großartig war, ertrug sie es kaum, den beiden Kleinen jeden Abend sagen zu müssen: »Nein, Mummy kommt jetzt noch nicht nach Hause«, und dann in ihre enttäuschten Gesichter zu sehen. Es war an der Zeit gewesen, das mal anzusprechen.

Liz saß da und tat so, als würde sie in einer Akte lesen. War Jamie wirklich unglücklich? Sie wusste, dass sie ihre Kinder im Moment ein wenig zu kurz kommen ließ. Aber nicht mehr lange. Die Dinge würden wieder besser werden. Es war die Herausforderung ihres Lebens, und es musste hinhauen. Dann würde schon sehr bald wieder alles in Ordnung sein. Oder?

Liz ließ den Blick durch den Raum schweifen, wo sich bereits die Journalisten drängelten. Sie wollten hören, ob Metro TV nun wirklich etwas anderes zu bieten haben würde als den üblichen Unterhaltungsmischmasch und die billigen Seifenopern, was den Vorgänger, Capital TV, letztlich die Lizenz gekostet hatte.

Bis jetzt war es prima gelaufen. Metros Paket aus neuen Stars und frischen Programmen war freundlich aufgenommen worden, was natürlich genauso gut heißen konnte, dass sie vorhatten, es in ihrem jeweiligen Blatt zu verreißen. Bei der Presse konnte man nie sicher sein.

Liz holte tief Luft, schlug mit einer Gabel an ihr Weinglas und bat um Aufmerksamkeit. Sie hatte ihre Ansprache den ganzen Tag geübt, aber beim Fernsehen zu arbeiten war, wie sie festgestellt hatte, etwas ganz anderes, als selber im Scheinwerferlicht zu stehen.

»Großartig. Sie waren einfach verdammt großartig!«

Liz lächelte schwach. Es hatte sie selbst das letzte bisschen an Energie gekostet, Metros neues Programm der Presse zu präsentieren, und nun, da es vorüber war, wollte sie nur noch schlafen, eine ganze Woche lang, oder besser noch einen ganzen Monat. Conrad nahm ihren Arm und schob sie auf einen feierlichen Drink in sein Büro, obwohl Liz doch nichts anderes wollte als nach Hause zu Jamie und Daisy.

Es war sechs Uhr nachmittags, und wenn sie sich beeilte, könnte sie noch rechtzeitig da sein, um sie ins Bett zu bringen. Also ignorierte sie Conrads missmutigen Blick und eilte die Treppen hinunter, sämtliche acht Stockwerke bis zur Parkgarage.

Sie erwischte den Feierabendverkehr, und sämtliche Ampeln in London schienen sich gegen sie verschworen zu haben. Warum hatte sie Susie nicht angerufen und gebeten, die Kleinen noch aufbleiben zu lassen? Wie ein Feigling kam sie sich vor, als ihr klar wurde, dass sie es nicht getan hatte, weil es ein Eingeständnis dem Mädchen gegenüber gewesen wäre. Außerdem sollte es eine Überraschung sein. Während sie um die Ecken jagte und jede Ampel bei Dunkelgelb nahm, spürte sie, wie aufgeregt sie war. In fünf Minuten würde sie ihre Lieblinge in den Armen halten.

Es war zehn nach sieben, als ihr Wagen mit quietschenden Reifen vor dem Haus zum Halten kam; mit klopfendem Herzen eilte sie die Treppe hinauf und malte sich den Jubel aus, wenn sie sie sahen.

Doch alles war mucksmäuschenstill; nur Susie kam aus dem Bad, mit einigen von Daisys Sachen auf dem Arm. »Liz!« Sie lächelte verlegen wegen des Gesprächs am Morgen. »Also heute habe ich gar nicht mit ihnen gerechnet. Wie ist es bei der Präsentation gelaufen?«

Liz wusste, dass Susie nur versuchte, den Angriff von heute Morgen wiedergutzumachen, aber mit dem Kindermädchen über ihre Arbeit zu reden war das Letzte, wonach ihr jetzt zumute war. Daisy und Jamie drücken und knuddeln und ihnen eine Geschichte vorlesen, das war alles, was sie wollte.

»Prima war’s. Wo sind die beiden?«

Susie sah aus, als hätte sie ein schlechtes Gewissen. »Im Bett. Tut mir leid. Aber sie waren so hundemüde, da habe ich sie schon früh hingelegt.«

Es war wie ein Tritt in die Rippen. Sie hatte sich so sehr danach gesehnt, die beiden zu sehen. Sie ging zu Jamies Tür und öffnete sie einen Spalt. Er lag freigestrampelt auf dem Rücken, die Arme zur Seite ausgestreckt, sein dunkles Haar wirr und zerzaust wie bei einem kleinen hübschen Punk; er schlief tief und friedlich den selbstvergessenen Schlaf der Kinder.

Für einen Moment dachte sie daran, ihn aufzuwecken, aber dann wurde ihr klar, wie egoistisch das von ihr wäre. Also begnügte sie sich damit, ihn ein kleines bisschen zu herzlich zu drücken, in der Hoffnung, er würde dann sowieso wach werden oder sie wenigstens verschlafen anlächeln. Aber das tat er nicht.

Und so saß sie neben ihm auf der Bettkante und strich ihm über das Haar. Er wirkte glücklich genug. Oder machte sie sich wieder etwas vor? Leise schlich sie aus dem Zimmer, um sich einen großen Drink zu gönnen. Den brauchte sie. Gott sei Dank war morgen Wochenende, und sie und David würden endlich mal wieder beide zu Hause sein.

Einige Augenblicke lang lag Liz halbwach in ihrem großen Bett, sah den Sonnenstrahlen zu, die an den Seiten der Jalousien ins Zimmer fielen, und streckte sich. Sie würden den ganzen Tag für sich haben. Swimmingpool, Abenteuerspielplatz, Puppentheater, Pizza im Park. Meine Güte! Was um alles in der Welt hatten sie getrieben, als sie noch keine Kinder hatten? Eigentlich unfassbar, dass sie die Tage mit irgendwas rumgekriegt hatten. Und dann fiel es ihr wieder ein. Liebe machen. Mit den Zeitungen im Bett liegen. Ein kurzer Abstecher zum Delikatessenladen, handgemachte Pasta und Pesto zum Abendessen einkaufen. Lunch bei Julie’s. Zur Portobello Road düsen, Antiquitäten aufstöbern.

Natürlich wusste sie, dass sie es ihren kinderlosen Freundinnen nie im Leben würde erklären können – aber das Lustigste daran war, dass ihr all das nun ziemlich öde vorkam!

Wie auf ein Stichwort stürzte Jamie ins Zimmer, mit nacktem Hintern, nur mit seinem Pyjamaoberteil und einem Paar ihrer hochhackigen Schuhe. Daisy, die natürlich unbedingt mitmachen musste, hatte sich einen Papierkorb über den Kopf gestülpt und ihren Schlafanzug von oben bis unten mit Filzstift bemalt.

»Wo ist Daddy?«, fragte Liz leise und zog sich die Decke über den Kopf, plötzlich fand sie den Gedanken an Lunch bei Julie’s ohne Kinder wieder ziemlich verlockend.

»Da Da Da Daaaa!«, ertönte eine Stimme vor der Schlafzimmertür. Jamie und Daisy hielten sich die Hände an die Ohren, als David mit einem Frühstückstablett und den Zeitungen hereingetanzt kam.

Das Tageslicht blendete Liz, als er die Jalousien hochzog, und sie langte nach der Daily Mail, um zu sehen, wie Metros Presse-Präsentation aufgenommen worden war. Aber David war schneller, zog die TV-Seiten heraus, zerknüllte sie und warf sie aus dem Fenster; zu Jamie und Daisys größtem Vergnügen, denn die beiden machten sich sofort über den Rest der Zeitung her, ganz begeistert von diesem verbotenen neuen Spiel.

»Hey!«, protestierte Liz und sprang aus dem Bett. David schubste sie wieder hinein.

»Kein Fernsehteil heute. Heute wirst du dich mal entspannen. Dein Problem ist, dass du das Fernsehen für lebenswichtig hältst.«

Liz lachte und lehnte sich gegen die Kissen. »Ist es nicht, was?«

»Nein, ist es nicht«, pflichtete David bei.

»Es ist sogar noch wichtiger!«

David schnappte sich ein Kissen, schwang sich auf sie, und hockte dann mit dem Kissen auf ihr, bis sie kreischend um Gnade flehte.

Plötzlich fühlte sie eine Hand unter ihrem Nachthemd, die ihre Brust liebkoste. Obwohl Jamie und Daisy im Zimmer waren, reagierte sie darauf und spürte ein unerwartetes Verlangen.