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Unterschätze niemals eine Frau: Der rasante Roman »Manhattan Affairs« von Louise Bagshawe jetzt als eBook bei dotbooks. Die junge New Yorkerin Lita schafft den Aufstieg von ganz unten: Mit viel Selbstbewusstsein und Charme wird sie schon bald zu einem erfolgreichen und begehrten Model. Als sie mit dem höllisch attraktiven Rupert dann auch noch ihren Traummann findet, scheint ihr Glück perfekt. Doch kaum ist die Verlobung gefeiert, macht er sich auf einmal mit Litas Geld davon, um die reiche Rebecca zu heiraten, die ein großes Anwesen in England erben soll. Fassungslos beschließt Lita, es dieser verwöhnten Prinzessin zu zeigen – und so entbrennt zwischen den beiden eine heftige Rivalität. Aber dann merken sie, wer sie gegeneinander ausgespielt hat … und beschließen gemeinsam, es Rupert heimzuzahlen! »Dieser Roman macht richtig süchtig!« OK! magazine Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der mitreißende Roman »Manhattan Affairs – Liebe mit Hindernissen« von Louise Bagshawe wird Fans von Vi Keeland und Ivy Andrews begeistern. Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.
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Seitenzahl: 689
Über dieses Buch:
Die junge New Yorkerin Lita schafft den Aufstieg von ganz unten: Mit viel Selbstbewusstsein und Charme wird sie schon bald zu einem erfolgreichen und begehrten Model. Als sie mit dem höllisch attraktiven Rupert dann auch noch ihren Traummann findet, scheint ihr Glück perfekt. Doch kaum ist die Verlobung gefeiert, macht er sich auf einmal mit Litas Geld davon, um die reiche Rebecca zu heiraten, die ein großes Anwesen in England erben soll. Fassungslos beschließt Lita, es dieser verwöhnten Prinzessin zu zeigen – und so entbrennt zwischen den beiden eine heftige Rivalität. Aber dann merken sie, wer sie gegeneinander ausgespielt hat … und beschließen gemeinsam, es Rupert heimzuzahlen!
Über die Autorin:
Louise Daphne Bagshawe wurde 1971 in England geboren. Sie studierte Altenglisch und Altnordisch in Oxford und arbeitete anschließend bei EMI records und Sony Music in der Presseabteilung und im Marketing. 2010 zog sie als Abgeordnete der Tories ins Parlament ein. Seit ihrem 22. Lebensjahr veröffentlichte sie über 15 Romane und ist international erfolgreich.
Louise Bagshawe veröffentlichte bei dotbooks bereits die humorvollen Liebesromane »Beim nächsten Fettnäpfchen wartet die Liebe«, »Liebesglück für Quereinsteiger«, »Und morgen klopft die Liebe an« und die Romane »Massots – Die Diamantendynastie«, »Diamonds – Als wir nach den Sternen griffen« und »Glamour – Das Kaufhaus der Träume« sowie der Romantic-Suspense-Roman »Special Agent – Gefährliche Anziehung«.
Außerdem erscheinen von ihr die romantischen Großstadt-Romane: »Hollywood Lovers«
»New York Ambitions«
»London Dreamers«
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eBook-Neuausgabe April 2023
Die englische Originalausgabe erschien erstmals 2001 unter dem Originaltitel »When She Was Bad« bei Orion, London. Die deutsche Erstausgabe erschien 2006 unter dem Titel »Löwin im Minirock« bei Knaur.
Copyright © der englischen Originalausgabe 2001 by Louise Bagshawe
Copyright © der deutschen Erstausgabe 2006 für die deutschsprachige Ausgabe by Knaur Taschenbuch. Ein Unternehmen der Droemerschen Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf. GmbH & Co. KG, München.
Copyright © der Neuausgabe 2023 dotbooks GmbH, München
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von © shutterstock
eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ae)
ISBN 978-3-98690-604-7
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Louise Bagshawe
Manhattan Affairs – Liebe mit Hindernissen
Roman
Aus dem Englischen von Antje Nissen
dotbooks.
Meiner Großmutter Emily Triggs und meiner Großtante Polly Youldon gewidmet.
»Lita!«
Beim Klang ihres Namens hörte Lita Morales auf, die zerkratzte Resopalplatte in der Küche ihrer Eltern zu schrubben, und blickte auf. Ihre Mutter lächelte sie an und winkte stolz mit einem Umschlag.
»Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag, mein Liebling!« Mama küsste sie auf beide Wangen und zog sich ein Paar Handschuhe zum Schutz vor der Eiseskälte in der novemberlichen Bronx über. Draußen vor der Tür ihres winzigen Apartments warfen die Straßenlampen der Wheeler Avenue ihre Schatten gegen den blassgoldenen, eisigen Morgenhimmel. Es war halb sieben Uhr morgens, und Mama musste sich beeilen, um die U-Bahn nach Manhattan zu erwischen.
»Dein Vater und ich haben ein Geschenk für dich.«
Lächelnd nahm Lita die Geburtstagskarte in dem gefütterten Umschlag entgegen. Auf der Karte war ein Igel abgebildet, der einige Luftballons in der Pfote hielt; eigentlich eine Geburtstagskarte für Kinder. Mama hatte sie wahrscheinlich irgendwo billig erstanden, denn die Ecken waren bereits etwas eingerissen. Doch im Haushalt der Morales-Familie drehte man jeden Cent zweimal um. In dem Umschlag befanden sich siebzehn Dollar, einer für jedes Lebensjahr. Das war Litas traditionelles Geburtstagsgeschenk. Für sie sah das nach einer Menge Geld aus.
»Danke, Mama«, rief Lita und umarmte ihre Mutter.
»Ich muss mich beeilen. Sei heute Abend bitte pünktlich zu Hause, ja?«
»Gewiss«, stimmte Lita ihr zu.
Mama verließ hastig das Haus, während Pappy schon vor Stunden gegangen war. Er würde erst am Nachmittag wiederkommen, um ein Nickerchen zu machen. Lita war nicht böse, dass an ihrem Geburtstag keiner zu Hause war. Ihre Eltern mussten arbeiten, und Chico, der in seinem Zimmer lag und schnarchte, zählte nicht. Sorgfältig verstaute sie ihr kleines Vermögen in einer alten Socke unter ihrem Bett, behielt aber zwei Dollar zurück, um für den Tag gerüstet zu sein.
Jetzt war es an der Zeit, den Frühstückstisch abzuräumen, und Lita beeilte sich, um nicht zu spät zur Schule zu kommen. Der Anblick der Stadt in der Morgendämmerung, der sich ihr durch das Küchenfenster bot, war niederdrückend. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite prangte ein neues Graffiti an der chinesischen Wäscherei. Lita hoffte nur, dass es nicht schon wieder Chicos Gang gewesen war. Nur dieses eine Mal. Sie liebte ihren Bruder, doch er ging ihr gewaltig auf die Nerven, da er eine große Abneigung dagegen hatte, seine Gehirnzellen zu benutzen.
Nächstes Jahr würde sie endlich achtzehn werden, daher sollte sie sich besser jetzt schon ernsthafte Gedanken machen, wie sie aus allem herauskam. Andernfalls würde sie in einem genauso aussichtslosen Job landen wie Mama oder wie Chico herumlungern und ihre Zeit verplempern.
Doch das war kein Leben, wie Lita es sich wünschte.
Wie Mama und Pappy zu enden, die mit ihrer dunklen Hautfarbe und den braunen Augen mindestens zehn Jahre älter aussahen als die siebenunddreißig Jahre, die sie erst alt waren. Mamas fein geschnittene Gesichtszüge waren hübsch, doch ihre Wangen wirkten durch den ständigen Schlafmangel eingefallen. Ihr Rücken war krumm geworden, weil sie die ganze Zeit über die Nähmaschine gebückt in einer Schneiderei in Alphabet City schuftete, einem Abzockerladen, der ihr einen mickrigen Lohn und nicht einmal Sozialleistungen zahlte, während sie ihre Gesundheit und ihr Augenlicht ruinierte. Was letztendlich dazu geführt hatte, dass sie ihre wunderschönen, dunklen Augen hinter einer Brille mit dicken Gläsern verstecken musste. Und Pappy fuhr sein Taxi den ganzen Tag quer durch die Stadt und übernahm häufig Doppelschichten, was seine Haut dünn wie Papier werden ließ vor lauter Stress und den vielen Zigaretten.
Eigentlich konnte man es Chico nicht verübeln, dass er keine Lust hatte zu arbeiten. Doch Pappy schrie ihn deswegen an. Sollten sie es jemals in diesem Land zu etwas bringen und nicht als illegale Einwanderer aus Mexiko abgestempelt werden wollen, sagte er, bräuchte es mehr Männer wie ihn, Männer, die dazu bereit waren, ehrliche Arbeit zu leisten. Chico sagte, das sei etwas für Trottel, und seine gesamte Generation steige aus der Nummer aus. Und mal ganz abgesehen davon, müsste dann nicht auch eine ehrliche Bezahlung drin sein? Eine, die sie, zusammengepfercht in ihrer Dreizimmerwohnung im schlechtesten Viertel der Stadt, ganz offensichtlich nicht bekamen.
Pappys Antwort bestand darin, dass er seinen Sohn ohrfeigte. Bislang hatte ihr Bruder es nicht gewagt zurückzuschlagen, sondern lediglich die Fäuste geballt, finster dreingeblickt und sich verzogen. Doch das würde kommen, Lita wusste es.
Sie war fleißig zur Schule gegangen, was Chico schon längst abgehakt und dafür seinem Vater versprochen hatte, irgendwann einen Job bei einer Baufirma anzunehmen. Dazu hatte er Pappy nicht lange überreden müssen. Wenn man die Nase in Bücher steckte, sprang dabei wenig für die Familie heraus, was man nicht von dem guten Geld behaupten konnte, das man auch ohne einen Abschluss auf dem Bau verdienen konnte. Das war Arbeit für Männer, und für Chico war es sowieso besser, wenn er nicht irgendwo abhing. Also war Pappy damit einverstanden, dass Chico die High School abbrach. Er selbst hatte es ebenfalls nicht bis zum Abschluss geschafft, und aus ihm war schließlich auch etwas geworden, oder etwa nicht? Er hatte ihnen ein Dach über dem Kopf verschafft, und seit vier Jahren lebten sie nun schon in dieser Wohnung, für die er die Miete stets pünktlich bezahlte. Außerdem war es ihm gelungen, einen Spargroschen für Notfälle zurückzulegen. Vielleicht würde es seinem Sohn ja sogar gelingen, etwas Besseres aus seinem Leben zu machen, das erhofften sich schließlich alle Väter für ihre Söhne.
Carlos senior dachte selten über Lita nach. Sie war zu einer jungen Frau erblüht, doch ihre Mutter sorgte dafür, dass sie lange Röcke und unförmige Blusen trug, damit die Jungen nicht in Versuchung gerieten, sie anzumachen. Seit Lita das Angebot ihrer Mutter, in dem gleichen Ausbeuterbetrieb zu arbeiten wie sie, wütend ausgeschlagen hatte, hielt sich ihr Vater zurück, obwohl er fand, dass sie in die Fußstapfen ihres Bruders treten sollte. Doch wenn sie unbedingt ihren High-School-Abschluss machen wollte, dann wäre das auch in Ordnung. Zwar gab es mit ihr ein weiteres Maul zu stopfen, doch er ließ sie dafür umso härter arbeiten, sodass es nur fair zu sein schien. Das kleine Apartment war makellos sauber, die Fensterscheiben glänzten, während die der Nachbarn vor Dreck strotzten. Erst wenn Lita ihre Haushaltspflichten erledigt hatte, durfte sie sich an ihre Schulaufgaben setzen.
Ihren Schulkameraden waren die Hausaufgaben lästig, doch für Lita waren sie eine Belohnung. Sie konnte erst zu dem kleinen Schreibtisch in ihrem winzigen Zimmer gehen, wenn die gesamte Wohnung glänzte wie in einem Werbespot für Küchenreiniger. Die Bronx mochte ein verkommener Stadtteil sein, wo an jeder Hauswand Graffitis prangten, doch die Wohnung der Morales-Familie war so sauber, dass selbst Betty Crocker gern dort ihre Kochvorführungen gegeben hätte.
Solange Lita den Wünschen ihres Vaters entsprach, wurde nie wieder darüber gesprochen, dass sie in der Schneiderei anfangen sollte.
Je älter sie wurde, desto stärker begann Pappy zu hoffen, dass sie es zu etwas bringen würde. Vielleicht konnte sie nach der High School einen Kurs in Maschineschreiben besuchen und einen Job als Sekretärin annehmen, so wie die Frauen im Büro der Taxifirma, die für Kaffeekochen und Ablage zuständig waren. Das war kein schlechtes Leben für eine junge Frau, keine anstrengende Arbeit, bei der man sich die Hände ruinierte. Denn mittlerweile war sogar Morales Carlos nicht entgangen, dass seine Tochter anfing, sich zu entwickeln.
Mit dreizehn war Lita das süßeste Mädchen in ihrer Schule, mit fünfzehn das hübscheste von ganz Soundview und mit siebzehn das schönste der gesamten Bronx.
Die langen Röcke und unförmigen Blusen, die Lita trug, hielten Mutter Natur nicht davon ab, Litas Rundungen auf ganz und gar unmütterliche Weise zum Erblühen zu bringen. Ihre Brüste hatten früh zu knospen begonnen, waren gewachsen und wollten nicht mehr aufhören, bis Lita in einem engen Pullover aussah wie Lana Turner. Nicht, dass Mama ihr jemals erlaubte, einen engen Pullover zu tragen. Doch da die abgelegten Büstenhalter ihrer Cousine Lita schon lange nicht mehr passten, hatte Ma ihr bei Marshall’s welche in einer Sondergröße besorgen müssen, wo sie stöhnend das Geld dafür sorgsam aus ihrer Börse abzählte. Mit siebzehn besaß Lita genau drei BHs, praktische, robuste Dinger, ohne einen Hauch von Spitze oder Seide, die ihren weichen Busen eng an ihren Oberkörper pressten. Lita fühlte sich trotzdem sexy.
Jedes Mal, wenn sie die Straße entlangging, fühlte sie die Blicke der Jungen auf sich ruhen. Sie starrten ihr auf den Busen, wenn sie ihnen entgegenkam, und auf den Hintern, wenn sie an ihnen vorbeigegangen war. Es sollte noch zehn Jahre dauern, bis die Fitnesswelle das Land überrollte, doch Litas Körper war auf natürliche Weise straff und schlank mit einem grandiosen Hintern, der sich prall unter ihrer Wespentaille emporwölbte und sich aufreizend bewegte, wenn sie mit dem natürlichen Schwung ihrer Hüften die Straße entlangging.
Lita war nicht sonderlich darauf erpicht, den Gürtel ihres Vaters zu spüren, und deswegen forderte sie ihn nicht so heraus, wie Chico es tat. Sie fügte sich den Kleidervorschriften in Form von braven Röcken und Blusen, deren Ärmel ihr bis an die Handgelenke reichten, denn letztendlich nützten sie überhaupt nichts. Lita sah in allem, was sie trug, einfach sexy aus. Die Röcke betonten ihre Figur – ihre schmale Taille, den knackigen Hintern und ihre Brüste, gegen die ihre praktischen Baumwoll-BHs nicht ankamen. Sie hielt nichts von Drogen oder Alkohol, weniger, weil sie ein braves Mädchen sein wollte, sondern weil sie arrogant war.
Schließlich hatte sie nicht vor, wie ihr Bruder Chico zu enden. Oder wie Elena Ayala, die in ihrer Straße wohnte und mit neunzehn Jahren bereits Mutter von zwei kreischenden Blagen war.
Lita Morales wollte hier rauskommen, und zwar noch in diesem Jahr.
»O Baby, wo willst du hin, du siehst ja so scharf aus in diesen Jeans!«
Lita ging einfach weiter und tat so, als hätte sie nichts gehört, die schwere Schultasche lässig über die Schulter geschlungen. Wenn sie Jeans trug, bekam sie mindestens so viele Komplimente wie im Rock und leider auch genauso viel Ärger. Die Jungs auf der Straße riefen und pfiffen ihr hinterher, wenn sie an ihnen vorbeiging. Die gute Sache am Winter war allerdings, dass sie ihren dicken Mantel aus blauer Wolle tragen konnte, den Mama ihr vererbt hatte. Er verhüllte diese Kurven, wie Rico Gonzalez sie bezeichnete, und half ihr, die acht Straßenzüge bis zu ihrem Wohnblock ohne zu viel Aufregung zu überstehen. O Mann, die weißen Typen waren wirklich die schlimmsten. Sie riefen ihr nach, dass sie eine heiße Mama sei, eine Mamacita und derartigen Müll. Lita verachtete sie. Sie warfen alle Latinos in einen Topf, die Kubaner, die Mexikaner und die Puertoricaner, bis auf die Leute aus der Dominikanischen Republik, weil sie dachten, es wären Schwarze. Diese bescheuerten, weißen Idioten. Wenn man keine lilienweiße Haut hatte, war man in ihren Augen nicht das Geringste wert. Im Gegenteil, sie glaubten, dass alle spanischen Mädchen mit ihren schweren Augenlidern scharf wie Pfeffer waren, exotische Spielzeuge, die man vögelte und vergaß. Die weißen Typen dachten nicht einen Moment darüber nach, was sie wohl tun würden, wenn man ihre eigenen Schwestern derartig anmachte. Und überhaupt, bildeten sie sich etwa wirklich ein, dass sie, Lita, stehen blieb und sich mit ihnen unterhielt, nachdem sie ihr gerade nachgepfiffen hatten? Lita hätte zwanzig Verabredungen die Woche haben können.
Eigentlich hatte sie ja schon einen Freund. Hector Fernandez war sehr ehrgeizig, und das war einer der Gründe, weshalb er ihr gefiel. Außerdem benahm er sich ihr gegenüber respektvoll, die meiste Zeit jedenfalls, solange er nicht gerade mit seinen Jungs unterwegs war und sie dann einfach ignorierte. Hectors Vater besaß zwei Mietshäuser, die seiner Familie einen bescheidenen Wohlstand bescherten.
Außerdem durfte sich Hector regelmäßig den Wagen seines Bruders ausleihen, ein funkelndes Plymouth Barracuda-Cabriolet. Lita ließ sich in ihrer knappen Freizeit gern von Hector darin herumkutschieren, auch wenn er dann immer versuchte, seine Hand auf ihr Knie zu legen. Hector war ziemlich sportlich, und das hielt die anderen Typen aus Litas Schule auf Abstand. Sie war schon sehr gespannt, was er ihr zum Geburtstag schenken wollte. Zwar musste sie heute direkt nach der Schule nach Hause gehen, doch für den nächsten Morgen hatten sie sich schon früh vor Unterrichtsbeginn verabredet.
Er hatte sich heute in der Stunde zu ihr herübergebeugt und ihr erklärt, dass er sie treffen wolle.
»Es ist wirklich sehr wichtig, Baby.«
Lita lächelte ihn mit funkelnden Augen an. »Hast du ein Geschenk für mich?« Hector grinste zurück, es war das gleiche lässige Grinsen, das er den Cheerleadern zuwarf, wenn er glaubte, dass Lita nicht hinsah.
»Ja, na klar. Komm morgen vorbei und hol es dir ab.«
»Mach ich«, versprach sie, drehte sich dann auf ihrem Stuhl um und richtete ihren Blick nach vorn auf die Tafel, bevor Mrs. Meyer sie anblaffte.
Lita marschierte zu der Ecke, wo sich die Wheeler mit der Seward Street traf, und verschwand in einem kleinen Geschäft.
»Lita.« Mr. Perez, der Besitzer, war ein Bekannter ihrer Mutter, der ihnen manchmal sogar etwas Rabatt gab. »Wie geht es dir heute, meine Liebe – querida?«
»Sehr gut.« Sie lächelte ihn mit einem Oscar-Gewinner-Lächeln an, mit dem sie seit kurzem einige Unruhe stiftete. José Perez kannte Lita, seit sie ein kleines Mädchen war. Er drehte sich hastig weg, während sie nach Eiern und Brot griff, und rückte die Zeitschriften im Regal zurecht.
»Hier, möchtest du die?«
Er hielt ihr eine abgegriffene Ausgabe der Vogue hin. »Jemand hat Kaffee darüber gekippt. Ich habe das leider nicht gesehen, sonst hätte ich Geld dafür verlangt. Jetzt kann ich sie nicht mehr verkaufen.«
Sie nahm die kostbare Zeitschrift vorsichtig entgegen. »Wirklich? Sie wollen die nicht mehr?«
»Nimm sie, nimm sie«, erwiderte er, gab ihr schnell das Wechselgeld für den Einkauf raus und scheuchte sie aus seinem Laden. Carlos Morales würde ihn töten für das, was er gerade dachte. »Man sieht sich.«
Lita stopfte das Magazin in ihren Schulranzen und lief die Straße hinunter bis zu ihrem Apartmenthaus. Sie schloss die Eingangstür auf und flog die vier Stockwerke förmlich hinauf. Ein schneller Blick durch die Wohnung verriet ihr, dass ihre Mutter noch nicht wieder zurück war. Chico war wahrscheinlich unten an der Ecke bei seinen Kumpels und versuchte, sich ein paar Dollar zu ergaunern, falls er nicht auf der Baustelle war, und Pappy käme nicht vor dem Abendessen nach Hause. Chicos Teller stapelten sich noch in der Spüle, weil Lita gegangen war, bevor er sein Frühstück beendet hatte. Lita steckte in der Klemme. Sie wollte am liebsten in ihr Zimmer gehen und ihre Zeitschrift lesen, aber sie hatte noch nie ihre Pflichten vernachlässigt, und heute sollte dies nicht zum ersten Mal geschehen. Schnell ließ sie Wasser in die Spüle einlaufen, quetschte einen Tropfen Putzmittel auf einen Lappen und machte sich an den Abwasch. Als das Geschirr abgetrocknet und aufgeräumt war, kehrte sie den Boden, wischte den Tisch ab und machte das Bett ihrer Eltern. Chicos Zimmer war sauber, größtenteils deswegen, weil er kaum zu Hause war, und ihr eigener, winziger Raum war blitzblank.
Sie hätte hier durchaus schludern können, aber sie tat es nie. Die Kakerlaken nahmen sich schließlich auch keinen Tag frei. Ihre Wohnung war die einzige, die noch nie von Ungeziefer heimgesucht worden war, was daran lag, dass Lita ihnen nichts zu essen übrig ließ. Sie war wütend, weil Chico das dreckige Geschirr vier Stunden lang hatte stehen lassen, aber sie wusste, dass ihre Eltern sie dafür verantwortlich machen würden. Lita war heute Morgen wegen der Theater-AG früher zur Schule gegangen, und ihr Vater würde sagen, sie hätte lieber bleiben und abwaschen sollen.
Wie auch immer. Die Wohnung war sauber, und jetzt war sie von ihren Pflichten befreit. Lita ging in ihr Zimmer, schlüpfte aus ihrer Kleidung und griff nach dem Strandhandtuch, das ihre Mutter vor fünf Jahren im Ausverkauf ergattert hatte. Es war wunderbar, die Wohnung für sich allein zu haben und duschen zu können, ohne dass Chico oder Pappy pausenlos an die Badezimmertür klopften. Sie hatte zwar kein Geld für Luxusartikel wie Duschgel, aber das war in Ordnung. Lita seifte sich ein, schwelgte in heißem Wasser und schrubbte sich den Staub der Bronx von ihrer Haut. Dann brachte sie ihr Haar mit billigem Shampoo und Spülung zum Glänzen, trocknete sich schnell ab, hängte ihre Schuluniform auf und zog ein Kleid aus dem Schrank. Da ihre Mutter nicht in Reichweite war, wählte sie das rote Kleid, das sie im hinteren Teil des Schrankes versteckt hielt. Es reichte ihr bis kurz über die Knie und hatte einen V-Ausschnitt, der gerade so tief war, dass er eine Spur ihres Dekolletés freigab. Das Kleid war dünn und schlecht geschnitten, aber es lag wie eine zweite Haut auf ihrem Körper, und der gerüschte Saum wippte um ihre zarten Beine. Lita zog ihre schwarze, kurz geschnittene Jacke über das Kleid.
Sie wagte es nicht, Make-up aufzulegen; der intensiv blaue Eyeliner und die falschen Wimpern, die ihre Freundinnen gerne trugen, waren ihr verboten. Aber sie stylte ihr Haar mit Mamas Fön, bis es bauschig und sexy um ihr Gesicht fiel, griff nach ihren hochhackigen Sandalen, die sie im Ausverkauf bei J.C. Penny ergattert hatte, und lief mit ihrer Handtasche und dem Magazin nach unten. Vogue. Sie liebte sie. Manchmal kam sie an eine Ausgabe, die sich ihre Freundinnen zum geteilten Lesevergnügen gekauft hatten, aber das liebe Geld war überall knapp. Lita hütete ihre ersparten Dollar in einer Socke unter ihrem Bett. Jeder Cent, den sie hatte, kam dorthin, denn sie traute der Bank nicht. Manchmal verdiente sie sich ein paar Dollar, indem sie die Hausaufgaben von einem der reicheren Mädchen übernahm oder einen Aufsatz für einen Schüler aus der Abschlussklasse schrieb. Wenn es darum ging, eine Prüfung für den nächsten Tag vorzubereiten, und wenn dies den ganzen Abend dauerte, verlangte sie pauschal zehn Mäuse. Ihre Mitschüler beschwerten sich, aber sie zahlten. Sie hatten keine andere Wahl – es war allemal besser, als durchzufallen.
Heute waren mehr als sechshundert Dollar in ihrer Socke, ohne die beiden, die sie gerade in ihre Handtasche gesteckt hatte. Eines Tages würde sie das Bargeld brauchen. Lita hoffte, das würde schon bald der Fall sein.
Lita rannte die Westchester Avenue runter zur U-Bahn-Station. Sie kaufte sich zwei Tickets und erwischte gerade noch die Sechser-Linie. Der Zug war dreckig, über und über mit obszönen Graffitis und Anti-Kriegszeichen beschmiert. Sie dachte nicht gern an den Krieg und an die vielen jungen Männer, die sterben mussten. Gott sei Dank hatte ihre Mama die Ärzte so gut geschmiert, dass sie Chico geistige Unfähigkeit attestierten. Von dem Geld hatten sie eigentlich ein gebrauchtes Auto kaufen wollen, aber es war besser, ihren Bruder vor dem Tod zu retten, obwohl er ein ausgesuchter Vollidiot war. Lita war eine leidenschaftliche Kriegsgegnerin.
»Glaubt ihr nicht, dass diese Männer für ihr Land kämpfen sollten?«, fragte Mr. Richards, ihr Politiklehrer, seine aufgebrachte Klasse. »Was sagst du dazu, Lita Morales?«
Lita wusste, dass er sich an sie wandte, weil sie zwar die ruhigste, aber dafür einzige Schülerin ihrer Klasse war, die Aussicht darauf hatte, mit Auszeichnung abzuschließen.
»Sicher sollten sie für ihr Land kämpfen. Aber das ist nicht ihr Land.« Sie wartete, bis sich der Beifall ihrer Mitschüler gelegt hatte, und fügte dann hinzu: »Und dieser Krieg ist illegal.«
»Ich nehme an, du sympathisierst mit den Kommunisten«, spöttelte Mr. Richards.
»Nein, Sir, ich befürworte das Grundgesetz der Vereinigten Staaten. Und nach dem Grundgesetz hat der Präsident keine Macht, Krieg zu erklären. Es gibt nur eine Institution, die dazu bevollmächtigt ist, und das ist der Kongress. Aber der Kongress hat nie den Krieg gegen Vietnam erklärt.«
Schwache Pfiffe waren im Raum zu hören. Lita wusste, dass schlau zu sein nicht immer hieß, auch beliebt zu sein, aber das war ihr egal. Sie blickte Mr. Richards unverwandt an.
»Nun, ... theoretisch betrachtet ist dies kein Krieg«, entgegnete Mr. Richards.
»Erzählen Sie das den Jungs, die sterben müssen. Erzählen Sie das den Männern, die mit frittiertem Gehirn zurückkehren«, sagte sie. Die Klasse grölte, besonders die Jungs, die endlich mal Interesse am Politikunterricht zeigten. Sie würden in Kürze ihre Volljährigkeit erlangen, und keiner wollte sich freiwillig zum Militärdienst melden. Einige von ihnen dachten daran, nach Kanada auszuwandern. Andere versuchten, ausgemustert zu werden, und wieder andere traten der Nationalgarde bei. Die waren richtig schlau, dachte sie. Aber einige ihrer Mitschüler würden nie wieder nach Hause zurückkommen.
»Amerika hat nie einen Krieg verloren. Es liegt an jungen Leuten wie dir und eurer Einstellung, wenn es doch noch so weit kommt«, erwiderte Mr. Richards. Sein Hals über dem Hemdkragen war deutlich angeschwollen, als stünden seine Adern kurz davor, zu platzen.
»Nein, Sir. Es liegt an den alten« – »Säcken« hätte sie beinahe gesagt – »Männern wie Präsident Nixon, die dafür verantwortlich sind, dass dies der erste Krieg sein wird, den wir verlieren. Er wird einen Krieg verlieren, den der Kongress nie gebilligt hat. Und jetzt will er uns dafür verantwortlich machen.«
Mr. Richards starrte sie wutentbrannt an, aber ihm fiel keine Antwort ein. Der Unterricht ging weiter, und Lita hatte eine Sechs für ihren Aufsatz kassiert, der diese Woche Hausaufgabe gewesen war. Für einen Aufsatz, der gut durchdacht und strukturiert war. Sie hatte nur gegrinst. Mr. Richards würde ihre Generation nicht so leicht mundtot machen.
Der Zug ratterte aus der Station, brachte sie fort aus Soundview, weg aus der Bronx. Sie war auf dem Weg zum Bahnhof Grand Central, um nach Greenwich Village zu fahren. Sie wollte ein Café finden, auf dem Gehsteig in der Sonne sitzen und ihr Magazin lesen und von all den Klamotten träumen, die sie sich leisten würde, wenn sie eine reiche Lady wäre.
Und das würde einmal aus ihr werden, davon war Lita Morales fest überzeugt.
Lita mochte das Village, es war ihr liebster Stadtteil Manhattans, ohne dass sie schon oft dort gewesen war. Schließlich hatte sie mit ihren Haushaltspflichten und den Schulaufgaben genug zu tun. Außerdem hatte sie es sich in den Kopf gesetzt, ein Stipendium zu bekommen, vielleicht für die Universität von New York oder für die Columbia-Universität im Norden Manhattans. Irgendetwas, das ihr eine höhere Qualifikation einbrachte als die aussichtslosen Jobs, die Pappy ihr ständig in der Zeitung einkringelte, oder der Weg, den so viele ihre Freundinnen wählten, sich nämlich heiraten zu lassen, bevor sie in einer Bar ihr erstes Bier bestellen durften. Aber an den Wochenenden nahm sie sonntags nach dem Gottesdienst gern den Zug in die Stadt. Manhattan vibrierte förmlich. Sicher, nach Einbruch der Dunkelheit war es dort gefährlich, in den Parks lagen die benutzten Spritzen der Hippies herum, und die Häuser waren überall mit Graffitis beschmiert, aber trotzdem ... aus den Betonschluchten erstreckten sich die gläsernen Bauten fast bis ins Unendliche, und sie hatten auf Lita die gleiche Wirkung wie die Drogen, die jedermann außer ihr zu konsumieren schien.
Ihr Adrenalinspiegel verursachte ihr jedes Mal eine Gänsehaut, wenn sie hier war. Sie wollte in einer Wohnung in der Park Avenue leben, in einem dieser Gebäude mit den seidenen Markisen und einem uniformierten Portier am Eingang. Sie wollte wie diese jungen, wohlhabenden Ehefrauen sein, die sie aus dem Edelkaufhaus Sacks kommen sah, mit Gepäckträgern, die ihnen ihre Einkäufe in edlen Kleidersäcken oder festen Pappschachteln hinterhertrugen. Lita konnte förmlich in diese Schachteln hineinsehen. Zarte Satin- und Spitzenunterwäsche, die in hauchdünne Bögen aus goldgeprägtem Seidenpapier eingeschlagen war, vielleicht durch winzige Schleifchen zusammengehalten, oder ein cooles Fiorucci-Minikleid mit einem flimmernden Muster und einem glockenförmigen Saum, wie das von Mick Jaggers Freundin Bianca, die es mit einer fantastisch übergroßen, weißen Sonnenbrille und einem riesigen Samthut trug. Lita liebte Mode. Nur weil sie sich nicht modisch kleiden konnte, hieß das noch lange nicht, dass sie es sich nicht erträumte.
Und das Village war Mode. Es war genauso in, wie Schlaghosenjeans und perlen- und muschelverzierte Oberteile. Die »Blumenkinder« und die Anhänger der schwarzen Bürgerrechtsbewegung streiften Seite an Seite durch die begrünten Straßen mit den zurückgesetzten Klinkerhäusern, die aussahen, als stammten sie aus einem anderen Zeitalter. Coole, neue Kaffeehäuser waren vollbesetzt mit langhaarigen jungen Kerlen, die auf ihren Gitarren die neuesten Hits aus England zum Besten gaben – »Abbey Road« war gerade Litas absolute Lieblingsplatte – und die für einen Vierteldollar pro Tasse Kaffee servierten. Das war sündhaft teuer, aber jeden Cent wert, wenn sie dafür an einem sonnigen Tag wie diesem im Freien sitzen und die ganze Welt an sich vorbeiziehen lassen konnte. Lita wusste genau, wie sie ihren Kaffee auf eine ganze Stunde oder noch länger ausdehnen konnte, und es kam auch nie jemand vorbei, der sie fortgescheucht hätte. Sie war zauberhaft, und ein hübsches Mädchen konnte hier tun und lassen, was es wollte.
Sie bog in die Christopher Street ein und ging zu Incense, dem beliebtesten Treffpunkt in der Straße. Sie schlüpfte durch einen Vorhang aus bunten Glasperlen, die fröhlich klirrten und aufblitzten, ging zum Tresen und bestellte einen schwarzen Kaffee mit Zimtstreuseln.
»Zehn Cent«, sagte der Knabe hinter der Bar, während er eine großzügige Menge an Streuseln auf das Getränk löffelte.
Lita blinzelte überrascht. »Aber der kostet doch sonst einen Vierteldollar.«
Der Knabe lächelte sie an und schnippte eine lange Locke über seinen braunen Cordkragen. »Süße, für dich macht es eben nur zehn Cent.«
»Danke schön«, murmelte Lita und belohnte ihn mit einem ihrer seltenen, reizenden Lächeln, das ihr ganzes Gesicht zum Leuchten brachte, woraufhin der Barkeeper im Geiste seine beiden blonden Freundinnen verließ und um ihre Hand anhielt – und das alles in nur zwei Sekunden. Aber sie war bereits weg, hatte die Münze auf seinen Tresen gelegt und war auf dem Weg nach draußen. Ihm blieb nur, den Schwung ihres unglaublich knackigen Pos zu bewundern, während sie zur Tür schlenderte.
»Dein Mund steht offen«, sagte ein Typ, der an der Bar saß und dort einen Whisky Sour schlürfte, obwohl es erst fünf Uhr am Nachmittag war. Er trug einen dieser unverschämt teuren Anzüge, die allen Barkeepern beim Bestellen von hartem Stoff signalisierten, dass sie sich jeden klugscheißerischen Kommentar über die Uhrzeit sparen konnten, wenn sie ein Trinkgeld kassieren wollten.
Der Barmann hinter dem Tresen seufzte. »Kann ich was dafür? Haben Sie diesen Hintern gesehen, Mann? Das ist vielleicht ein heißer Feger. Ich spür’s, das kann ich Ihnen sagen.«
»Ja, sie hatte eine schöne Haut.«
»Schöne Haut! Vergessen Sie die Haut, haben Sie das Gestell gesehen, das die mit sich rumträgt? Und diese Augen. Verdammt.«
Der Mann sah ihn auf eine taxierende Art an, die er abschreckend fand.
»Das sollte meine Rechnung begleichen«, sagte er, zog seine krokodillederne Brieftasche hervor und legte einen Zwanziger auf den Tresen. »Der Rest ist für Sie, okay?«
»Sind Sie sicher? Ich meine, danke«, sagte der Barmann und bereute seine Frage sofort. Rasch griff er nach dem Schein, bevor es sich sein Gegenüber anders überlegen konnte. Mit seiner riesigen Gold-Rolex sah der Typ so aus, als ob er sich ein üppiges Trinkgeld leisten könnte, und das war schließlich die Miete für fast ein Woche. Der Mann stand auf und folgte dem heißen Feger durch das Perlengeklimper, indem er aus dem dunklen, raucherfüllten Kaffeehaus hinaus in den hellen Sonnenschein trat.
Der Barkeeper schüttelte den Kopf. Augenschmaus und Brötchengeber. Schade, dass keiner von beiden geblieben war. Er mochte Kohle, und er mochte heiße Mädchen. Na ja, jedenfalls hatte er gerade zwanzig Dollar eingestrichen. Vergnügt summte er die Anfangstakte einer Stones-Nummer, nicht wissend, dass er soeben Zeuge eines Moments geworden war, der das Leben von zwei Menschen völlig verändern sollte.
Lita saß in einem Fleckchen sommerabendlichen Sonnenlichts und streckte ihre Beine aus. Der köstliche Zimtduft drang in ihre Nase, und sie atmete ihn tief ein. Sie genoss jede Sekunde, während sie in ihrem Magazin blätterte. Da war ein Foto von Jane Asher in einem fantastischen, orangefarbenen Minikleid mit Lederstiefeln, die ihr bis zum Oberschenkel reichten, und da war Twiggy, exotisch und gertenschlank in einem langen Strickrock und einer kleinen, puffärmeligen Bluse, in der sie der Londoner Kälte trotzte. Das »swinging« London war einfach so cool. Sie fragte sich, ob sie wohl jemals dorthin reisen würde. Vielleicht eines Tages, wenn sie genug Geld besäße. Auch nach Paris. In Paris war das Leben aber brutaler; die Stadt erholte sich noch immer von den Studentenunruhen des letzten Sommers. Lita bevorzugte die Art, wie sich englische Mädchen stylten, mit dem dicken, kreideweißen Lidschatten und der extra-dunklen Mascara. Von Dusty Springfield hieß es, sie würde sieben Schichten auftragen. Lita blätterte durch die Seiten und nahm jedes Detail der Röcke, der ledergebundenen Westen und der fast grell-weißen Blusen mit den englischen Stickereien am Kragen in sich auf. Alle Models hatten lilienweiße Haut und waren so schlank wie Twiggy ohne Po und Busen. Lita fühlte sich ein wenig unsicher und zog ihre Jacke enger über den Brüsten zusammen. Sie wusste, sie würde sich nach solchen Kleidern immer nur sehnen können. Selbst wenn sie in ein weit abgelegenes Paralleluniversum reiste, wo sie sich tatsächlich eine solche Garderobe leisten konnte, dann würde sie trotzdem nicht hineinpassen.
Wenn man Drogen nahm, war es ein Leichtes, abzuspecken. Lita war sicher, dass die Hälfte dieser Models niemals richtiges Essen zu sich nahm. Sie verbrieten ihr Einkommen auf kleinen Silberlöffeln wie die heruntergekommenen Dealer, die in Soundview rumhingen. Wie dem auch sei, redete sich Lita zu, sie war jedenfalls nicht dick. Sie hatte Kurven, und es war schließlich nicht ihre Schuld, dass weibliche Körper gerade aus der Mode gekommen waren. Sie war trotz allem eine Frau. Selbst wenn sie sich zu Tode hungerte, würde sie doch niemals den Hintern eines Zehnjährigen bekommen.
Lita lächelte kläglich. Sie müsste schon einen dieser Schönheitschirurgen beauftragen, ihr am Hinterteil zu sägen.
»Entschuldigen Sie, junge Dame?«
Lita blickte auf. Ein etwa dreiunddreißig Jahre alter Mann stand vor ihr. Er trug einen schicken Anzug und eine goldene Uhr. Sie erstarrte. Das hier war ihre freie Zeit, und die war kostbar. Warum glaubten die Kerle eigentlich immer, sie hätten das gottverdammte Recht, jede Frau anzumachen, die zufällig allein rumsaß?
»Frieden und Liebe.«
Klar doch, war das nicht genau der richtige Spruch, um die Frauen dazu zu bringen, ihre Höschen runterzulassen, dachte Lita zynisch. Wie bei Elena – und neun Monate später hatte sie zwei Babys, die man nicht einfach wieder im Laden umtauschen konnte.
»Ich bin etwas beschäftigt, Mister«, entgegnete sie schnippisch.
»Sie sehen aus, als würden Sie hier sitzen und in einer Zeitschrift lesen«, erwiderte er in mildem Ton.
»Ganz genau. Wie ich eben sagte, ich bin beschäftigt.«
Er grinste, weil ihm ihr Temperament gefiel. Mann, die sah vielleicht gut aus. Bill war schwul und konnte deshalb die Sache objektiv beurteilen. Dieses Mädchen war echt heiß. Hier draußen im Tageslicht konnte man das noch besser erkennen. Heterojungs würden aufspringen und nach Luft schnappen, wenn dieser Luxuskörper an ihnen vorbeizog, aber ihn interessierte mehr ihr Gesicht. Ihre Haut war einfach wundervoll, ganz Café au lait. Mit dem langen, glänzenden Haar und dem Schmollmund war sie eine echte Schönheit, deren Wangenknochen darauf hindeuteten, dass sie auch noch mit vierzig umwerfend aussehen würde. Ihre dunkelbraunen Augen mit den schweren Lidern erinnerten ihn an ... wer war es noch gleich, er konnte sie förmlich vor sich sehen ... ja sicher – Sophia Loren. Sie war eine junge Ausgabe der Loren mit etwas dunklerer Haut und einem Akzent aus der Bronx. Ein echt hartes Mädchen. Für den Laufsteg war sie eindeutig zu klein, das war ein klares Nein, aber ihr Gesicht konnte er nicht einfach übersehen. Es war anders, und bei Models Six war Andersartigkeit genau das, was man suchte, wenigstens theoretisch. Momentan nahmen sie zwar nur Mädchen unter Vertrag, die alle irgendwie gleich aussahen, dürr, blond und eine Art Beatnik-Typ aus San Francisco, aber bei dieser hier hatte er ein ganz bestimmtes Gefühl.
»Ich werde Ihre Zeit nicht zu lang in Anspruch nehmen, junge Dame. Ich bin nicht hier, um Sie anzumachen. Das ist nicht mein Ufer, Sie verstehen?«
Er fingerte in seiner Innentasche nach seiner Visitenkarte und zeigte sie ihr. »Im Ernst. Mein Name ist Bill Fisher, und ich arbeite für eine Model-Agentur.« Als er ihren Blick sah, fügte er rasch hinzu: »Eine echte Model-Agentur. Keiner dieser Erotikläden. Manche der Mädchen werden von ihren Müttern zu den Shootings begleitet.«
Weil sie nichts sagte, beugte er sich vor und zeigte auf ihre abgegriffene Ausgabe der Vogue. »Seite 67 – das ist Tabitha, sie ist eines unserer Models. Und auf der nächsten Seite kommt Samantha von uns, sie ist die Rothaarige auf der linken Seite.«
»Und? Was wollen Sie von mir?«
Lita befahl sich, cool zu bleiben, aber ihr Puls dröhnte wie ein Presslufthammer.
»Ich würde gern erst mal zehn Fotos von Ihnen machen. Testfotos.«
»Tests wofür?«, frage Lita.
Er sah sie an, als wäre sie vollkommen verrückt. »Um zu sehen, ob Sie sich als Model eignen, natürlich.«
Lita sagte sich, dass sie lieber nicht mitgehen sollte. Sie hatte sich ihre freie Zeit genommen, und nun war es besser, nach Hause zu gehen und sich vor die Bücher zu setzen. Mama würde bestimmt auch wollen, dass sie ihr mit dem Abendessen half. Und was wäre, wenn sie zu Hause das Geschirr einfach wieder in der Spüle aufstapelten und so stehen ließen? Kakerlaken kämen in die Wohnung. Kakerlaken so groß wie Mäuse ...
Es half jedoch nichts. Zwar tat sie unbeteiligt, aber insgeheim wusste Lita, dass hier gerade eine großartige Sache ablief. Aber das passierte doch nicht einfach so. Natürlich war es ganz und gar undenkbar, dass aus ihr ein Model werden könnte. Hatte sie denn nicht gerade die ganze Vogue durchgeblättert? Fast jedes der Mädchen da drin war weißhäutig, dürr und blondhaarig, nicht zu vergessen groß und gertenschlank. Die Sorte reiches Mädchen, ganz ohne Kakerlaken in der Küche. Aber dieser schwule Typ, und wenn man seinem steten Blick nach Jungs in engen Hosen hier in der Christopher Street Glauben schenkte, war er schwul, dieser Typ dachte, sie habe ein gutes Gesicht. So gut zumindest, dass jemand dafür Geld bezahlen würde, um Fotos machen zu dürfen.
Lita dachte an Melissa Menes, das überhebliche Huhn aus der Schule, deren Vater ein heruntergekommenes Wohnhaus besaß, und wie die wohl reagierte, wenn sie hörte, dass Lita ein Testshooting gemacht hatte. Alle sechs Wochen ließ sich Melissa ihre Haare in Manhattan platinblond bleichen und hatte immer noch Geld für Klamotten übrig. Und sie unterließ es nie, Lita zu verspotten. Lita kochte bei dem Gedanken, dass Melissa Konzerttickets für die Beatles erhascht und in die Schule mitgebracht hatte, wo sie damit vor den Nasen der anderen Mädels herumwedelte, bis die sich unter großen »Ohs« und »Ahs« um sie geschart hatten, nur um die Tickets berühren zu dürfen. Lita hatte sich nicht darum gekümmert, obwohl sie George Harrison leidenschaftlich liebte.
»Interessiert dich wohl gar nicht? Vielleicht hast du ja eigene Tickets«, hatte Melissa gesagt und dann mit diesem kleinen Lachen, das Lita so sehr hasste, hinzugefügt: »Aber ... nein, wohl kaum, was, Rosalita?«
Melissa nannte sie immer bei ihrem vollen Namen, als wollte sie sich darüber lustig machen. Sie glaubte, sie sei Lita von Natur aus überlegen. Aber die vielen Zigaretten und das ständige Bräunen im Sonnenstudio hatten ihre Haut dünn und ein bisschen runzelig gemacht. Und ganz abgesehen davon, lagen unter dieser teuren Make-up-Schicht, die sie so gern trug, beachtliche Aknekrater.
Lita ermahnte sich, die Visitenkarte des Typen gut aufzubewahren. Wenn sie keine hieb- und stichfesten Beweise liefern konnte, würde ihr keiner glauben. Und sie wollte angeben. Sie wollte, dass Hector stolz auf sie war.
»Okay, Kleines. Dreh dich ein bisschen nach links. Lächeln. Gut, Jetzt sieh mich so an, als wäre ich dein schlimmster Feind.«
Lita war zu höflich, um dieser Aufforderung nachzukommen. Also blickte sie mit einem leichten Stirnrunzeln in die Kamera.
Sie hat es nicht, dachte der Fotograf bei sich und schüttelte innerlich den Kopf, und sie ist zu klein. Und was machen wir erst mit diesen ausladenden Kurven?
Er hielt inne. Eine halbe Rolle Film war noch übrig. Er konnte sie nicht wirklich für etwas anderes gebrauchen, weil er nicht wollte, dass seine Filmrollen durcheinander kamen. Lassen wir das Mädchen noch für ein paar Minuten träumen. Er hasste es, wenn die Agenturleute eine Fotosession verkürzten. Das ohnehin nicht viel versprechende Testmodel begann dann unweigerlich, zu heulen und zu betteln, und posierte in den blödesten und peinlichsten Haltungen. Genau wie dieses spanische Mädchen. Die war so steif wie ein Bügelbrett.
»Okay, danke, Miss Morales. Jetzt wird es locker. Jetzt will ich keine Posen mehr sehen, sieh einfach in die Kamera und bewege dich total natürlich.«
»Aber ...«
»Denk nicht nach. Bewege dich einfach, Kleines, genieße es, okay?«
Er ging zurück hinter sein Hasselblad-Objektiv, unterdrückte ein Seufzen und drückte den Auslöser, um den Rest des Films zu verknipsen.
Lita begann sich zu bewegen.
Mit wachsender Begeisterung machte er seine Fotos, und das Studio von Models Six wurde in ein Meer von Licht getaucht.
Zur Hölle, sie war heiß. Wirklich heiß. Jetzt, wo man ihr keine Anweisungen mehr gab, bewegte sie sich wie ein Star. Ihr Körper bog sich förmlich der Kamera entgegen. Ihr Sex-Appeal drang nahezu aus jeder Pore ihrer goldenen Haut, und er war sich nicht einmal sicher, ob sie sich dessen bewusst war. Sie warf ihr glänzendes, dunkles Haar zurück, drehte sich in der Taille, blickte in die Kamera, als wäre er ihr Liebhaber, lockend, fordernd und trotzig. Ihre dunklen Augen blitzten auf, als sie dem Objektiv hochmütig ihre Wangenknochen entgegenstreckte. Sein Mund war plötzlich wie ausgetrocknet, und er fühlte ein Zucken in seiner Hose. O Mann, bitte nicht; es war ein totaler Fauxpas, bei der Arbeit einen Ständer zu bekommen. Selbstverständlich vögelten die Fotografen ständig mit den Mädels, das war quasi die Sonderzulage des Model-Geschäfts. Aber bestimmt nicht beim ersten Shooting und schon gar nicht hier bei Models Six. Auf diese Weise konnte man sich in der Branche echt den Ruf versauen und auf die »schwarze Liste« geraten. Um sich abzulenken, biss er sich in die Innenseite seiner Wange.
»Danke.« Hastig stand der Fotograf auf und winkte mit einer Geste zur Tür. »Geh einfach da raus, Bill wird dort deine persönlichen Kontaktdaten aufnehmen.«
»Okay«, sagte sie nur.
Das hocherotische Wesen war verschwunden. Sie war immer noch bildhübsch, aber jetzt stand wieder dieser stille, strebsame Teenager von vorhin vor ihm. Er wollte ihr gerade sagen, dass die Session großartig gelaufen sei, aber da war es schon zu spät. Sie war bereits hinausgegangen.
Draußen vor dem Fotostudio notierte sich Bill Litas Telefonnummer.
»Es dauert eine Weile, bis wir die Fotos entwickelt haben. Ich werde sie an Jack Hammond weiterleiten, er ist der Chef. Falls wir interessiert sind, werden wir dich anrufen, du musst dich also nicht bei uns melden.«
»Rufen Sie uns nicht an.« Lita zuckte mit den Schultern. »Keine Panik, Mister, ich hab’s verstanden. Dürfte ich eine Ihrer Visitenkarten haben, auf der unser heutiger Termin notiert ist?«
»Wofür?«
»Ich möchte sie meinen Freunden zeigen«, gab sie unbefangen zu.
Bill lachte leise in sich hinein. Er mochte sie. Vielleicht würden die Bilder gut werden. Bei einem von fünfzig Fällen konnte das schon mal vorkommen.
»Selbstverständlich, bitte schön. Und hier sind dreißig Dollar für ein Taxi.«
»Danke«, sagte Lita und steckte das kleine Vermögen ein, ohne mit der Wimper zu zucken. Wenn ihr Geld ohne weitere Verpflichtungen angeboten wurde, lehnte Lita nie ab. So weit ging ihr Anstand dann auch wieder nicht. Sie nahm den Aufzug nach unten, verließ das imposante Marmorgebäude mit seinen Rauchglaswänden und ging zur nächsten U-Bahn-Station um die Ecke.
Sie würde das Geld nicht für ein Taxi verschwenden. Es war nicht Litas Art, Geld zu verschwenden. Mit diesen dreißig Dollar konnte sie etwas Besseres anfangen, als sie einfach aus dem Fenster zu werfen.
Es war halb acht, als sie endlich nach Hause kam. Mama hatte schlechte Laune.
»Ich habe dir einen Teller übrig gelassen, aber das Essen ist jetzt schon kalt geworden. Du musst dein Geschirr dann selbst abwaschen.«
»Mache ich das nicht immer, Mama? Wie war es bei der Arbeit?«
Sie schnaufte verächtlich. »Arbeit ist Arbeit. Du weißt, wie es ist. Dein Vater ist schon wieder zur Nachtschicht los.«
»Es tut mir Leid«, sagte Lita und fühlte sich schuldig.
»Komm einfach nicht wieder zu spät. Chico verspätet sich immer, aber Pappy setzt darauf, dass du pünktlich bist.« Ihr Gesicht hellte sich auf. »Chico hat mir heute etwas Geld gegeben. Er hat kräftig Überstunden auf der Baustelle gemacht.«
»Das ist super«, entgegnete Lita und fragte sich, wen ihr Bruder abgezockt hatte, um zwanzig Mäuse mehr nach Hause bringen zu können. Doch vielleicht war sie zu misstrauisch. Vielleicht hatte er wirklich mehr gearbeitet. Wie auch immer, Geld war Geld.
»Ich werde wohl bald Nachricht von den Colleges bekommen, Mama.«
»Das ist gut, mein Liebling. Aber du weißt, es wird schwer, dafür aufzukommen«, erwiderte ihre Mutter. Sie meinte, es würde für Lita schwer werden, sich das zu leisten. Es war nie die Rede davon gewesen, dass ihre Eltern sie auch nur ansatzweise finanzierten.
»Aber es gibt doch Stipendien.«
»Das reicht nicht, um die Miete zu bezahlen, Lita.«
»Ich kann mir einen Job suchen.«
»Du? Du arbeitest doch nicht«, spöttelte Mama. Sie liebte ihre Tochter, aber manchmal machte sie ihr Anblick rasend. Diese zarten Hände und die gepflegten Fingernägel, die noch nie unter ehrlicher Arbeit gelitten hatten. Für Mrs. Morales war Lernen keine wirkliche Arbeit.
»Ich kann schon ziemlich gut tippen. Solche Leute werden gesucht.«
»Wenn du den ganzen Tag in der Uni bist, kannst du wohl kaum als Sekretärin arbeiten«, feuerte Mrs. Morales zurück und bereute es sofort. Es war schließlich immer noch Litas Geburtstag.
Lita seufzte. Sie hatten diesen Streit fast jedes Mal, wenn Mama nach Hause kam. Sie griff nach dem Teller mit Hühnchen und Reis und holte sich eine Gabel. Sie würde es kalt essen, ihrer Mama einen Gute-Nacht-Kuss geben und dann schnell in ihr winziges Zimmer verschwinden.
»Aber ich könnte nachts was abtippen. Berichte und so was. Solche Arbeiten werden gern an externe Kräfte gegeben.«
Das Telefon klingelte, und ihre Mutter stürzte an den Apparat. »Hola. Si. Ja, wer spricht da? Was wollen Sie von ihr?«
Lita sprang mit pochendem Herzen auf. Ihre Mutter warf ihr einen Blick zu.
»Ja, okay. Ja, ich denke, Sie können mit ihr sprechen.« Bedächtig reichte sie ihrer Tochter den Hörer. »Querida, mein Liebes, da ist ein Gentleman aus der Stadt am Apparat. Für dich.«
»Ooo, Hector, ja Baby«, stöhnte Melissa, während sie rittlings auf ihm saß und sich rhythmisch bewegte. Ihre Eltern waren für eine Stunde außer Haus, und sie hatte sturmfreie Bude. Es was das zweite Mal in dieser Woche, dass Hector Fernandez zu ihr zum »Lernen« gekommen war, und Melissa war siegestrunken. Hector gehörte diese scheiß-coole Karre, und es hatte sie total wütend gemacht, zusehen zu müssen, wie er Rosalita darin herumkutschierte. Missy konnte diese eingebildete Tussi ohnehin nicht ausstehen. Mal abgesehen von ihrem glänzenden Haar und der Figur, war sie nicht einmal beliebt, weil sie eine Riesenstreberin war. Außerdem hatte sie Allüren wie eine Primadonna, obwohl jeder wusste, dass ihr Vater Taxi fuhr und ihre Mutter in der Fabrik schuften musste. Und sie trug Secondhand-Klamotten, die sie von der Heilsarmee hatte, lächerliche, viel zu große Monturen. Sie legte überhaupt keinen Wert auf ihr Äußeres und hielt sich trotzdem für völlig überlegen. Hing ihr Bruder Chico nicht mit den Gangs an der Ecke rum wie all die anderen Jungs im Viertel? Melissa presste ihre kräftigen Oberschenkel an Hectors Flanken und ritt ihn heftiger, damit er ihre hüpfenden Brüste besser betrachten konnte. Hm, die kleine Zicke wusste nicht, was sie verpasste. Wollte sie jungfräulich sterben? Wie auch immer. Es war ihr Problem, wenn sie keinen Kerl bei sich halten konnte.
Hector grunzte. Während er in sie stieß, lag ein Ausdruck angespannter Konzentration auf seinem Gesicht, doch er blickte sie nicht an.
Melissa lächelte und fasste mit ihren langen, manikürten Fingern hinter sich, um Hectors Eier leicht zu kraulen, so wie es den Männern gefiel. Rosalita Morales war das einzige Mädchen der Schule, das nie von Melissa beeindruckt zu sein schien, die ihrem blonden Haar, dem hübschen Make-up und ihrer Kohle nie Beachtung geschenkt hatte. Einmal hatte Melissa geäußert, dass sie sterben würde, wenn sie mit fünfundzwanzig noch nicht verheiratet wäre, und Rosalita hatte gelacht und entgegnet, sie würde sterben, wenn sie mit fünfundzwanzig noch keinen ordentlichen Job hätte. Als ob sie Golda Meir oder sonst wer wäre. Als ob sie besser als Melissa sei.
»Oh, das ist gut«, keuchte Hector, »genau so –« Er starrte auf Melissas wippende Brüste mit ihren dunklen, harten Nippeln und spürte, wie sich eine Welle heftiger Begierde in ihm aufbaute. Melissa Menes war nicht seine Traumfrau, aber, zum Teufel, Hector war achtzehn Jahre alt und hatte keine großen Ansprüche. Der Gedanke, was Lita wohl unter ihren unförmigen Klamotten versteckt hielt, hatte ihn monatelang bei der Stange gehalten, aber langsam fühlte er sich hingehalten. Mann, sie ließ ihn nie ran. Melissa hingegen hatte ihm klare Bereitschaft signalisiert. Wohlgemerkt, sein Freund Jack Metcalf hatte ihm anvertraut, er hätte Melissa auch gevögelt, aber in der Not frisst der Teufel Fliegen ... und sie hatte wirklich riesige Dinger ...
Hector grunzte, griff Melissa an die Hüften und explodierte in ihr. Jaaaaa ...
Jetzt musste er sich von Lita trennen, aber was machte das schon? Lita konnte ihm ohnehin nichts bieten. Melissa hatte seit Wochen rumgenörgelt, sie sollten es endlich tun, und jetzt hatte sich ihr Wunsch erfüllt. Er hatte keinen Bedarf für verklemmte Tussis. Melissa sagte, Lita hätte Allüren wie eine militante Feministin, und Hector stimmte ihr darin zu.
»Lass uns schmusen«, schlug Melissa vor.
Hector verzog das Gesicht. Großer Gott, nein. »Du solltest besser duschen, Süße. Deine Leute werden sicher bald wieder zurückkommen. Und davon abgesehen möchtest du doch, dass ich mich mit Lita treffe, oder?«
»Ja.« Melissas rot umrandete Lippen verzogen sich zu einem siegreichen Lächeln. »Dafür wird es jetzt höchste Zeit.«
Lita lief zu ihrem Treffpunkt in der Castle Avenue – auf der Anliegerstraße, die zur Schnellstraße Cross-Bronx führte, gab es eine kleine Verkehrsinsel mit einer Statue. Jugendliche trafen sich gern hier; das konnte man daran erkennen, dass am Fuß des Sockels leere Dosen, Kippen und Jointreste herumlagen. Hector traf sie immer an dieser Stelle, und auch an diesem Morgen wartete er hier auf sie. Sie kniff die Augen zusammen, um zu sehen, ob er ein Geschenk oder einen Blumenstrauß in der Hand hielt, aber sie konnte nichts dergleichen erkennen. Egal, vielleicht war ihr Geschenk ja klein, ein goldener Anstecker oder so etwas.
Sie war kurz davor, vor Aufregung zu hüpfen. Wow, sie konnte es kaum abwarten, Hector davon zu berichten, dass sie ein Model werden sollte. Wenn er erst hörte, um welche Summen es dabei ging, genug, um von der Schule abzugehen, genug, um die Uni erst mal für ein paar Jahre zu verschieben, vielleicht sogar, um ein Haus zu kaufen –
Aber, halt. Da wartete ja noch jemand mit Hector. Ein Mädchen. Oh, Mann –
»Hector?« Lita überquerte die kleine Straße und starrte verständnislos auf Melissa Menes, die mehr Make-up als sonst aufgelegt hatte und kleine, goldene Ohrstecker trug. »Was soll das? Hast du ein Geburtstagsgeschenk für mich?«
Melissas platzte gackernd heraus: »Du hast heute Geburtstag?«
»Gestern.« Lita starrte sie an. »Was willst du hier, Melissa?«
»Ich bin mit meinem Freund hierher gekommen, um auf dich zu warten.«
Litas Augen weiteten sich. Hector starrte auf seine Schuhe.
»Dein Freund?«
»Ganz genau. Hector will nicht mehr mit dir zusammen sein.« Melissa stieß ihren Ellbogen in Hectors Rippen. »Stimmt’s, Baby?«
»Du hast mich nicht rangelassen«, murrte Hector.
Lita schüttelte den Kopf. »Ich dachte, wir hatten etwas Besonderes, Mann.«
»Tja, wohl kaum.« Melissas Augen leuchteten siegesgewiss unter ihrer blonden Matte auf.
»Du hast verschissen, Hector.« Lita verkniff sich die Tränen, die ihr beinahe über die Wangen gerollt wären. »Ich habe dir gesagt, dass wir es gemeinsam schaffen würden, hier rauszukommen.«
»Das war schon immer dummes Gelaber, Lita.« Hector blickte sie mürrisch an. »Mir geht es gut hier.«
»Mir auch«, meldete sich Melissa zu Wort.
Lita zuckte mit den Schultern. »Aber mir reicht es nicht. Man sieht sich.« Damit machte sie abrupt kehrt und verschwand.
»Eintausend«, sagte die junge Frau.
Richard Jenner, der Aufsichtsratsvorsitzende von Women’s Magazines starrte das Model hilflos an. Dann sah er zu Bill Fisher hinüber, aber der Agent zuckte bloß machtlos mit den Schultern. Üblicherweise verhandelten Models ihre Gagen nicht selbst. Bitte. Sie sollten einfach nur da sein, die Klappe halten und lächeln. Aber jeder kannte Rosalita Morales. Sie war das Haar in der Suppe. Sie war noch nie auf einem Cover erschienen, hatte nie die erste Seite der Cosmopolitan oder der Glamour geschmückt, aber sie hatte Allüren, als sei sie Ali McGraw höchstpersönlich. Irgendwie war sie an die Honorartabelle für die normalen Jobs wie diesen hier gekommen, und sie schlug volle fünfzehn Prozent auf die normale Rate drauf. Seine Agenten hatten ihn gewarnt, dass mit ihr nicht gut verhandeln war, aber er dachte, er könne sie becircen.
Da hatte er sich allerdings getäuscht.
»Das ist ein bisschen viel, nicht wahr, Rosalita?«
Litas wunderschöne Augen verengten sich zu Schlitzen. »Ihre Auflage liegt bei einer halben Million pro Heft. Sie können das verschmerzen.«
Er hätte vor Zorn getobt, wenn eine andere Frau so mit ihm umgegangen wäre. Aber was sollte er tun? Da stand sie vor ihm in diesem hautengen, silbernen Minirock, der sich, sehr kurz und eng anliegend, um ihre gebräunten Beine spannte, mit nichts als einem Netzunterhemd, das über ihren fantastischen Brüsten lag, die nur mit einem winzigen Stück Stoff zusammengehalten wurden. Es fiel ihm sehr schwer, wütend auf sie zu sein. Jenner konzentrierte sich darauf, seine professionelle Gelassenheit nicht zu verlieren. Sie trug außerdem unfassbar hochhackige, cremefarbene Stiefel, die ihr bis zu den Schenkeln reichten, wodurch sie ihr hochmütig aufgerichtetes Gesicht direkt vor seines halten konnte. Hinzu kamen grell pinkfarbenes Rouge über den Augenbrauen, weißer Kajal, um die Pupillen aufzuhellen und eine kräftige Schicht Lipgloss, und schon war sie fertig für das Shooting. Er konnte sich nicht daran erinnern, jemals ein anderes Model für die Hauptstrecke von City Woman gebucht zu haben, das mit so wenig Make-up auskam. Was war nur der Knüller an diesem Mädchen? Diskrete Quellen von Models Six hatten ihm gesteckt, sie wäre unnachgiebig. Models, die es noch nicht bis ganz nach oben geschafft hatten, waren normalerweise recht gefügig. Er konnte den Namen des großen Verlegers Si Newhouse fallen lassen, den berühmten Zeitschriften-Verlag Condé Nast erwähnen, ihr Unterstützung für das begehrte Vogue-Cover versprechen. Sollte das nicht ziehen, reichte in der Regel ein kleines Geschmeide aus, um die winzigen Spitzenhöschen nach unten gleiten zu sehen. Das war der angenehme Nebeneffekt, wenn man im Modegeschäft tätig war. Aus dem Augenwinkel erlaubte sich Jenner einen Blick auf diese verlockenden Brüste, die mit jedem ihrer wütenden Atemzüge bebten. Das war ein Fehler. Er bekam einen Ständer.
Sie wird als Model nie ganz groß rauskommen, dachte er. Nicht mal, wenn sie sich unterordnete. Sie war ein Vollweib. Diese Kurven, klein und üppig. Aber das mittlere Amerika fuhr nicht so sehr auf diesen klimperdürren Look ab wie die Stadtmädels. Voller Verachtung dachte er an seine Leserinnen. Sein Magazin wurde von gestandenen Bauernmädchen aus dem mittleren Westen gelesen.
»Und ich bin immer noch Miss Morales, Mr. Jenner.«
Arrogante, kleine Mexikanerin, dachte er, während sein Schwanz härter wurde. Er würde eine der blonden Praktikantinnen in sein Büro im elften Stock rufen müssen, um einen geblasen zu bekommen. Das wäre zwar nicht das Gleiche wie von dieser hübschen Chiquita, aber er brauchte es.
»Es gibt eine Menge anderer Models.«
»Und es gibt eine Menge anderer Zeitschriften. Ich denke, Bill hat Ihnen mein Honorar mitgeteilt. Wenn das zu hoch ist, wünsche ich Ihnen noch einen schönen Tag und mache mich wieder auf den Weg.«
Ihre mandelförmigen Augen starrten ihn derartig kalt an, dass er spürte, wie seine Erektion nachließ.
»Bezahle sie«, rief er seiner Assistentin zornig zu und rauschte wütend aus dem Studio.
Er schwor sich, die kleine Zicke nie mehr zu buchen. Aber er wusste, dass dies nicht stimmte. Die letzten beiden Male, als sie Lita abgelichtet hatten – erst in hautengen Levi’s und dann in einem rückenfreien Abendkleid –, hatten sich die Verkäufe des Hefts um zehn Prozent gesteigert. Wenn er ihren Café-au-lait-Teint, ihre großen Brüste und den festen Po neben all die heroinabhängigen Stabheuschrecken platzierte, verlieh das seinem Magazin eine gewisse waghalsige Erotik, und seine Leserinnen wollten etwas, womit sie sich identifizieren konnten.
Wenn er Rosalita zeigte, gingen die Verkäufe rauf. Und seine Vorgesetzten waren zufrieden.
Auch für Jenner ging es nur ums Geld.
»Du musst etwas vorsichtiger sein«, sagte Bill Fisher, als sie das Gebäude von City Woman verließen. Lita trug eine enge, schwarze Hose mit einem goldenen Gürtel, Schuhe mit Pfennigabsätzen und einen Pullover aus schwarzer Seide, der den Blick auf ihre Schultern freigab. Das silberne Outfit war sorgfältig in einem schwarzen Lederbeutel verstaut, den sie zu jedem Auftrag mitnahm. Zusätzlich zu ihrem Honorar bestand Lita darauf, die Klamotten nach jedem Shooting behalten zu dürfen. Das war sonst völlig unüblich, aber wenn man Lita buchen wollte, musste ihrem Wunsch entsprochen werden. Selbst wenn sie in Chanel fotografiert wurde.
»Wenn du so viel verlangst, Süße, kann es dir passieren, dass sie dich nicht mehr buchen.«
»Das werden sie nicht tun. Ihre Verkäufe gehen nach oben.« Lita sah ihren Agenten mit einer Zuversicht an, die ihm fehlte. »Abgesehen davon machen sie jedes Mal dieses Theater und fragen mich dann doch wieder an.«
Bill legte sich nicht mit ihr an. Hinzu kam, dass er für Lita bessere Provisionen einstrich als für jedes andere seiner Models der Mittelklasse, und sie übernahm dabei sämtliche Honorarverhandlungen. Nach zwei Wochen hatte er aufgehört, ihr gute Ratschläge geben zu wollen, und hatte angefangen, diese selbst anzunehmen. Die Hauptarbeit für Models Six bestand darin, sie über die Auflagenzahlen und den Marktanteil auf dem Laufenden zu halten. Er hatte noch nie ein Mädchen gekannt, das sich mit derartigen Dingen befasste. Was die meisten Models interessierte, war, welche der Fotografen Heteros waren, damit sie versuchen konnten, sie mit Liebesdiensten zu ködern, um vielleicht eine bessere Fotosession, schmeichelndere Beleuchtung oder den Einstieg bei einem Hochglanzmagazin zu bekommen. Morales hingegen lebte in ihrer eigenen kleinen Welt. Sie arbeitete sogar für Anzeigenblätter. Als Latina war ihr bewusst, dass sie an die großen Werbekampagnen höchstwahrscheinlich nie rankommen würde, aber das schien ihr egal zu sein. Sie nahm jeden Auftrag an, der ihr die volle Höhe ihres Honorars einbrachte, und arbeitete daran, dass es weiter anstieg. Außerdem sammelte sie für nahezu alles Quittungen. Manchmal glaubte er, dass sie sogar ihre U-Bahn-Tickets abheftete. Wenn die Steuern fällig waren, würde sie sich auf Heller und Cent alles zurückgeben lassen.
Bill fand die Sorgfältigkeit, mit der sie vorging, ein wenig unheimlich.
Aber es war auch erheiternd. Er hatte Morales »entdeckt«, aber das war auch schon alles gewesen, dachte er in einem seltenen Anfall von Ehrlichkeit. Lita war wie ein Güterzug auf rasanter Fahrt, und er war nur aufgesprungen.
»Costa Rica Kaffee«, sagte sie.
»Was ist mit denen?«
»Sie haben gerade Carmen Liena gefeuert«, antwortete sie.
»Ich habe es von Marcel LeBroux beim Seventeen-Shooting letzte Woche erfahren. Ich will diese Werbekampagne. Da sollen Fernsehspots geschaltet werden, die ganze Nummer.«
»Das ist ein beträchtlicher Deal, Lita ...«
»Sie ziehen Rachel Diego, Consuela Benes und Tina Mendes in Betracht«, sagte Lita und ignorierte seinen Einwurf. »Die Mädels sind alle Ende zwanzig. Meine Familie stammt aus Puerto Rico, ich habe das Aussehen, und dazu kommt, dass ich achtzehn Jahre alt bin. Die werden jemanden suchen, der jung und unverbraucht ist.«
»Du hast keine TV-Erfahrung.«
»Du arrangierst einen Termin mit denen, Bill, in Ordnung? Ich muss hier raus.«
Er sah auf. Sie waren am Bahnhof Penn Station angekommen.
»Nimm wenigstens ein Taxi.«
»Ruf mich an, wenn du den Vorstellungstermin arrangiert hast, Süßer«, entgegnete sie und küsste ihn auf die Wange.
War sie wirklich erst achtzehn Jahre alt?, fragte er sich, als er ihren schwingenden Hüften nachblickte. Sie hatte den Auftritt einer gut und gern Mittdreißigerin.
Er himmelte sie an. Sie weckte in ihm fast das Verlangen, hetero zu sein. Aber vielleicht lieber doch nicht, denn der Typ, der es einmal mit ihr aufnehmen würde, hätte es mit einem echten Drachen zu tun.
Lita nahm die U-Bahn in Richtung Jamaica, einer Haltestelle im Stadtteil Queens. Das Erste, was sie mit ihrem Geld gemacht hatte, war, aus Soundview wegzuziehen. Sie hatte das ohne großes Aufhebens getan und sich einen Makler genommen, um sich die mühevolle Wohnungssuche zu ersparen. Wenn man in einer etwas schickeren Umgebung leben wollte, musste man weiß sein. Das war die erste Lektion, die sie lernte. Schwarze, selbst wohlhabende Schwarze, waren in gewissen Stadtteilen nicht akzeptiert. Der Makler hatte dann urplötzlich keine Angebote mehr. Die Preise gingen um fünfzig Prozent nach oben, und vorher »nicht zu erwartende Schwierigkeiten« traten auf. Für Menschen mit lateinamerikanischer Abstammung war es nicht leichter. Sie brannte vor Wut, als sie diese Erfahrung machen musste.
»So ist es nun mal, Schätzchen«, sagte einer der Makler zu ihr, kurz bevor sie ihn feuerte.
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