Beim nächsten Fettnäpfchen wartet die Liebe - Louise Bagshawe - E-Book
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Beim nächsten Fettnäpfchen wartet die Liebe E-Book

Louise Bagshawe

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Beschreibung

Sie ist die Königin des Chaos: Der humorvolle Liebesroman »Beim nächsten Fettnäpfchen wartet die Liebe« von Louise Bagshawe als eBook bei dotbooks. Am ersten Arbeitstag mit Laufmasche ins Büro stolpern? Aus Versehen in Jeans und T-Shirt bei einer glamourösen Party erscheinen? Wenn eine das schafft, dann ist es Alex. Kein Wunder, dass sie sich neben ihren Mitbewohnerinnen wie ein Aschenputtel vorkommt: Keisha ist nicht nur eine Expertin in Sachen Mode und Looks, sie arbeitet auch noch beim Fernsehen, verdient dabei mächtig viel Geld und die Männer liegen ihr zu Füßen; Bronwen ist Fotografin und die Königin der Londoner Clubszene. Aber, so neidisch Alex auch auf ihre Freundinnen ist: Bestimmt kann auch sie glänzen, wenn sie nur ihren Mut zusammennimmt! Und vielleicht wird es ihr dann auch endlich gelingen, einen Traumprinzen für sich zu erobern? Jetzt als eBook kaufen und genießen: Die romantische Komödie »Beim nächsten Fettnäpfchen wartet die Liebe« von Bestsellerautorin Louise Bagshawe. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 581

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Über dieses Buch:

Am ersten Arbeitstag mit Laufmasche ins Büro stolpern? Aus Versehen in Jeans und T-Shirt bei einer glamourösen Party erscheinen? Wenn eine das schafft, dann ist es Alex. Kein Wunder, dass sie sich neben ihren Mitbewohnerinnen wie ein Aschenputtel vorkommt: Keisha ist nicht nur eine Expertin in Sachen Mode und Looks, sie arbeitet auch noch beim Fernsehen, verdient dabei mächtig viel Geld und die Männer liegen ihr zu Füßen; Bronwen ist Fotografin und die Königin der Londoner Clubszene. Aber, so neidisch Alex auch auf ihre Freundinnen ist: Bestimmt kann auch sie glänzen, wenn sie nur ihren Mut zusammennimmt! Und vielleicht wird es ihr dann auch endlich gelingen, einen Traumprinzen für sich zu erobern?

Über die Autorin:

Louise Daphne Bagshawe wurde 1971 in England geboren. Sie studierte Altenglisch und Altnordisch in Oxford und arbeitete anschließend bei EMI records und Sony Music in der Presseabteilung und im Marketing. 2010 zog sie als Abgeordnete der Tories ins Parlament ein. Seit ihrem 22. Lebensjahr veröffentlichte sie über 15 Romane und ist international erfolgreich.

Louise Bagshawe veröffentlichte bei dotbooks bereits die humorvollen Liebesromane »Liebesglück für Quereinsteiger«, »Und morgen klopft die Liebe an« und die Romane »Massots – Die Diamantendynastie«, »Glamour – Das Kaufhaus der Träume«, »Diamonds – Als wir nach den Sternen griffen« sowie den Romantic-Suspense-Roman »Special Agent – Gefährliche Anziehung«

Außerdem erscheinen von ihr die romantischen Großstadt-Romane: »London Dreamers«

»New York Ambitions«

»Manhattan Affairs«

»Hollywood Lovers«

***

eBook-Neuausgabe März 2022

Die englische Originalausgabe erschien erstmals 1998 unter dem Originaltitel »Venus Envy« bei Orion, London. Die deutsche Erstausgabe erschien 2001 unter dem Titel »Venus mit Laufmasche« bei Droemer Knaur

Copyright © der englischen Originalausgabe 1998 by Louise Bagshawe

Copyright © der deutschen Erstausgabe 2001 bei Droemersche Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf., München

Copyright © der Neuausgabe 2022 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Kristin Pang, unter Verwendung eines Motivs von Ann.and.Pen / © shutterstock.com

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ae)

ISBN 978-3-98690-004-5

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Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

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Liebe Leserin, lieber Leser, in diesem eBook begegnen Sie möglicherweise Begrifflichkeiten, Weltanschauungen und Verhaltensweisen, die wir heute als unzeitgemäß oder diskriminierend verstehen. Bei diesem Roman handelt es sich um ein rein fiktives Werk, das vor dem Hintergrund einer bestimmten Zeit spielt oder geschrieben wurde – und als solches Dokument seiner Zeit von uns ohne nachträgliche Eingriffe neu veröffentlicht wird. Diese Fiktion spiegelt nicht unbedingt die Überzeugungen des Verlags wider.

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Louise Bagshawe

Beim nächsten Fettnäpfchen wartet die Liebe

Roman

Aus dem Englischen von Helga Augustin

dotbooks.

Dieses Buch ist meiner Mutter Daphne und meiner jüngeren Schwester Tilly gewidmet, die absolut keine Ähnlichkeit mit der Mutter und Schwester in diesem Buch haben. Ehrlich.

Kapitel 1

»Alan Pell kommt in fünf Minuten«, verkündete Keisha.

»Du Glückliche«, sagte ich freudlos.

»Yeah.« Keisha hatte sich herausgeputzt und streckte ihren schlanken schwarzen Rücken wie eine preisgekrönte Siamkatze. »Er sagt, bei Up and Running wird ein Job frei.« Missbilligend zog sie die winzige Gucci-Jacke wieder von den glänzenden, ebenholzfarbenen Schultern und warf einen vielsagenden Blick auf meinen Arbeitsbereich, der mit Tonbrocken und Bonbonpapieren meiner neuesten Avantgarde-Kreation übersät war. »Wenn du so weitermachst, schlägt er dir vielleicht die Mitarbeit bei Blue Peter vor.«

»Ich bring das schon in Ordnung«, sagte ich düster. Mein Werk sah wirklich aus, als entstamme es dem Ausschuss der Bastelabteilung in der Kinder-TV-Sendung Play School.

»Und dich selbst am besten auch«, sagte Keisha, aber nicht unfreundlich. Vielmehr wie jemand, der es mit einer glücklosen Kreatur zu tun hatte. »Ich kann dir mein schwarzes Ghost-Kleid leihen.«

»Und was ist hier dran auszusetzen?«, knurrte ich.

Ihr Blick auf meine abgerissenen Jeans und das farbbekleckste Hemd sprach Bände. Meine Fingernägel waren abgebrochen, die Haare standen mir wirr vom Kopf und meine Kleidung entbehrte jeden Stils.

»Er arbeitet bei einer großen Plattenfirma ... er kennt eine Menge Fernsehleute«, lockte Keisha. »Interessante Leute ... mit Geld. Und Macht.«

»Ich interessiere mich nicht für Leute mit Geld und Macht!«, log ich aufgebracht. »Ich interessiere mich nur für Oliver.«

Meine letzte große Liebe hatte mir erst gestern den Laufpass gegeben. Per Fax, vom Drehort seines neuen Films aus. Er hatte allerdings keine Zeit gehabt, es selbst zu schreiben. Ich bin wahrscheinlich die einzige Frau in der Geschichte der Zweierbeziehungen, die von einer Sekretärin abserviert wurde.

»Oliver ist ein Loser. Und du wirst genauso enden, wenn du dich weiter anziehst wie eine Demonstrantin auf Protestmärschen«, beharrte Keisha. Sie öffnete ihren Kleiderschrank und holte einen kleinen schwarzen Fummel heraus, makellos sauber unter der Plastikhaube der Reinigung. »Wenn du das dreckig machst, musst du’s bezahlen.«

»Was hat es denn gekostet?«, fragte ich verbittert.

Keisha errötete. »Zwei achtzig.«

»Zweihundert und achtzig Pfund?« Ich schnappte nach Luft. Mein Herz schlug wild bei der Vorstellung, wie viel Keisha für Kleidung ausgab. Und zwar ohne mit der Wimper zu zucken. Sie hatte zwar nie Geld, sah aber immer todschick aus. Ich spreche hier von einer Frau, die einmal das Stempelgeld eines ganzen Monats für ein Armani-Jackett hingeblättert hat. Die Männer sahen Keisha nur an, und schon eilten sie in den nächsten Prada- oder Rolex-Laden. Vielleicht verkaufte sie ja all die Rolex-Uhren, die sie nicht brauchte, um sich die Designerklamotten leisten zu können. Jedenfalls war es mir ein absolutes Rätsel, wie sie das alles bezahlte.

Ich hatte schon Schuldgefühle, wenn ich mir ein Sandwich bei Marks & Spencers kaufte, anstatt es mir selbst zu machen.

»Ich kann mit dir zu Neville Daniels gehen«, schlug Keisha freudig vor, »und zu Liberty’s, um dich herrichten zu lassen ... für dreihundert Mäuse könnten wir eine solide Grundlage schaffen.«

»Dreihundert Pfund!«, stieß ich hervor.

»Na ja, vielleicht vierhundert«, gab Keisha zu.

Ich zog das Kleid an und dachte deprimiert über ihren Vorschlag nach. Für vierhundert Pfund würde ich also vorzeigbar sein. Klasse. Und wo sollte ich die hernehmen? Ich wohnte seit drei Monaten in London, meine Eltern übernahmen noch immer meine Miete, ich hatte keinen festen Freund, der mir Taxis und Abendessen spendierte, und eine Mitleid erregende Zukunft als Tippse vor mir.

Die Tür ging auf, und Gail, meine jüngere Schwester, kam herein. Sie war mit mehreren Tüten aus dem Naturkostladen beladen und wirkte strahlend und zart in ihrem Kleid aus reiner Naturfaser. Ich konnte noch immer nicht glauben, dass ich mit Gail zusammenwohnte, aber als mir das Wasser bis zum Hals stand, hatte ich mich schließlich dem Willen meiner Eltern gebeugt. Ich bezahlte keine Miete und sollte in Kürze eine feste Arbeit in der City beginnen.

Noch vor zwei Jahren hätten mich keine zehn Pferde dazu gebracht, hier zu wohnen.

Ich war die großartige Alexandra Wilde, deren wildes Naturell sich sogar im Namen niederschlug. Ich versagte in der Schule – besonders verglichen mit der Einser-Produzentin Gail Wilde. Doch wen juckte das schon? Ich war kreativ. Seit meinem ersten Lebensjahr hatte ich Schlamm-Skulpturen im Sandkasten gebaut, ich hatte an allen Wettbewerben für junge Künstler teilgenommen und sechs Landespreise gewonnen. Ich hatte eine strahlende Zukunft vor mir, sah mich schon geadelt wie Dame Elizabeth Frink. Damien Hirst würde mir nicht das Wasser reichen können. Ich schaffte mit Ach und Krach meine Mathe- und Englischprüfungen und ging nach Oxford. Aber nicht, um Akademikerin zu werden. O nein, ich machte einen Abschluss in bildender Kunst – Malerei und Bildhauerei, mit ein wenig Kunstgeschichte nebenher.

Oxford war zu schön, um wahr zu sein. Während ich mich in der Schule mit gewichtigen Werken der Weltliteratur wie Die Dornenvögel oder Middlemarch hatte rumplagen müssen, glich mein Unileben einer aufwendigen Merchant-Ivory-Verfilmung, mit Bootsfahrten auf der Themse und Picknicks auf der Christ-Church-Wiese. Meine Freunde, allesamt selbstgefällige Stipendiaten-Typen, die dem vulgären Comic Viz entsprungen schienen, behandelten mich von oben herab. Doch das war mir egal. Ich kaufte den Socialist Worker und beteiligte mich an Mietstreiks. Meine Vorbilder waren Vanessa Redgrave und Tony Benn – radikal, aber irgendwie trotzdem reich. Ich wollte meine Mäuse und Vögel für viel Geld in schicken Londoner Galerien verkaufen.

Meine Freunde lachten darüber, aber ich glaubte an mich.

Das war ein Fehler.

Niemand kaufte meine Skulpturen, und nach sechs Monaten in einem möblierten Zimmer mit Kakerlaken und defekten Heizöfen war ich total demoralisiert. Ich war nicht dafür geschaffen, von Galerie zu Galerie zu ziehen und meine Kunst feilzubieten. Mein Freund Oliver, seines Zeichens Regisseur und Bohemien, hatte mich für eine kalifornische Barbie-Puppe sitzen lassen, gleich bei seinem ersten Job in Amerika. Außer von meinen Eltern erhielt ich keinerlei Unterstützung und fand schon bald heraus, dass man mit einem Abschluss in bildender Kunst sowie einem Sortiment Tonfiguren in dieser Stadt nicht weit kommt.

»Mein Gott, Alex die Bleiche, siehst du müde aus«, sagte Gail, wohlwissend, dass mich das ärgerte. In Gegenwart meiner coolen Freunde wollte ich wirklich nicht bei meinem Spitznamen aus Kindheitstagen genannt werden. »Du brauchst dringend eine Extradosis Vitamin B.«

»Und dein Gesicht braucht eine neue Politur«, erwiderte ich knurrend.

»Tolles Kleid«, sagte Gail unbeeindruckt. »Eine Verschwendung angesichts der restlichen Erscheinung. Oh, Keisha, ich hoffe, du hast nicht das ganze heiße Wasser verbraucht, ich bin total verspannt, sicher wegen dem ganzen Stress. Vielleicht sollte ich es mal mit Prozak versuchen.« Sie warf ihrem waisenkindhaften, hirschkuhäugigen Spiegelbild einen selbstgefälligen Blick zu und eilte ins Badezimmer. Gail war eine hypochondrische Naturkostfanatikerin, aber sie kam damit durch, weil sie so lieblich und zerbrechlich wirkte. Selbst ihre blöden Klamotten aus purer Naturfaser waren irgendwie unglaublich attraktiv. Und wie Keisha hatte auch Gail einen Job: Sie war Redaktionsassistentin bei Organic Food Weekly, verdiente so gut wie nichts und wartete wohlgemut auf den Richtigen, der sie auf seinen Landsitz in Gloucestershire entführte, wo sie ihrer Liebe zur Natur mit einem kleinen Kräutergarten oder dergleichen frönen konnte.

Außerdem bildete Gail sich ein, der nächste Martin Amis zu sein. Sie schrieb an ihrem so genannten Der Große Naturroman, weigerte sich aber, mir den Plot zu erzählen – als interessierte er mich! –, damit ich ihn ja nicht klauen konnte. Sie hatte absolut kein Vertrauen zu mir, was echt ironisch war. Denn als ich in Oxford lebte und Gail in Reading Soziologie studierte, kam sie mich permanent besuchen und ging mit sämtlichen verfügbaren Männern aus. Nur nicht mit Tom Drummond, der sie links liegen ließ, aber von Tom werde ich später noch erzählen.

Als ich Keisha kennen lernte, war sie gerade arbeitslos, aber dank ihres angeborenen Selbstbewusstseins bekam sie schnell einen Job beim Radio und bald darauf beim Fernsehen. Sie tat Dinge, die ich nicht im Traum wagen würde. So fuhr sie zum Beispiel mit ihrem Mercedes-Coupé zum Arbeitsamt, um das Stempelgeld abzuholen, und sie fälschte ihren Lebenslauf. Für den Radiojob etwa musste Keisha Berufserfahrung vorweisen, die sie ohne mit der Wimper zu zucken erfand. Und jetzt bemühte sie sich um ihre erste feste Stelle: Alan wollte ein gutes Wort für sie bei Up and Running einlegen, der samstäglichen Kinderkultsendung der BBC. Tausende bewarben sich alljährlich auf die Recherche-Positionen beim Sender.

»Wenn Alan kommt, kannst du dann den Brief für mich schreiben, Alex?«, fragte Keisha ausgesprochen liebenswürdig.

Ich seufzte. Ich schrieb Briefe für sämtliche Bewohner in diesem Haus – Beschwerdebriefe, Dankesschreiben, Bewerbungen, was immer gerade anfiel. Es war neben Bildhauen das Einzige, was ich wirklich gut konnte.

Großartig, dachte ich, als mein Blick in den Spiegel fiel. Gail hatte Recht: Ich sah absolut uncool aus – eine mollige, verlotterte Alex in einem schicken schwarzen Kleid.

Morgen war mein erster Tag in einem bezahlten Job. Ich war immer noch auf meine Eltern angewiesen. Ich hatte keinen festen Freund. Ich war eine Versagerin.

Ich war siebenundzwanzig Jahre alt.

Keisha deutete mein Schweigen fälschlich als Wut. Sie hätte es besser wissen sollen, denn ich war nie auf irgendwen wütend. Ich hatte das Rückgrat einer Qualle.

»Ach, komm schon, Schätzchen, ich bezahl dir auch einen Friseurbesuch«, bettelte sie.

Ich brauchte ihre Hilfe.

»Okay«, sagte ich.

In dem Moment klingelte es an der Tür. Alan Pell kam herein, sah scharf aus wie ein Rasiermesser – ein weiterer Star der City, gerade frisch befördert. Alle fuhren im Eiltempo auf der Überholspur, nur ich tuckerte auf dem Seitenstreifen dahin.

»Sehr schön, Keisha, Baby«, sagte Alan und ließ seinen Blick bewundernd über ihr Gucci-Kleid wandern. »Hallihallo, Alex, Schätzchen.« Er drückte mir einen herzlichen Kuss auf die Wange. »Du siehst müde aus. Aber das Kleid ist toll.«

»Danke«, sagte ich verdrossen. Ich durchforstete mein Gehirn nach einer witzigen Bemerkung, aber vergebens.

Keisha schlug ihren professionell-charmanten Plauderton an. Sie konnte ein ausgemachtes Miststück sein, aber wenn nötig war sie Fräulein Liebenswert persönlich. Alan sonnte sich in dem enormen Interesse, das ihre schokoladenbraunen Augen ausstrahlten.

Ich stürmte aus der Wohnung und gab zehn Pfund für fünf Rubbellose aus. Dann ging ich zu McDonald’s und kaufte mir einen Big Mac mit Pommes und eine richtige Cola. Ich gewann zwei Pfund. Ich schob mir gerade eine Hand voll Pommes in den Mund, als Gail, die nichts wog und sich bei einem geleckten, sonnengebräunten Citytypen untergehakt hatte, am Fenster vorbeiging und mir fröhlich zuwinkte. Der Citytyp wirkte erstaunt. So was kannte Gail?

Morgen ist ein neuer Tag, sagte ich mir.

Kapitel 2

Der Radiowecker schaltete sich gut gelaunt ein. Mistding. Die beiden Ansager Mark Radcliffe und Lard wieherten unkomische Witze in meinen lädierten Kopf. Dann legten sie Metallica auf. Ich wälzte mich aus dem gemütlichen Bett mit den von den Eltern bezahlten weißen Laken und stolperte quer durchs Zimmer, um den Aus-Knopf zu drücken.

»Morgenstund hat Gold im Mund, Morgenstund hat Gold im Mund!«, rief Gail und steckte den Kopf durch den Türspalt. Heute trug sie ein hauchzartes Lainey-Keogh-Netzjäckchen über einem hübschen Seidenpullover. »Es ist schon sieben!«

»Sieben?«, fragte ich benommen. Machten die Leute das wirklich jeden Tag? Vor zehn Uhr aufstehen verstieß gegen meinen Glauben.

»Yeah, beeil dich, sonst kommst du zu spät«, sagte Gail in Bossmanier. »Mummy will, dass du heute einen guten Eindruck machst. Du weißt doch, sie hat alle Hebel in Bewegung gesetzt, damit du den Job kriegst.«

Das war traurig, aber wahr. Ich besaß keinerlei Qualifikation, so dass selbst diese beschissene Arbeit eine Nummer zu groß für mich war. Doch erfreut darüber, dass ihr schwarzes Schaf in ihren Mittelschichtsschoß zurückgekehrt war, hatten Mummy und Daddy in der ganzen Gegend herumtelefoniert, schuldige Gefälligkeiten eingefordert und sogar der örtlichen Reitschule ihr gestrüppüberwuchertes Feld zur Verfügung gestellt. Ich hatte postwendend einen Brief von Hamilton Kane bekommen, einer privaten Investmentbank, die mir die Stelle der zweiten Sekretärin von Herrn Seamus Mahon in der Abteilung »Unternehmensfinanzierung« anbot. Mrs. Kane und meine Mutter spielten einmal im Monat Damengolf. Obwohl ich den Job angenommen hatte, fehlte mir natürlich das erforderliche Selbstvertrauen, außerdem würde meine Mutter mich bei lebendigem Leibe verspeisen, wenn ich sie in irgendeiner Weise enttäuschte.

»Okay.« Ich ging zum Badezimmer, das fester verschlossen war als Oliver Browns kleines Betrügerherz.

»Keisha ...«

»Du kannst ja wohl warten, bis ich fertig bin.«

»Wann ...?«

»Wenn ich fertig bin!«, schrie Keisha unüberhörbar.

Duschen konnte ich erst mal vergessen.

»Du musst einfach nur schneller sein«, sagte Gail zuckersüß. »Außerdem ist das Müsli alle. Bronwen ist gerade heimgekommen. Sie hat die ganze Nacht Gras geraucht und wohl mehrere Fressanfälle gehabt.«

Bronwen war unsere vierte Mitbewohnerin. Sie kam aus Wales, war sehr leichtfüßig und echt irre. Tagsüber arbeitete sie als Fotoassistentin bei Modeaufnahmen und ravte nachts. Sie war mit sämtlichen Rausschmeißern des Ministry of Soul auf Du und Du und kannte sich mit Drogen besser aus als unser Apotheker. Ihre Klamotten waren so cool, dass Face daneben wirkte wie Woman’s Weekly.

Ich wusste, mein Leben veränderte sich radikal, wenn ich zur gleichen Zeit wie Bronwen in der Wohnung war. Sie saß in unserer Küche und strömte einen so intensiven Marihuanageruch aus, dass ich das Gefühl hatte, jeden Moment Beatlestexte deklamieren zu müssen. Sie trug knallenge weiße Lederjeans und ein pinkfarbenes Spice-Girls-T-Shirt, das quer über ihrem beeindruckenden Busen die Aufschrift: »Girl Power« trug. O Mann, warum kam ich mir immer wie Fergie vor, nur nicht so elegant?

»Also gut, Schwester«, sagte Bronwen, »bore da«, und brach in schallendes Gelächter aus. Es musste ihr echt gut gehen, wenn sie walisische Phrasen von sich gab. Bronwen torkelte auf mich zu, um mich weinselig zu umarmen, und bevor ich ihr ausweichen konnte, hatte sie schon schwarzen Kaffee über mein sorgfältig gebügeltes blaues Kostüm geschüttet.

»Hoppla!«, sagte Gail hochamüsiert. »Du ziehst dich wohl besser um.«

Ich stürmte zurück in mein Zimmer und riss den Kleiderschrank auf. Mein Hosenanzug war in der Reinigung, und mein marineblaues Kostüm hatte einen Zahnpastafleck. Unglaublich, ich konnte meinen Blutdruck fast steigen hören.

Keisha steckte den Kopf durch den Türspalt. In ihrem Nicole-Farhi-Outfit und dem perfekten Rouge-Noir-Lippenstift von Chanel samt passendem Nagellack verkörperte sie die Wunschfantasie aller Werktätigen dieser Welt.

»Schwarzes Kleid. Nichts anderes«, sagte sie knapp. »Schwarz bedeutet Anmut und Stärke«, verkündete sie.

Ich kämpfte mich in mein schwarzes Jerseykleid. Es hatte einen Rollkragen und betonte dankenswerterweise nicht meinen fitnessfreien, McDonald’s-liebenden Hintern. Keisha hatte Recht, das und sonst nichts. Im Herbst hätte es sogar ziemlich schick ausgesehen.

Nur leider hatten wir heute den vierten August, es war sieben Uhr dreißig und schon brütend heiß.

***

Der Geschäftssitz von Hamilton Kane befand sich in der Threadneedle Passage. Das wusste ich sehr gut. Im Moment prangte die Adresse in Großbuchstaben auf meinem überhitzten Herz, denn ich war gerade vierzig Minuten lang mit einem grausam irreführenden Stadtplan durch die Gegend gehetzt, um die verdammte Gasse zu finden. Ich meine, haben Sie jemals versucht, in der morgendlichen Rush-Hour geschniegelte City-Broker nach dem Weg zu fragen? Genauso gut konnte man eine gebärende Piranha bitten, einen Moment innezuhalten und ein wenig zu plaudern. Die Frauen waren noch schlimmer. Eine hinreißende Schöne in Prada-Klamotten, mit naturblondem Haar und Schmollmund, warf mir etwas an den Kopf, das möglicherweise: »Verpiss dich, Fetti«, geheißen hatte.

»Sie sind spät dran«, begrüßte mich die Empfangsdame in der Lobby kühl, als ich durch die Messingtüren in die riesige Marmorfantasie von Wall Street gehetzt kam.

Keuchend und schweißtriefend stand ich vor ihr. Die drei Schichten Sure-Deodorant hatten ihr Versprechen nicht gehalten. Allerdings waren die Chancen in diesem Kleid sowieso nicht die besten gewesen. Mein Spiegelbild in dem dunklen Glas hinter der Frau zeigte ein rotes Gesicht und viel Schweiß. Mein Lippenstift hatte sich bereits verflüchtigt, und der Abdeckstift unter meinen Augen leuchtete so weiß wie die Sunblocker-Streifen australischer Kricketspieler.

»Tut mir Leid, aber der Verkehr und die ...«

»Wir folgen hier einem strikten Zeitplan, Miss Wilde«, sagte die Empfangsdame boshaft. »Melden Sie sich bei Jenny, Mr. Mahons erster Assistentin. Ihr Büro liegt im vierten Stock, direkt neben den Aufzügen.«

»Vielen Dank«, murmelte ich und ging entschlossen zum Lift. Anmut, Alex. Anmut und Stärke.

»Oh, und Miss Wilde?«

»Sie können mich Alex nennen«, sagte ich freundlich. Ha ha, mein erster Treffer, blöde Kuh.

»Na schön – Sie haben eine Laufmasche im Strumpf, Alex.«

Die Aufzugtüren zischten leise hinter mir zu. Ein Blick in die Spiegelwände bestätigte, dass es keine sadistische Wunschvorstellung der Empfangsdame gewesen war. Auf der Laufmasche in meinen nagelneuen Fogal-Strumpfhosen hätte man bis ins Paradies klettern können.

Als die Türen aufgingen, versuchte ich gerade, meine nackten Füße wieder in die hochhackigen Pumps zu zwingen, die kaputte Strumpfhose fest in der linken Hand.

Eine strenge und scheinbar makellos ältere Dame in einem Jaeger-Kostüm stand vor mir, die Stirn in tiefe Falten gelegt.

»Ich bin Jenny Robins«, sagte sie knapp.

»Hallo.« Ich sah mich verzweifelt nach etwas um, worin ich meine Strumpfhose verschwinden lassen konnte, entdeckte aber nichts und stopfte sie schließlich in meine Handtasche. »Ich bin Alex.«

In den nächsten beiden Stunden lernte ich Folgendes: 1. Ich hasse tippen. 2. Meine Rechtschreibung ist katastrophal – »Um Himmels willen, Alexandra, traben, nicht trapen. Professor hat nur ein ›f‹. Hieß es in Ihrem Lebenslauf nicht, Sie hätten einen Hochschulabschluss?« 3. Wo die Kaffeemaschine steht; und dass verschütteter Kaffee Flecken auf dem hellen Teppichboden hinterlässt.

»Ungeschickt! Einfach ungeschickt!«, rief Jenny aus, als sie um die Ecke kam und mich auf Händen und Knien vorfand. Ich versuchte gerade, mit Fairy Liquid und Evian, das ich im Kühlschrank gefunden hatte, den Teppichboden zu reinigen.

»Tut mir Leid.« Ich war den Tränen nahe. Ich triefte in meinem fürchterlichen Kleid aus allen Poren, dazu verschüttete und zerriss ich alles wie ein weiblicher Mr. Bean. Ich konnte nicht einmal gut genug tippen, um die Sekretärin der Sekretärin zu sein, und jetzt hatte ich beim ersten Versuch, mir einen Espresso zu machen, die Hälfte auf den Teppichboden gegossen. »Er kam kochend heiß rausgeschossen ...«

»Ja, heiß. Genau wie Kaffee sein soll«, schnauzte Jenny mich an, »und was in aller Welt tun Sie da? Das macht doch alles noch tausendmal schlimmer ... und Mr. Mahons Evian. Wer hat Ihnen erlaubt, den Kühlschrank der Geschäftsleitung zu öffnen? Ist Ihnen klar, wie eigen er mit seinem Wasser ist? Also wirklich!«

Ich rappelte mich auf in Hockstellung, wobei ich in der glänzenden Oberfläche des Geschäftsleitungskühlschranks mein gerötetes Gesicht mit den klatschnassen hellbraunen Ponyfransen auf der Stirn erblickte.

In dem Moment schwang die gegenüberliegende Tür auf, und eine Prozession wohlbeleibter Buchhaltertypen in Savile-Row-Anzügen spazierte heraus. Die meisten von ihnen sahen mich entweder amüsiert oder missbilligend an und sprachen lautstark über »Aktien-Derivate« und »Dezember 50er« und so was. Jenny, deren Züge angesichts dieser Bloßstellung zu einer Maske des Horrors erstarrt waren, zerrte mich an den Schultern auf die Füße. Ihre Kraft hätte einem Feldwebel zur Ehre gereicht. Oder auch meiner Mutter.

Als das letzte Mitglied der Parade am Ende des Flurs um die Ecke gebogen war, wandte sich Jenny mir zu. Ihr Gesichtsausdruck besagte, dass ich gerade ein Beschäftigungsverhältnis beendet hatte, dessen Kürze bei Hamilton Kane unübertroffen war.

»Alll-exandra«, begann sie und stieß meinen Namen wütend hervor, »ich habe noch nie ...«

In diesem Moment schwang die Tür wieder auf, und ein viel jüngerer und größerer Mann trat heraus. Er trug einen auffälligen blauen Anzug, den er bei Alexander McQueen oder so gekauft zu haben schien, und hatte dichtes schwarzes Haar, das sich äußerst attraktiv knapp unterhalb des Kragens kräuselte. Der Mann war braun gebrannt und hatte unglaublich weiße Zähne, wie er mir gerade freundlich grinsend bewies, sowie moosgrüne Augen, die mich wie eine von Keishas Golduhren anblinzelten. Er lehnte sich an den Türrahmen und hielt mir seine Unternehmerhand hin.

»Miss Alexandra Wilde, nicht wahr?«, fragte er fröhlich. Sein Akzent war weich wie irischer Nebel und ließ mich an keltische Goldharfen denken, an sprudelnde Bäche und Irischsetter mit glänzendem Fell, die über die Galwaymoore liefen. Aber auch daran, dass mein Mascara verschmiert war und ich mich am liebsten umgebracht hätte.

»Ja, stimmt«, stammelte ich und fügte nach einem Blick auf Jenny hinzu: »Äh, ja, Sir.«

»Wenn Sie mich Sir nennen, glaube ich, mein Vater steht hinter mir und Sie reden mit ihm. In Gegenwart von Klienten Mr. Mahon, ansonsten Seamus.«

»Okay«, murmelte ich kläglich.

»Mr. Mahon«, sagte Jenny mit bis zum Äußersten angespannten Gesicht, »ich fürchte, dass Alexandra ...«

»O ja, ich sehe das Problem«, beruhigte Seamus sie. »Diese Höllenmaschine ist eine echte Plage. Der Kaffee kommt viel zu heiß heraus. Aber die Reinigungsleute kriegen die Flecken bestimmt wieder raus, Jenny, wenn Sie solange einfach ein Matte darüber legen, wäre das prima.«

Ich muss wie eine Gefangene in der Todeszelle ausgesehen haben, die plötzlich das Begnadigungstelefon klingeln hört, denn Seamus sah mir kurz ins Gesicht und hüstelte dann freundlich.

»Und Jenny, haben Sie die Briefe fertig?«

»Also«, sagte Jenny, ging zu ihrem Schreibtisch und nahm ein größeres Bündel Briefe in die Hand, »das sind die wichtigen, die habe ich schon getippt.«

»Danke.« Für einen so locker wirkenden Mann sah er sie ziemlich genau durch. »Und die Einstellungsangebote?«

Eine unheilschwangere Pause trat ein, in der frau Vierlinge hätte gebären können.

»Die hier«, sagte Jenny bedeutungsvoll, »hat Alexandra getippt.« Sie nahm ein wesentlich kleineres Bündel Briefe vom Tisch, in denen wild mit grünem Kugelschreiber herumgestrichen war.

Seamus überflog die Kostproben meiner Leistung als Erwerbstätige. Seine Lippen zuckten. »Jenny, Sie sind ein Engel, wirklich«, sagte er, womit er nur den Todesengel gemeint haben konnte. Ansonsten hätte ich gern gewusst, an welchen er dabei gedacht hatte. »Machen Sie doch jetzt einfach mit den Spreadsheets für Mandarin weiter, und ich erkläre Alex in der Zwischenzeit all die Vorschriften in diesem Tollhaus, da sie ja neu im Team ist.«

Ich stieß einen tiefen Seufzer der Erleichterung aus. Ich war nicht entlassen. Mein Vater würde mich nicht anschreien. Meine Mutter musste ihre Golfrunden mit Fiona Kane nicht absagen.

Dann überkam mich eine ebenso tiefe Depression, denn mir wurde klar, wofür ich mittlerweile schon dankbar war.

»Wie Sie meinen, Mr. Mahon«, schnappte Jenny und ließ sich hinter ihrem Schreibtisch nieder wie ein Dobermann, den man ums Abendessen betrogen hatte.

»Kommen Sie mit mir, Alex. Ich darf doch Alex sagen, oder?«

»Sicher«, erwiderte ich und wünschte sehnlichst, er würde mir fünf Minuten Zeit geben, damit ich mein Gesicht herrichten konnte.

Ich hatte den Wunsch noch nicht zu Ende gedacht, als mein Boss stehen blieb, mich eingehend betrachtete und meinte: »Aber zuerst wollen Sie sicher die Kaffeeflecken von ihrem schönen Kleid entfernen.«

Ich erreichte die Damentoilette in weniger als einer Sekunde, nur um das größte Zerstörungsgebiet außerhalb Bosniens im Spiegel zu betrachten. Meine verschmierte Wimperntusche machte mich zum Gothic-Freak der achtziger Jahre, mein Rouge war weggeschwitzt und meine Zähne waren voller Lippenstift, weil blankes Entsetzen mich zeitlebens auf den Lippen herumkauen ließ. Ich wusch schnell das ganze Make-up ab, wollte lieber mit nacktem Gesicht vor ihn treten, als das Schicksal ein zweites Mal herauszufordern. Dann versuchte ich, meinen schweißnassen Pony mit Papiertüchern zu trocknen, wobei ich vorübergehend auch in Erwägung zog, sie einfach unter den Handtrockner zu halten. Aber bei dem Glück, das ich heute hatte, würde Jenny garantiert in dem Moment auftauchen und einen Herzanfall bekommen.

Ich betrachtete das Ergebnis. Besser, aber immer noch grausig genug: Ein schwarzes Jerseykleid und ein nacktes Gesicht, das stark an ein saubergeschrubbtes, pausbäckiges Schulmädchen erinnerte. Ich strich mir die feuchten Haare aus der Stirn und band alle in einem brutal festen Pferdeschwanz zusammen, wobei sich die Haut meiner Schläfen bedrohlich straffte.

Seien wir ehrlich, ich war einfach nicht zum Unternehmenssklaven geschaffen.

Ich eilte zurück in Mr. Mahons Büro, bevor er einen Suchtrupp nach mir aussandte. Es war ein einschüchternder Raum, mit Fenstern vom Boden bis zur Decke, die einen atemberaubenden Blick auf London freigaben. Unzählige Kuppeln und Turmspitzen behaupteten selbstbewusst ihren Platz inmitten der Wolkenkratzer à la New York. Das Büro selbst war so sehr mit Computern voll gestopft, dass man einen NASA-Satelliten von hier aus hätte starten können, und der Boden so voller Bokara-Teppiche, dass selbst ein arabischer Scheich seine Freude daran gehabt hätte. Ich fragte mich im Stillen, ob wohl mein winziges Bankkonto wachsen würde, wenn ich hier nur tief genug einatmete? Die Blumen auf dem antiken Mahagonischreibtisch trugen unübersehbar die grüne Handschrift eines Designer-Floristen, und das Wall Street Journal war bestimmt heute Morgen eingeflogen worden ...

Ich schluckte schwer. Meine fehlerübersäten Briefe lagen ausgebreitet vor Mr. Designer Total mit den zwinkernden Augen. Im Tempel des Mammon wurde ich gewogen und ganz bestimmt für zu leicht befunden.

Was würde Keisha jetzt tun? An diesem Punkt würde sie sich wahrscheinlich eine Zigarette anzünden, ohne vorher zu fragen, ihrem Boss den Rauch ins Gesicht blasen und ihre Manolo-Blahnik-Stöckelschuhe auf seinem Schreibtisch platzieren. Als Keisha noch als Zeitarbeits-Sekretärin gearbeitete hatte, verließ sie regelmäßig am helllichten Nachmittag das Büro, um sich ohne ein Wort zu sagen ihre Nägel maniküren zu lassen. Niemand hatte sie jemals rausgeschmissen, aber das hätte wohl auch keiner gewagt. Wohingegen ich den Schwächling in der Welt von Bodybuildern verkörperte und offenbar geradezu darum bettelte, plattgewalzt zu werden.

Seamus Mahon beugte sich vor. Ich sah, dass er schockiert war angesichts der vielen grünen Tinte, die meinen ersten Tag im Unternehmen repräsentierte.

»Alex Wilde«, sagte er, »sind Sie irgendwie mit Kim verwandt?«

»Wie bitte?«, fragte ich verdutzt.

»Aber kennen tun Sie sie bestimmt. ›We’re the kids in America‹, pfiff er unmelodisch. »Sie sehen ihr ein bisschen ähnlich.«

Klasse. Ich sah also wie eine abgetakelte Ikone der achtziger Jahre aus. Warum sagte er nicht gleich, ich gliche Roseanne Barr und er wolle nichts mehr mit mir zu tun haben?

»Nein«, erwiderte ich so unterkühlt wie möglich, was Seamus Mahon allerdings wenig beeindruckte.

»Diese Briefe hier, Alex, sind voller Rechtschreibfehler.«

Ich errötete beschämt.

»Aber das ist nicht so wichtig.« Sein singender irischer Tonfall war so sahnig wie die Schaumkrone auf einem Guinness. »Wenn Sie hier drücken« – er zeigte mir eine kleine Taste auf seiner Tastatur –, »können Sie die Rechtschreibung überprüfen. Und korrigieren. Heutzutage kann man wundervolle Dinge mit der Technik vollbringen.«

»Oh«, sagte ich schwach. Warum hatte Jenny mir nichts davon gesagt? Meine Chefin war offensichtlich eine Art Feldwebel, die wollte, dass ich alles vermasselte, um dieses herrliche Geschöpf hier für sich allein zu haben.

Und so, wie ich aussah, hatte sie die Schlacht wahrscheinlich schon gewonnen. Dabei hätte ich mir denken können, dass es so kam. Fett und hässlich, mit strumpflosen Beinen und klammen Haaren, musste ich zwangsläufig dem umwerfendsten Mann begegnen, der mir je unter die Augen getreten war. Genau genommen gibt es eine todsichere Methode, sein Leben mit begehrenswerten Männern zu bevölkern: Man nehme zehn Pfund zu, bekomme Pickel im Gesicht und/oder Krampfadern an den Beinen und verhunze sich beim Färben die Haare, so dass grüne Strähnen rund um die Ohren zurückbleiben. Dann werden wundersamerweise überall Brad-Pitt- und Harrison-Ford-Doppelgänger auftauchen, genau wie in der Kindersendung Bagpuss plötzlich Mäuse aus der Mausorgel kommen.

»Ich werde daran denken«, sagte ich.

»Wie wär’s, wenn einer unserer Computerknaben Ihnen hilft und alle die kleinen Tricks zeigt? Jack?«, sagte er, nachdem er ein paar Nummern in sein Weltraumtelefon getippt hatte, »könnten Sie bitte mal in mein Büro kommen und mit meiner neuen Assistentin sprechen? Ihr eine kleine Einführung geben?« Er hörte zu, was der Mann am anderen Ende zu sagen hatte, lächelte mich dabei einnehmend an und fing dann an zu lachen. »Stimmt genau, Jack. Das ist sie sicherlich. Sie nehmen sich ihrer an, ja? Sie ist neu hier. Und sie ist Fiona Kanes Protegé.«

Er legte auf. Verlegenheit durchströmte mich von Kopf bis Fuß. Klasse, wirklich klasse. Alle wussten also, dass ich dank einer fragwürdigen Golfclub-Verbindung hier arbeitete.

»Danke, Mr. Mahon.«

»Ich dachte, wir hätten uns auf Seamus geeinigt?«, tadelte er mich und lächelte freundlich, als ich aus seinem Zimmer floh.

Und das war’s dann. Dynamische Anzugträger und Rockträgerinnen liefen den ganzen Tag den Flur auf und ab und huldigten Jenny, die ihnen den Weg ins Allerheiligste frei machte. Mein Boss war offensichtlich ein sehr mächtiger und gefragter Mann, eine Art Wunderkind. Sein Einfluss zeigte sich deutlich in Gestalt des Trottels, der sofort losgeeilt war und vor meinem Kabuff erschien, kaum dass ich darin Platz genommen hatte. Geduldig erklärte er mir sämtliche Textverarbeitungsfunktionen in einer Sprache, die selbst Idioten verstehen mussten. Ich gab mir größte Mühe zuzuhören, wirklich, denn einen Boss wie Seamus Mahon wollte ich nicht enttäuschen.

Um sechs Uhr abends war die Tür zum Allerheiligsten noch immer fest verschlossen. Heute würde er mir wohl keine Zeit mehr schenken.

»Sie können nach Hause gehen«, sagte Jenny scharf, »und ich erwarte, dass Sie morgen pünktlich sind und angemessen gekleidet. Mit Strumpfhosen ... und«, sie beugte sich vor und fügte leise zischend hinzu: »Benehmen Sie sich geziemend gegenüber Mr. Mahon.«

»Er ist wunderbar, nicht wahr?«, schwärmte ich verträumt.

Die alte Schachtel verzog das Gesicht, als hätte sie gerade zehn unreife Zitronen ausgelutscht. »Nun«, sagte sie bedeutungsvoll, »Mrs. Mahon ist eine wunderbare Lady. Stilvoll und graziös. Gute Nacht, Alexandra.«

Kapitel 3

Verheiratet. Natürlich war er verheiratet. Das Herz rutschte mir, das muss ich leider gestehen, schnurstracks in die Hose. Ich weiß, es ist erbärmlich, doch obwohl ich ihn gerade mal fünf Minuten kannte, fühlte ich mich beraubt. Hätte nicht in allen Drehbüchern gestanden, dass Seamus mir gehörte? Ich meine, wenn man wirklich ganz unten angelangt war und an einen Felsen gekettet den Feuer speienden Drachen auf sich zukriechen sah – oder, wie in meinem Fall, wenn man nicht länger versuchte, irgendein Talent vorzutäuschen und darauf reduziert war, mit Hilfe von Mum und Dad einen Job zu bekommen und mit seiner blöden, aber hübschen jüngeren Schwester zusammenzuwohnen –, wenn also in jenem Moment der gute Ritter auf seinem Schlachtross erschien, um dich zu retten, sollte dieser gute Ritter dann nicht selbstverständlich unverheiratet sein?

Tiefer als ich an diesem Montag konnte man nicht fallen. Nun ja, vermutlich doch, rein technisch gesehen. Man konnte den Big Issue vor Pubs in Camden verkaufen, eine Bierdose in der Hand und einen verfilzten Hund an der Leine. Aber um ehrlich zu sein, ich fühlte mich, als wäre ich am Tiefpunkt angelangt – wegen des Tippens, des Zuspätkommens, des Kleides, der Mascara, den Strümpfen und des Kaffees. Und nicht zu vergessen, das Evian-Wasser. Und dann hatte Seamus mich auch noch beruhigt und vorgeschlagen, eine Matte über die Flecken zu legen. Er beschützte mich vor Jenny, und obendrein war er auch noch geschniegelt und erfolgreich. Und diese Augen. Und die Stimme.

Er schien mir wie von den Göttern geschickt, die flüsterten: Hab nie wieder Angst, Alex! Gräme dich nicht, dass die Sekretärin des Regisseurs dich per Fax abserviert hat! Grüble nicht weiter über die zahllosen Ablehnungen von Londoner Kunstgalerien nach. Vergiss, wie du vor deiner Mutter zu Kreuze gekrochen bist, und tu, als würdest du gern das Tweedkostüm von Jaeger mit den Schulterpolstern anprobieren, oder das kirschrote Ballkleid von Laura Ashley mit der Riesenschleife im Rücken, oder aber den silbernen Bauschrock mit den schwarzen Samtpunkten! Ja, all das gehört nun der Vergangenheit an, denn hier ist Prinz MacCool, um dich zu retten.

Aber so war es natürlich nicht. Ich hätte es besser wissen müssen. Seamus war einfach nur der letzte, der tödliche Messerstich in mein Herz.

Ätsch, bätsch, er ist vergeben, kicherte Amor, und ebenso alle anderen anständigen Männer in dieser Welt.

»Es kommt einem wirklich so vor«, stimmte Gail zu, als ich mich bei unserem gemeinsamen Abendessen darüber beklagte. Ich aß ein Schwarzbrot-Sandwich mit Salat, fest entschlossen abzunehmen. Gail hatte vegetarisches Sushi mit nach Hause gebracht, und Bronwen schlief tief und fest auf dem Sofa im Gemeinschaftszimmer, so dass wir uns Brookside nicht ansehen konnten. »Du solltest kein Brot essen. Es ist voller Konservierungsstoffe.«

Es war tatsächlich so eklig, dass ich es am liebsten einfach weggeworfen hätte. Haben Sie jemals ein Salatsandwich gegessen? Pappe mit Gras dazwischen. Aber es war die bevorzugte Mahlzeit eines superdünnen Blondschopfs namens Elspeth gewesen, mit der ich zusammen zur Schule gegangen war. Einmal war Elspeth schreiend den Korridor entlanggerannt, weil wir versucht hatten, sie festzuhalten und ihr ein Smartie in den Mund zu schieben. Nur ein Smartie. Ihre Beine waren so dünn, sie trafen an den Knien nicht einmal zusammen, und ihre Füße standen im vollem Tageslicht, von keinerlei Busen beschattet. Wohingegen ich den großen Schul-Teepausentrick perfekt beherrschte, mehr als ein Plätzchen pro Girl zu ergattern: Ich zerbrach einfach zwei Plätzchen, häufte die Stücke auf meinen Teller und behauptete, es sei nur eins gewesen. Mein Umfang war entsprechend. Wenn ich heute so richtig niedergeschlagen bin, esse ich ein Salatsandwich, was auf Gourmetebene in etwa einer kratzigen Mönchskutte entspricht. Das Tolle an ihnen ist der widerliche Geschmack, so dass man nie Gefahr läuft, sich damit voll zu stopfen. »Kann ich Sie noch zu einem weiteren Salatsandwich verführen?« Ich meine, hat das schon jemals jemand auf einer Dinner-party gefragt?

Aber Gail fand zunehmend Gefallen an dem Thema.

»Wahrscheinlich fühlt man sich mit siebenundzwanzig so«, sagte sie, als könne sie sich kaum vorstellen, dass jemand überhaupt so alt wurde. »In Japan nennen sie Frauen wie dich Weihnachtstorte.«

»Und warum?«, fragte ich, wohlwissend, dass die Antwort mir nicht gefallen würde.

»Weil sie nach dem Fünfundzwanzigsten keiner mehr haben will«, erklärte sie fröhlich lachend.

Manchmal hätte ich Gail in ihren niedlichen Kleidchen am liebsten erwürgt. Das Schlimmste war jedoch, dass sie Recht hatte. Zumindest empfand ich es so. Kein einziger Mann wollte mich, jedenfalls nicht, nachdem er mich kennen gelernt und die Chance gehabt hätte, mich richtig auszuprobieren. Vor Oliver war ich mit Gerald gegangen, der mich für einen Pfadfinder verlassen hatte; davor mit Peter, der wegen schwerer Körperverletzung von der Polizei verhaftet wurde und jetzt fünf bis zehn Jahre in Pentonville saß; und davor mit Justin, mit dem ich in Oxford – wenn auch nur kurz – verlobt gewesen war. Er ließ mich sechs Wochen nach der Verlobung sitzen mit der Begründung, er brauche mehr Freiraum und würde mich in ein paar Tagen anrufen, was er – wie vorauszusehen – nie gemacht hatte.

Genau genommen hatte Justin mir aber einen Gefallen getan, denn er brach mein naives kleines Herz so gründlich, dass Peter, Oliver und sogar Gerald danach nur noch reine Lappalien waren. Wegen eines Mannes sitzen gelassen zu werden, war natürlich demütigend, doch dadurch wurde mir zumindest klar, warum Gerald von mir verlangt hatte, abzunehmen und mir die Haare raspelkurz schneiden zu lassen, was ich auch folgsam tat. Trotz der ästhetischen Verbesserungen hatte er sich aber weiter geweigert, mit mir zu schlafen. Wesentlich demütigender war es allerdings mitanzusehen, wie Justin kaum zwei Monate, nachdem er mir gegenüber mehr Freiraum eingeklagt hatte, ein besonders klettenartiges, pferdehaftes Wesen namens Hannah heiratete, die ich entfernt kannte und schon immer gehasst hatte. Hannah liebte es, gurrend zu lachen, ihr langes Haar nach hinten zu werfen und lauthals Dinge wie: »Wisst ihr, wir reden zwar ständig über den so genannten Feminismus, aber in Wirklichkeit sehnen wir uns alle nach einem wunderbaren Mann, der die Rechnungen bezahlt und uns viele Kinder macht«, zu verkünden. Sie war Alleinerbin von ein paarhundert Hektar Land in Shropshire, weshalb Rechnungen sie nicht allzu viel interessieren konnten. Einen wunderbaren Mann bekam sie trotzdem, nämlich meinen. Ich hingegen bekam Schlafstörungen und monatelang Panikanfälle, und nicht zu vergessen die vielen netten Anrufe von alten Freunden. Sie gratulierten mir alle, weil sie am Schluss der unzähligen Interviews, die Justin als neues, ehrgeiziges Parlamentsmitglied der Torys in Telegraph und Mail gab, das »frisch verheiratet« lasen. Wahrscheinlich wäre es für ihn unschicklich gewesen, eine Möchtegernrevolutionärin wie mich zu ehelichen.

Von all dem Unsinn hatte Justin mich sowieso kuriert. Kurz nachdem Hello! einen zweiseitigen Bericht über ihn und Hannah gebracht hatte, entschied ich, dass die ganze Welt aus Scheißern bestand und ich ab jetzt auf mich aufpassen würde. Nicht dass der gute Vorsatz mir im praktischen Leben besonders half.

»Du hast doch sicher schon von Dolores Mahon gehört«, fuhr Gail gnadenlos fort.

»Bis heute nicht«, murrte ich.

Gail griff nach ihrem Tatler und blätterte sich zielstrebig zu dem ausführlichen Bericht über die Krug-Champagnerparty durch. Dort war besagte Dolores Premier-Grand-Cru-nippend mit Tiggy Lege-Bourke und Joan Collins abgebildet. Ihre Beine waren länger als die einer Derbysiegerin, sie hatte die Haltung einer Ballerina, und ihr seidiges, platinblondes Haar breitete sich einnehmend auf den Schultern ihres rosa Chanelkostüms aus.

»Die Diamantohrringe stehen ihr wirklich gut«, sinnierte Gail, »findest du nicht auch?«

Ich sagte nichts. Das Leben war einfach nicht fair. Hätte seine Frau nicht wenigstens eine meckernde alte Schreckschraube sein können, so dass Seamus und ich meine öde Zukunft ein wenig mit verbotenen Flirts würzen konnten? War das nicht der Sinn von Büros? Das und kostenloses Telefonieren? Bronwen hatte mich an Letzteres erinnert, bevor sie dann auf dem Sofa in Ohnmacht fiel. Und es stimmte, es waren tatsächlich echte Vergünstigungen.

Die Tür ging auf, und Keisha kam ins Zimmer. Irgendwie wirkte ihr Nicole-Farhi-Outfit noch weniger zerknittert als heute Morgen. Ein herrlicher Geruch umfing mich, als sie sich näherte, und ich spreche nicht von ihrer persönlichen Mischung aus französischen Düften: die kam nur auf Platz zwei hinter dem unwiderstehlichen Aroma von Kentucky Fried Chicken und einer riesigen Portion Pommes frites.

Ich ließ den Rest des Salatsandwichs fallen und lechzte Mitleid erregend nach Huhn mit Pommes. Keisha war eine wunderbare Frau, doch wenn man zwischen sie und ihre Pommes geriet, verwandelte sie sich in eine echte Furie. Sie besaß das Selbstbewusstsein schwarzer Girls, scherte sich nie um ihr Gewicht und war wohl gerade deshalb schlank und umwerfend schön. Wie machte sie das? Wie nur, wie? Sie joggte nie und stopfte unaufhörlich Chicken Kiev und Burger und Kentucky und Schokolade in sich hinein. Sie rauchte wie ein Fabrikschlot und aß ganze Knoblauchbrote zu ihrem Salat.

Doch heute Abend griff sie in ihre fettfleckige braune Tüte und hielt mir ein Päckchen Pommes hin.

»Ich dachte mir, du könntest das gebrauchen«, brummelte sie.

Ich war tief bewegt. Geradezu überwältigt. Keisha war echt über sich hinausgewachsen.

»Alex hat’s total vermasselt, und sie hat sich in ihren Boss verknallt, den Ehemann von Dolores Mahon«, verkündete Gail schadenfroh.

Keisha warf ihr einen verächtlichen Blick zu. »Wenn du willst, kannst du morgen mein blaues Donna-Karan-Kleid anziehen«, sagte sie wie nebenbei an mich gewandt.

Eine ungeheure Erleichterung überkam mich. »Nur solange mein Hosenanzug und das andere Zeug in der Reinigung sind«, versprach ich.

In Keishas Gesicht stand der ganze weltverdrossene Zynismus der Frau eines Tory-Kabinettministers geschrieben. Wahrscheinlich musste ich Gail sogar dankbar sein: denn weil sie Keisha noch mehr auf die Nerven ging als mir, lieh Keisha mir jetzt ihr TDO – ihr Top-Designer-Outfit, wie Bronwen es getauft hatte. Keishas Garderobe ließ sich leicht in drei Kategorien einteilen: TDOs, MDOs (Mittel – dazu gehörten Ghosts, Emporio Armani und Equipment) und ADOs (Ausverkauf). Genau genommen hatte Gail Keisha und Bronwen dazu überlistet, bei ihr einzuziehen, weil sie bei deren Wohnungsbesichtigung total nett und unkritisch war und kein Wort von »organisch«, »Hülsenfrüchten« und »Vitamin B« oder dergleichen Nonsens verlauten ließ. Sie hatte sich vielmehr als fröhliche, esoterisch angehauchte, aber hart arbeitende Frau verkauft, mit der alle gern zusammenwohnten.

Es dauerte nicht lange, und Keisha und Bronwen gewöhnten sich an die große Wohnung und die gute Lage – zusammen mit dem von den Wilde-Eltern subventionierten Mietanteil –, und schon hatten sie in der Falle gesessen.

Immerhin brauchte Keisha ihr Geld für T, M und ADOs. Und Bronwen brauchte ihr Geld für weiche und nicht ganz so weiche Drogen. Und, um fair zu sein, für Alkohol, Zigaretten, Heimfahrten mit dem Taxi von Konzerten und Clubs, Flugtickets für Oasis-Gigs in Skandinavien und dergleichen. Keisha musste für so was nie selbst bezahlen. Es würde ihr nicht im Traum einfallen, Geld mitzunehmen, wenn sie aus dem Haus ging. Sie war ein bisschen wie die Queen: Irgendein männlicher Begleiter würde immer für alles bezahlen – für Erste-Klasse-Flugtickets, Abendessen, Champagner, Taxis und so weiter. Mich hingegen machte es verlegen, wenn ein Typ zwei Runden Drinks hintereinander spendierte, aber Keishas Männern schien das nie etwas auszumachen. Arm oder Reich, sie erfüllten ihre Pflicht, ohne zu murren.

Als ich einmal sagte, dass wir doch in den Neunzigern lebten, und fragte, ob sie nicht fand, auch ab und zu bezahlen zu müssen, sah Keisha mich an, als hätte ich den Verstand verloren.

»Bist du verrückt?«, entgegnete sie. »Wenn ich ausgehe, Al, öffne ich nie meine Handtasche. So einfach ist das.« Woraufhin sie sich eine aus den USA importierte Marlboro Light anzündete, die mit den weißen Spitzen, und mir somit das Ende des Gesprächs signalisierte.

Um ehrlich zu sein, wir alle beneideten Keisha um diese Fähigkeit. Sie war ein herrliches Wesen, die pure weibliche Dominanz. Sie hielt sich für eine Prinzessin, weshalb alle anderen es auch taten.

Sagen Sie nichts: Ich habe es versucht. Ich habe mich vor den Spiegel gestellt, in einem geborgten TDO, bin umherstolziert und habe meinem Spiegelbild kühle, uninteressierte Blicke zugeworfen. Aber es hat nicht funktioniert. Entweder war mein Lidschatten verschmiert, ich entdeckte eine angehende Cellulitis in der Kniekehle oder andere derartige Defizite.

Aber stellen Sie sich einmal vor, »vollkommen« zu sein, wenn Sie mit siebenundzwanzig Jahren arbeitslos sind, auf dem Weg zum Altar versetzt wurden – oder zumindest kurz davor –, wegen eines Mannes verlassen wurden und von ihrem Daddy finanziell abhängig sind.

Wie fürchterlich lustig das doch alles sein könnte, wenn es nicht ausgerechnet mir passierte.

Trotzdem: »Es kann nur besser werden«, wie die New-Labour-Partei während der Wahlen lauthals verkündet hatte.

»Danke, Keisha«, sagte ich demütig.

»Sei nicht so demütig«, entgegnete Keisha forsch. »Sie haben dich doch nicht gefeuert, oder?«

»Nein.«

»Dann bist du also eine echte Erwerbstätige. Wie viel verdienst du denn?«

Ich sagte es ihr. Keisha rechnete irgendwas im Kopf zusammen und verkündete dann: »Siebzehn fünf.«

Siebzehntausendfünfhundert Pfund! Das klang wie ein Vermögen.

Gail kicherte. »Wir mussten alle mal klein anfangen.«

»Hier in der City kann man viel Geld machen«, sagte Keisha unbeirrt. »Ich gehe davon aus, dass Alex eine Menge verdienen wird.«

Ich versuchte, die ganze Angelegenheit optimistischer zu sehen. Immerhin hatte ich noch immer einen Job. Und vielleicht waren Beförderungen oder dergleichen ja durchaus möglich. Meine Gedanken wanderten zu dem grünäugigen Seamus mit der sanften Stimme und dem souveränen Verhalten. Jenny hin oder her, er war mein richtiger Boss, nicht wahr? Und zwar ein himmlischer Boss, auch wenn er mit Heather Locklear verheiratet war.

Vielleicht würde er mich sogar zu Mentor-Schützling-Lunches einladen und für alles bezahlen, ohne indirekt dazu gezwungen zu werden, wie Keishas Männer. Der dunkle Rebellinnenanteil meines Ichs fragte sich manchmal, ob Keishas Männer Romantiker und deshalb so zuvorkommend waren, oder ob sie einfach nur Angst hatten. Ich wollte, dass ein Mann mir alles bezahlte, weil er einfach nur ein Gentleman war. Nicht, dass das oft passierte. Genau genommen fiel mir dabei nur Tom ein, der mir diesen Traum ein paar Mal erfüllt hatte.

Tom Drummond.

O ja, ich vergaß, Ihnen von Tom zu erzählen. Was nicht heißen soll, dass ich ihn vergessen habe. Wie könnte man auch den einzigen Mann auf Gottes grünem Erdenball vergessen, der mich je meiner Schwester vorgezogen hatte?

Ja, Sie haben richtig gelesen. Tom Drummond, einer meiner besten Freunde in Oxford und ein potenzieller Liebhaber, war von meiner sexy Schwester mit all ihrer Schulabgängerinnen-Herrlichkeit erbarmungslos angemacht worden. Sie hatte ihn mit ihrem naturblonden Honighaar gelockt, mit ihren 50 Kilo bei einem-Metersechsundsechzig-Figur, den bunten Hosen und winzigen Oberteilen, die damals topmodern waren. Das alles hatte ihn vollkommen kalt gelassen. Einmal sagte er sogar zu mir: »Es muss schwer für Gail sein, eine so hübsche Schwester zu haben.« Und das in einem absolut unironischen Ton.

Das hatte Gail verrückt gemacht. Sie fand, dass alle verfügbaren attraktiven Männer von Rechts wegen ihr zustanden. Besonders einer wie Tom, der einmal ein großartiges Anwesen in Gloucestershire erben würde und zudem ein paar Jahre zum Militär gehen wollte. Tom gehörte der absoluten Oberschicht an, was seinem netten Wesen jedoch keinen Abbruch tat. Er ließ meine sozialistischen Tiraden für ein Verbot der Fuchsjagd über sich ergehen und ging dann trotzdem mit den Beagles des Christ-Church-Colleges auf die Jagd. Er hielt Classic FM für einen hoffnungslos geschmacklosen modernen Radiosender. Er zählte zu jenen Männern, die auf dem Bürgersteig außen gingen, wenn sie eine Frau nach Hause brachten, die jede Tür öffneten und jeden Stuhl zurechtschoben, und zwar nicht nur für die eigene Freundin, sondern für jede Frau auf der Party. Ich fand, dass Tom einen tollen Humor hatte, auch wenn er ein Klassenfeind war. Er hörte sich geduldig alle Wehklagen über meine verschiedenen Liebhaber an – wobei er nie viel sagte, außer wenn ich sie zur Minna machte.

Unsere Freundschaft hatte sogar den von ihm initiierten und fehlgeschlagenen Versuch überlebt, miteinander zu gehen. Unsere Geschmäcker waren einfach zu verschieden. Er mochte Opern und Maggie Thatcher, ich mochte Arthur Scargill und Joy Division. Er trank meist alten Portwein, wohingegen ich nachmittags um vier in leer stehenden Steinbrüchen Ecstasy einwarf und so gedankenlos den Weg für spätere Panikattacken und heulendes Elend bereitete.

Und dann war da auch noch der körperliche Aspekt.

Ich weiß, inzwischen habe ich Ihr Mitleid verspielt. »Aussehen ist nicht alles«, höre ich Sie sagen, und: »Was sollen die hübschen Jungen denn an dir finden?«, und damit haben Sie sicher Recht. Doch was soll ich sagen? Ich bin hoffnungslos romantisch, mein Blut muss wallen und mein Herz heftig schlagen, nicht wie bei einer Panikattacke, sondern auf kribbelige, köstliche und – ach ich weiß nicht auf welche Weise.

Und Tom war fett.

Ich weiß, ich weiß. Als Mitglied der großen Gemeinschaft vom Fettsein beherrschter, weight-watchender Frauen sollte es mir fern liegen, einen Mann für sein Robbie-Williams-Aussehen zu geißeln, aber glauben Sie mir: Tom war wirklich fett. Extrem übergewichtig. Was sie beim Militär mit ihm anfangen sollten, außer vielleicht als Ballast bei Ballonfahrten, war mir ein Rätsel. Möglicherweise war ja seine Intelligenz von Nutzen, denn davon besaß er mehr als genug. Doch ich war unfähig, mich über den Fettberg hinwegzusetzen. Auf geistiger Ebene funkte es sofort zwischen uns, aber das ist – wenn man es mit der Wahrheit hält – nur die halbe Geschichte. Denn wenn ich mir vorstellte, mit Tom Drummond im Bett zu liegen, schauderte es mich fürchterlich.

Gail sagte edelmütig, sie sähe seine innere Schönheit, doch ich fürchte, dass sie lediglich die Erbschaft von mehreren Millionen Pfund und den auf Lebzeiten garantierten Platz auf der Königstribüne in Ascot sah.

Wegen solcher Details drückte Gail angesichts der entbehrlichen Pfunde gern ein Auge zu.

Als ich jetzt an Tom dachte, verspürte ich ein leichtes Schuldgefühl. Nach dem College hatte ich den Kontakt zu ihm nur spärlich gepflegt – irgendwie hatte ich Angst vor seinem Mitleid, wenn ich ihm die Geschichte meiner gescheiterten Künstlerexistenz erzählte. Ich machte zwar noch immer Skulpturen, aber damit würde ich so schnell nichts erreichen – oder ich hatte schon alles erreicht. Als ich Tom das letzte Mal sah, hatte ich immer noch meine Skulpturen an Galerien geschickt. Ich war quietschvergnügt gewesen, voller Hoffnung und jugendlichem Eifer. Wir hatten uns zum Lunch getroffen, lebhaft geplaudert und gut amüsiert, und Tom hatte drei Nachschläge Dampfnudeln mit Vanillesoße verdrückt und sich geweigert, sich von mir einladen zu lassen.

Er hatte zehn Minuten damit verbracht, mir im strömenden Regen ein Taxi herbeizuwinken, und als der Fahrer mich dann bei mir zu Hause absetzte, wies er meine zwanzig Pfund dankend zurück.

»Der Gentlemen hat für alles bezahlt, wo immer Sie hingebracht werden wollten, Miss«, erklärte er.

Ich fragte mich, was Tom von Seamus halten würde. Sein Rat würde mir sicher helfen. Aber wahrscheinlich würde er sagen, ich sollte mich so weit wie möglich von Seamus fern halten. Für Tom waren Verheiratete als Liebhaber so gut wie gestorben.

Was für eine lächerlich altmodische Kreatur er doch war.

»Ich gehe ins Bett, ich will früh schlafen«, verkündete ich und überließ es Keisha und Gail, Bronwen vom Sofa zu vertreiben, bevor Friends im Fernsehen anfing. Ich war fix und fertig und wollte morgen ausgeruht und schön aussehen, oder sollte ich besser professionell sagen?

Immerhin war ich jetzt eine berufstätige Frau.

Kapitel 4

Morgen früh würden die Dinge anders laufen. O ja, ganz bestimmt. Ich war kein hoffnungsloser Fall, solange ich auch nur einen Funken Motivation verspürte.

Ich stellte den Wecker auf sechs Uhr dreißig. Ich weiß, aber verzweifelte Zeiten erfordern verzweifelte Maßnahmen. Meine weise Voraussicht wurde mit einem Keishafreien Badezimmer belohnt. In der Wohnung herrschte Stille, wenn man von den munteren Klängen aus Bronwens Richtung absah, die Bruchstücke eines Songs vor sich hin brummelte, in denen sie ein Feuerteufel war, ein verrückter Feuerteufel, hey, hey. Wenigstens hatten wir Bronwen beigebracht, ihren Walkman zu benutzen, wenn sie morgens um fünf von ihren Clubtouren nach Hause kam. Das war alle Mal besser, als in aller Herrgottsfrühe in maximaler Lautstärke »Football’s coming home« oder »Wonderwall« zu hören oder sonstige fetzige Songs, die gerade ganz oben in der Hitparade standen.

Triumphierend schleppte ich meinen schlafenden Körper in die Dusche, um den Morgen mit einer Schocktherapie zu beginnen. Ich wollte kalt duschen, änderte den Plan aber nach knapp fünfzehn Sekunden. Kein Wunder, dass so viele Internatsschüler beim Militär sind. Da Gail immer so gemein zu mir war, klaute ich ein bisschen von ihrem teuren Nexxus-Shampoo aus der weißen Plastikflasche, auf der sie glücklicherweise keine schwarzen Striche machen konnte, um ihren Eigenverbrauch zu markieren. Genau das tat sie nämlich mit all ihren anderen Düften und Wässerchen, die blöde Kuh, damit ja keine von uns ihre Sachen benutzte. Erstaunlicherweise wurde ich wirklich ziemlich wach, und ich legte los wie Posh Spice, zupfte mir die Augenbrauen, rasierte mir die Beine, cremte mich mit Körperlotion ein und frottierte meine Haare mit dem Handtuch, bevor ich sie dann föhnte.

Wir hatten den Föhn im Badezimmer deponiert in der Hoffnung, dass Gail ihn aus Versehen in die Badewanne fallen ließ und einen tödlichen Stromschlag erhielt. Bis jetzt allerdings ohne Erfolg, obwohl sie gern bei Pseudokerzenlicht in einer organischen Milch badete, die zwanzig Pfund die Flasche kostete. Vielleicht hinderte sie das ohrenbetäubende Gedonner des Haartrockners, ihn zu benutzen.

Mich jedenfalls hinderte es keineswegs.

Es dauerte zwei Sekunden, und Keisha klopfte an die Badezimmertür. Ich saß lächelnd da und föhnte mir die Haare, gerupft und zubereitet wie Mummys preisgekrönte Weihnachtsgans. Das Blatt hatte sich gewendet!

»Raus da, raus da, raus, raus!«, schrie sie. Das klang wesentlich fordernder als meine zaghafte Anfrage von gestern, wann sie denn wohl fertig sei.

»Ich komme raus, wenn ich fertig bin«, sagte ich hochmütig.

Keishas Stimme bekam etwas Drohendes. »Du kommst entweder sofort raus, oder du kannst mir mein Donna-Karan-Kleid zurückgeben«, dröhnte sie.

In zehn Sekunden war ich in meinem Zimmer. Nun ja, man konnte nicht immer gewinnen. Oder eigentlich nie, wenn man mit solchen Leuten zusammenlebte.

Gail kam verschlafen herein. Ich sah so elegant und leuchtend aus, wie überhaupt möglich, und musste mich nur noch schminken: die Lippen mit transparentem Lipgloss und passendem Lipliner, die Wangen mit Fresh-Cream-Rouge, unter den Augen ein bisschen Time-Off-Abdeckstift und die Wimpern mit Crack the Whip Long-Lash-Mascara.

»Das wird dir auch nichts nutzen«, sagte sie bösartig. »Dolores geht dreimal die Woche ins Dorchester Spa. Und sie macht Fitnesstraining im Harbour Club.«

»Dolores habe ich schon völlig vergessen«, erwiderte ich abwehrend.

Das stimmte, denn ich dachte nur noch an Seamus.

Ich redete mir ein, einfach nur professionell aussehen zu wollen. Okay, hübsch und professionell, aber das war bestimmt alles. Immerhin war er verheiratet, und er wirkte wie ein echter Liam-Neeson-Typ, oder sogar wie Liam Gallagher, der herzenbrechende Playboy, der mit jeder Frau in der Stadt ausging. Doch sobald sie verheiratet sind, werden sie furchtbar treu und zahm. Ich meine, was hat es mit dem Namen Liam auf sich? Ist er eine Art irischer Glücksbringer? Ich sollte froh sein, dass Seamus Seamus hieß. Auch wenn ich absolut keine Chancen bei ihm hatte.

Ist diese Dolores nicht einfach unglaublich? Zart wie ein Pfirsich aus Georgia, schön wie Claudia Schiffer. Niemand konnte mit ihr konkurrieren, mit ihrem perfekten Körper und ihren TODs, die selbst für Keisha unerreichbar waren – bestimmt würde sie Keishas TODs verächtlich abtun und sagen: »Oh, prêt-à-porter, wie bescheiden.« Für Dolores gab es natürlich nur die echte Haute Couture, sie hatte Näherinnen in Paris und London sitzen, die kostbare Stoffe eigens auf ihren schlanken Körper zuschnitten. Bei all den mafiakontrollierten Designer-Shows saß sie immer in der ersten Reihe. Sie hatte ...

Egal. Jedenfalls hatte ich keinerlei Gewissensbisse, dass ich so gut wie möglich aussehen wollte. Die Bedrohung, die ich für Dolores darstellte, war vergleichbar mit der von Manchester City für Manchester United.

Seamus ist vergeben, sagte ich mir beharrlich. Er war an einen Patsy-Kensit-Clone vergeben, weshalb richtige Frauen – im Gegensatz zu Göttinnen – keine Chance hatten. Männer, die sich jeden Tag das Wall Street Journal aus New York einfliegen ließen, gingen nicht mit richtigen Frauen aus. Wer konnte ihnen das verübeln? Sie hatten es einfach nicht nötig. Ich meine, wenn ich wie Dolores Mahon aussähe, würde ich mich dann mit einem Kerl aus dem örtlichen Fish-&- Chips-Laden abgeben? O nein, es müssten schon Filmgrößen wie Johnny Depp oder Mr. Darcy sein, alle anderen konnte man einfach vergessen.

Vielleicht hatte Seamus ja ein paar gut aussehende Single-Freunde.

Ich zog Keishas Donna-Karan-Kleid supervorsichtig an, damit ja keine Grundierung an den Ausschnitt kam. Man begann den Tag am besten so, wie man auch den Rest verbringen wollte, nämlich lebendig.

Ich schlüpfte in Schuhe mit flachen Absätzen und war fertig. Viel lieber hätte ich natürlich Stöckelschuhe getragen, meine neuen von Office, die so hoch waren, dass ich mich wie auf Stelzen fühlte. Komfort war ja schön und gut, aber wer scherte sich schon um Bequemlichkeit, wenn man durch eine optische Täuschung viel schlankere Beine haben konnte? Aber nein, das hier war mein Arbeitsplatz, und ich konnte nicht ins Büro schwanken wie Naomi Campell auf den Laufsteg. Jenny würde Mrs. Seamus Mahon schneller anrufen, als jemand »Alarmstufe rot« schreien konnte.

»Tony kommt heute Abend hierher«, verkündete Gail und sah sich kopfschüttelnd in meinem Zimmer um. »An deiner Stelle würde ich sofort anfangen aufzuräumen.«

Der Grund ihrer Wut war meine letzte Skulptur, an der ich gearbeitet hatte, als Alan Pell zu Besuch kam. Eine weitere Eule.

»Ich bin mit meiner Eule noch nicht fertig.«

»Es sieht nicht aus wie eine Eule. Es sieht aus wie ein gequetschtes Stachelschwein«, maulte Gail.

»Yeah, Mann, oder wie ein schiefes Surfbrett mit ’ner kleinen Wölbung in der Mitte«, mischte sich Bronwen ein. Sie kam fröhlich und mit einem chemischen Glitzern in den Augen in mein Zimmer gehüpft, was darauf hindeutete, dass sie noch viele glückliche Stunden vor sich hatte, bevor sie schließlich ins Bett fiel. Sie kaute auf einem Kaugummi herum wie eine wunderschöne Wiederkäuerin, eine fest entschlossene Kuh oder Ziege oder so. Es würde nicht mehr lange dauern, bis sie uns alle umarmte und sagte, wie sehr sie uns Schwestern liebte. Sie würde anfangen, Mist zu reden, und nur solange fröhlich sein, bis die Drogen nachließen und ein depressiver, reizbarer Ecstasy-Katzenjammer folgte, der tagelang anhielt. Es war schwer zu sagen, was von beidem schlimmer war.

»Hey, Mann, du siehst klasse aus«, ließ Bronwen verlauten, aber in dieser Stimmung würde sie das auch von Cilla Black behaupten, also ignorierte ich sie.

»Es soll ja auch keine lebensechte Eule sein, sondern eine verkörpern«, erklärte ich.

»Also für mich verkörpert das hier eine Schweinerei«, sagte Gail bissig, »und ich will nicht, dass Tony es sieht.«

Tony war ihre neueste Eroberung, ein bulliger, rugbyspielender City-Börsianer mit roten Hosenträgern. Er lachte lauthals über ihre Versuche, ihm Tofusalat und Sojamilch schmackhaft zu machen, weshalb er so schlimm nicht sein konnte. Doch die Liste mit seinen Vorzügen war meiner Meinung nach trotzdem ziemlich kurz. Mit neunundzwanzig hatte er immer noch rote Backen und fand, dass der erzkonservative Politiker Michael Howard einen gefährlich sanften Stil an den Tag legte. Bronwen und Keisha fragten sich, was Gail an ihm fand. Ich wusste, dass es sein knallroter Ferrari war.

»Tony wird damit leben müssen«, hörte ich mich mit gefährlich sanfter Stimme sagen. Erstaunlich, wie ich mein altes Selbstbewusstsein aktivieren konnte, sobald es um meine Kunst ging. Aber sonst nie. Vielleicht, weil Skulpturen mir etwas bedeuteten, trotz allem Elend und Versagen. Diese Eule hier war mir letzte Woche im Traum erschienen, eine unscharfe Gestalt, die durch die Schwärze geisterte. Um vier Uhr morgens war ich hellwach aus dem Bett gesprungen und hatte Skizzen gemacht.

»Krrr! Du hast Mummy versprochen, den ganzen Quatsch zu vergessen«, beschwerte sich Gail.

Keisha kam forsch hereinspaziert. »Ich stimme Alex zu. Das ist ein sehr schöner Bussard«, sagte sie.

Gail kicherte.

Ich schnappte mir meine echte Lederimitat-Aktentasche, laut meiner Mutter ein wichtiger Bestandteil des Rüstzeugs einer jeden Karrierefrau. Ich hasste das verfluchte Ding, aber wenn ich sie hier ließ, würde Gail mich bei Mum verpetzen, und alles war besser als das.