Alpengold 372 - Rosi Wallner - E-Book

Alpengold 372 E-Book

Rosi Wallner

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Beschreibung

In einer mondlosen Nacht werden die Bewohner des Bergdorfs durch das Läuten der Feuerglocke aus dem Schlaf gerissen. Fenster und Türen der Häuser fliegen auf, und man läuft, teils noch im Nachtgewand, vor die Tür.
Beim Firnstetter brennt‘s. Hell lodern die Flammen aus dem Dach, das alte Gebälk brennt wie Zunder.
Am nächsten Morgen ist das Feuer gelöscht, und gleichzeitig steht fest: Es war Brandstiftung. Zeugen wollen den Buchinger-Anderl am Tatort gesehen haben, und der kann sich - wie vor vielen Jahren schon einmal - nicht gegen die bösen Lügen wehren!


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Inhalt

Cover

Der Zündler und das liebste Madl

Vorschau

Impressum

Der Zündler und das liebste Madl

Packender Heimatroman um eine späte Versöhnung

Von Rosi Wallner

In einer mondlosen Nacht werden die Bewohner des Bergdorfs durch das Läuten der Feuerglocke aus dem Schlaf gerissen. Fenster und Türen der Häuser fliegen auf, und man läuft, teils noch im Nachtgewand, vor die Tür.

Beim Firnstetter brennt's. Hell lodern die Flammen aus dem Dach, das alte Gebälk brennt wie Zunder.

Erst am nächsten Morgen ist das Feuer endlich gelöscht, und gleichzeitig steht fest: Es war Brandstiftung. Zeugen wollen den Buchinger-Anderl am Tatort gesehen haben, und der kann sich – wie vor vielen Jahren schon einmal – nicht gegen die bösen Lügen wehren!

»Fanny, wo bist du denn?«, rief Anderl Buchinger und setzte sich auf, um nach seiner Freundin auszuspähen.

Er hatte sich, den Schulranzen unter dem Kopf, auf der Bergwiese ausgestreckt und wieder einmal seinen Tagträumen hingegeben, bis er vom Schrei eines Raubvogels aufgeschreckt worden war. Fanny hingegen war lachend quer über die Wiese gelaufen, wahrscheinlich hatte sie inzwischen wieder einen großen Blumenstrauß gepflückt.

»Ich komme ja schon«, erklang ihre helle Stimme. Sekunden später tauchte sie hinter einem hohen Busch auf.

Doch Fanny trug keinen Strauß in der Hand, sondern sie hatte weiße Blumen zu einem Kranz geflochten.

Wie immer, wenn er Fanny unvermutet vor sich sah, begann Anderls Herz hastig zu klopfen, und eine tiefe Freude erfüllte ihn. Die Sonne ließ ihr Haar wie einen silbernen Strahlenkranz um das liebreizende Gesichtchen aufleuchten. Schon jetzt, mit nicht einmal elf Jahren, versprach sie später einmal eine Schönheit zu werden.

Anderl war fast drei Jahre älter, an der Schwelle zum Erwachsenwerden, und für ihn gab es niemanden, der ihm mehr bedeutete als die kleine Fanny Grainbacher.

»Schau mal, Anderl. Willst du mir den Kranz aufsetzen?«, bat sie ihn.

Der Junge gehorchte, dann sah er sie lange an.

»Das schaut aus wie ein Brautkranz«, meinte er schließlich, denn ihr Anblick hatte ihm die Sprache verschlagen.

Beide waren verstummt, als ob sie ahnten, dass dies ein bedeutsamer Moment in ihrem Leben war.

»Werden wir später mal Braut und Bräutigam sein?«, flüsterte sie.

»Ja«, kam es wie ein Hauch von seinen Lippen.

»Schwör es mir.«

»Ja, wir werden ein Leben lang zusammen bleiben.«

Fanny steckte ihm eine Rispe aus ihrem Blumenkranz in die Hemdtasche, was ihn als Bräutigam ausweisen sollte. Dann hielten sie sich an den Händen, zu keiner anderen Berührung war es zwischen ihnen je gekommen, und sahen sich in die Augen.

»Niemand soll uns trennen«, fügte Anderl hinzu.

Das genügte ihnen als Bekräftigung ihres Schwurs, und obwohl es eigentlich höchste Zeit für sie war, nach Hause zurückzukehren, legten sie sich nebeneinander hin und gaben sich ganz dem Zauber ihrer Zweisamkeit hin.

Das Mittagsläuten war schon längst von der Dorfkirche zu ihnen hochgeweht, doch nichts konnte sie aus ihrer Versunkenheit reißen. Und alles um sie herum war wie in einem schönen Traum, die blühende Almwiese, der dunkle, dichte Bergwald und die zerklüftete Gebirgskette im Hintergrund.

Dann aber zogen Wolken auf und warfen Schatten über das Gebirgstal. Wortlos erhoben sich Anderl und Fanny, und während das Mädchen nur eine kurze Wegstrecke zum Grainbacherhof zurückzulegen hatte, machte sich Anderl an den mühsamen Aufstieg zum Einödhof seines Vaters.

Ganz wie er befürchtet hatte, erwartete ihn sein Vater schon mit zornrotem Gesicht vor dem Eingang des Wohnhauses, dessen Schindeln mit den Jahren bereits grau geworden waren. Ein armseliges Gütl war es, mit den prächtigen Höfen der Großbauern kaum zu vergleichen, doch für Kajetan Buchinger bedeutete es der Ort, an dem er daheim war.

Anderls Vater war ein harter Mensch, der schwere Schicksalsschläge erlitten hatte. Am schlimmsten war es für ihn gewesen, dass seine geliebte Frau bei der Geburt seines Sohns unter Qualen verstorben war. Das hatte er nie verwunden. Vielleicht war das der Grund, warum er seinem einzigen Kind so wenig Zuneigung entgegenbrachte und ihm nie ein gutes Wort gönnte. Dafür strafte er seinen Sohn für das geringste Vergehen unbarmherzig ab, und oft genug konnte Anderl nachts nicht schlafen, weil er blutige Striemen auf dem Rücken hatte.

»Wo hast du dich denn wieder rumgetrieben, Bürscherl?«, herrschte Kajetan Buchinger seinen Sohn an.

»Tut mit leid ...«

»Ach, es tut dir leid«, echote der Buchinger höhnisch. »Was meinst du, wie leid es mir tut, dass ich so einen unnützen Sohn hab wie du. Hast du mir net schon genug Ärger eingehandelt, oder hast das schon vergessen?«

Anderl wusste genau, worauf sein Vater anspielte. Vor einem Jahr war ein Heustadl vom Grainbacher in Brand gesetzt worden, und zwei Burschen hatten felsenfest behauptet, sie hätten Anderl Buchinger beim Zündeln beobachtet. Der Grainbacher ließ das Ganze auf sich beruhen, doch seitdem wurde Anderl allgemein als »der Zündler« verspottet.

Immer wieder hatte Anderl behauptet, unschuldig zu sein, doch selbst sein Vater schenkte seinen Beteuerungen keinen Glauben. Überhaupt wurde das Verhältnis zwischen Vater und Sohn immer schlechter, zu verschieden waren sie in ihrer ganzen Wesensart.

Vor drei Jahren waren sowohl Hochwürden als auch Anderls Lehrer Gottlieb Wurzinger auf den abgelegenen Berghof hochgestiegen, denn der Buchinger hatte sich von jeher geweigert, zu einer Elternsprechstunde zu erscheinen.

»Der Anderl muss auf ein Gymnasium in der Stadt gehen, so begabt wie er ist«, hatte der Dorfschullehrer vorgeschlagen, »am besten sogar in ein gutes Internat, damit er sich den weiten Schulweg erspart.«

Kajetan Buchinger hatte wütend die Augen zusammengekniffen.

»Der Anderl ist mein einziger Sohn und der Hoferbe. Der braucht das alles net. Und Geld für ein Internat ist auch net da.«

»Andere Eltern wären froh, wenn sie so ein Kind wie den Anderl hätten. Für ihn wäre es außerdem ein Leichtes, ein Stipendium zu bekommen«, hatte Gottfried Wurzinger dagegengehalten.

»Hier ist die Heimat meines Sohns, und er soll ihr net entfremdet werden«, hatte der Buchinger schroff erklärt und dem Wurzinger den Rücken zugekehrt.

Auch Hochwürden hatte nichts ausrichten können, obwohl er Anderl einen Platz in einem Internat angeboten hatte, das auf geistliche Berufe hin ausgerichtet war.

»Mein Sohn soll kein Klosterbruder oder Priester werden, sonst wird die Familienlinie net weitergeführt. Der Anderl bleibt hier, wo er hingehört.«

Damit war für Buchinger das letzte Wort gesprochen, und weder der Lehrer noch Hochwürden hatten weitere Versuche unternommen, den Bauern umzustimmen.

Auch Anderl wollte den heimischen Hof nicht verlassen, obwohl er unter der Strenge seines Vaters litt. Doch er konnte sich nicht vorstellen, in der Enge eines Internats zu leben, genauso wenig wie in einer Großstadt. Er war ein Landkind und wollte es auch bleiben.

Doch Gottfried Wurzinger war einer jener Lehrer, die immer das Wohl der Kinder im Auge behielten. Und die Vorstellung, dass Anderls Fähigkeiten durch den Starrsinn seines Vaters versanden würden, war unerträglich für ihn. Daher schenkte er Anderl die Lehrbücher, die er für eine weiterführende Schule benötigte, und einen altmodischen Rekorder, damit er sich mit Hilfe von Disketten Fremdsprachen aneignen konnte.

Hochwürden tat es ihm gleich und gab Anderl einmal in der Woche Lateinunterricht. Der Junge stürzte sich mit Begeisterung auf den Lernstoff und machte rasche Fortschritte. Oft schlief er abends spät ein, weil er noch über einer Mathematikaufgabe brütete, und hatte morgens Mühe, aus dem Bett zu finden.

Leider hatte auch Anderls Entscheidung, den heimischen Hof nicht zu verlassen, die Beziehung zwischen Vater und Sohn nicht verbessern können. Zwar schlug er ihn mittlerweile nur noch selten, spannte ihn aber immer häufiger in anstrengende Arbeiten ein.

»Du bekommst heut nichts mehr zu essen, der Tisch ist schon abgeräumt. Ein Weidezaun ist beschädigt und muss unbedingt repariert werden«, sagte Kajetan grimmig.

Dann fiel Buchingers Blick auf die Blumen, die in Anderls Brusttasche steckten, und erneut stieg Röte in sein Gesicht. Mit einer raschen Bewegung riss er sie heraus, warf sie auf den Boden und trat auf ihnen herum.

»Bist du jetzt ganz narrisch geworden?«, stieß er zwischen den Zähnen hervor. »Man könnt ja grad glauben ...«

Der Rest des Satzes blieb ungesagt, der verletzte Ausdruck auf Anderls Zügen hielt ihn anscheinend doch zurück.

»Ich bringe den Rucksack auf meine Kammer und trinke etwas«, brachte Anderl mühsam hervor und verschwand im Haus.

Die alte Josefina, die niemand mehr auf dem Hof dulden wollte, hatte bei den Buchingers, die entfernte Verwandte von ihr waren, Unterschlupf gefunden. Die Hauswirtschaft auf dem kleinen Gütl war leichter zu bewältigen als auf den Höfen der Großbauern, sodass sie trotz des »Reißens« in ihren Gliedern zurecht kam.

Auch sie war eine harte, verbitterte Frau, die zeitlebens herumgestoßen und ausgenützt worden war. Doch um Anderl kümmerte sie sich und unterlief dabei oft Buchingers Anweisungen. So hielt sie dem Jungen ein Glas Saft und ein Wurstbrot hin, als er ins Haus stürmte.

»Da, nimm! Du kannst net hungrig hinaus aufs Feld.«

Anderl bedankte sich bei ihr und umarmte sie kurz, was ein seltsames Gefühl in ihr auslöste, denn sie war Zärtlichkeiten nicht gewohnt. Zwei Stufen auf einmal nehmend, polterte Anderl die Treppe hoch, legte in seiner winzigen Kammer den Rucksack ab und verschlang gierig das Brot, dann leerte er das Glas.

Als er wieder herunterkam, sah er, dass sein Vater schon aufgebrochen war. Hastig untersuchte er vor dem Haus den Boden nach Überresten des kleinen Straußes, und er fand tatsächlich eine der Blumen, die noch heil geblieben war. Er versteckte sie hinter einem Stein, später würde er sie hervorholen, wenn er unbeobachtet war.

Als Anderl spät am Abend nach Hause zurückkehrte, war sein Vater schlechter Laune, denn sie hatten die Reparatur nicht abschließen können. Wie üblich ließ er seinen Unmut an seinem Sohn aus und fand, dass Anderl auch kein Abendessen verdient hätte.

»Wenn du rechtzeitig von der Schule nach Hause gekommen wärst, anstatt herumzutrödeln, dann wären wir auch fertig geworden«, hielt der Buchinger Anderl vor.

Doch dagegen erhob Josefina Einspruch. Es war das erste Mal überhaupt, dass sie dem Buchinger so energisch gegenübertrat.

»Wenn der Anderl nichts zu essen bekommt, dann kann er meine Vesper haben«, erklärte sie aufgebracht.

»Pass nur auf, dass ich dich net vor die Tür setz. Und wer will schon eine alte Gruschtel wie dich haben«, fuhr er sie bösartig an.

»Und wer will schon hier oben arbeiten, da findest du keine. Dann kannst du deine gschlamperten Unterhosen selber waschen«, erwiderte sie grob.

»Früher waren die Weiberleut anders«, murrte er, ließ aber zu, dass Josefina Anderl den Teller voll häufte.

»Jetzt sind halt die Zeiten auch anders«, gab Josefina zurück.

»Aber bestimmt net besser«, murmelte Kajetan Buchinger ergrimmt. Dann sprach er kein einziges Wort mehr, sondern widmete sich ganz seinem Essen.

Später, als Anderl endlich allein in seiner Kammer war, nahm er ein besonders dickes Buch aus dem Regal. Er legte die Blume, die er heimlich hereingeholt hatte, zwischen die Blätter und schloss das Buch vorsichtig. Dann stellte er es wieder auf das Regal zurück.

Natürlich war es altmodisch. Normalerweise pressten nur die Madln Blumen oder vierblättrige Kleeblätter in Bücher, aber so hatte er wenigstens etwas von seiner Fanny, was ihn durch schwere Tage begleiten würde.

Dann holte er sich sein Geschichtsbuch, denn dieses Fach interessierte ihn ganz besonders, und las im Bett darin, bis ihm die Augen zufielen. Später sah Josefina noch einmal nach ihm, und sie schüttelte nachsichtig lächelnd den Kopf und löschte das Licht.

***

So verging der Frühsommer, heitere Tage, die für immer in seiner Erinnerung bleiben sollten. Es war Anderl und Fanny nicht immer möglich, sich nach der Schule zu treffen, doch manchmal gelang es ihnen, für ein oder zwei Stunden zu ihrem Lieblingsplatz zurückzukehren, wo sie sich alles anvertrauten, was ihnen auf dem Herzen lag.

Und jedes Mal erneuerten sie ihr Versprechen, einmal als Bräutigam und Braut vor dem Altar zu stehen.

»Was hast du denn, Fanny? Bist du für etwas bestraft worden daheim?«, fragte Anderl erschrocken, als sie sich endlich einmal wieder treffen konnten.

Die Augen des Mädchens waren gerötet, ein Zeichen, dass sie geweint hatte. Fanny schüttelte den Kopf und unterdrückte ein Aufschluchzen.

»Es ist viel schlimmer«, brachte sie mühsam hervor, und ihre schönen Augen füllten sich mit Tränen.

Anderl zog die Brauen zusammen. Er konnte sich nichts Schlimmeres vorstellen, als von seinem Vater bestraft zu werden. Einmal hatte er ihm sogar seinen Ledergürtel mehrmals über den Rücken gezogen.

»Musst du als Nonne ins Kloster?«

Trotz ihrer Tränen kam ein Kichern aus Fannys Mund.

»Ich soll nächstes Jahr tatsächlich ins Kloster. Aber nicht als Nonne, sondern in ein Internat, wo nur Nonnen unterrichten. Es ist weit weg von hier, sodass ich noch net mal am Wochenende nach Haus kommen kann ...« Fanny weinte laut auf.

Das war unerträglich für Anderl, und er umfasste sie tröstend. Doch dann kam ihm erst die Tragweite dessen zu Bewusstsein, was sie ihm eben eröffnet hatte.

»Das heißt, dass wir uns nimmer sehen können, oder?«

Auch er kämpfte bei dieser Erkenntnis mit den Tränen.

»Zu Weihnachten bin ich zu Hause. Aber du weißt ja, dass ich an Festtagen mithelfen muss, weil wir dann immer Verwandtschaftsbesuch haben.«

»Aber wir können uns doch schreiben, oder?«

Fanny schüttelte so heftig den Kopf, dass ihre silbrigen Locken nur so um ihr Gesichtchen tanzten.

»Die Nonnen kontrollieren alles. Man darf nur an die Eltern oder die nächsten Verwandten schreiben.«

»Das ist ja schlimmer als ein Gefängnis«, meinte Anderl niedergeschlagen.

»Das hab ich einfach net verdient«, sagte Fanny tonlos. »Das werde ich meinem Vater niemals verzeihen.«

Beide schwiegen, hinter Anderls Stirn kreisten die Gedanken.

»Meinst du, jemand hätte uns hier zusammen beobachtet und es deinem Vater hinterbracht?«, überlegte er schließlich.

»Aber was ist denn Schlimmes dran, wenn wir uns hier treffen?«, entgegnete Fanny in kindlicher Unschuld.

»Nun, mein Vater ist ein armer Häusler, und alle nennen mich hier den Zündler, obwohl ich nichts getan habe. Für eine Großbauerntochter wie du bin ich sicher net der richtige Umgang. Und schon gar net der künftige Bräutigam«, sagte Anderl ohne Bitterkeit.

»Aber du bist doch mein Anderl«, stammelte sie unglücklich.

Sie beugte sich zu ihm hinüber, um ihn unbeholfen auf die Wange zu küssen, aber er schob sie behutsam von sich weg. Dann erhob er sich und schlug vor, einen Spaziergang entlang des Waldrands zu unternehmen.

»Aber in den großen Ferien können wir uns doch noch sehen«, stieß er in angstvoller Vorahnung hervor.

Wieder schüttelte Fanny den Kopf, und erneut flossen Tränen.

»Nein, ich muss heut und morgen packen, dann fährt mich der Vater ins Internat. Damit ich mich dort eingewöhnen kann, heißt es.«

Anderl war es, als ob sich ein dumpfer Schmerz in seiner Herzgegend ausbreiten würde. Fanny weinte laut auf, und ihre Hände fanden und umklammerten sich.

»Bald bin ich volljährig«, knirschte Anderl, »dann werde ich dich besuchen. Das kann mir niemand mehr verbieten.«

»Aber bis dahin ...«

»Wir müssen halt Geduld haben. Schwör mir, dass du mich nie vergisst«, verlangte Anderl eindringlich.

»Und du darfst mich auch net vergessen«, sagte sie.

Dann trennten sie sich, und Anderl blieb stehen, bis ihre zarte, elfenhafte Gestalt aus seinem Blickfeld verschwunden war. Das sollte für lange Zeit das letzte Mal sein, dass er Fanny Grainbacher sah.

***

Die Jahre vergingen, und Anderl Buchinger wuchs zu einem stattlichen jungen Mann heran. Wenn er vom Einödhof hinunter ins Dorf kam, so folgten ihm viele Blicke, und manch ein Madl wünschte sich, dass er es zum Tanz ins Wirtshaus einlud.

Doch Anderl blieb davon unberührt, nahm noch nicht einmal wahr, welche Aufmerksamkeit er erregte. Er machte sich nichts aus den Vergnügungen der Dorfjugend, die Arbeit auf dem Hof kostete ihn immer mehr Kraft, denn sein Vater war vor der Zeit alt geworden, sodass ihm alles immer schwerer fiel. Die wenige Zeit, die Anderl dann noch blieb, verbrachte er mit Lesen und seiner Fortbildung.

Manchmal dachte er noch an die kleine Fanny, und er stellte sich dann vor, wie sie jetzt, als junge Frau, aussah. Dann verspürte er große Wehmut, denn wie sie sich geschworen hatten, war sie nie aus seinem Gedächtnis geschwunden. Nach dem Internat sei sie ins Ausland gegangen, war ihm zu Ohren gekommen. Nun war aus ihr wohl eine weltläufige Frau geworden, und er war in ihren Augen wohl nur ein unbedarfter Bauerntölpel.

Sicher hatte sie ihn jedoch schon lange vergessen und hielt ihren Schwur lediglich für eine kindliche Torheit, die keine Bedeutung mehr für sie hatte. Aber solchen Grübeleien wollte er sich nicht hingeben, sondern die Erinnerung an diese heiteren, hellen Tage mit Fanny in seinem Herzen bewahren.