Batman und die Politik - Slavoj Žižek - E-Book

Batman und die Politik E-Book

Slavoj Zizek

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Beschreibung

In diesem kurzweiligen Essay dekonstruiert Slavoj Žižek den Batman aus Christopher Nolans Verfilmung "The Dark Knight Rises". Wer ist der eigentliche Terrorist? Was hat Batman mit der Occupy-Bewegung gemein? Dieser unterhaltsame Text zeigt Žižek bei seiner Lieblingsdisziplin: Der politischen Analyse von Kultur.

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Slavoj Žižek 

Batman und die Politik

Aus dem Englischen von Dirk Höfer

MSeB bei Matthes & Seitz Berlin

Inhaltsverzeichnis

Cover
Slavoj Žižek: Batman und die Politik
Der gute Terrorist
Seltsame Anziehungskraft
Bibliographische Angaben
Weitere eBooks bei MSeB
Volker Braun: Zukunftsrede
Andi Schoon: sujet imaginaire. Ein Figurenentwurf
Alexander Pschera: Dataismus. Kritik der anonymen Moral
Byung-Chul Han: Bitte Augen schließen
Emmanuel Carrère: Davos
Guillaume Paoli: Mao siegt
Impressum

Slavoj Žižek: Batman und die Politik

Der Film The Dark Night Rises zeigt, dass Hollywoods Blockbuster präzise Indikatoren für die ideologischen Zwickmühlen abgeben, in denen unsere Gesellschaften stecken. Die Geschichte geht wie folgt. Acht Jahre nach den Ereignissen von The Dark Knight, der vorhergehenden Folge von Christopher Nolans Batman-Trilogie, herrschen Recht und Ordnung in Gotham City. Commissioner Gordon hat, durch das Dent-Gesetz mit ungewöhnlicher Macht ausgestattet, die organisierte und gewalttätige Kriminalität nahezu ausgemerzt. Gleichwohl fühlt er sich schuldig, weil er die Verbrechen von Harvey Dent vertuscht hat, und plant, die Verschwörung bei einer öffentlichen Veranstaltung offen zu legen – er kommt jedoch zu dem Schluss, dass die Stadt für die Wahrheit noch nicht reif sei.

Bruce Wayne, der nicht mehr als Batman agiert, lebt isoliert in seinem Anwesen. Seine Firma ist angeschlagen, da er in ein Projekt für saubere Energie investiert hatte – eine Anlage, die Fusionsenergie nutzbar machen sollte –, das Vorhaben aber beendete, als er begriff, dass der Fusionsreaktor zu einer Atomwaffe umgebaut werden kann. Die schöne Miranda Tate aus dem Vorstand von Wayne Enterprises ermutigt Wayne, sich nicht länger der Gesellschaft zu entziehen und seine philanthropische Arbeit wieder aufzunehmen.

An dieser Stelle tritt der erste Bösewicht des Films auf. Bane, ein Terroristenführer und Mitglied der Gesellschaft der Schatten, gelangt in den Besitz einer Kopie der vom Commissioner vorbereiteten Rede. Als Banes Finanztricksereien Waynes Firma an den Rand des Bankrotts führen, vertraut Wayne die Führung des Unternehmens Miranda an, mit der er auch eine kurze Affäre hat. Als er zudem erfahren muss, dass Bane in den Besitz seines Fusionsreaktors gelangt ist, nimmt Wayne wieder die Rolle Batmans an und stellt Bane zum Kampf. In der Auseinandersetzung wird Batman schwer verwundet, Bane setzt ihn in einem Gefängnis fest, aus dem zu fliehen nahezu unmöglich ist. In der Zeit, in der sich Wayne im Gefängnis von seinen Verletzungen erholt und sich wieder zu Batmans alter Form trainiert, gelingt es Bane, Gotham City in einen isolierten Stadtstaat umzubauen. Zunächst lockt er einen Großteil von Gothams Polizeieinheiten in den Untergrund und hält sie dort fest; dann zerstört er mit mehreren Sprengungen fast alle Brücken, die Gotham City mit dem Festland verbinden und verkündet, dass jeder Versuch, die Stadt zu verlassen unweigerlich zur Explosion des in eine Bombe umgebauten Fusionsreaktors führen wird.

Hier kommen wir zu dem entscheidenden Moment des Films: Banes Übernahme wird begleitet von einer breiten politisch-ideologischen Offensive. Er macht die Vertuschung von Dents Tod öffentlich und entlässt die unter dem Dent-Gesetz ins Gefängnis geworfenen Gefangenen in die Freiheit. Er verdammt die Reichen und Mächtigen, wobei er verspricht, das Volk wieder an die Macht zu bringen. »Übernehmt die Kontrolle über eure Stadt«, fordert er die Bürger auf. Bane entpuppt sich, wie es der Kritiker Tyler O’Neil formuliert, als »ultimativer Wall Street Occupier, der die 99 Prozent auffordert, sich zusammenzuschließen und die gesellschaftlichen Eliten zu stürzen.« Darauf zeigt der Film, was er sich unter der Macht des Volkes vorstellt: Summarische Schauprozesse und Hinrichtungen der Reichen, die Straßen dem Verbrechen und der Niedertracht anheimgegeben.

Einige Monate später, Gotham City leidet noch immer unter dem Volksterror, entkommt Wayne aus dem Gefängnis, schlüpft wieder in die Rolle Batmans und trommelt seine Freunde zusammen, die ihm dabei helfen sollen, die Stadt zu befreien und die Atombombe zu entschärfen, bevor sie hochgeht. Batman stellt sich dem Kampf mit Bane und kann ihn bezwingen, doch Miranda geht dazwischen und sticht mit einem Messer auf Batman ein. Sie entpuppt sich als Talia al-Ghul, Tochter von Ra’s al-Ghul, dem einstigen Führer der Gesellschaft der Schatten (den Bösewichten aus Batman Begins). Nachdem Talia verkündet, das Werk ihres Vaters mit der Zerstörung Gotham City fortsetzen zu wollen, flieht sie.

In dem darauf folgenden Chaos unterbricht Commissioner Gorden den Fernzünder der Bombe, eine wohlwollende Einbrecherin, Catwoman Selina Kyle, tötet Bane und befreit Batman, der sich sofort aufmacht, Talia zu jagen. Er versucht sie dazu zu nötigen, die Bombe in die Fusionskammer, wo sie stabilisiert werden kann, zu bringen, aber sie flutet die Kammer. Talia stirbt in der Gewissheit, dass die Explosion der Bombe nicht aufzuhalten ist, nachdem ihr Lastwagen von der Straße gedrängt wurde und zerschellte. Mit einem speziellen Helikopter gelingt es Batman, die Bombe aus dem Stadtgebiet herauszuschaffen, sie explodiert über dem Ozean, wobei sie ihn mutmaßlich tötet. Batman wird nun als Held gefeiert, der ein Opfer gebracht hat, um Gotham City zu retten. Von Wayne wird angenommen, er sei in den Unruhen umgekommen. Sein Besitz wird aufgeteilt, doch der Butler Alfred sieht Wayne und Selina in einem Café in Florenz, sie sind beide am Leben. Blake, ein junger und aufrichtiger Polizist, der über Batmans Identität Bescheid weiß, erbt Batcave.

Der erste Hinweis auf den ideologischen Unterbau dieses Schlusses kommt von Alfred, der auf Waynes scheinbarem Begräbnis die letzten Zeilen aus Eine Geschichte aus zwei Städten von Charles Dickens liest: »Es ist etwas weit, weit Besseres, was ich tue, als was ich je getan habe; und die Ruhe, in die ich eingehe, ist eine weit, weit bessere, als mir je zuteil wurde.« Einige Rezensenten glaubten darin ein Indiz zu sehen, dass der Film – in den Worten O’Neils – »zu den vornehmsten Höhen der westlichen Künste aufsteigt … Der Film appelliert an den Angelpunkt der amerikanischen Tradition – an das Ideal des noblen Opfers für die einfachen Leute … Als ultimative Christusfigur opfert Batman sich selbst, um andere zu retten.«

So gesehen ist es, was die Handlung anbelangt, nur ein kurzer Schritt zurück von Dickens zu Christus auf dem Kalvarienberg. Aber wird die Idee von Batmans Opfer als Wiederholung des Christustodes nicht von der letzten Szene des Films (Wayne und Selina im Café) beschädigt? Entspricht dieses Ende auf religiöser Ebene nicht vielmehr der altbekannten blasphemischen Vorstellung, Christus habe die Kreuzigung überlebt und noch ein langes friedliches Leben in Indien oder, wie manche Quellen behaupten, in Tibet gelebt? Die einzige Möglichkeit, diese Schlussszene irgendwie zu retten, hieße sie als Tagtraum oder Halluzination Alfreds zu lesen.