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Jonas Poschinger ist gerade einmal fünfzehn Jahre alt, als er der dreizehnjährigen Benita Anstetter das Leben rettet. Seit diesem Ereignis sind die beiden unzertrennlich und treffen sich fortan heimlich - bis Benitas Vater hinter die Freundschaft der beiden kommt. Er wütet und tobt. Auf gar keinen Fall duldet der reiche Anstetter-Bauer, dass sich seine Tochter mit dem Sohn eines Hungerleiders trifft!
Kurzerhand steckt er Benita in ein strenges Internat. Sie darf sich nicht einmal von ihrem Lebensretter verabschieden.
Doch auch wenn Benita und Jonas sich durch die Anstrengungen des Anstetters vorläufig aus den Augen verlieren, bleiben sie einander immer im Sinn. Nichts kann die zarte Flamme ihrer unschuldigen Jugendliebe löschen, und eines Tages sehen sie sich wieder ...
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Seitenzahl: 135
Veröffentlichungsjahr: 2017
Cover
Impressum
Du bist mein Stern in dunkler Nacht
Vorschau
BASTEI ENTERTAINMENT
Vollständige E-Book-Ausgabe der beim Bastei Verlag erschienenen Romanheftausgabe
Bastei Entertainment in der Bastei Lübbe AG
© 2016 by Bastei Lübbe AG, Köln
Verlagsleiter Romanhefte: Dr. Florian Marzin
Verantwortlich für den Inhalt
Titelbild: iStockphoto / PeopleImages
Datenkonvertierung E-Book: Blickpunkt Werbe- und Verlagsgesellschaft mbH, Satzstudio Potsdam
ISBN 978-3-7325-4241-3
www.bastei-entertainment.de
www.lesejury.de
Du bist mein Stern in dunkler Nacht
Ihre Liebe ist stärker als die bösen Gerüchte
Von Rosi Wallner
Jonas Poschinger ist gerade einmal fünfzehn Jahre alt, als er der dreizehnjährigen Benita Anstetter das Leben rettet. Seit diesem Ereignis sind die beiden unzertrennlich und treffen sich fortan heimlich – bis Benitas Vater hinter die Freundschaft der beiden kommt. Er wütet und tobt. Auf gar keinen Fall duldet der reiche Anstetter-Bauer, dass sich seine Tochter mit dem Sohn eines Hungerleiders trifft!
Kurzerhand steckt er Benita in ein strenges Internat. Sie darf sich nicht einmal von ihrem Lebensretter verabschieden.
Doch auch wenn Benita und Jonas sich durch die Anstrengungen des Anstetters vorläufig aus den Augen verlieren, bleiben sie einander immer im Sinn. Nichts kann die zarte Flamme ihrer unschuldigen Jugendliebe löschen, und eines Tages sehen sie sich wieder …
Jonas Poschinger war aus dem Bus gestiegen, der mit einiger Verspätung aus der Kreisstadt, in der er zur Schule ging, in seinem abgelegenen Heimatdorf angelangt war. Unterwegs hatte es so stark zu schneien begonnen, dass die Sicht weitgehend eingeschränkt war und sie nur sehr langsam vorwärtsgekommen waren.
Nun sanken nur noch vereinzelte Flocken vom Himmel, und Jonas ging die Dorfstraße entlang. Die Häuser waren hoch eingeschneit, Dachlawinen waren herabgestürzt und bildeten mit dem Schnee, den die Dorfbewohner bereits weggeschaufelt hatten, rechts und links Wälle. Es war eine stille, gedämpfte Welt, jeder Schritt wurde aufgesogen, kaum jemand ging vor die Tür.
Die Häuser waren schon adventlich geschmückt, dicke Kerzen in Gläsern standen in den Fenstern, die Simse waren mit Tannenreisig bedeckt, und an den Türen hingen weihnachtliche Kränze.
Während die anderen Kinder sich beeilten, nach Hause zu kommen, wo ihre Mütter schon auf sie warteten und sie sich an einen gedeckten Tisch setzen konnten, wurden Jonas’ Schritte immer zögerlicher. Schließlich bog er in einen kleinen Seitenweg kurz vor dem Dorfausgang ein, der halb eingeschneit war.
Wie immer, wenn Jonas das kleine Anwesen erblickte, in dem er mit seiner Familie wohnte, befiel ihn tiefe Niedergeschlagenheit. Es schien, als sei das kleine Gehöft mutwillig dem völligen Niedergang preisgegeben worden. Die einstigen Stallungen und die Wirtschaftsgebäude, die schon lange nicht mehr genutzt wurden, waren verfallen. Die Holzlatten der Scheune waren zersplittert und bogen sich teilweise nach außen, davor lagen verrostete landwirtschaftliche Geräte und ein altes Fahrrad herum.
Auch das Wohnhaus, aus dessen Schornstein sich ein dünner Rauchfaden schlängelte, sah verwahrlost aus. Die Fensterläden waren schadhaft, eine Scheibe im Obergeschoss war nachlässig mit einem Brett zugenagelt. Rechts und links von der Eingangstür waren Holzstöße aufgeschichtet, und es war zu hoffen, dass sie ausreichten, um das untere Stockwerk bis ins Frühjahr hinein zu beheizen.
Die kleine Wiese hinter dem Haus ging in Latschengestrüpp und schließlich in einen dunklen Bergwald über. Dahinter erhoben sich schroff die Felswände eines Gebirgsmassivs, das beide Seiten des Dorfs begrenzte. Heute hingen die Wolken tief herab, was noch dazu beitrug, die bedrückende Atmosphäre, die von dem Anwesen ausging, zu erhöhen.
Schon von Weitem hörte Jonas die streitenden Stimmen seiner Eltern. Offensichtlich war es seinem Vater zu viel gewesen, bei diesem Winterwetter aufzustehen und irgendeiner Arbeit nachzugehen. Auch seine Mutter, die gelegentlich in Lokalen in der Umgebung aushalf, schien heute zu Hause geblieben zu sein, was unweigerlich zu Streitigkeiten führte. Vermutlich war auch der Alkohol ausgegangen, ohne den sie ihr Leben nicht aushalten konnten, und nüchtern waren seine Eltern noch reizbarer als in angetrunkenem Zustand.
Jonas verhielt den Schritt, und wie immer durchströmten ihn Angst und Verzweiflung. Er fühlte sich wie ein Fremder, wie ein ungebetener Gast in seiner Familie, und jedes Mal, wenn er nach Hause kam, verspürte er heftigen Widerwillen. Schließlich öffnete er die Haustür und trat in den Flur, wo ihm der unangenehme Geruch nach angebranntem Essen, Zigarettenrauch und Alkohol entgegenschlug.
In der geräumigen Wohnküche standen sich wie befürchtet seine Eltern gegenüber und schrien sich wütend an. Sein Vater, ein ungeschlachter, massiger Mann, der weitaus älter wirkte als Ende dreißig, ging drohend auf seine Frau zu. Doch Anna Poschinger wich nicht vor ihm zurück, sondern schleuderte ihm mit funkelnden Augen giftige Beschimpfungen entgegen, die Jonas zusammenzucken ließen.
Obwohl sie schlecht gekleidet und ungepflegt war, lag auf ihren verlebten, bleichen Zügen immer noch der Abglanz einstiger Schönheit. Anna hatte üppige schwarze Haare, die sie achtlos nach hinten gebunden hatte, und grüne Augen. Sie war eine Dorfschönheit gewesen, rank und schlank, das wusste Jonas von den vielen Fotografien, die sie ihren Kindern in besseren Stunden voller Stolz gezeigt hatte.
Und sein Vater war ebenfalls ein stattlicher, gut aussehender Mann gewesen, wie das Hochzeitsbild zeigte. Jonas hatte mit zunehmendem Alter nie begreifen können, wie es geschehen konnte, dass seine Eltern so heruntergekommen waren. Vielleicht lag es daran, dass sie sich gegenseitig immer tiefer ins Unglück zogen, weil sie sich schon längst hassten und nicht vom Alkohol lassen konnten.
»Du liegst den ganzen Tag nur faul herum, und es schert dich net, dass kein Essen im Haus ist«, kreischte seine Mutter gerade, und rote Flecken erblühten auf ihren Wangen.
»Du weißt ganz genau, dass ich um diese Zeit schwer etwas find. Und warum arbeitest du net? Weil du so eine Bissgurn bist, dass dich keiner haben will«, erwiderte ihr Mann gehässig.
Damit hatte er allerdings recht. Anna Poschinger benahm sich den Gästen gegenüber oft so ausfällig, dass sie für die Wirtsleute nicht mehr tragbar war. Inzwischen hatte sich das auch in den Nachbarortschaften herumgesprochen, sodass sie nirgends mehr als Aushilfe angenommen wurde.
Als Jonas den Raum betrat, richteten sich alle Blicke auf ihn. Sein um ein Jahr jüngerer Bruder Alfons, genannt Fonsi, der aber wesentlich älter als vierzehn wirkte, lümmelte sich faul auf der Eckbank. Er war ganz nach dem Vater geraten, hochgewachsen, muskulös und mit breiten Schultern.
Fonsi widmete sich jeden Tag hingebungsvoll seinem Krafttraining. Das war das Einzige, was er mit Ausdauer und Leidenschaft tat. Er wirkte bereits jetzt bedrohlich, und da er eine Neigung zur Gewalttätigkeit hatte, stand zu befürchten, dass er in nicht allzu langer Zeit ein gefürchteter Wirtshausschläger werden würde.
Am anderen Ende der Eckbank saß in sich zusammengekrümmt seine zwölfjährige Schwester Johanna, wie immer verschüchtert und verängstigt, wie es die Art von Kindern ist, die wissen, dass sie unerwünscht sind. Von den Eltern vernachlässigt und immer in der Furcht, Opfer von Fonsis hinterhältigen Attacken zu werden, hatte sie nur den einen Wunsch, nämlich ihr Elternhaus, sobald es möglich war, zu verlassen.
Johanna war die Einzige, mit der Jonas etwas verband.
»Was starrst du uns denn so an?«, fragte ihn Fonsi gehässig. »Ist der höhere Schüler doch noch in unser Elend zurückgekehrt?«
Jonas besuchte im Gegensatz zu seinen Geschwistern das Gymnasium in der Kreisstadt. Das war auf Betreiben von Hochwürden hin geschehen, der sich überhaupt des ältesten Sohns der Poschingers sehr annahm. Und das hatte auch seinen Grund, denn Jonas war von überragender Intelligenz und selbst am Gymnasium geistig unterfordert.
Jonas gab keine Antwort. Auf dem Tisch standen die Überreste einer kärglichen Mahlzeit, und es war nicht das erste Mal, dass für ihn nichts mehr zu essen übrig geblieben war, wenn er hungrig und müde nach Hause kam.
»Ich geh zu Hochwürden, heut hab ich Latein.«
Das stimmte nicht ganz. Jonas benötigte schon lange keinen Unterricht mehr, aber Hochwürden hatte ihm angeboten, seine Bibliothek im Pfarrhaus zu benutzen, und davon machte Jonas regen Gebrauch.
Er wurde an der Tür von der Haushälterin, der grimmigen Martha, freudig begrüßt und in den kleinen Raum geleitet, dessen Wände mit hohen Bücherregalen ausgestattet waren. Eine breite Terrassentür führte in den Garten, der auch im Winter idyllisch wirkte. Die großen Buchskugeln trugen Schneehauben, um einen Rosenbogen wanden sich kahle, weiß bestäubte Zweige. Der Rest war im Schnee versunken, an manchen Stellen deutete ein Polster an, dass eine Pflanze darunter dem Frühling entgegenschlummerte.
Zwei breite Lehnsessel luden zum Verweilen ein, dazwischen stand ein runder Tisch, den Magda mit einem Adventsgesteck geschmückt hatte, aus einer Obstschale daneben sollte sich Jonas bedienen. Sonst befand sich nur noch eine Stehlampe im Raum, deren Licht nun alles in ein warmes Licht tauchte, denn draußen dunkelte es bereits.
Für Jonas war diese kleine Bibliothek ein Refugium, der Trost für alle Widrigkeiten, die er erleiden musste. Denn nicht nur zu Hause gab es Schwierigkeiten, sondern auch in der Schule. Man hielt ihn für einen Streber und Sonderling, doch wie hätte er jemals einen Schulkameraden zu sich nach Hause einladen können? Und so hielt er sich fern und fehlte sogar bei schulischen Unternehmungen.
Hochwürden hatte ihn auf ein Regal hingewiesen, in dem sich historische Werke befanden, die auch für jugendliche Leser geeignet waren. Jonas hatte schon zwei oder drei Bände gelesen und war zunehmend fasziniert davon.
Er hatte gerade wieder nach einem Buch gegriffen, als Martha mit einem Tablett hereintrat. Die Pfarrhaushälterin, eine gedrungene Frau mit harten Zügen und streng zurückgekämmtem Haar, das sie zu einem altmodischen Dutt zusammengesteckt hatte, war im ganzen Dorf gefürchtet. Sie bewachte die Privatsphäre von Hochwürden mit eifersüchtiger Beflissenheit, außerdem hatte sie eine derart scharfe Zunge, dass sich niemand mit ihr anzulegen wagte.
Eigenartigerweise hatte sie aber eine starke Zuneigung zu Jonas Poschinger entwickelt, obwohl er von diesem heruntergekommenen »Gschwerl« abstammte, das sie zutiefst verachtete. Zunächst hatte sie starke Bedenken geäußert, als Hochwürden ihn ins Haus mitgebracht hatte, und hatte sich sogar verstockt geweigert, sich mit ihm zu befassen.
Dann hatte sie ihn dabei ertappt, wie er einen Apfel aus der Obstschale, die sie so liebevoll für Hochwürden zusammengestellt hatte, in seiner Hosentasche verschwinden ließ. Erbost, beide Arme in die Hüften gestemmt, hatte sie sich vor ihn hingestellt.
»Man merkt halt doch, woher du kommst …«, hatte sie ihn giftig angefaucht.
Tiefe Röte der Scham war in Jonas Poschingers Wangen gestiegen, er nahm den Apfel aus der Tasche und legte ihn in die Schale zurück.
»Hochwürden hat mir erlaubt, von dem Obst zu essen. Der Apfel war außerdem net für mich«, versuchte sich Jonas zu rechtfertigen.
»Ach so, für wen denn?«
»Für die Johanna, meine Schwester. Manchmal bleibt für sie nichts übrig.«
Jonas verstummte, er war außerstande, dieser unfreundlichen Frau weitere Einzelheiten aus seinem Elternhaus zu eröffnen.
»Was heißt das, es bleibt nichts für sie übrig?«, fragte Martha nach, obwohl sie es sich denken konnte.
»Es ist nicht genug Essen da für alle.«
Daraufhin schien Martha in tiefes Nachsinnen zu verfallen, und sie verließ den Raum. Wenig später kehrte sie mit einem Teller belegter Brötchen zurück. Den stellte sie vor ihn hin, daneben ein Glas Milch und eine Tafel Schokolade, denn Hochwürden mochte Süßes.
»Das ist bei uns übrig geblieben, Hochwürden lässt immer so viel stehen. Wenn du net alles essen kannst, dann nimmst du’s halt mit. Hier ist ein Tüterl.«
Das stimmte zwar nicht, Hochwürden hatte einen gesegneten Appetit, was sich allmählich auch äußerlich abzuzeichnen begann, doch Martha fand, dass dies eine gottgefällige Lüge im Rahmen der Nächstenliebe war. Und dieses Spiel wiederholte sich immer wieder, wenn Jonas im Pfarrhaus auftauchte.
Seitdem waren sich die beiden zugetan, auch wenn sie nie ein Wort darüber verloren. Hochwürden war erleichtert und bestärkte Martha darin, den Buben ja ordentlich zu versorgen und seine Schwester mit dazu.
Und so hatte sie auch heute wieder eine Vesper und allerlei Leckereien für ihn, und sie erkannte an seinem Blick, wie dankbar er dafür war. Sie beeilte sich, wieder aus dem Raum zu kommen, denn er griff erst zu, nachdem sie ihn allein gelassen hatte.
Heut ist er ganz blass und ausgehungert, eine Schand ist das, wie die Poschingers ihre Kinder halten, dachte sie bitter. Andere Eltern wären dankbar, wenn sie Kinder wie den Jonas und die Johanna hätten.
Niemand wusste, wie sehr sie unter ihrer eigenen Kinderlosigkeit gelitten hatte. Und Enkel würde es auch keine für sie geben, die ihr das Alter leichter machen würden.
Die Tür hatte sich kaum hinter Martha geschlossen, als Jonas schon hungrig über das Essen herfiel und es hinunterschlang. Heute hatte die Pfarrhaushälterin ihm einen großen Becher mit heißer Schokolade hingestellt, was ihm angesichts der Kälte guttat. Dann hielt er inne und steckte eine Butterbrezen und eine Käsesemmel in die dafür vorgesehene Tüte. Auch ein paar Süßigkeiten ließ er in seiner Schultasche verschwinden, die er immer dabeihatte, wenn er ins Pfarrhaus ging.
Endlich wurde ihm warm, und auch der pochende Kopfschmerz verging. Jonas leerte den Becher und genoss die Ruhe, die im Pfarrhaus herrschte. Nach einer Weile holte er sich das Buch aus dem Regal, mit dem er fast zu Ende gekommen war und das ihn so fesselte, dass er beständig daran denken musste.
Dann betrat er eine andere Welt, in der ihm nichts und niemand etwas anhaben konnte.
»Ist der Bub noch da?«, fragte Hochwürden, als er spät nach Hause zurückkehrte, weil er einer trauernden Familie Beistand geleistet hatte.
»Nein, natürlich net, es ist ja schon nachtschlafende Zeit. Magst du noch etwas essen, Hochwürden?«, fragte sie ihn.
Der Priester war ein Nachbarsbub gewesen, den sie hatte aufwachsen sehen, und so duzte sie ihn noch ganz selbstverständlich. Aber gleichzeitig nannte sie ihn auch respektvoll »Hochwürden«, denn das gehörte sich so.
»Mach dir keine Umstände, Martha. Außerdem haben mich die Breitners zum Essen eingeladen, das konnte ich nicht ablehnen.«
»Ach so.«
»Du hast doch noch was auf dem Herzen, oder?«
Hochwürden kannte seine Pappenheimer, besonders aber seine Martha, die für ihn so etwas wie eine Verwandte war.
»Der Bub, der Jonas, war heut in keiner guten Verfassung. Blass, ausgehungert und niedergeschlagen, tät ich amal sagen.«
Hochwürden seufzte tief auf.
»Wenn du wüsstest, was ich mir schon für Gedanken wegen ihm gemacht hab.«
»Solche Rabeneltern, solche sakrischen«, begann sie zu schimpfen, »und das Madel, die Johanna, ist auch übel dran.«
»Das Beste wär, die beiden aus der Familie zu nehmen. Bei dem Fonsi, fürcht ich, ist schon Hopfen und Malz verloren. Aber wohin mit ihnen? Etwa in ein Heim?«
»Jesus, Maria.« Martha bekreuzigte sich.
»Du sagst es. Also bleibt uns nichts anderes übrig, als den Jonas wie bisher zu unterstützen. Und ich glaub, er ist stärker, als es den Anschein hat. Wenn es aber noch schlimmer wird, werde ich den Poschingers ins Gewissen reden.«
»In welches Gewissen?«, grummelte Martha.
Dann wünschten sie sich eine gute Nacht, denn Hochwürden musste für die Frühandacht beizeiten aufstehen. Dasselbe galt auch für Martha, sie war sogar gewöhnlich schon vor dem Morgengrauen auf den Beinen.
Als Jonas nach Hause gegangen war, hatte es wieder angefangen zu schneien. Mühsam kämpfte er sich vorwärts, denn der Seitenweg zu dem Anwesen der Poschingers war nicht ausgeleuchtet. Das Haus lag auch still und dunkel da. Als er endlich die Haustür mit klammen Händen öffnete, fühlte es sich an, als ob seine Bewohner es überstürzt verlassen hätten.
Wahrscheinlich hatten sich die Eltern dazu entschlossen, ihrem trostlosen Zuhause den Rücken zu kehren und wieder einmal im Wirtshaus anschreiben zu lassen, was fast schon zur Regel geworden war. Fonsi, der schon längst alles Kindliche abgestreift hatte, war vermutlich bei einem seiner älteren Freunde untergekrochen und würde voraussichtlich morgen sogar die Schule, wie so oft, schwänzen.
»Johanna?«, rief er nach oben.
Eine Tür öffnete sich zögernd.
»Komm herunter, Johanna, hier ist es noch einigermaßen warm am Kachelofen. Ich hab was für dich mitgebracht.«
Johanna kam heruntergehuscht und schaute sich scheu um, als hätte sie Angst, dass ihr Vater oder Fonsi plötzlich aus einem dunklen Winkel auftauchen könnten. Sie war in mehrere Westen und einen alten Anorak gehüllt und zitterte immer noch, denn die Räume im oberen Stockwerk waren so gut wie ungeheizt.
»Ich mach dir eine Milch warm.«
Johanna setzte sich neben den Kachelofen, der noch schwache Wärme ausströmte, und trank dann gierig von der warmen Milch, die ihr Jonas in einem großen Glas reichte. Dann legte er die Butterbrezen und die Käsesemmel vor ihr auf einen Teller, daneben die Süßigkeiten.
Mit einem glücklichen Aufseufzen griff Johanna nach der Brezen, und in kürzester Zeit war der Teller leer und die Hälfte der Süßigkeiten ebenfalls verzehrt. Einen Teil der Schokolade behielt sie zurück, denn vielleicht gab es morgen wieder nicht genug zu essen.