Hollywood Lovers - Louise Bagshawe - E-Book
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Hollywood Lovers E-Book

Louise Bagshawe

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Beschreibung

Sie erobern die Traumfabrik: »Hollywood Lovers«, der mitreißende Roman über Erfolg und Liebe von Louise Bagshawe, jetzt als eBook bei dotbooks. Wer ein Stück vom Kuchen will, muss sich das größte nehmen … Die Drehbuchautorin Megan Silver kommt nach Hollywood, um endlich ihren eigenen Film zu verwirklichen. So einfach wie erhofft ist es dann aber doch nicht, in der Stadt der Stars und Sternchen zu bestehen: Auf dem Weg nach oben wartet so manch ein Stolperstein – und noch dazu sind die Männer von L.A. einfach zu sexy, um sich nicht ein kleines bisschen verführen und ablenken zu lassen ... Wie gut, dass Megan schon bald starke Verbündete und gute Freundinnen findet: die Filmstudiochefin Eleanor und die Schauspielerin Roxana. Als Team sind sie nicht zu bremsen – und setzen alles daran, sich ihre Träume von Erfolg, Glück und Liebe zu erfüllen! »Dieser glitzernde Blockbuster-Roman wird Sie von der ersten Seite an in seinen Bann ziehen!« Heat Magazine Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der spritzige Freundinnenroman »Hollywood Lovers« von Louise Bagshawe wird Fans von Lauren Layne und Ivy Andrews begeistern. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 656

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Über dieses Buch:

Wer ein Stück vom Kuchen will, muss sich das größte nehmen … Die Drehbuchautorin Megan Silver kommt nach Hollywood, um endlich ihren eigenen Film zu verwirklichen. So einfach wie erhofft ist es dann aber doch nicht, in der Stadt der Stars und Sternchen zu bestehen: Auf dem Weg nach oben wartet so manch ein Stolperstein – und noch dazu sind die Männer von L.A. einfach zu sexy, um sich nicht ein kleines bisschen verführen und ablenken zu lassen ... Wie gut, dass Megan schon bald starke Verbündete und gute Freundinnen findet: die Filmstudiochefin Eleanor und die Schauspielerin Roxana. Als Team sind sie nicht zu bremsen – und setzen alles daran, sich ihre Träume von Erfolg, Glück und Liebe zu erfüllen!

»Dieser glitzernde Blockbuster-Roman wird Sie von der ersten Seite an in seinen Bann ziehen!« Heat Magazine

Über die Autorin:

Louise Daphne Bagshawe wurde 1971 in England geboren. Sie studierte Altenglisch und Altnordisch in Oxford und arbeitete anschließend bei EMI records und Sony Music in der Presseabteilung und im Marketing. 2010 zog sie als Abgeordnete der Tories ins Parlament ein. Seit ihrem 22. Lebensjahr veröffentlichte sie über 15 Romane und ist international erfolgreich.

Louise Bagshawe veröffentlichte bei dotbooks bereits die humorvollen Liebesromane »Beim nächsten Fettnäpfchen wartet die Liebe«, »Liebesglück für Quereinsteiger«, »Und morgen klopft die Liebe an« und die Romane »Massots – Die Diamantendynastie«, »Diamonds – Als wir nach den Sternen griffen« und »Glamour – Das Kaufhaus der Träume« sowie den Romantic-Suspense-Roman »Special Agent – Gefährliche Anziehung«.

Außerdem erscheinen von ihr die romantischen Großstadt-Romane: »London Dreamers«

»New York Ambitions«

»Manhattan Affairs«

***

eBook-Neuausgabe April 2023

Die englische Originalausgabe erschien erstmals 1996 unter dem Originaltitel »The Movie« bei Orion Books Ltd., London. Die deutsche Erstausgabe erschien 1996 unter dem Titel »Idole« bei Knaur. Der Roman erschien außerdem bereits unter den Titeln »Heldin auf Stöckelschuhen« und »Heldinnen auf Stöckelschuhen« bei Knaur.

Copyright © der englischen Originalausgabe 1996 by Louise Bagshawe

Copyright © der deutschen Erstausgabe 1997 bei Droemersche Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf. GmbH & Co. KG, München

Copyright © der Neuausgabe 2023 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von © shutterstock

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ae)

ISBN 978-3-98690-605-4

***

Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: info@dotbooks.de. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

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blog.dotbooks.de/

Louise Bagshawe

Hollywood Lovers

Roman

Aus dem Englischen von Gabriele Fröba

dotbooks.

Dieses Buch ist gewidmet:

Nina Gordon und Louise Post von Veruca Salt,

weil ich, während ich es geschrieben habe,

ständig American Thighs gehört habe;

George Lucas – dafür,

daß er Krieg der Sterne gemacht hat

(für mich der beste Film aller Zeiten),

und Patrick Stewart,

ein Henri V im Raumfahreranzug,

für all das, was er

für die anglo-amerikanischen Beziehungen getan hat.

Kapitel 1

Megan Silver wachte mit einer Idee auf, die eine Million Dollar wert war.

Was ihr natürlich nicht klar war. Das Prickeln, das sie verspürte, dieser wohltuende Adrenalinstoß, war nichts als der panische Zwang, rasch etwas zu Papier zu bringen, um die Erinnerung aus einem Traum festzuhalten, ehe sie verblaßte. Ächzend reckte sie sich nach dem Notizblock und dem Kugelschreiber, die sie griffbereit neben ihrem Bett aufbewahrte, in der Hoffnung, irgendwann werde passieren, was bisher noch nie passiert war – aber heute eben doch.

Der Kugelschreiber war auf den Boden gekullert. Megan klopfte mit der Hand das staubige Niemandsland unter dem Bett ab; aufzustehen und nach dem verflixten Ding zu suchen, dafür war sie viel zu ungeduldig. Schmerz pochte in ihren Schläfen – ein ausgewachsener Kater, doch sie kümmerte sich nicht darum. Weil sie sich jetzt einfach nicht darum kümmern konnte – nicht, wenn es um eine derart unglaubliche Geschichte ging. Eine Geschichte, die sie sich unbedingt notieren mußte, und zwar sofort.

Gott sei Dank, dachte sie, als ihre Finger sich um die Rundung des Kugelschreibers schlossen.

Sie griff zum Notizbuch und fing hektisch zu schreiben an – lang dahinfließende Sätze, in ihrer spinnenbeinigen Handschrift flott über die Seite gezogen. Draußen vor dem winzigen Schlafzimmerfenster malte der frühe Morgen die ersten roten Streifen über die Skyline von San Francisco.

»Er hat mich verlassen«, ließ Declan sie wissen, als er – eine Stunde später und ohne anzuklopfen – in ihr Schlafzimmer marschiert kam. »Hörst du mir überhaupt zu? Er hat mich verlassen.« Seine verzweifelte Miene drückte alles Leid dieser Welt aus, sein lauernder Blick suchte im Gesicht seiner Mitbewohnerin nach Anzeichen angemessenen Entsetzens.

»Wer hat dich verlassen?« murmelte Megan, ohne hochzusehen. Abgerissene Blätter aus dem Notizblock lagen kreuz und quer auf dem Bett verstreut und deckten die alten Spin-Magazine und die angestaubten Ausgaben britischer Fachzeitschriften aus der Musikszene zu, in denen sie bis tief in die Nacht hinein geschmökert hatte. Seit sie wach geworden war, schrieb sie nun wie besessen alles nieder, was zu ihrer Idee gehörte. Sie hatte sich nicht mal Zeit genommen, ins Badezimmer zu huschen oder sich einen Kaffee zu machen. Und da sollte sie ein Ohr für Decs dramatischen Weltschmerz haben – ausgerechnet jetzt? Die Story, die in ihr rumorte, war völlig anders als alle anderen, in dem Punkt war sie sich absolut sicher. Sie wußte nicht, warum, aber sie war sich sicher.

»Jason«, sagte Declan im Tonfall tiefster Verzweiflung. »Wir waren letzte Nacht in der Box, und da ist er auf einmal mit einem anderen losgezogen.« Inbrünstig fügte er hinzu: »Mit irgendeinem Arschloch. So ein Typ mit Bürstenschnitt und Siegelring. ’n richtiger Yuppie.«

Megan mußte unwillkürlich lächeln. »Dec, du bist genau dreimal mit dem Kerl ausgewesen.«

»Aber ich dachte, er wäre ...«

»Der einzig Wahre? Du hältst doch jeden Kerl für den einzig Wahren.« Megan legte den Notizblock weg. Sie war sowieso so gut wie fertig, aber auch wenn’s nicht so gewesen wäre: wenn Declan sich was von der Seele reden wollte, dann redete er’s sich von der Seele, so oder so. »Komm«, sagte sie, »im Grunde ist es dir doch schnurzegal. Du willst nur von mir hören, was für ein gutaussehender Bursche du bist und daß du jeden kriegen kannst, den du haben willst.«

»Ist überhaupt nicht wahr«, behauptete Declan, warf aber verstohlen einen schmachtenden Blick in den Spiegel. »Im übrigen hab ich in letzter Zeit ganz schön zugenommen. Kann man’s schon sehen?«

Megan seufzte und konzentrierte ihre Aufmerksamkeit voll auf die Skulptur männlicher Schönheit, die unter dem Namen Declan Heath durch die Welt stolzierte. Drahtiger, muskulöser Körper, kein Gramm Fett zuviel und topfit – kein Wunder, wenn einer jede Nacht unter Ecstasy durchtanzt. Augen in der Farbe irischen Nebels, dazu passende silbergraue Wimpern. Schwarzes, im Nacken gekräuseltes Haar – der gängige Generation-X-Stil. Eben unvergleichlich – und leider unerreichbar wie alles, was Megan sich vom Leben wünschte.

»Nein«, sagte sie, »aber du siehst sowieso großartig aus.«

»Wie wär’s, wenn du dich anziehst?« schlug Dec ihr vor. »Wir könnten runter zum Ground Zero gehen und uns einen Kaffee reinziehen ... He, guck mich nicht so an. Ich hab gestern Geld gekriegt, ich lad dich ein, okay?«

Er schwebte aus ihrem Schlafzimmer, Sekunden später hörte sie den »Mountain Song« von Jane’s Addiction durch die winzige Wohnung fluten.

Sie zog sich an, obwohl sie innerlich noch nicht dafür gerüstet war, dem Tag entgegenzusehen. Nach der Nacht, die hinter ihr lag, fühlte sie sich wie ein Stück Scheiße, vollgestopft mit Angst davor, was die Post ihr heute wieder bringen mochte – eine neue Rechnung, ein Ablehnungsschreiben von irgendeinem New Yorker Agenten oder sogar nur den vorgedruckten Ablehnungsbescheid irgendeines Verlags, lieblos per Büroklammer ans Titelblatt ihres dicken Typoskripts geheftet – und das war dann die Reaktion auf acht Monate knochenharter Arbeit. Mitunter war’s verdammt schwer, sich mit Hoffnungen durchs Leben zu mogeln. Und dabei hatte sie doch mit soviel Hingabe an diesem Roman gearbeitet – bis in die Nacht hinein, an den Wochenenden, in jeder Minute, in der sie nicht durch ihren trostlosen Zehn-Dollar-die-Stunde-Job in der Bibliothek eingespannt war. Trotzdem kam’s ihr vor, als würde ihr das Typoskript verdächtig oft zurückgeschickt, ihrem Eindruck nach sogar von Leuten, denen sie’s überhaupt nicht vorgelegt hatte.

Natürlich, irgendwie war’s falsch, sich das zu Herzen zu nehmen. Nicht cool genug. Zur Slacker-Generation paßte es einfach nicht, sich auch nur einen müden Furz um materiellen Erfolg zu scheren. Man brauchte eben irgendeinen Job, um über die Runden zu kommen und gerade so viel zu verdienen, daß es fürs Allernötigste reichte – also für Kaffee, Musik, Nachtclubs und Speed, und das war’s dann auch schon. Bei Megan und Declan reichte es zum Beispiel, um gemeinsam die (zum Glück mikroskopisch kleine) Miete bestreiten, ihre Minimalmengen an Lebensmitteln bezahlen und sich in den ausgeflipptesten Secondhandshops von San Francisco – bei Wasteland und AAadvark’s an der Haight und bei Hunter’s Moon an der Valencia im alten Missionsviertel – einkleiden zu können. Sie kamen in die meisten Clubs rein, ohne Eintritt zu zahlen, und fehlten bei keinem Schickimicki-Treff. Declan, erfolgloser Jünger der bildenden Künste, schlug sich als Aushilfsverkäufer in einem Laden für Scherzartikel durch, Megan, erfolglose Schriftstellerin, als Teilzeitkraft am Ausgabepult einer öffentlichen Bücherei. Theoretisch wußten sie beide genau, wie man stilvoll lebt.

Nur, Megan Silver verzehrte sich nach einem Leben im großen Stil. Sie wünschte sich mit jeder Faser ihres Herzens, daß außer Dec noch jemand ihr Buch las.

Das Anziehen dauerte nur Sekunden. Sie bückte sich und hob die überdimensionierten Levis da auf, wo sie sie gestern abend hingeworfen hatte, auf den Fußboden, stopfte sich das Sound-garden-Hemd unter den Gürtel und zwängte sich in die großen, plumpen Biker-Boots. Kein Make-up, ersatzweise rundete sie das Ganze mit zwei Armladungen klimpernder Kupferketten ab und streifte sich einen schweren Kristallring über. Sie hatte nicht viel Klamotten, also mußte sie sich auch nicht lange damit aufhalten, das richtige auszuwählen. Zumal das, was sie besaß (soweit es hinlänglich sauber war), griffbereit in dem bombentrichtergroßen Viereck, das sie ihr Zimmer nannte, verstreut lag, teils auf dem aus rauher Wolle gewirkten, indianischen Teppich, teils auf dem Bett, direkt unter ihren heißgeliebten Postern von Nirvana, Veruca Salt und Dark Angel – ihrer Lieblingsband.

Letzte Woche hatten die Dark Angel sich getrennt, Megan war, so lächerlich das sein mochte, deswegen fix und alle gewesen. Und das ging nicht nur ihr so. Sasha Stone, eine von Declans Freundinnen, hatte ihnen im Horseshoe Café gegenübergesessen und so herzzerreißend geschluchzt, daß ihr die Wimperntusche in schmierigen schwarzen Streifen die Wangen herunterlief.

»Komm«, hatte Megan gesagt und versucht, ihr ein Papiertaschentuch aufzunötigen, »das ist ja peinlich. Es geht doch bloß um eine Band.«

»Sei nicht so spießbürgerlich«, hatte Declan sie angefahren und Sasha in Beschützermanier den in Samt gehüllten Arm um die von Weinkrämpfen geschüttelte Schulter gelegt. »So was ist eine ernste Angelegenheit. Wenn’s um Kunst geht, ist alles ernst.«

Sasha brach wieder in Schluchzen aus. »Zach!« jammerte sie, »Zach Mason hat an uns allen, die wir ihn geliebt haben, Verrat begangen!«

Wozu Megan, ziemlich kaltschnäuzig, nur einfiel: »Der Typ war Sänger, kein Messias. Und dir geht das Ganze nur deshalb so an die Nieren, weil du unbedingt mit ihm bumsen wolltest. Aber ich nehme an, er wird demnächst allein ein paar Platten machen.«

Sasha schluckte hoffnungsfroh. »Glaubst du wirklich?«

»Gott im Himmel, wie alt bist du eigentlich?«

»Megan«, rief Declan sie zur Ordnung, »siehst du nicht, daß Sasha leidet? Zeig ein bißchen Mitleid.«

Aber Megan gab sich bockig. »Ist ja keiner gestorben«, murmelte sie widerborstig.

Wie alt Sasha war? Ging es nicht eigentlich um die Frage, wie alt sie selber war? Vierundzwanzig, aber für eine Vierundzwanzigjährige hatte sie verdammt wenig vorzuweisen. Von den Anglistikexamen an der Berkeley mal abgesehen. Jetzt jedenfalls saß sie in einem Café, zusammen mit einer anderen erwachsenen Frau, der das Herz brach, weil die Mitglieder einer Rockgruppe übereingekommen waren, künftig getrennte Wege zu gehen.

Das war der Tag gewesen, an dem sich die innere Unruhe wieder tief in ihr eingenistet hatte.

Megan drehte sich vor dem Spiegel, halbwegs mit sich zufrieden. Sie sah gut aus. Nichts Besonderes, aber ziemlich gut. Ihr weiches kastanienbraunes Haar fiel in sanften Locken bis in den Nacken. Sie hatte gescheite braune Augen und eine klare Haut, die – das kommt davon, wenn man sich jede Nacht irgendwo herumtreibt und den Tag im Bett verpennt – ein bißchen blaß wirkte. Unter den Klamotten, in die sie sich gezwängt hatte und die fetzig und irre oder sonstwas sein mochten, aber bestimmt nicht figurbetonend, versteckte sich ein Körper mit hübschen Kurven, die eigentlich überhaupt nicht der aktuellen Mode entsprachen: schwellende Brüste, frauliche Schenkel, möglicherweise ein bißchen zu üppig gerundete Hüften – die lästigen halben Pfündchen, die sie nie losgeworden war. Die Hip-Hop-Kultur mitsamt dem Schlabberlook war für Megan ein wahres Glück. Sie haßte ihren Körper. Und an den allermeisten Tagen haßte sie auch ihr Gesicht. Na gut, sie war nicht gerade häßlich, aber verglichen mit den vielen bunten Schmetterlingen, die durchs goldene Kalifornien flatterten, war sie eine graue Motte. Praktisch unsichtbar.

So war es schon immer gewesen, seit dem Tag ihrer Geburt. Das jüngste von sechs Kindern in einem katholischen Elternhaus in Sacramento, für einen hart arbeitenden Elektriker und eine vom Leben zermürbte, ständig mit sich und ihrem Geschick hadernde Mutter nichts als ein zusätzliches Mäulchen, das gestopft werden mußte. Nicht etwa, daß ihre Eltern lieblos gewesen wären oder sie vernachlässigt hätten, sie hatten nur einfach nicht genug Zeit, sich besonders um sie zu kümmern. Megan war keine Schönheit, nicht so schlank und gazellenhaft geschmeidig wie die Zwillinge Jane und Lucy, ihre Schwestern, und keine Sportskanone wie Martin, Peter und Eli, ihre älteren Brüder. Nicht häßlich genug, um Mitleid zu erwecken, und nicht gerissen genug, um sich in den Mittelpunkt zu spielen, wuchs Megan damit auf, daß sie sich mit Jungs traf, die ihre Eltern okay fanden, von denen Jane und Lucy aber nichts wissen wollten, daß sie in der Schule ganz gut über die Runden kam und im übrigen keine Gelegenheit ausließ, um sich mit Gott und aller Welt anzulegen. Als sie die Aufnahmeprüfung für Berkeley schaffte, hatte sie das Gefühl, aus den Glückwünschen ihrer Familie eine gewisse Erleichterung darüber herauszuhören, daß sie nun Sacramento den Rücken kehrte.

»Bist du bald fertig?« rief Declan. »Wir kommen zu spät.« Megan betrachtete sich ein letztes Mal im Spiegel, zuckte die Schultern und ging in den Flur, wo Declan auf sie wartete.

»Kommen wir sowieso«, brummelte sie vor sich hin.

Vor elf kam hier keiner aus den Federn – jedenfalls an den Tagen, an denen niemand arbeiten mußte. Und manchmal auch an denen, an denen eigentlich alle arbeiten mußten. Gott im Himmel, wenn jemand all die Entschuldigungen geglaubt und das heisere Husten ernst genommen hätte, das jeden Morgen in irgendeinem der ungezählten Büros aus den Telefonhörern ertönte, hätte er denken müssen, die Millionenbevölkerung von San Francisco sei von einer schweren Epidemie heimgesucht worden. Die Bürobosse nahmen das gewöhnlich gelassen hin. Was sie anzubieten hatten, waren sowieso nur Jobs, die knapp über der Mindestlohngrenze bezahlt wurden und keine Aufstiegsmöglichkeiten eröffneten. Jobs, derentwegen es sich kaum lohnte, die Sozialhilfe sausenzulassen. Und was sie dafür bekamen, waren unfreundliche, unproduktive Mitarbeiter, die selbst wußten, was sie wert waren, und deshalb keine hohen Ansprüche stellen konnten. Im Grunde will jeder nur seine Stunden herunterreißen, dachte Megan, während sie die Haight zum Ground Zero hinaufschlenderten. Als ob uns allen noch Gott weiß wie lange Zeit bliebe.

Es war Viertel vor zwölf, der kühle Dunst fing gerade an aufzureißen, die blasse Herbstsonne schmolz die letzten Schwaden weg. Declan stolzierte die Straße hinauf und winkte und lächelte, wo immer sich einer ihrer Freunde blicken ließ, ununterbrochen nach links und rechts. Für ihn, ging es Megan durch den Kopf, während sie sich bemühte, sooft Dec jemandem zulächelte, rasch ihr Lächeln hinterherzuschicken, für ihn war die Haight wahrhaftig der Mittelpunkt des Universums. Declan kam sich hier nie festgenagelt vor, warum auch? Aber wenn ihm das alles genügte – warum konnte es nicht auch ihr genügen?

»Hey, Megan, hey, Dec, wie geht’s so?«

Trey, Declans bester Freund und sein Exlover, winkte ihnen aus dem Ground Zero zu. Sie schlängelten sich durch das übliche dichte Gedränge zu seinem Tisch durch: Liedermacher, Kunststudenten, Biker, Haschischkiffer und mitten im Gewühl hin und wieder ein mutiger Tourist aus Europa. In einem Führer für Studentenreisen hatte Megan neulich gelesen, daß das Ground Zero angeblich das »offizielle Café der Apokalypse« sei – eine Beschreibung, über die sie nur lachen konnte.

»Ola, wie läuft’s denn so?« begrüßte sie Trey. »Megan, Dec – daß sind Francine, Rick und Consuela. Consuela ist Model.« Was wohl einmal mehr beweisen sollte, daß Trey coole Typen sammelte wie andere Leute Briefmarken.

Megan musterte Consuela verstohlen, während sie Platz nahmen. Seidenweiche, olivfarbene Haut, kleine Knopfnase, modisch frisiertes Haar, im Nacken zu einem glatten Zopf geschlungen, todschickes Nirvana-Jackett, und darunter alles in allem maximal achtundvierzig Kilo. Von der Knochenstruktur her fehlte Consuela das exquisite Etwas, ohne das man’s als Model nicht bis ganz nach oben schafft, das sah Megan auf den ersten Blick – aber was machte das schon? Sie war schön und selbstbewußt. Sie war alles, was Megan nie gewesen war.

»Hi«, sagte Consuela.

»Megan ist Schriftstellerin. Romanautorin«, ließ Trey die anderen wissen und wartete auf ihre Beifallsäußerungen.

»Romanautorin? Wow, das ist ja irre cool«, hauchte Francine lakonisch, Wort für Wort geheuchelt.

»Ich bin keine Romanautorin«, sagte Megan kühl, »ich arbeite als Angestellte in einer Bibliothek.« Declans wild gestikulierende Signalzeichen quer über die Tischplatte ignorierte sie. Declan startete einen Rettungsversuch. »Damit will sie lediglich sagen, daß ihr bisher noch keiner der großen Verlage - einen dicken Scheck geschickt hat. Megan, du solltest froh und dankbar sein, daß sie dich nicht in Versuchung geführt haben, mit der Unterschrift unter einen Vertrag deine Seele zu verkaufen.«

»Declan ist Maler«, sagte Trey. »Bildender Künstler.«

Declan warf sich in Positur. »Im Grunde ist Kunst natürlich der Spiegel des Lebens«, versuchte er einen Balanceakt zwischen Zustimmung und Bescheidenheit. »Mein Beitrag besteht nur darin, das, so gut ich kann, zum Ausdruck zu bringen.«

»Cool«, kommentierte Rick, ohne von seinem Kaffeebecher hochzusehen.

»Ich stell mir vor, der einzige Grund, daß sie dir noch keinen Vertrag angeboten haben, wird der sein, daß sie nichts von künstlerischer Integrität verstehen«, versuchte Consuela Megan zu trösten.

Megan schob sich eine vorwitzige Locke aus der Stirn. »Woher willst du das wissen? Du hast mein Buchmanuskript ja nicht mal gesehen.«

»Megan!« zischte Declan ihr zu.

»In Wirklichkeit haben sie mir keinen Vertrag angeboten, weil mein Buch ausgeleierter Krampf ist«, fuhr Megan unbeirrt fort. In diesem Augenblick wußte sie, daß es die Wahrheit war. Eine Einsicht, die ihr wie ein jäher Blitz kam. All ihre manierierten, weitschweifigen Ergüsse über die Gefühle und Befindlichkeiten von Teenagern, all das Geschwafel, das sie für poetisch und lebensecht gehalten hatte, war in Wirklichkeit stinklangweilig.

»Warum hast du’s dann überhaupt geschrieben?« fragte Francine mit einem kaum versteckten feindseligen Unterton in der Stimme.

Trey beugte sich erwartungsvoll vor. Es roch nach Streit, und da wollte er nichts verpassen.

Megan zuckte die Schultern. »Keine Ahnung.« Sie fühlte sich irgendwie befreit und unbeschwert. Es hatte ihr gutgetan, endlich mal keine Mördergrube aus ihrem Herzen zu machen. Im Grunde war es ihr wohl schon längst klar gewesen. Sie hatte einen Entwurf heruntergehauen, in der Hoffnung, daß es ihren Freunden gefallen würde, aber das Ganze war vom Konzept her so altmodisch und verworren angelegt, daß als Resultat nur das schreckliche Machwerk herauskommen konnte, das herausgekommen war.

»Ja und nun?« fragte Francine biestig. »Was willst du nun machen, nachdem du weißt, daß du keine Schriftstellerin bist?«

Megan sah sie der Reihe nach an: so abgehoben, so hip, so zufrieden zurückgelehnt, daß sie praktisch flach lagen. Unterwegs nach nirgendwohin, und das verdammt schnell.

Dann dachte sie an ihren Traum – an die neue Story, an das Abenteuer, das – hingekritzelt auf zwanzig Bogen aus ihrem Notizblock – in ihrem Schlafzimmer lag.

»Ich bin Schriftstellerin«, sagte sie. »Ich fange gerade damit an, es besser zu machen. Ich hab vor, ein Drehbuch zu schreiben.«

Kapitel 2

Fast konnte man die Spannung, die in der Luft lag, mit Händen greifen.

Jetzt, in diesem Augenblick, war Alessandro Eco der König im Reich der Mode. Er mußte nur die Hand ausstrecken und die Richtung weisen, und wohin er auch zeigte, die Medien folgten ihm hechelnd. Er war die schillernde Neuentdeckung des Jahres, der Liebling der demi monde, der erste wirkliche Superdesigner, der seit dem meteorenhaften Aufstieg von Donna Karan die Treppenstufen zum Ruhm im Sturmschritt erklommen hatte. Vogue, Harper’s, Elle, Style with Elsa und was sich sonst noch an Modegazetten auf dem Markt tummelte, sie alle schwärmten verzückt von seinen figurbetonten Kleidern, den modellierenden Absätzen, den raffiniert schräg geschnittenen Miniröcken, der atemberaubenden Auswahl des Materials, der Art, wie er das Spiel mit den Farben beherrschte ... Ach, Liebes, ist er nicht einfach wundervoll?

Und die Frauen aus Fleisch und Blut liebten Alessandro natürlich genauso. Seine Kreationen (und die preiswerterten Imitationen, die, wenn auch erst in der übernächsten Saison, die Schaufenster der führenden Kaufhäuser schmückten) schmeichelten der Figur, betonten lustvoll die Brüste und kaschierten rund um die Hüften zwar nicht alle, aber doch viele der kleinen Sünden. Jede Frau, die hart für ihr Geld arbeiten mußte, hatte im letzten Jahr eisern für das eine – für ihr Alessandrokleid gespart; für alle, die zu den oberen Zehntausend gehörten, war es ein unbedingtes Muß gewesen, Alessandro zum Leitthema ihrer Garderobe zu machen, und die Teenager – nun, die hatten sich eben ein Heft von Vogue gekauft und angefangen zu träumen, wenigstens das. Es war der wahr gewordene amerikanische Traum, nun auch im Reich der Mode: der gestern noch Namenlose, der mit seiner Kollektion die Welt im Sturm erobert hatte.

Der erste Grund, warum alle gekommen waren. Und das in Chicago, mein Gott! Paris, New York, Mailand und notfalls auch London – aber Chicago? So etwas wagte mit Sicherheit nur Alessandro Eco. Für ihn war’s schlicht und einfach ein Sturmlauf. Er – als einziger Designer, wohlgemerkt – stellte seine Sommerkollektion in Chicago vor und erwartete, daß jeder, der der Haute Couture huldigte, etwaige Reisepläne änderte und zu ihm eilte.

Und das war der zweite Grund, warum alle dabeisein wollten.

Modejournalisten und -fotografen waren zur Stelle, neben ihnen berühmte Hollywoodschauspieler, blaublütige Sprößlinge der kleineren regierenden oder nicht mehr regierenden Häuser Europas und Rockstars, die Wert darauf legten, jeden sehen zu lassen, mit welchem Model sie derzeit befreundet waren. Die Leeward Hall platzte förmlich aus allen Nähten vom ständigen Summen erregten, erwartungsvollen Flüsterns, vom betörenden Duftgemisch der Parfüms, vom grellen Scheinwerferlicht und von all dem Geld, das hier versammelt war. Hinter der ersten Stuhlreihe (reserviert für Leute, die nicht nur Geld, sondern außerdem einen Namen hatten) kämpften die nach Magersucht und gesteigerter Nervosität aussehenden Ehefrauen der Wallstreet-Tycoons darum, ihr goldfarben bespanntes Sesselchen in die richtige Position zu rücken. Es war wichtig, bemerkt – mehr noch, es war unverzichtbar, gesehen zu werden. Schließlich ging es hier nicht nur darum, Alessandros neue Kollektion vorzustellen.

Millionen Dollar waren lockergemacht worden, um sicherzustellen, daß sich die Aufmerksamkeit der ganzen Welt auf diese Kollektion richtete. Und in den neunziger Jahren gab es nur eine Waffe, um dieses Ziel zu erreichen.

Supermodels. Und zwar alle. Ein Coup, der in der Geschichte der Mode seinesgleichen suchte. Mochte der Himmel wissen, was es gekostet hatte, aber Ecos Leuten war es gelungen, das Unmögliche möglich zu machen und alle, ausnahmslos alle Supermodels zu bekommen – für ein und dieselbe Show. Die Sicherheitsvorkehrungen hätten glatt für einen Auftritt des amerikanischen Präsidenten gereicht. Denn wenn hier heute abend eine Bombe hochgegangen wäre, hätte sie auf einen Schlag die schönsten Blumen der westlichen Welt ausgelöscht.

Cindy. Linda. Naomi. Eva. Saffron. Nadja. Shalom ... ein Pantheon der Schönheit in ihrer reinsten Form, wie immer man sie dem Alter, dem Typ oder der Hautfarbe nach definieren wollte. Das Gerücht machte die Runde, Jerry sei noch mal in die Seile gestiegen, um die Show zu inszenieren, und da Mick in der ersten Reihe saß, rechts neben Oprah, mußte wohl etwas dran sein. Helena, Christy, Claudia, Isabella, Yasmin ... die Namenliste schien kein Ende zu nehmen. Paulina, Shiraz, Lauren, Tatjana – und Kate ... wenn sie geruht hätte, für das Titelbild eines der führenden Magazine zu posieren, wäre ihr Konterfei längst dort abgebildet worden, eine strahlende Supernova inmitten all jener nicht ganz so glänzenden, wenn auch kaum weniger schönen Sternchen, die heute abend hier in einem nahtlosen Strom der Perfektion über die Bretter, die in der Mode die Welt bedeuteten, auf und ab flanieren sollten.

Es gab sogar Andeutungen, sie werde heute abend da sein.

Eine neue Welle raunender Erwartung schwappte durch den Raum. Langsam erloschen die Lichter der großen Lüster, die Bühne war in Dunkel getaucht, bis auf ein einziges beigefarbenes Spotlicht.

Alle warteten.

Und dann – mit der punktgenau abgestimmten Gleichzeitigkeit eines perfekten Balletts – erwachte die Szene plötzlich zum Leben. Aretha Franklin dröhnte aus den Lautsprechern an den Wänden, Scheinwerfer flammten auf und überfluteten die Bühne mit farbigem Licht, von der Decke regneten Tausende und Abertausende Blütenblätter von Rosen, und das erste Model stöckelte über den Laufsteg.

Naomi – es war Naomi! Sie eröffnete die Modenschau in einem langen weißen Kleid, einem großen Abendkleid – etwas, womit bei Alessandro niemand gerechnet hätte, durchgestylt bis ins letzte Detail, rückenfrei, gerüscht, ein hinreißender Kontrast zu Naomis schokoladenbrauner Haut.

Die aufgestaute Erwartung des Publikums explodierte in frenetischem Beifall, Blitzlichter zuckten, die Kugelschreiber der Journalisten fuhren hektisch über das Papier. Die Zuschauer waren im siebten Himmel. Und jetzt Tatjana, in einer schwarzen Lederjacke und einer schimmernden blauen Hose aus ... ja, woraus eigentlich? War es Vinyl? Oder Spandex? Ein einhellig zufriedenes Seufzen aus den Reihen der Modejournalisten. Na also, es hatte sich eben doch gelohnt, Paris sausenzulassen. Kein Wechsel auf dem Thron des Modezaren – zumindest nicht in dieser Saison.

»Sie will nicht. Sie sagt, daß sie’s nicht tun will!« jammerte Alessandro im Tonfall untröstlicher Verzweiflung. Im allgemeinen Tumult auf der Hinterbühne vermochte der Maestro sich kaum Gehör zu verschaffen, die Schwesternschaft der Supermodels begrüßte sich mit heiseren Zurufen, die weniger berühmten gerieten in Panik, weil irgendein Haarteil nicht aufzutreiben war oder einer aus Alessandros Team ihnen ein falsches Jackett hingehängt hatte, dazu dröhnende Musik aus den Lautsprechern, das Tongemenge aus Freude und Hysterie, mindestens zwei Hairstylisten waren schon in Tränen ausgebrochen, und inmitten dieses Getöses gab sich Michael Winter, Alessandros Presseagent, alle Mühe, den Maestro zu beruhigen. »Ich kann’s einfach nicht glauben! Sie ist mir seit zwei Monaten fest zugesagt. Sie wird das Finale machen, hat man mir versprochen, sie wird dafür sorgen, daß die Show für alle Zeit unvergeßlich bleibt! Aber jetzt will sie nicht rauskommen. Sie will nicht. Sie macht mir alles kaputt – alles, wofür ich so lange gearbeitet habe.«

»Die Show wird sowieso unvergeßlich bleiben«, schrie Michael tröstend gegen den Lärm an. »Die Leute lieben dich, Alessandro. Sie sind verrückt nach den Mädels und nach deinen Kleidern. Alles läuft, wie wir’s geplant haben. Es ist perfetto.« Er küßte sich, um den Maestro vollends in Sicherheit zu wiegen, mit einer exaltierten Geste die Fingerspitzen.

Der Designer packte ihn am Revers. »Non es perfetto«, schrie er. »Es ist gut – ja, das will ich gelten lassen. Aber perfekt ist es nicht. Und es muß perfekt sein!« Er atmete so tief ein, daß Michael unwillkürlich zurückzuckte, zumal die Adern im Nacken seines Chefs dick wie Peitschenschnüre angeschwollen waren.

»Michèle, die sind wie die Aasgeier. Denen ist das Beste gerade gut genug, und wenn sie’s nicht bekommen, fallen sie über mich her. Verstehst du das nicht? Jetzt – o ja, jetzt klatschen sie, jetzt sind sie glücklich, all die Mädels da draußen zu sehen. Aber wenn sie nicht erscheint, wenn sie nicht auftritt – glaub mir, dann setzen später, nach der Show, die Zweifel ein. Dann sagen sie sich, daß wir ziemlich gut sind, aber eben nicht wirklich gut. Nicht genug für sie.«

Michael Winter sagte nichts, er wollte einfach nicht akzeptieren, daß Eco möglicherweise – nur möglicherweise – recht haben könnte. Er hatte Alessandro immer bewundert, wegen seiner feinen Witterung für die sogenannte öffentliche Meinung und vor allem wegen der großartigen Kleider, die er schuf, Kleider, die inzwischen den Trend bestimmten. Und damit – so ist das eben in der Mode – war die Schlacht schon halb gewonnen. Mode. Stil und Lebensart. Showbusineß. Durch ihr Versprechen, für den heutigen Abend die schönsten Frauen der Welt auf dem Laufsteg zu versammeln – und alle in Kleidern von Alessandro –, hatten sie in dem Spiel, das Public Relations heißt, hoch gepokert. Ging die Rechnung auf, dann schoß der Name ihres Hauses steil nach oben, in jene einsame Höhe, in denen er auf eine Stufe geklettert war mit Katherine Hamnett und Ralph Lauren – ach was, sogar mit Chanel, Gucci und Christian Dior. Das war der Heilige Gral. Das bedeutete, so groß zu sein, daß sie von keinem veränderten Modeverständnis, von keiner Trendwende erschüttert werden konnten.

Aber vielleicht kamen sie nie dort oben an. Eine so sündhaft teure Modeschau wie heute war für einen PR-Mann ein gefährliches Spiel, da mußte einfach alles klappen. Und was im Endeffekt zählte, waren nicht all die Models, die gekommen waren, sondern das eine Model, das nicht gekommen war ...

Winter lief es kalt über den Rücken. »Warum will sie’s nicht tun?«

»Sie hat sich in ihrer Garderobe eingeschlossen und weigert sich rauszukommen«, fauchte Alessandro. »Warum, sagt sie nichts. Oh, ich hasse sie. Sie ist ein Miststück ersten Ranges.«

»Das hast du richtig erkannt.«

»Michèle, ich will, daß du ihren Agenten auftreibst!« fuhr ihn Alessandro an, dessen Englisch unter Streß auf wundersame Weise bemerkenswert fehlerfrei wurde. »Versprich ihm alles, was er will. Ganz egal, was er verlangt. Wir brauchen sie für das Finale. Wir müssen sie auf die Bühne kriegen.«

»Baby, bitte!«

Robert Alton kniete vor ihrer Tür. Models stolperten ihm auf ihrer Hetzjagd zur Bühne über die Beine, und er ahnte, nein, er spürte es, wie sich die hämischen Blicke schadenfroher Kameramänner in seinen Hinterkopf bohrten. Der Schweiß tröpfelte ihm vom fleischigen Nacken und bahnte sich in ekelhaften winzigen Rinnsalen einen Weg unter seinen Hemdkragen. Im Geiste sah er schon, wie seine berufliche Karriere in einem flammenden Inferno unterging.

Er versuchte es noch mal, preßte das plumpe kleine Kinn fest ans Schlüsselloch und rief laut und beschwörend: »Liebchen!«

»Verpiß dich, Robert!« fauchte eine Stimme aus der Garderobe. »Egal, worum’s geht, ich hab keine Lust, mit dir zu reden.«

Ein paar Kameramänner fingen keckernd zu lachen an. Irgendwo in Roberts Innerem begann das wohlvertraute Sieden, das er als kochende Wut identifizierte.

»Honey, ich weiß, du willst jetzt allein und ungestört sein. Aber wir müssen diese Show nun mal durchziehen.«

»Wir müssen gar nichts.«

Ihre Stimme hörte sich lieb und süß an, leise und beherrscht, aber sie war so mit giftiger Gehässigkeit gespickt, daß selbst Robert Alton, der als ihr Agent wahrhaftig daran gewöhnt war, unwillkürlich zurückzuckte.

»Wir sind vertraglich gebunden. Wir haben im Voraus eine Million Dollar Gage kassiert.«

»Du meinst, daß du dich vertraglich gebunden hast. Dann zieh du doch das Kleid an, Bob. Wer weiß, vielleicht macht dir das sogar Spaß.«

Dieses Luder. Dieses verdammte Luder! O Gott, er hatte ihre Kapriolen bis oben hin satt!

»Alessandro reißt sich die Haare einzeln aus, Babe. Du weißt, daß die ganze Show ohne dich nicht läuft. Bitte, Engelchen, alle verlassen sich auf dich.«

»So hat eben jeder seine Probleme.« Ein dumpfer Schlag.

»Aber Alessandro hat genug Stars da draußen, er braucht mich nicht. Mädels gibt’s wie Sand am Meer. Sag ihm, er soll Cindy fürs Finale nehmen.«

Aha, das steckte dahinter? Alton schöpfte Hoffnung, er glaubte, den ersten Riß in ihrer eisernen Rüstung zu entdecken. Obwohl er im selben Augenblick verbittert an die Sprichwortweisheit denken mußte, daß ein Ertrinkender eben nach jedem Strohhalm greift.

»Stars? Die da draußen sind doch allenfalls schmückendes Beiwerk«, rief er verächtlich und schickte ein Stoßgebet zum Himmel, daß ihn niemand hörte. Denn wenn doch, hatte er eine Klage sämtlicher Supermodels am Hals. »Püppchen, hier gibt’s nur einen Star, aber der will partout nicht aus seiner Garderobe kommen. Cindy bringt’s nicht, das weißt du genau. Und Christy oder Claudia? Pah!« Er hoffte sehnlich, mit seiner Verbalattacke die Geringschätzung für ausnahmslos alle anderen Models deutlich genug gemacht zu haben.

»Da wird nichts draus, Bob. Ich spiel nicht die Leitkuh. Sogar dann nicht, wenn’s um lauter preisgekrönte Kühe geht.« Ihre Stimme war melodisch wie Musik, und trotzdem tröpfelte es eiskalt aus jeder Silbe.

Die Leitkuh, mein Gott! dachte Alton und malte sich aus, wie die Crème de la crème unter den Superstars, das Aufgebot der Schönsten der Welt, draußen über den Laufsteg schwebte. Aber er gab die Sache nicht verloren. Es kam immer darauf an, herauszufinden, was das kleine Biest da drin gerade heute hören wollte. Welche Sorte Honig sie heute ums süße Mäulchen geschmiert haben wollte.

»Sweety, sieh’s doch mal so: Du bist nicht eine unter vielen, du trittst bei der eigentlichen Modenschau überhaupt nicht auf, du kommst erst zum Finale heraus. Und jeder da draußen wartet auf deinen Auftritt. Sie hoffen darauf. Sie beten darum!« Ganz besonders ich, fügte er im stillen hinzu. Weil ich nämlich erledigt bin, wenn du’s nicht tust. »Verlaß dich drauf, die rasten aus, wenn du kommst. Nur diesen einen kurzen Augenblick!«

»Ach, die rasten doch immer aus.« Die Stimme von drinnen klang gelangweilt, aber Alton meinte, ein erstes Bröckeln herauszuhören.

»Die werden ganz verrückt nach dir sein, Babe. Wer wäre nicht verrückt nach dir? Und wenn du in einem Sack herauskommst.« Am besten in einem Leichensack, dachte er zornig. »Aber der Punkt, auf den’s ankommt, ist, daß du sie alle anführst. Du – vor allen anderen. Beim Finale.« Er atmete tief durch, bevor er sein As ausspielte. »Und damit wird demonstriert, was sowieso schon alle Welt weiß: daß du die Größte von allen bist. Es wird ...« Er flocht eine dramatische Pause ein. »Es wird die Stunde deiner Krönung sein.«

Stille.

Was mochte wohl in ihrem hübschen Köpfchen vorgehen? Alton lockerte den Hemdkragen, die nervöse Spannung fraß wie ätzende Säure an seiner Magenschleimhaut. Er konnte förmlich sehen, wie sein Magengeschwür größer und größer wurde. Was war nun? Gefiel ihr die Vorstellung? War sie jetzt einverstanden?

Sosehr ihm das Weib verhaßt war – und manchmal haßte er sie weiß Gott aus tiefstem Herzen –, unter der niedlichen Schädeldecke ballte sich eine Menge hellwacher Intelligenz, das hatte Robert Alton längst begriffen. Das Mädchen ließ sich nichts unterjubeln, gar nichts. Wenn sie tat, was er ihr vorschlug, dann tat sie’s, weil sie zu dem Schluß gekommen war, es sei eine gute Idee. Schlau. Hartnäckig. Unbeirrbar. Und wenn es irgendwas gab, was sie unbedingt wollte, dann – auch das hatte ihn die Erfahrung gelehrt – war es völlig zwecklos, ihr die Idee ausreden zu wollen. Da wäre es sogar einfacher gewesen, sich einem Zehntonner in den Weg zu stellen.

»Okay«, rief sie, »ich werd’s tun.«

Um ein Haar hätte er vor Erleichterung geschluchzt.

»Unter einer Bedingung. Ich werde das Finale nicht anführen. Ich bin das Finale. Nur ich. Ganz allein. Keines von den anderen Mädchen.«

Ein Schlag in die Magengrube, er hätte am liebsten gekotzt. »Aber das ist unmöglich, Zuckerchen. Es ist doch alles schon abgesprochen und einstudiert. Du kannst unmöglich erwarten, daß Naomi oder Kate das so mir nichts, dir nichts ...«

»Kate? Wie kannst du es wagen, mich mit diesem Namen zu konfrontieren, Bob? Ich hab dir doch gesagt, daß du den Namen dieses hypernervösen, magersüchtigen Gackelchens in meiner Gegenwart nie, nie mehr aussprechen sollst.«

Ein Fehler. Ein gefährlicher Fehler. In seinem Hirn flammten sämtliche Alarmleuchten auf.

»Honey, es tut mir leid, aber ...«

»Nein, Bob. Kein Aber. Und nun werd ich dir sagen, was unmöglich ist. Unmöglich ist, daß ich in dieser Show auftrete, es sei denn im Finale, und auch da nur solo. Okay? Hab ich mich klar genug ausgedrückt? Und nun lauf zu Alessandro und erzähl ihm, was ich gesagt habe. Und wenn’s ihm nicht gefällt, kannst du gleich meinen Fahrer rufen, weil ich mich dann nämlich nach Hause bringen lasse.«

In das Seidenstimmchen waren auf einmal Stahlfäden gewirkt.

»Hast du mich verstanden?« herrschte sie ihn an.

Robert Alton fuhr sich mit den Fingern über den Hemdkragen, aber gegen die Panik, die ihn zu ersticken drohte, half das absolut gar nichts. Er kannte den Ton gut. Ihr Schluß-aus-fertig-Ton.

»Natürlich, Süße«, flötete er durchs Schlüsselloch. »Ja, ich habe dich verstanden.«

»Soll das ein Witz sein?« Michael Walter warf einen Blick auf die Armbanduhr. Die Show lief punktgenau nach Zeitplan ab, auf den Sekundenbruchteil genau. Zehn Minuten blieben noch bis zum Finale, und sie hatte noch nicht mal Make-up aufgelegt.

Robert Alton streckte die pummeligen kleinen Hände aus – eine Geste der Hilflosigkeit, in der er sich, Gott sei’s geklagt, wer weiß wie oft geübt hatte. »Nein«, sagte er, »sie macht keine Witze. Und ich bin sicher, das ist dir klar.«

»Sie hat für ihren Auftritt eine Million Dollar bekommen.«

Alton seufzte. »Die wir natürlich zurückzahlen werden, wenn sie nicht auftritt.«

Winter starrte ihn an. Es ging nicht um die Gage, das wußten sie beide. Eine Million Dollar waren Peanuts verglichen mit dem Verlust des Hauses Alessandro Eco, wenn sie, die Einzigartige, die Show schmiß und alles mit einem Eklat endete.

»Könnt ihr den Mädels, die ihr unter Vertrag habt, nicht beibringen, wo’s langgeht? Wenigstens, wenn’s um die größte Show der ganzen beschissenen letzten zehn Jahre geht?« Robert Alton sah ihm fest in die Augen. »Michael, bitte! Niemand – und wenn ich niemand sage, meine ich niemand – kann ihr beibringen, wo’s langgeht.«

Noch neun Minuten.

»Mit anderen Worten, ich – ich persönlich – soll achtzehn der berühmtesten Models der Welt desavouieren? Ich soll in Gegenwart der Medien und der versammelten Modewelt Demontage an ihnen betreiben, und das alles nur, damit Ihre Majestät, die Einzigartige, dreißig Sekunden lang über den Laufsteg spaziert?«

Es war wieder soweit, der Schweiß rann Alton in Strömen über den Nacken. Winter hatte natürlich völlig recht. All das unnütze Gesindel, das sich auf der Hinterbühne herumtrieb, würde die Neuigkeit mit Superlichtgeschwindigkeit den Aasgeiern überbringen, und die machten sich ein Vergnügen daraus, die Sache weiterzuverbreiten und auszuschlachten. Und das alles, weil sie verlangte, daß Alessandro ihr zuliebe sämtliche Supermodels der Welt brüskierte.

»Genau das versuche ich dir nahezulegen«, sagte er steif und förmlich.

Acht Minuten und dreißig Sekunden.

Michael Winters Blick huschte wieder zur Uhr. Es blieb ihnen gar nichts anderes übrig, sie mußten sich darauf einlassen – so oder so, es gab keine andere Möglichkeit. Aber die Last dieser Entscheidung lag zentnerschwer auf seinen Schultern.

»Okay«, murmelte er, »sag Ihrer Majestät, daß wir uns auf den Handel einlassen.«

Da saßen sie nun, die oberen Zehntausend der Glitzerwelt, und starrten hingerissen und mit hochgespannten Erwartungen auf die leere Bühne. Die Notizbücher der Journalisten waren vollgekritzelt, Seite um Seite, Zeile um Zeile, mit dick unterstrichenen Passagen und voll von – stellenweise gleich mehrfachen – Ausrufezeichen. Die T-Shirt-Kleider, die figurbetonenden Oberteile und die weitgeschnittenen Umhänge aus wasserabstoßender Seide – das waren atemberaubende Sensationen gewesen. Und dann die Bademode – diese völlig neue Dimension der Hüftbetonung! Ganz zu schweigen von dem bezaubernden, raffinierten Schrägschnitt bei den Abendkleidern. Aber das allein war’s ja gar nicht gewesen ...

Die ungezählten Meter Film, die die Fotografen verknipst hatten – das war’s, was den Herausgebern und Redakteuren der Modemagazine den feinen Schweißfilm auf die Schenkel trieb. Denn das war’s, was die Auflage in die Höhe jagte.

So was verkaufte sich: eine Modenschau als Ereignis des Jahres und Alessandro als König von Babe-City. Kate in einem erdbeerfarbenen Satinkleid, das im Grunde nur ein T-Shirt mit höheren Ambitionen war. Oder die göttergleiche Cindy in einem schlichten schwarzen Badeanzug, bei dessen Anblick jede Frau nur den Wunsch haben konnte, sich gleich morgen im nächsten Fitneßcenter anzumelden. Jerry, umwallt von Kaskaden ihres blonden Haars, in einem streng geschnittenen Hosenanzug. Yasmin – distanziert wie eine Fürstin – in einem langen Abendkleid mit einem Reifrock aus Steifleinen. Sagenhaft – es gab kein anderes Wort dafür.

Und nun das Finale ...

Die Fotografen drängelten sich nervös nach vorn. Es war, als hallte die Stille des angehaltenen Atems im Saal wider. Alle Supermodels der Welt hatten sich heute abend die Ehre gegeben, alle, außer einer. Jedesmal wenn ein neues Musikstück einsetzte, jedesmal wenn ein neuer Teil aus Alessandros Kollektion auf dem Laufsteg vorgeführt wurde, hatten alle fest damit gerechnet, daß das nun der Augenblick sei, in dem sie kommen mußte ... aber nein, nichts.

Um so sicherer waren alle, daß es jetzt soweit war. Die Adleraugen der Modejournalisten waren fest auf den schwarzen Vorhang gerichtet, der die Hauptbühne von der Lichtrampe trennte. Die Spannung steigerte sich, bis sie schier unerträglich war. Die Raubtiere fingen an, Blut zu wittern.

Es konnte nicht anders sein, sie hatte auch dieses Mal triumphiert. Weiß der Himmel, wie, aber die Einzigartige hatte ihren Kopf durchgesetzt. Das Megamodel trat erst im Finale auf. Womit die Einzigartige sich automatisch in die einsamen, für alle anderen unerreichbaren Höhen katapultierte, in denen ein Star zur Sonne wird. Sie war eine Klasse für sich, kein anderes Supermodel konnte sich mit ihr vergleichen. Wahrscheinlich kam’s so, daß sie den Pulk der anderen Models anführte. Oder war das eine zu hochgespannte Erwartung? Mischte sie sich schlicht unter die anderen, wenn sich die geballte Augenweide weiblicher Schönheit auf Alessandro Ecos Laufsteg präsentierte? Oder hatte sie doch noch einen Pfeil im Köcher? Wartete sie vielleicht im letzten Augenblick mit irgendeinem Trick auf, der jeden Kameramann dazu verleitete, das Objektiv – spontan, wie es in solchen Fällen immer hieß – auf sie und nur auf sie zu richten?

Die Leeward Hall bebte in gespannter Erwartung.

Das leise Rascheln von Samt, Alessandro Eco betrat die Lichtrampe und ging zum Mikrofon. Sein Gesicht verriet nichts als in sich ruhende, aristokratische Gelassenheit. Er hob die Hand, um seinem Publikum Stille zu gebieten, ehe unten im Saal donnernder Applaus ausbrechen konnte.

»Ladies und Gentlemen, es war und es ist eine große Ehre für das Haus Alessandro Eco, Ihnen heute abend unsere neue Kollektion vorstellen zu dürfen.« Er deutete eine Verbeugung an. »Wie Sie vielleicht wissen, war es – und das schon in frühen Kindertagen – immer mein Traum, mich eines Tages in die Phalanx der ganz großen Namen einreihen zu dürfen: Balenciaga, Dior, Chanel – kreative Menschen, die in unserer modernen Zeit der weiblichen Schönheit die Hommage dargebracht haben, die sie verdient. Diese Huldigung fortzusetzen, habe ich mir zur Aufgabe meines Lebens gemacht. Der Tag, an dem eine Frau sich im reizvollsten, im strahlendsten Glanz ihrer Schönheit zeigt, dürfte sicherlich der Hochzeitstag sein. Darum ist ein bewährter Brauch bei den Couturiers, am Schluß das Hochzeitskleid vorzustellen. Und ich bin stolz, dieser Tradition folgen zu dürfen.«

Langsam erlosch das Spotlicht, das auf den Designer gerichtet war, dann verglommen alle anderen Lichter im Saal, bis die Bühne in völliges Dunkel gehüllt war. Eine verspielte Mozartmelodie schwebte durch die Stille.

Und dann hob sich der Vorhang, ein Gespinst aus kristallklarem Licht überzog die Bühne ... aber statt der dreißig Models, auf die alle gewartet hatten, löste sich nur eine einzige Gestalt aus dem Dunkel und trat mit königlicher Würde in den Lichtkegel eines Spotlichts. Ein raffiniert einfach geschnittenes Kleid aus cremefarbener Seide schmiegte sich wie eine zweite Haut um einen makellosen Körper. Ein Bouquet aus elfenbeinweißen Lilien in der Hand, eine einzelne weiße Rose ins lange, dunkle Haar gesteckt – so schwebte sie langsam und graziös auf den Laufsteg zu.

Einen Augenblick lang herrschte atemlose Stille, das Publikum war wie gelähmt von so viel reiner Schönheit, von der zierlichen, nervös tänzelnden, jungmädchenhaften Art, wie das Model seine Schritte setzte, von der scheuen Anmut, mit denen diese schokoladenbraunen Augen – scheinbar verwirrt von so viel unerwarteter Aufmerksamkeit – in meisterhaft gespielter Verlegenheit zögernd den Blickkontakt mit dem Publikum suchten.

Und dann schien die Welt der Mode zu begreifen, daß sie alle zu Augenzeugen eines einmaligen, nie dagewesenen Ereignisses wurden, der Saal explodierte in einem Taumel lauter Begeisterungsrufe und stürmischen Beifalls. Die Herausgeber und Redakteure der Modejournale sprangen auf und brachten der Göttin in Weiß, die sich auf dem Laufsteg präsentierte, Standing Ovations dar, die Modefotografen wollten kaum noch den Finger vom Auslöser nehmen, alle träumten schon vom Foto des Jahres, von dem Bild, das die Titelseiten aller Magazine der westlichen Welt eroberte, von dem Bild, das dieses wundervolle, dieses großartige, in seiner Schlichtheit einmalige Finale festhielt – das Finale des großen Alessandro Eco, der – daran konnte es von heute an nicht den leisesten Hauch eines Zweifels geben – nun der Designer des Jahres war. Sein Finale ... und ihr Finale. Denn einen größeren PR-Coup hätte sie nicht landen können: Achtzehn andere Supermodels zu Statisten zu machen und am Schluß – erst am Schluß – ganz allein auf dem Laufsteg zu erscheinen, so, als wüßte sie genau, daß nur sie diese Show krönen konnte, weil sie es war, auf die alle gewartet hatten.

Und so spielte, als sie auf dem Laufsteg mit scheinbar schwerelosem, graziösem Schritt ihr Bad in der begeisterten, jubelnden Menge nahm, ein kleines wissendes Lächeln um Roxana Felix’ Lippen.

»Roxana!«

»Rox! Rox!«

»Roxana, bitte! Nur einen Augenblick!«

Sie waren überall, die Reporter der beliebtesten Fernsehshows und der auflagenstärksten Modemagazine, die Meute, die bei keinem Jahrmarkt der Eitelkeiten fehlen durfte. Ihr Schlachtfeld war die Hinterbühne, und dort drängten sie sich, buhlten um Roxanas Aufmerksamkeit, bettelten um einen Blick, um ein Lächeln von ihr, wenigstens die Andeutung eines Lächelns. Natürlich waren auch die anderen Supermodels gefragt – ein Wort von Christy, ein, zwei Sätze von Naomi, ein Zehntausend-Dollar-Schnappschuß von einem der strahlenden Sterne am Modehimmel, am liebsten im neckischen déshabillée –, doch am dichtesten drängte die Meute sich um Roxana Felix, die unbestrittene Königin des Abends. So war es nicht verwunderlich, daß sich die anderen Mädchen rasch verdrückten, mit einem knappen »kein Kommentar« auf den Lippen und einem zornigen, aufgebrachten Agenten im Gefolge. »Wieder eine, die nie, nie mehr für mich arbeiten wird«, flüsterte ein genervter Alessandro Michael Winter wütend zu, als eine der Schönheiten mit eisiger Miene und steil in die Luft gerecktem Näschen an ihm vorbeirauschte. »Michèle, dieses Biest hat meine Kollektion mit Blut besudelt. Kein anderes Covergirl wird je wieder eines meiner Kleider tragen. Wohin ich auch blicke und wo ich mich auch umhöre, überall begegnet mir nur feindselige Ablehnung.«

Ein sattes Grinsen lag auf Winters gebräuntem Gesicht. »Ach, tatsächlich? Wenn ich mich umhöre, höre ich nur eine Menge Geld klimpern. Feindselige Ablehnung und kollegialer Wettbewerb sind nach dem Großen Webster Synonyme, wußtest du das nicht?«

Einer aus der Reportermeute fragte Roxana: »Haben Sie eigentlich vorher gewußt, daß Alessandro die anderen Mädels beim Finale rausschmeißen wird?«

Roxana schnippte eine vorwitzige Locke des glänzenden schwarzen Haars beiseite, die es gewagt hatte, dem Feuer in ihren Augen ein wenig von seiner Glut zu nehmen, und lachte leise. »Daß er was tun wird? Damian, da müssen Sie was in den falschen Hals gekriegt haben. Das war bestimmt von Anfang an so geplant.«

»Nein, nein«, warf ein anderer aufgeregt ein, »er hat die anderen Ihnen zuliebe aus dem Programm gestrichen.«

Roxanas feingemeißelte Wangenknochen und die weiche, blasse Haut verrieten nichts von ihren Gefühlen. Das Model schien lediglich ein wenig verwirrt zu sein, weil die Journalisten einmütig darauf beharrten, Alessandro habe ihr zu Ehren alle anderen vor den Kopf gestoßen. Schließlich huschte ein schüchternes Lächeln über ihr Gesicht, sie zeigte ihren berühmt-berüchtigten Wimpernschlag und murmelte wie ein verschämtes kleines Mädchen: »Also, Jungs, davon weiß ich wirklich nichts. Für die geschäftlichen Dinge ist Robert zuständig.« Und schon waren wieder alle von ihrem Charme hingerissen und lagen ihr zu Füßen.

Und stürzten sich auf Robert Alton. »War es Ihre Idee, darauf zu bestehen, daß die Choreographie geändert wird?«

»Selbstverständlich«, sagte Alton großspurig. Er gefiel sich so in der Rolle, die ihm aufgedrängt wurde, daß er sich im Geiste selbst als der große, einflußreiche Macher in der beau monde sah. Mit Sicherheit kamen die Models jetzt scharenweise angelaufen und bettelten ihn an, sie ebenfalls zu vertreten. Ein Gedanke, der ihm das Herz wärmte, bis ihm einfiel, daß Roxana ihm das nie und nimmer erlauben würde.

»Aber warum?« wollte einer der Journalisten wissen. »War Ihnen nicht klar, daß Sie dadurch eine Menge Frauen, die im Geschäft mit der großen Mode ein gewichtiges Wort mitzureden haben, gegen sich aufbringen?«

Alton ließ die Hand mit einer väterlichen Geste auf Roxanas Alabasterschulter ruhen, zog sie aber, als er merkte, wie Roxana sich versteifte, rasch zurück. »Hier ging es nicht um Egos und verletzte Gefühle«, tönte er, »hier ging’s um Kleider. Ich war der Meinung, daß diese Show – die beste Show der Welt – nur durch das schönste Mädchen der Welt ihren krönenden Abschluß finden konnte.«

»Oh, Bob, wirklich!« protestierte Roxana honigsüß, wenn auch mit wohldosiertem Tadel in der Stimme.

»Bitte, signoras, signori – genug, genug«, mischte Alessandro sich ein, weil er auf Anhieb erkannt hatte, daß es keinen besseren Schlußsatz geben konnte. »Ist meine kleine bambina jetzt müde und erschöpft. Sie wissen ja, wie sehr sie Publicity haßt. Darf ich Sie dort hinüber bitten ... Champagner für alle, daran soll’s nicht mangeln.«

Roxana verabschiedete sich bei den Journalisten, die sich irgendwann lieb Kind bei ihr gemacht hatten, mit Küßchen, Umarmungen oder einem herzhaften Druck des Oberarms und sah ihnen, als sie dorthin eilten, wo Gaumenfreuden und Ströme von Champagner ihrer harrten, mit gespielter Irritation nach, als könne sie gar nicht fassen, daß auf einmal alle einen solchen Wirbel um sie machten.

Sie hatte kaum die Tür ihrer Garderobe hinter sich zugezogen, als sie auch schon ein Puderdöschen aus ihrer Handtasche nahm, sich eine Prise weißes Pulver aufs Handgelenk streute und daran zu lecken anfing. Alton beobachtete sie gierig. Die neue Form, in der Basis-Ecstasy diesen Sommer auf den Markt gekommen war, war der große Renner bei allen im Showgeschäft. Leider machte Roxana keine Anstalten, ihm auch etwas davon anzubieten.

»Ein Triumph, wenn ich das in aller Bescheidenheit selber so ausdrücken darf«, sagte er prahlerisch.

»Damit hattest du nichts zu tun, Bob. Draußen, bei den Pressefritzen, da kannst du von mir aus den dicken Max markieren, aber glaub ja nicht, daß ich dir das abkaufe, klar? Wenn du mir auf die Tour kommst, bist du gefeuert, bevor du bis drei zählen kannst.«

»Okay, okay«, sagte Alton und zwang sich zu einem Grinsen, obwohl er an der bitteren Demütigung nagte. Roxana Felix hatte ihm schon vor langer Zeit den Schneid abgekauft. Oder, um’s eine Spur krasser auszudrücken: Sie hatte ihm die Eier abgeschnitten und Murmeln damit gespielt. »Du hast ja recht, Sweettie. Natürlich hast du recht. Und im übrigen hast du dir gerade wieder dreißig Riesen mit deinem Coup dazuverdient.«

»Fünfzig.«

»Ja, natürlich, fünfzig«, gab Alton klein bei, wobei ihm die Frage durch den Kopf ging, ob Madonnas Manager auch so mit sich umspringen ließ, wie sie’s ihm zumutete.

»Geld ist nicht das, was mich interessiert. Du weißt genau, woran ich interessiert bin«, sagte Roxana langsam und mit einem boshaften Unterton. Alton hatte den Eindruck, daß ihre schokoladenbraunen Augen ihn mit messerscharfen Blicken maßen. »Hast du inzwischen eine geeignete Plattform für mich gefunden?«

Er wand sich vor Hilflosigkeit. »Ist denn Beach Party II noch nicht bei dir angekommen? Ich hab dir das Buch rübergeschickt.«

Ein kleiner knurrender Laut löste sich von ihren Lippen. »Laß mich mal überlegen. Beach Party II? Das war die Rolle für dieses kleine Dummerchen, das sich unbedingt mit einem von den Rettungsschwimmern treffen will. O ja, daran erinnere ich mich. Das Buch kam kurz nach Living Doll und Sweet Sixteen, die hat Unique mir letzte Woche zugeschickt.«

Der Agent schluckte schwer.

»Spar dir die Mühe, mir weitere Bücher zu schicken, Bob.«

»Honey, ich weiß ja, du willst was Vernünftiges haben. Diese Rollen sind weit unter deinem Wert. Ich weiß das, aber was anderes konnte ich bis jetzt nicht auftreiben. Weißt du, es haben schon so viele Mädchen aus der Modebranche in kleinen Rollen debütiert, die Studios haben einfach kein sonderliches Interesse daran, sich ...« Den Rest verschluckte er, als er den Ausdruck auf ihrem Gesicht sah.

»Du bist entlassen«, sagte Roxana Felix in aller Ruhe.

»Was?«

»Hörst du schlecht? Ich sagte, daß du gefeuert bist, Bob. Als mein persönlicher Agent und als mein persönlicher Manager.«

Robert Altons pummeliges Gesicht war aschgrau geworden. Roxana schmiß ihn raus. Nachdem sie während der vergangenen Jahre verlangt hatte, daß die Unique Agency sich von sämtlichen anderen Starmodels trennte. Als Preis dafür, daß sie Roxana Felix vertreten durften, und das auf breiter Front, inklusive des lukrativen T-Shirt-Vertriebs, der Kalender, der persönlichen Auftritte, ihrer Mitwirkung bei Modenschauen und dem Geschäft mit Parfüms, die unter ihrem Namen auf den Markt kamen. All das hatte sich so langsam und schleichend vollzogen, daß seine Mitarbeiter gar nicht richtig merkten, wie die Unique Agency allmählich nur noch um den einen Fixstern kreiste, der Roxana Felix hieß. Ohne sie war die Agentur ein Nichts. Außer ihr hatten sie lediglich eine Handvoll Mädchen, die sich und ihrer Agentur allenfalls die Butter auf dem Brot verdienten, von denen aber keine das Zeug zu einem wirklichen Star aufwies.

»Vor zwei Monaten habe ich dir gesagt, daß ich als Schauspielerin arbeiten möchte. Und damit meine ich tatsächlich arbeiten, Bobby, und nicht nur, in einem Strand-Filmchen für Teenager die hübsche Staffage für einen dämlichen Muskelprotz abzugeben.«

»Aber die anderen Mädchen ...«

Roxana seufzte. Das heißt, es war eher ein leises, ein gefährliches Pfeifen, was sie da zwischen ihren perfekt nachgezogenen, beerenroten Lippen hervorstieß. »Wie oft muß ich dir das noch sagen, Bob? Ich bin keines von diesen ›anderen Mädchen‹. Die Jungs von der SKI haben das sehr schnell begriffen.«

SKI? Hatte sie vor, zu Sam Kendrick zu gehen? Alton spürte, wie ihm unter dem Hemdkragen der Schweiß in Strömen ausbrach. Er konnte, er wollte einfach nicht wahrhaben, daß es tatsächlich soweit kam.

»Ich hab mich bei denen mit einem jungen Burschen namens David Tauber unterhalten. Er ist jung, er hat Pep, und er will’s zu was bringen. Meine Maschine nach LA geht morgen vormittag um zehn.«

»Bitte, Roxana«, brachte Bob heraus, »gib uns wenigstens noch eine zweite Chance.«

Roxana schüttelte ihr hübsches Köpfchen, sie lachte ihn einfach aus. »Kommt nicht in Frage, Bobby-Bübchen. Bei mir hat nie einer eine zweite Chance. Dachtest du, bloß weil ich eine Frau bin, könntest du mich behandeln wie ein gutgewachsenes, niedliches Stück Fleisch? Dann wird’s Zeit, daß du umdenkst.«

»Roxana, bitte!« fing Alton zu betteln an. Sie wußten es beide: es war sein Canossagang, er kroch vor ihr zu Kreuze.

»Nimm dich zusammen. Du kannst immer noch die Aktivitäten als Model für mich abwickeln.«

Alton hätte fast vor Erleichterung geweint.

»Einstweilen jedenfalls«, fügte sie eisig hinzu. In ihren Unterarmen breitete sich ein angenehmes Gefühl aus, das erste Anzeichen dafür, daß die Droge zu wirken anfing. »Und jetzt geh, Bob. Und sag dem Fahrer, er soll den Wagen um acht Uhr bereithalten.«

»Ja, Süße«, murmelte Alton unterwürfig, obwohl er ahnte, daß ihm jetzt auch das demütigste Gesäusel nichts mehr half. Roxana starrte ihm kalt nach, bis sich die Tür ihrer Garderobe hinter ihm geschlossen hatte und sie endlich allein war.

Ihr sorgfältig lackierter Fingernagel fuhr zärtlich über das Erste-Klasse-Ticket nach Los Angeles, das am Spiegel festgeklemmt war, direkt vor ihr.

O ja, das konnte sehr spaßig werden.

Sie war Roxana Felix und bekam immer, was sie wollte.

Kapitel 3

Eleanor Marshall ist die einflußreichste Frau in LA.

Das war der Gedanke, den Sam Kendrick sich unablässig ins Gedächtnis hämmerte, während er, die Finger lässig um das samtbezogene Lenkrad gelegt, den stahlblauen Maserati mit der gewohnten Grandezza auf den knapp fußballfeldgroßen Parkplatz der Agentur lenkte. Nahezu alle anderen Stellflächen waren bereits belegt, aber das nahm Sam kaum noch zur Kenntnis. Immerhin war es halb acht morgens, und da erwartete er, verdammt noch mal, daß seine Mitarbeiter im Büro saßen. Auch wenn in den Verträgen eine Regelarbeitszeit von neun bis sechs vorgesehen war. Wenn jemand für die Sam Kendrick International arbeiten wollte – die Nummer drei unter Hollywoods namhaften Agenturen –, dann tat er gut daran, vor sieben Uhr morgens dazusein und nicht vor zehn Uhr abends zu gehen.

Aus den Augenwinkeln registrierte Sam, daß David Tauber seinen schmucken Lamborghini genau gegenüber der für Sam Kendrick reservierten Stellfläche geparkt hatte. Was bedeutete, daß er heute morgen als erster gekommen war. Wahrscheinlich schon um halb sechs oder so. Sam gönnte sich ein knappes Lächeln. Tauber war’s darauf angekommen, daß der Chef das zur Kenntnis nahm. Und der hatte es zur Kenntnis genommen. Natürlich fiel ihm so was auf. Nach fünfundzwanzig Jahren im Agenturgeschäft hatte Samuel J. Kendrick II sich angewöhnt, so gut wie alles zur Kenntnis zu nehmen. Und Schlüsse daraus zu ziehen. Zum Beispiel den, daß Tauber – jung, ehrgeizig, ambitioniert – Hollywoods Geheimcode bereits fließend beherrschte. Sehen Sie, Boß, ich war heute morgen der erste. Brav, Jungchen, dachte Sam, und dann legte er die Sache ad acta. David Tauber spielte im Augenblick nicht die erste Geige für ihn. Nein, die spielte Eleanor Marshall.

Vergieß deinen Schweiß nicht für Kleinkram, und halt dir vor Augen, daß letzten Endes alles Kleinkram ist. Der Lieblingssatz aller Streßgeplagten in den Neunzigern. Sam knurrte mißbilligend.

Auf den Blick fürs Wesentliche kommt es an. Auch so ein Satz, den ihn das Leben gelehrt hatte. In dieser Stadt, in der es jeder jeden Tag mit einer Million Projekte zu tun hatte, war die Konzentration auf das Wesentliche das A und O. Hatte man einen großen Star an der Angel, dann mußte man sich eben zuerst um ihn kümmern. Kämpften mehrere Interessenten um ein heißes Projekt – sei’s ein Skript, ein Schauspieler oder ein Regisseur –, dann mußte man die gesamte Feuerkraft auf die Konkurrenz richten, und zwar so lange, bis sie weggefegt war. Konnte sein, daß dann mal ein paar Anrufe unbeantwortet blieben, die er unter normalen Umständen erledigt hätte. Na und? Dafür waren die jungen Hüpfer wie Tauber da. Solange es ein vordringliches Problem zu lösen gab, galt die eiserne Regel, gefälligst an nichts anderes zu denken, sondern sich ausschließlich darauf zu konzentrieren. Und zwar so lange, bis das Problem gelöst war.

Die Sam Kendrick International hatte ein vordringliches Problem. Aber nach fünf Tagen konzentrierten Nachdenkens über Lösungsmöglichkeiten hatte Sams zuverlässiger Instinkt Vorschläge zur Problemlösung geliefert. Und der Vorschlag Nummer eins hieß Eleanor Marshall.

»Mr. Kendrick, Mrs. Kendrick hat aus dem Country Club angerufen, es geht um die Speisen und Getränke für Ihre Party nächste Woche. Vor zehn Minuten hat das Vorzimmer von Mr. Ovitz angerufen. Und Fred Florescu hat Viertel nach sieben angerufen.« Karen, seine Assistentin, faßte sich kurz und bündig. Sams Zeit mit »guten Morgen« und ähnlichen Höflichkeitsfloskeln zu verschwenden, hatte sie sich längst abgewöhnt. »Dazu kommen noch rund dreißig weitere Anrufe, zu denen ich Ihnen Telefonvermerke auf den Schreibtisch gelegt habe, nach Dringlichkeit geordnet. Debbie hat die aktuellen Börsendaten, die Kontoauszüge und die wichtigsten Zeitungsausschnitte für Sie zusammengestellt, liegt alles auf Ihrem Schreibtisch. Und aus der Post hat Joanie das meiste an sich genommen. Bleibt nur der Zach-Mason-Vertrag und der Pressetext für Hell’s Daughter. Ich vermute, daß Sie selbst noch mal einen Blick darauf werfen wollen. Ach ja, die Besprechung um acht – da wissen alle Bescheid.«



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