Und morgen klopft die Liebe an - Louise Bagshawe - E-Book

Und morgen klopft die Liebe an E-Book

Louise Bagshawe

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Beschreibung

Schmetterlinge im Bauch: der humorvolle Liebesroman »Und morgen klopft die Liebe an« von Louise Bagshawe als eBook bei dotbooks. Kann ein Makeover Wunder wirken? Kaum hat die pfiffige Lucy Evans ihre Metallica-Shirts und Doc Martens für ein paar Stunden gegen Jumpsuits und Pumps getauscht, voilá – schon ergattert sie einen großartigen Job als Empfangsdame in einem noblen Londoner Maklerbüro. Allerdings hätte sie niemals damit gerechnet, in welches Chaos sie das stürzen wird: Ihr höllisch attraktiver Boss stellt sich als absolutes Ekel heraus. Was Lucy nun dringend braucht, ist der Beistand ihres besten Freundes Oliver. Doch der plant gerade seine Hochzeit mit der arroganten Vicky, die sie noch nie mochte. Es ist der denkbar schlechteste Zeitpunkt für Lucy, um herauszufinden, dass Oliver eigentlich viel mehr für sie ist als nur ein Freund ... aber darf sie ihm überhaupt ihre Liebe gestehen? »Witzig und inspirierend!« Company Jetzt als eBook kaufen und genießen: Der romantische Roman »Und morgen klopft die Liebe an« von Louise Bagshawe – Fans von Susan Elizabeth Phillips und Susan Mallery werden ihn lieben! Wer liest, hat mehr vom Leben: dotbooks – der eBook-Verlag.

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Seitenzahl: 580

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Über dieses Buch:

Kann ein Makeover Wunder wirken? Kaum hat die pfiffige Lucy Evans ihre Metallica-Shirts und Doc Martens für ein paar Stunden gegen Jumpsuits und Pumps getauscht, voilá – schon ergattert sie einen großartigen Job als Empfangsdame in einem noblen Londoner Maklerbüro. Allerdings hätte sie niemals damit gerechnet, in welches Chaos sie das stürzen wird: Ihr höllisch attraktiver Boss stellt sich als absolutes Ekel heraus. Was Lucy nun dringend braucht, ist der Beistand ihres besten Freundes Oliver. Doch der plant gerade seine Hochzeit mit der arroganten Vicky, die sie noch nie mochte. Es ist der denkbar schlechteste Zeitpunkt für Lucy, um herauszufinden, dass Oliver eigentlich viel mehr für sie ist als nur ein Freund ... aber darf sie ihm überhaupt ihre Liebe gestehen?

»Witzig und inspirierend!« Company

Über die Autorin:

Louise Daphne Bagshawe wurde 1971 in England geboren. Sie studierte Altenglisch und Altnordisch in Oxford und arbeitete anschließend bei EMI records und Sony Music in der Presseabteilung und im Marketing. 2010 zog sie als Abgeordnete der Tories ins Parlament ein. Seit ihrem 22. Lebensjahr veröffentlichte sie über 15 Romane und ist international erfolgreich.

Bei dotbooks erscheinen von Louise Bagshawe auch die humorvollen Liebesromane »Beim nächsten Fettnäpfchen wartet die Liebe«, »Liebesglück für Quereinsteiger« und die Romane »Massots – Die Diamantendynastie«, »Glamour – Das Kaufhaus der Träume«, »Diamonds – Als wir nach den Sternen griffen« sowie der Romantic-Suspense-Roman »Special Agent – Gefährliche Anziehung«

Außerdem erscheinen von ihr die romantischen Großstadt-Romane:

»London Dreamers«

»New York Ambitions«

»Manhattan Affairs«

»Hollywood Lovers«

***

eBook-Neuausgabe März 2023

Die englische Originalausgabe erschien erstmals 2005 unter dem Originaltitel »Tuesday's Child« bei Headline Book Publishing, London. Die deutsche Erstausgabe erschien 2007 unter dem Titel »Schmusekatze auf Beutefang« bei Knaur.

Copyright © der englischen Originalausgabe 2005 by Louise Bagshawe

Copyright © der deutschen Erstausgabe 2007 für die deutschsprachige Ausgabe by Knaur Taschenbuch. Ein Unternehmen der Droemerschen Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf. GmbH & Co. KG, München.

Copyright © der Neuausgabe 2023 dotbooks GmbH, München

Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.

Titelbildgestaltung: Kristin Pang, unter Verwendung von Motiven von Sofir / shutterstock.com und Deliza / shutterstock.com

eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (ae)

ISBN 978-3-98690-498-2

***

Liebe Leserin, lieber Leser, wir freuen uns, dass Sie sich für dieses eBook entschieden haben. Bitte beachten Sie, dass Sie damit ausschließlich ein Leserecht erworben haben: Sie dürfen dieses eBook – anders als ein gedrucktes Buch – nicht verleihen, verkaufen, in anderer Form weitergeben oder Dritten zugänglich machen. Die unerlaubte Verbreitung von eBooks ist – wie der illegale Download von Musikdateien und Videos – untersagt und kein Freundschaftsdienst oder Bagatelldelikt, sondern Diebstahl geistigen Eigentums, mit dem Sie sich strafbar machen und der Autorin oder dem Autor finanziellen Schaden zufügen. Bei Fragen können Sie sich jederzeit direkt an uns wenden: [email protected]. Mit herzlichem Gruß: das Team des dotbooks-Verlags

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Louise Bagshawe

Und morgen klopft die Liebe an

Roman

Aus dem Englischen von Antje Nissen

dotbooks.

Dieses Buch ist meinem Bruder James gewidmet.

Kapitel 1

»Tooooooooor!«, schreie ich. »Tooooooor! Juhuuuu!« Ha! Genau in die obere rechte Ecke. Wahnsinn. Wie eine Verrückte laufe ich quer über den Rasen und schlage vor Freude ein Rad.

»Das war ja wohl ein Volltreffer, Ricardo!«, brülle ich.

Paul läuft auf mich zu und umarmt mich. Ja! Die Jungs von Dog and Duck dachten, sie wären besonders schlau, sich einen waschechten Italiener in die Mannschaft zu holen, der schon seit seinem fünften Lebensjahr auf dem Rasen steht. Doch es hat ihnen nichts genutzt. Ich habe das Tor geschossen! O ja!

Meine Jungs vom Team Queen Charlotte fallen fast um vor Lachen.

»Ha, ha, ha«, kreischt Leo. »Dir hat soeben ein Mädchen gezeigt, wo der Hammer hängt. Hahahah!«

»Wohlgemerkt, ein Mädchen«, fügt Paul hinzu, nur für den Fall, dass ihnen dieses Detail bislang entgangen sein sollte. Mark Stebbins wirft Ricardo einen schiefen Blick zu, der inzwischen dunkelrot angelaufen ist. Wahrscheinlich ist dies die peinlichste Situation seines Lebens. Er zeigt mit dem Finger auf mich.

»Va fancoul!«, keift er. »Non e ragazza!«

Dafür brauche ich keine Übersetzung, es heißt: »Sie ist kein Mädchen.« Das bekomme ich oft genug zu hören. Ich zucke mit den Schultern und werfe ihm eine Kusshand zu. Trotzig kickt er im Strafraum ein Stück Rasen weg.

»Was ist denn hier los?«, höre ich plötzlich eine vertraute Stimme.

Freudig wirbele ich herum. Es ist Ollie McCleod, mein Mitbewohner. Außerdem ist er mein bester Freund. Ein entspannter und wirklich witziger Typ, der echt gut aussieht, blond und kräftig wie ein Wikinger.

»Lucy hat gerade ein Tor geschossen«, erklärt Paul. »Hat dem Typen volle Pulle einen reingewürgt.« Und dann fängt er wieder an zu lachen.

Ricardo stößt ein paar italienische Flüche aus und stapft davon. Ich vermute, er sagte so etwas wie: »Ihr könnt mich mal, ich verschwinde ins Pub.«

Ich werfe einen Blick auf meine Uhr. Das gute Stück hat mich auf einem Garagenflohmarkt ganze 2,99 Pfund gekostet, und sie funktioniert immer noch. Ist auch gut so, denn schließlich muss ich jeden Penny zwei Mal umdrehen. Es ist schon fast Mittag.

»Was machst du hier?«, will ich von Ollie wissen.

Er zuckt mit den Schultern und lächelt. »Ich dachte, du würdest dich freuen, abgeholt zu werden.«

Ich blicke zu meinen Jungs hinüber.

»Ich muss nach Hause«, sagt Paul. »Meine Frau wird bald zurück sein.«

Die anderen marschieren bereits über den Rasen in Richtung Pub. Normalerweise begleite ich die Jungs nach dem Spiel auf ein halbes Cider, allerdings nicht, wenn ich stattdessen mit Ollie fahren kann. Wenn ich ehrlich bin, mag ich viel lieber mit ihm abhängen.

»Also gut, bis nächste Woche dann«, verabschiede ich mich und folge Ollie gut gelaunt zu seinem Wagen.

»Ist deine Freundin da?«, frage ich beiläufig.

»Sie arbeitet«, antwortet Ollie.

Großartig. Es ist viel entspannter mit ihm, wenn sie nicht dabei ist.

»Wie wäre es, wenn wir uns ein Curry beim Inder bestellen?«, schlägt Ollie vor. »Wir könnten uns das Spiel zusammen ansehen; sie wird sicher nicht vor sieben zu Hause sein. Ich habe auch noch eine Flasche Wein für uns.«

Meine Laune befindet sich im Höhenflug. Die Rugby-Partie England gegen Südafrika, ein leckeres Curry und ein gutes Glas Rotwein mit Ollie auf der Couch. Und danach könnte ich noch eine Weile Star Wars Galaxien spielen und müsste mich nicht um die Nervensäge Victoria kümmern, wenn sie nach Hause kommt.

»Klingt hervorragend«, antworte ich. Mein Leben ist einfach großartig, ehrlich. Ich bin ein Glückspilz.

Ollie öffnet mir die Beifahrertür. Meine dreckigen Fußballschuhe haben ihn übrigens noch nie gestört. »Das wird ein cooler Abend.« Er grinst mir zu und scheint sich wirklich zu freuen. Das gönne ich ihm von Herzen. Armer Ollie. Schließlich muss er am Montagmorgen wieder seine Brötchen als Anwalt verdienen, und ich brauche bloß meine Kritiken zu schreiben, das heißt, ich teste Computerspiele für die Zeitschrift PC Games Universe. Während er um sieben Uhr aus den Federn kriecht, kann ich bis zehn Uhr liegen bleiben. Und alles, was er für den Stress bekommt, ist Kohle, und das ist in meinen Augen keine wirklich lohnende Entschädigung.

Egal, der Abend wird auf jeden Fall super. Schließlich sind wir die besten Freunde, und wir werden unseren Spaß haben, was im Übrigen die meiste Zeit in meinem Leben der Fall ist.

Ich lehne mich in den bequemen Autositz zurück, was so viel besser ist als der muffige Bus, den ich sonst nehmen muss, und Ollie lenkt den Wagen durch den Verkehr.

»Alles klar?«

Ich nicke. »Alles klar.« Und genau so ist es.

»Verdammter Mist!«, brülle ich.

»Was ist denn los?«, fragt Ollie geduldig.

Angewidert starre ich auf den Bildschirm. »Verdammte Kopfgeldjäger. Die wollen ständig meine Jedis umbringen. Das ist schon mein vierter Tod in dieser Woche, und jetzt habe ich auch noch eine Skillbox verloren! Ausgerechnet Regenerationsstufe 2, da sind locker 200 000 Punkte flöten.«

»Ach, herrje«, antwortet er grinsend.

Die Nervensäge starrt mich angewidert an, als hätte ich Kisuaheli gesprochen.

»Ich habe Wochen gebraucht, bis ich so weit war«, seufze ich.

»Dafür musste ich Nester von wilden Gurks und Riesenspinnen aufschneiden ...«

»Also ehrlich, Lucy«, sagt sie mit eisiger Verachtung. »Das ist ja wirklich faszinierend. Aber denkst du nicht, dass du vielleicht ein kleines bisschen zu alt für solche Spiele bist?«

»Ich bin erst vierundzwanzig, verdammter Mist«, schimpfe ich erneut los.

»Und was du für eine Ausdrucksweise hast.« Sie zieht ihre winzige, kecke Nase kraus.

»Außerdem gehören Computerspiele zu meinem Job«, verteidige ich mich. »Schon vergessen?«

»Sofern man das einen Job nennen kann.« Victoria zuckt mit den Schultern. »Irgendwelche stupiden Spiele für Halbstarke bei einem albernen Blättchen zu besprechen, dessen Leserschaft ohnehin gegen null geht ...«

»Victoria«, mahnt Ollie.

»Tut mir wirklich leid«, schmollt sie. »Aber das ist wohl kaum ein angemessener Job für eine junge Dame.«

Gebannt starre ich sie an und warte nur darauf, dass sie es wagt. Die Worte Andererseits ist Lucy keine junge Dame hängen förmlich zwischen uns.

»Wie läuft es im Büro?«, frage ich und zwinge mich, nett zu ihr zu sein. Ollie ist schließlich nicht nur mein bester Kumpel, sondern auch mein Vermieter, und Victoria ist nun mal seine Freundin. Ich möchte einfach meinen guten Willen demonstrieren, auch wenn es mein größter Wunsch ist, dass sie in einer Wolke Anaïs Anaïs verpufft.

»Ganz wunderbar.« Victoria wirft sich mit geübtem Schulmädchenschwung die lange, kastanienbraune Mähne über die Schulter. Victoria ist ebenfalls in den Medien tätig, aber damit enden unsere Gemeinsamkeiten auch schon. Sie hat einen gut bezahlten Job beim Magazin Stylish, dem führenden Modemagazin Großbritanniens – so lautet zumindest der Slogan, wobei die Redaktion die Existenz von Vogue, Elle und InStyle aufs beste zu ignorieren versucht. Victoria ist achtundzwanzig Jahre alt und eine geschliffene, sehr zielstrebige höhere Tochter türkischer Herkunft. Sie wird ständig befördert und taucht immerzu in einem neuen, wahnwitzig teuren Kostümchen oder mit einer wundervoll hippen Handtasche bei Ollie auf, die sie aus dem Archiv der Redaktion stibitzt hat.

Vicky hält nicht besonders viel von meinen Doc Martens und Metallica-T-Shirts.

»Unser Titelthema für den kommenden Monat wird ein echter Hit«, stellt sie selbstzufrieden fest. »Die Idee stammt von mir.«

»Und worum geht es?«, frage ich sie belustigt. Ich werfe Ollie einen verstohlenen Blick zu und hoffe, dass er meine Bemühungen zur Kenntnis nimmt. Er bittet mich nämlich hin und wieder, ein wenig netter zu Victoria zu sein.

»›Die neue Weiblichkeit‹«, antwortet sie und beschreibt mit ihren spitzen Fingernägeln einen großen Kreis in der Luft. »Wir werden dabei sämtliche Aspekte echter Weiblichkeit untersuchen. Ist sie klassisch? Wie die Birkin-Tasche oder das kamelfarbene Etuikleid. Oder ist sie eher verspielt? Wie bedruckte Kleider oder Riemchensandalen. Oder ist sie modern? Wie Schuhe von Manolo Blahnik, Kostüme von Alexander McQueen oder Accessoires von Kate Spade?«

»Hm«, antworte ich und tue so, als würde mich das Thema interessieren. Ich denke mal »Jeans und ein bequemes T-Shirt« stehen nicht zur Auswahl.

»Und dann werden wir ein paar Kommentare einstreuen. ›Haben die Frauen von heute keinen Begriff von echter Weiblichkeit mehr?‹«, sagt Vicky und wirft mir dabei einen vielsagenden Blick zu.

»Schön«, erwidere ich. »Dann werde ich mich mal wieder auf mein Spiel stürzen. Meine Figur sitzt nämlich gerade in einer Grube von Kristallschlangen fest, und dieser Kopfgeldjäger muss jetzt sterben!«

»Komm, Herzblatt«, höre ich Ollie zu Victoria sagen. »Unser Tisch ist reserviert.«

»Geht ihr in ein nettes Restaurant?«, frage ich aufmunternd. Ich kann es kaum abwarten, bis die beiden verschwunden sind. Solange Victoria hier ist, kann ich mich nicht richtig konzentrieren. Es ist ihr kontaktlinsen-verstärkter Blick in meinem Rücken, der mich total nervt. Ich weiß, dass sie mich anstarrt, selbst wenn ich nicht hinsehe.

»Ach, weißt du, das wäre nichts für dich«, entgegnet Victoria. »Man isst dort mit Messer und Gabel.« Mit vorwurfsvollem Blick starrt sie auf eine leere McDonald’s-Tüte, die neben meinem Computer auf dem Boden liegt.

»Ich räume das schon noch weg«, verteidige ich mich. »Wenn ich hiermit fertig bin.« Grrr. Ich. Kann. Sie. Nicht. Ausstehen. »Einen wunderschönen Abend euch beiden!«, füge ich mit meinem strahlendsten Lächeln hinzu.

»Da kannst du völlig unbesorgt sein.« Victoria schiebt ihren Arm unter Ollies sonnengebräuntem Arm hindurch und wirft ihm einen ihrer kampferprobten Augenaufschläge à la Lady Di zu. »Den werden wir haben. Es wird mit Sicherheit ein ganz besonderer Abend.«

»Bis dann«, ruft Ollie mir zu.

Sie gehen. Bevor ich erleichtert aufatme, lausche ich, ob die Tür auch wirklich ins Schloss fällt. Dann widme ich mich wieder den Star Wars Galaxien und schwinge mein Lichtschwert, mit dem ich als Padawan auf der Dunklen Seite der Macht kämpfe.

Doch irgendwie ist mir auf einmal der Spaß an der Sache vergangen.

Diese verfluchte Victoria Cobham!

»Meine Energie schwindet«, lüge ich meinen Padawan Xa-Tu an. Er ist Australier und spielt noch besessener als ich.

»Ich steige für heute aus. Wir sehen uns morgen.«

»Kein Problem«, schreibt er zurück. »Bist die Beste!«

Die Beste. Tja, im Universum der Star Wars Galaxien schlage ich mich ziemlich gut. Um es mit der Wahrheit zu halten, bin ich nicht nur ein Padawan, also eine Schülerin der Jedis, vor der ein zielsicherer Aufstieg zum Jedi-Ritter liegt, ich bin außerdem steinreich. Mein virtuelles Kapital beläuft sich auf vier Millionen Punkte. Und damit kann ich alles kaufen, was ich mir wünsche ...

Leider ist das im wirklichen Leben ganz und gar nicht der Fall. Ich bin eigentlich immer pleite. Auf der anderen Seite bin ich dafür ziemlich glücklich.

Meistens jedenfalls.

Ich fahre meinen PC herunter und schiebe meinen Stuhl zurück. Hm, ich weiß auch nicht, warum mich plötzlich ein trauriges Gefühl überkommt. So bin ich sonst gar nicht. Mir geht es eigentlich nie mies. Warum auch?

Ich gehe in die Küche, gieße mir eine Tasse löslichen Kaffee auf und gebe Sahne und drei Stückchen Zucker dazu. Victoria wäre entsetzt. Deswegen schmeckt mir mein Kaffee gleich noch viel besser. Sie kann einfach nicht verstehen, wie ich mich die ganze Zeit von Fastfood ernähre und dabei ein Gewicht von vierundfünfzig Kilo halten kann. Dabei habe ich es ihr schon mindestens eine Million Mal erklärt: Ich treibe gern Sport. An fast jedem Sonntag spiele ich Fußball in einer Fünfermannschaft mit ein paar Jungs, ich gehe jeden Tag joggen, sogar jetzt im Winter. Und obwohl der Februar nicht zu den schönsten Monaten des Jahres gehört, macht mir das Laufen gute Laune. Und wenn niemand in der Nähe ist, tanze ich. Ich tanze für mein Leben gern. Es ist das schönste Gefühl auf der Welt.

Natürlich sehe ich in meinen Doc Martens und meinen Cargo-Hosen ziemlich dämlich aus, aber was soll’s. Schließlich sieht mir ja keiner zu.

Hinter dem Stapel mit der coolen Musik – meine Sammlung mit Achtziger-Jahre-Heavy-Metal und Siebziger-Jahre-Rock – ziehe ich meine heimlich gebunkerten Abba- und Madonna-CDs hervor und hopse durch mein Zimmer wie Tigger, der schlaksige Freund von Winnie.

Ollie sagt immer, dass ich viel zu viel Energie habe.

Er ist ein paar Jahre älter als ich. Wir trafen uns, als wir beide gerade durch Europa reisten. Es war eine dieser Billigaktionen, wo man sich zu zweit ein wandschrankgroßes Zimmer teilt, überallhin mit dem Bus fährt und den europäischen Kontinent in zwei Wochen abklappert – ein echter Spaß. Eigentlich versuche ich, die Tour jedes Jahr zu machen, aber normalerweise gelingt es mir nicht, die Kohle rechtzeitig zusammenzubringen. Dafür schaffe ich es regelmäßig jedes zweite Jahr. Ich liebe es, zu reisen. Ollie hatte damals gerade seinen Abschluss an der Londoner Wirtschaftsuni bestanden, ich hingegen hatte das Studium in Durham geschmissen. Ich hatte dort Französisch studiert, doch dann war mir das zu langweilig geworden. Und eine Reise nach Frankreich, Deutschland, Italien, Spanien und Portugal erschien mir eine weitaus bessere Idee zu sein.

»Wirst du das Studienfach wechseln, wenn du zurückkommst?«, fragte mich Ollie am zweiten Abend. Er ist Schotte, hat blondes Wikingerhaar, ein paar Sommersprossen und einen Körper wie der Angreifer eines Rugby-Teams – Prop genannt –, was ich ihm auch gleich gesagt habe. Er antwortete mir, dass er keineswegs Prop sei, sondern auf der Position des Verbinders spiele. Also spielte er tatsächlich Rugby! Volltreffer. Ich liebe Rugby.

»Nö.« Unbekümmert schüttelte ich mein leicht zerzaustes blondes Haar. »Ich werde nicht an die Uni zurückgehen.«

»Aber warum denn nicht? Bist du wahnsinnig?«

»Wahnsinnig nicht. Zumindest theoretisch nicht. Ich will mich nur nicht auf etwas festlegen müssen.« Ich seufzte auf.

»Stell dir vor, du sitzt drei Jahre in einem todlangweiligen Hörsaal und musst einem Prof zuhören. Davon hatte ich schon in der Schule genug.«

»Hat dir die Schule denn nicht Spaß gemacht?«

Ich starrte ihn an. »Gibt es irgendjemanden, der daran Spaß hatte?«

»Und ob. Ich«, antwortete er gelassen. »Aber du kannst keine allzu schlechte Schülerin gewesen sein, wenn du es nach Durham geschafft hast, oder?«

»Also doof bin ich nicht«, antwortete ich schnell.

»Das glaube ich sofort.«

»Na ja, und dann musste ich auch an meine Eltern denken. Sie wollten, dass ich studiere und mein Abitur mache und alles, was dazugehört.«

»Habt ihr ein gutes Verhältnis?«

Ich lächelte. »O ja. Wir verstehen uns sehr gut. Ich habe wirklich die besten Eltern der Welt. Und dazu die nettesten Schwestern.«

»Und dann hast du keine Angst, sie zu enttäuschen, wenn du alles hinwirfst?«

Zielsicher hatte er seinen Finger auf meine einzige Wunde gelegt.

»Ach«, antwortete ich zuversichtlich, »ich werde ihnen einfach nichts davon erzählen. Zumindest nicht so. Weißt du«, fügte ich stolz hinzu, »ich habe nämlich bereits einen Job gefunden.«

»Wirklich?«

»O ja. Einen großartigen Job. Ich werde ihnen einfach erzählen, dass ich abgeworben wurde.« Unbekümmert wedelte ich mit der Hand durch die Luft. »Expandierende Branche, gute Zukunftsaussichten ... du weißt schon. So werden sie sich keine Sorgen machen.«

Er sah mich verblüfft an. »Aber du bist doch erst ...«

»Zwanzig.«

»Und du hast keinen Universitätsabschluss. Also was für eine Branche ist das? Jura? Übersetzerin bei der EU? Die Finanzbranche wird es ja wohl kaum sein, wenn du Französisch studiert hast.«

»Igitt, nein«, antwortete ich und zog eine Grimasse. »Nichts dergleichen. Es ist ein wirklich großartiger Job.«

»Also gut, jetzt will ich es aber wissen.«

»Ich bin Kritikerin«, verkündete ich stolz.

»Filmkritikerin? Literaturkritikerin? Theaterkritikerin?«

»Spielekritikerin. Ich teste Computerspiele.«

Ollie blinzelte mich verblüfft an. »Du machst – was?«

»Computerspiele«, wiederholte ich leicht genervt. »Quake, Doom, du weißt schon.«

Sein Gesicht hellte sich auf. »Etwa wie Donkey Kong?«

»Donkey Kong«, wiederhole ich spöttisch. »Tja, wenn wir noch das Jahr 1983 hätten, ja.«

»Tut mir leid. Mit Computerspielen kenne ich mich nicht so gut aus«, erklärte er bescheiden.

»Macht nichts, jeder so, wie er es mag«, antwortete ich. »Ich jedenfalls liebe Computerspiele und habe ein paar meiner Kritiken an den Verlag geschickt. Sie haben ihnen gefallen, besonders deswegen, weil ich eine Frau bin.«

»Spielen Frauen sonst keine Computerspiele?«

»Längst nicht so viele, wie man annehmen könnte. Ich weiß auch nicht, warum.« Keine meiner älteren Schwestern hat sich je auch nur in die Nähe einer Spielhalle gewagt. »Aber so bleibt mehr Arbeit für mich«, fügte ich fröhlich hinzu.

»Und wie heißt die Zeitschrift?«

»PC Games Universe.«

»Noch nie gehört.«

»Wie solltest du auch.«

»Stimmt auch wieder.«

Um ehrlich zu sein, lese ich das Magazin selbst nicht, es ist ziemlich unbekannt. Aber was soll’s? Jeder fängt schließlich einmal klein an.

»Mein absoluter Traumberuf«, erklärte ich. »Kannst du dir das vorstellen? Andere Leute müssen als Buchhalter oder Immobilienmakler arbeiten. Oder als Anwalt. Und ich werde dafür bezahlt, dass ich herumsitze und PC-Spiele teste! Und obendrein bekomme ich alle Games umsonst.«

»Klingt großartig.«

»Und was machst du beruflich?«, wollte ich etwas schuldbewusst wissen. Ollie hatte mit Sicherheit keinen so coolen Job wie ich in Aussicht.

»Ich werde als Anwalt arbeiten.«

»Oh.« Ich errötete. »Das tut mir wahnsinnig leid.«

»Keine Sorge.« Er zwinkerte mir zu. »Es ist ja so, dass ich wirklich Anwalt werden möchte.«

»Na dann«, antwortete ich wenig überzeugt.

Nach diesem Gespräch kamen wir glänzend miteinander aus. Wie ich schon sagte, ich bin ein großer Fan von allen Rugby-Varianten. Ollie war darüber sehr erstaunt. Zum ersten Mal konnte er sich mit einer Frau über die British Lions unterhalten. Und abgesehen davon, dass er etwas merkwürdig war, weil er keine Computerspiele mochte, und er seine Zeit lieber über dicke Gesetzeswälzer gebeugt verbringen wollte, mochte ich ihn auf Anhieb, denn er war freundlich und offen.

Außerdem war er eine echte Augenweide.

Am Ende unserer Reise bot er mir an, gegen eine geringe Miete bei ihm einzuziehen. Dreihundert Pfund pro Monat lautete sein Angebot für ein wirklich schönes Zimmer im Londoner Stadtteil Swiss Cottage. Dabei hätte ich mich schon glücklich geschätzt, mit Ollie irgendwo in der dunklen Zone 5 des Großraumfahrplans von London zu campieren. Das Wichtigste ist doch, dass man mit einem netten Mitbewohner zusammenlebt. Wie soll man schließlich sein Leben genießen, wenn man mit einem erbärmlichen Idioten zusammenwohnt, der ständig neue Putzpläne aufhängt.

So fügte sich alles zum Besten, denn mein Traumjob hatte leider einen Nachteil: Ich verdiente nicht wirklich viel Geld damit. Mittlerweile arbeite ich schon seit vier Jahren für das Magazin, und mein Name steht sogar im Impressum: »Mitherausgeberin«. Das klingt ganz schön wichtig, oder? Und ich besitze eigene Visitenkarten: Lucy Evans, Mitherausgeberin, PC Games Universe. Die waren ideal, um sie meinem Vater zu zeigen. Er war sehr stolz auf mich.

Wenn nur das Gehalt nicht wäre. Man könnte es »Peanuts« nennen, aber das wäre Erdnüssen gegenüber nicht sehr fair. Ich will es einmal anders formulieren: Nach vier Jahren harter Arbeit bei maximalem Einsatz springen für mich jährlich zwölftausend Pfund raus.

Ich schlürfe meinen süßen Kaffee. Bin ich vielleicht deshalb so deprimiert? Weil ich es mir nicht leisten kann, Restaurants zu besuchen, in denen man mit Messer und Gabel isst?

Mich fröstelt, und ich versuche, einen klaren Kopf zu bekommen. Ich glaube nicht, dass es daran liegt, denn bis jetzt hat mir Geld noch nie Sorgen bereitet. Im Leben gibt es doch weitaus wichtigere Dinge als Geld, oder? Dank Ollie lebe ich in einer wunderschönen Wohnung. Und mindestens ein Mal im Monat gehen wir Pasta essen. Außerdem kann ich mir immer etwas zu essen machen, wenn ich möchte, ich will nur so gut wie nie. Sandwiches sind billig, und ich esse sie wahnsinnig gern. Joggen kostet auch kein Geld, und ich kaufe alle meine CDs auf dem Flohmarkt. Meine PC-Spiele und meinen Computer bekomme ich umsonst, den Computer sogar jedes Jahr neu, damit ich mit Microsoft Schritt halten kann.

Ich führe also ein ziemlich gutes Leben, vielen Dank auch. Außerdem habe ich ein kleines Sparschwein, in dem ich Geld für meine Billigreisen durch Europa horte. Wofür müsste ich sonst noch Geld ausgeben? Essen und Alkohol, okay. Einmal im Jahr kaufe ich mir neue Doc Martens, und ich besitze ein Paar Pumps, das ich nie trage und das in meinem Schuhregal sein trauriges Dasein fristet. Klamotten interessieren mich nicht. Ich habe noch die gleiche Kleidergröße wie auf dem College, und aus dieser Zeit stammt auch der Großteil meiner Sachen. In erster Linie müssen sie bequem sein. Als Spieletesterin muss ich ja nicht in Frack und Schlips im Büro erscheinen, woran ich Victoria immer erinnere, wenn sie einen Blick in mein Zimmer wirft und höhnisch grinst.

Auf einmal fällt es mir wie Schuppen von den Augen.

Victoria. Die Nervensäge. Sie ist der Grund, weshalb ich mich so schlecht fühle. Warum mag Ollie sie nur so sehr? Sie ist einfach grauenvoll. Diese Frau betritt unsere gemütliche Wohnung und vermiest die Stimmung, indem sie sich über den Zustand meines Zimmers beschwert oder darüber, dass ich meine Sammlung von Kerrang!-Magazinen archiviere ...

Vergangenen Monat hat sie angeboten, mir zu »helfen«.

»Komm schon, Lucy«, hat sie mit diesem strahlenden Lächeln gesagt, das ich nicht ausstehen kann. Ich wette, sie war früher das tonangebende Mädchen in ihrer Pfadfindergruppe und hat ständig allen befohlen, lauthals das Pfadfinderlied zu schmettern. »So kann es doch nicht weitergehen mit dir. Nicht wahr, Ollie?«

»Wieso?«, frage ich gekränkt.

»Na, so.« Mit ihrer manikürten Hand weist sie verächtlich auf mein Zimmer. »Das ist doch einfach lächerlich.«

»Mir gefällt es«, ließ ich sie in einem Tonfall wissen, von dem ich hoffte, dass er entschlossen klang.

»Ach, wirklich.« Sie lacht auf ihre abschätzige Art. »Gefallen dir diese Filmposter etwa?«

»Filmposter sind ein klassisches Wohn-Accessoire.«

»Von Filmen wie Stirb langsam oder Predator?«

»Klassiker«, wiederhole ich standhaft.

»Und was, in aller Welt, ist das?« Mit ihren perfekt manikürten Fingernägeln tippt sie auf ein vergilbtes Stück Papier, das mit schwarzem Filzstift beschrieben ist und seinen Ehrenplatz direkt über meinem Bett gefunden hat.

»Das ist eine Set-Liste. Von Oasis. Aus ihren Anfangszeiten. Ich schätze, von ’95 von ihrem Konzert im Astoria«, erkläre ich ihr mit – wie ich finde – gerechtfertigtem Stolz.

»Was ist eine Set-Liste?«

»Das ist nicht dein Ernst.« Jetzt war es an mir, sie mit einem abschätzigen Blick zu bedenken. »Das ist eine Liste mit den Stücken, die die Band an diesem Abend spielen wird. Die Roadies hängen die Liste in der Regel auf der Bühne aus, für den Fall, dass die Musiker die Reihenfolge der Stücke vergessen.«

Victoria zog ihre schmalen Lippen kraus. Sie ist nicht besonders hübsch, wenn ihr mich fragt, aber dafür sehr gepflegt. Neutral formuliert, macht sie das Beste aus dem, was ihr gegeben wurde. Ihr wisst schon, Lippenstift und der passende Lidschatten, kleine rosafarbene Kleidchen und winzige Jäckchen, extrem unbequem aussehende Stöckelschuhe mit Riemen ...

»Und warum hebst du so etwas auf?«

»Diese Liste stammt aus den Anfangstagen von Oasis. Das ist ein Stück Rockgeschichte.«

»Rockgeschichte!« Sie stößt ein zartes Schnauben aus. »Ich bitte dich, Lucy. Wir könnten dein Zimmer so hübsch herrichten. Reiß erst einmal das ganze Zeug ab, und dann besorge ich dir eine wunderschöne Laura-Ashley-Tapete. Eine mit winzig kleinen, weinroten Zweiglein. Du bist doch eine patente Heimwerkerin. Ich bin mir sicher, dass Ollie und du maximal einen Tag bräuchten, um die Wände neu zu tapezieren.« Natürlich bietet sie uns ihre Hilfe nicht an. »Und dann werden wir diese alten Hefte wegwerfen.« Sie nimmt eine bekannte Ausgabe des Rolling Stone-Magazins aus dem Jahre 87 in die Hand, auf dessen Cover Axl Rose zu sehen ist, und hält sie zwischen Zeigefinger und Daumen, als sei sie mit etwas Ansteckendem verseucht.

»Unordnung«, fährt sie fort, »ist schlecht für die Seele. Du brauchst ein paar hübsche, cremefarbene Teppiche und deutlich mehr Platz. Hier fehlt ja sogar ein Spiegel!«

Alles, was diese Frau von sich gibt, geht mir so gegen den Strich, dass ich gar nicht weiß, wo ich anfangen soll.

»Wofür brauche ich einen Spiegel?«

»Um dich ansehen zu können«, antwortet sie so langsam, als sei ich begriffsstutzig.

Ich zucke mit den Schultern. »Ich weiß, wie ich aussehe, vielen Dank.«

Ollie prustet los. Er hat jedes Wort mitgehört, der Verräter!

»Das bezweifle ich«, entgegnet Victoria mit eisiger Stimme.

Ich zupfe an meinen Haaren und hoffe, dass sie nicht schon wieder total struppig aussehen.

»Schatz, ich brauche deine Unterstützung«, haucht sie Ollie mit ihrer Kleinmädchenstimme zu. Dabei klimpert sie wie bescheuert mit ihren Wimpern. »Bitte, du musst Lucy davon überzeugen, dass sie irgendetwas an ihrem ... Zimmer verändert.«

Sie spricht das Wort »Zimmer« wie »Schlammgrube« aus.

»Süße, damit will ich nichts zu tun haben«, antwortet Ollie auf seine gelassene Art. »Es ist Lucys Zimmer, und sie kann darin tun und lassen, was sie möchte.«

Daraufhin fing Vicky an zu schmollen, aber wenigstens hatte ich meinen Frieden. Sie lässt Ollie immer seinen Willen und widerspricht ihm niemals.

Ich frage mich, ob das der Grund ist, weshalb er sie so gern mag.

Kurz überlege ich, was wohl passiert wäre, wenn ich Ollie immer seinen Willen gelassen hätte. Wenn ich ihn nicht wochenlang erbarmungslos damit aufgezogen hätte, dass Schottland im Six-Nations-Cup gegen Italien verloren hat. Obwohl er es mir bitter heimzahlte, als wir gegen Frankreich versagten, der blöde Hund.

Victoria neckt Ollie nie, es sei denn, sie sagt Sätze wie: »Oh, seht euch diesen Bizeps an!« oder »Wie ich in der Zeitung las, hast du schon wieder einen Fall gewonnen, Liebling. Du wirst noch zum Richter aufsteigen.«

Ich hingegen sage Sätze wie: »Wie schaffst du es nur, diesen todlangweiligen Job zu machen?«

Nicht, dass ich eifersüchtig auf Victoria wäre, wisst ihr. Zumindest nicht in romantischer Hinsicht. Als ich damals bei Ollie einzog, hatten wir ein klärendes Gespräch unter vier Augen, in dem ich ankündigte: »Okay, mein Freund, versuch es bitte gar nicht erst, weil ich aus Prinzip nichts davon halte, etwas mit meinen Kumpels anzufangen.« Damit war die Sache kurz und bündig auf den Punkt gebracht.

Das ist eine meiner goldenen Regeln. Es endet immer in der totalen Katastrophe, wenn man etwas mit seinen besten Freunden anfängt. Ich weiß das ganz genau, weil ich immer mit meinen besten Freunden herumgemacht habe und es jedes Mal im totalen Chaos endete.

Aber wenn Ollie wirklich Interesse an mir gehabt hätte, dann hätte er damals etwas gesagt. Bei all meinen anderen Freunden ist das so gelaufen, nachdem ich meine übliche Erklärung abgegeben hatte.

Ich gebe zu, im ersten halben Jahr unseres Zusammenlebens war ich leicht verstimmt. Irgendwie wartete ich auf den verlegenen Kuss nach einer Flasche Wein oder so etwas in der Art.

Aber mit der Zeit wurde mir klar, dass Ollie kein Interesse an mir als Frau hat. Man kann nicht die ganze Zeit durch die Weltgeschichte laufen und einem Typen nachheulen. Und wenigstens hatte ich zum ersten Mal in meinem Leben etwas gesagt, was ich auch annähernd so gemeint habe. Wenn man sich auf eine Beziehung mit einem guten Freund einlässt und das Ganze läuft schief – angenommen, es läuft wirklich schief –, was hat man dann aufs Spiel gesetzt? Eine gute Freundschaft. Und jetzt halten wir mal eines fest: Gute Freunde findet man immer. Aber wenn ich mich auf eine Beziehung mit Ollie eingelassen hätte und die Sache wäre in die Hose gegangen, dann wäre es wirklich schlimm gewesen, weil Ollie einfach mein allerbester Freund ist, und das für alle Zeiten. Und davon abgesehen hätte ich mein Zimmer in Londons heiß begehrter Zone 2 eingebüßt.

Diese Wohnung ist einfach wundervoll. Mein Zimmer hat ein großes Fenster, das zur Straße hinausgeht, mit Sicht auf einen riesigen Kastanienbaum, so dass mein Blick im Frühling oder Sommer, wenn ich aufwache, zuerst auf die großen, grünen Blätter fällt. Wir haben sogar einen kleinen – na gut, einen winzigen – Garten. Es ist einfach herrlich, bei schönem Wetter draußen zu sitzen, eine Portion Erdbeereis zu schlecken oder eine kalte Flasche Woodpecker-Cider zu trinken.

Im Übrigen gehöre ich nicht zu den Menschen, die schlecht gelaunt herumsitzen – wenn wir von heute Abend einmal absehen. Ich weiß, welcher Typ Frau Ollie gefällt, und ich gehöre nicht dazu. Bevor die Nervensäge Victoria bei uns auftauchte, gab es die Nervensäge Rhiannon und die Nervensäge Fay. Irgendwie habe ich das Gefühl, er bestellt sie alle beim gleichen Lieferanten: Sie haben alle halblanges, glänzendes und geschmeidiges Haar, eine schlanke Figur ohne Muskeln, eine Vorliebe für winzige Kostümchen und hohe Absätze, stets manikürte Hände, und sie sind allesamt der Ansicht, dass er einfach fantastisch ist.

Wenn ich so darüber nachdenke, kehrt meine gute Laune zurück. Die Nervensäge Victoria geht schon seit geraumer Zeit bei uns ein und aus, wenn ihr mich fragt, schon zu lange. Ollies Verhalten ist ziemlich vorhersehbar, denn er wechselt seine Freundinnen mit den Jahreszeiten – etwa alle vier Monate. Wir haben jetzt Ende Februar, und das Frühjahr steht vor der Tür. Also wird er wohl bald mit einem neuen nervigen Jemima-Khan-Verschnitt aufkreuzen, die wohl in jedem Fall eine gewisse Verbesserung gegenüber Victoria sein wird.

Ich lächele. Ja, alles wird gut. Ich bin am Ende meiner Geduld mit Victoria. Aber sie wird bald Vergangenheit sein, und mein Leben wird endlich wieder in normalen Bahnen verlaufen.

Und das ist, wie ich glücklicherweise anmerken darf, ziemlich perfekt.

»Lucy.«

»Nein«, lüge ich. »Sie ist nicht da.«

»Lucy.« Sanft, aber ausdauernd rüttelt Ollie an meiner Schulter.

Widerwillig öffne ich ein halbes Augenlid. Er hält mir eine Tasse Tee entgegen, was mich aber nur wenig besänftigt. Ich bin gestern Abend noch total in die Star Wars Galaxien abgetaucht und erst gegen zwei Uhr morgens ins Bett gekommen.

»Habe ich verschlafen?«, frage ich grunzend. Ich sollte heute gegen zehn im Büro sein.

»Nein, alles in Ordnung.« Ollie lächelt mich beruhigend an.

»Es ist gerade erst Viertel nach sieben.«

»Viertel nach sieben?« Das empört mich dermaßen, dass ich mich schlagartig aufsetze. »Viertel nach sieben? Und warum, bitte schön, weckst du mich mitten in der Nacht auf?«

Ollie weiß ganz genau, dass ich vor neun Uhr nicht aufstehe, und zwar keine Minute früher.

»Es tut mir leid.«

»Das will ich hoffen. Eine widerliche Tasse Tee ist kein Trostpflaster«, entgegne ich mürrisch.

»Soll ich sie lieber wegstellen?«, fragt Ollie und droht, sie aus meiner Reichweite zu bringen.

»Wage es nicht.« Trotzig schnappe ich ihm die Tasse weg.

»Es ist doch nur, weil ich heute früher in der Kanzlei sein muss. Ein wichtiger Fall wartet.«

»Du hast mein aufrichtiges Mitgefühl«, antworte ich. »Ich habe dir schon immer gesagt, dass es deine eigene Schuld ist, wenn du unbedingt als Anwalt arbeiten musst.«

»Das hast du in der Tat.«

»Und es ist nicht nötig, dass du mich aufweckst, um dich von mir zu verabschieden.«

»Darum geht es gar nicht.« Ollie schiebt ein paar Ausgaben von Kerrang! zur Seite und hockt sich auf den freien Fleck auf meinem Teppich. »Ich muss dir etwas sagen.«

Ich nippe an meinem Tee. »Gute Neuigkeiten?«

»Ja«, stimmt er bedächtig zu. »Sehr gute sogar. Aber es gibt auch eine Kehrseite.«

Ich lächele ihn furchtlos an. »Also, was ist es.«

Ollie blickt zunächst unbehaglich drein, schafft es dann aber, mir ein breites Lächeln zuzuwerfen.

»Ich werde heiraten!«, sagt er schließlich.

Dafür, dass ich die Teetasse nicht fallen lasse, spreche ich mir innerlich gleich zehn Millionen Punkte für meine Fähigkeiten zu und schlage mich mit sofortiger Wirkung zum Jedi-Meister.

»Das ist ja großartig!«, lüge ich. »... Victoria?«

»Natürlich Victoria«, antwortet er. »Was denkst du denn? Dass ich ein Doppelleben wie James Bond führe?«

»Tust du das?«, frage ich interessiert.

»Nein«, antwortet Ollie.

»Nun, das ist wirklich großartig. Du hast sie also gestern gefragt?« Und mir nichts davon erzählt, lasse ich ungesagt. Wie schön, dass du mir auch gleich den Ring gezeigt hast.

»Um ehrlich zu sein, hat sie mich gefragt.« Ollie lächelt mich bescheiden an.

»Sie hat dich gefragt?« Eine Sekunde lang reißt mich der Schock aus meinem Elend. Das sieht Victoria nicht im Geringsten ähnlich. Sie würde doch sonst nie etwas so Untraditionelles oder Waghalsiges tun.

»Ja«, bestätigt er. »Gestern war der neunundzwanzigste Februar. Wir haben ein Schaltjahr, erinnerst du dich?«

Ach ja. Stimmt. Wie schön.

»Jedenfalls hat sie um meine Hand angehalten. Sie hat sogar vor mir gekniet und alles.«

»Und du hast ja gesagt.«

»Genau«, besiegelt er die traurige Wahrheit.

»Tja, meine Glückwünsche.« Ich stelle die Tasse ab und umarme ihn ungelenk. »Ich freue mich für euch beide.« Während ich das sage, bemühe ich mich um ein mitfühlendes Tony-Blair-Lächeln. »Wird Vicky bei uns einziehen?«

Seine Miene verdunkelt sich.

»Das ist die Kehrseite der Medaille«, antwortet er.

»Oh, dann zieht sie wohl nicht gleich ein? Das ist aber schade«, sage ich fröhlich.

»Nein, nein. Sie wird hier einziehen. Schließlich werden wir beide heiraten, und dann soll das hier unser Zuhause werden.« Fest umfasst er meine Schulter. »Es tut mir wahnsinnig leid, ganz ehrlich. Aber ich muss dich leider bitten, auszuziehen.«

Sobald Ollie gegangen ist, schlüpfe ich in meine Trainingshose, werfe mir ein Sweatshirt über und gehe laufen. Mir fällt nichts ein, was ich sonst tun könnte.

Ich suche mir dafür richtig gemeine und harte Musik aus. Slayer. Das zieht einen mächtig runter. Passt zum grauen Himmel und nicht ganz zufällig auch zu meiner Stimmung.

Ausziehen.

Ausziehen!

Ich renne den Hügel nach oben in Richtung U-Bahn und versuche, durch die rein körperliche Anstrengung einfach alles von mir abprallen zu lassen. Danach wähle ich den nächsten Hügel in Richtung Hampstead. Eine echte Tortur, die ich mir da antue. Aber wenigstens lässt mir das keine Chance, zu viel nachzudenken.

Ganz klar, denke ich dann. An der Sache gibt es einfach nichts zu rütteln, selbst wenn Kerry King mir ein mörderisches Solo nach dem anderen ins Ohr heult, meine Lunge fast platzt und in jedem Muskel meines Körpers Milchsäure brennt.

Warum Victoria? Er sollte sie doch verlassen, nicht heiraten. Ich halte es nicht einmal fünf Minuten mit dieser Frau aus, und Ollie möchte sein ganzes Leben mit ihr verbringen?

Na gut. Meine Freunde gehören mir schließlich nicht. Daran sollte ich besser denken. Leben und leben lassen. Es ist nur so enttäuschend, weil ich immer dachte, dass er anders sei. Aber offenbar ist er das nicht. Ollie möchte mit einer mädchenhaften Frau verheiratet sein, die zum Winken ausschließlich ihre Fingerspitzen benutzt.

Grrr. Dieses alberne Rumgewackel von Victoria ...

Ich halte an und beuge mich nach vorn, um nach Luft zu schnappen. Dabei werfe ich einen Blick auf mein Spiegelbild im Fenster einer Filiale von Costa Coffee. Ach, du lieber Himmel. Ich bin total rot im Gesicht, völlig verschwitzt, und meine Haare kleben mir förmlich am Kopf. Victoria würde niemals so aussehen, oder?

»Komm schon, Vicky«, hatte ich einmal zu ihr gesagt. Das war vor ein paar Monaten, als sie gerade frisch mit Ollie zusammengekommen war und ich dachte, sie würde gern mit mir Freundschaft schließen wollen. »In meinem Kickbox-Kurs ist noch ein Platz frei. Möchtest du nicht auch mal wieder so richtig ins Schwitzen kommen?«

»Ich schwitze nicht«, antwortete sie mit einem gekünstelten Lächeln. »Du kennst doch das alte Sprichwort, Lucy. Pferde schwitzen, Herren transpirieren und Damen glühen lediglich.«

Da ich gerade darüber nachdenke – das könnte der Moment gewesen sein, an dem ich beschlossen hatte, sie zu hassen.

Und jetzt wird sie »lediglich glühen«, wenn sie alle meine geliebten Poster von den Wänden reißt und mein ganzes Zimmer mit einer weinroten Zweiglein-Tapete von Laura Ashley bepflastert.

Auf meiner Uhr ist es jetzt neun. Es wird Zeit, dass ich zurücklaufe und mich dusche. So, wie ich die Sache sehe, sollte ich heute wohl nicht zu spät zur Arbeit kommen.

Ich brauche das Geld.

Kapitel 2

Das Büro von PC Games Universe macht seinem Firmennamen nicht gerade alle Ehre. PC Games drei Büros und ein Unisexklo wäre da schon die passendere Bezeichnung. Ich habe mich nie beschwert, dass ich nur »peanuts« verdiene, weil ich – abgesehen von der Tatsache, dass ich diesen Job liebe – sehe, dass hier keiner wirklich viel verdient. Wir sind ein unabhängiges, kleines Magazin, das sich auf die Fans von PC-Spielen konzentriert und das dank seiner Abonnenten und des Wohlwollens der Buchhandlungskette W. H. Smith, die unsere Ausgaben vertreibt, überlebt.

Theoretisch sind wir also die unabhängigen Helden der Game-Community. Bill Gates und Electronic Arts jagen uns keine Angst ein!

Praktisch haben wir die aus drei Räumen bestehende, sogenannte »Suite« in Oval im Süden Londons gemietet. Unser Büro liegt über einem schmutzigen Pub mit alten und verzweifelten Gästen, und gleich nebenan sitzen noch verzweifeltere Frauen in einem Ausbeuterbetrieb den ganzen Tag über ihre Nähmaschinen gebeugt und reden kein Sterbenswörtchen mit uns. Die Farbe blättert von den Wänden, auf der Toilette gibt es kein Fenster, und Platz ist Mangelware.

Ken, der Besitzer, macht ununterbrochen ein angestrengtes Gesicht und kaut schlimmer als ich auf den Fingernägeln herum. Ich habe zu großes Mitleid, als dass ich ihn um eine Gehaltserhöhung bitten würde. Es ist ja nicht so, dass er täglich im Quaglino’s mit Rupert Murdoch zu Mittag essen würde. Er hängt ständig am Telefon und versucht, neue Anzeigenkunden an Land zu ziehen oder unsere Lieferanten davon zu überzeugen, dass sie uns noch einen kleinen Zahlungsaufschub gewähren. Er tut mir leid. Zwar steht sein Name ganz oben im Impressum, aber er hat nicht annähernd so viel Spaß wie wir. Er hat keine Zeit, coole neue Spiele zu testen oder interessante Ankündigungen von Neuveröffentlichungen zu schreiben, die mit großer Spannung erwartet werden.

Aber heute Morgen muss ich es einfach tun. Ihn um eine Gehaltserhöhung bitten, meine ich. Schließlich bin ich jetzt schon vier Jahre dabei, und meine Kritiken werden von allen am liebsten gelesen. Während ich in der muffigen Sardinenbüchse, zu der sich die U-Bahn-Linie Nord in Stoßzeiten verwandelt, gequetscht stehe, überschlage ich die Zahlen im Kopf. Mit dem, was er mir zahlt, könnte ich nirgends in London leben. Ich könnte mir nicht einmal ein WG-Zimmer leisten.

Der arme Ken. In Gedanken denke ich mir mehrere Varianten aus, wie ich ihn fragen soll. Aber ich werde schon eine Lösung finden, zur Not arbeite ich einfach noch härter. Ich könnte ihm auch anbieten, bei der Anzeigenakquise zu helfen. Oder irgendetwas anderes.

Das klingt doch ganz vernünftig, oder?

An der Station Kennington steige ich aus und lasse mich mit dem Aufzug in den grauen und bewölkten Spätvormittag emportragen. Es ist zwar nass, aber wenigstens ist es mild. Ich habe mir Ollies Schirm ausgeliehen und trage eines meiner schicksten Outfits: meine neueste Jeans und ein langärmliges Bon-Jovi-Shirt von 1986 mit dem Aufdruck »Slippery when wet«, das – halten wir es ruhig fest – ein echter Klassiker ist. Meine Doc Martens habe ich mit einem dieser Sofortglanzschwämme poliert, und ich habe sogar mein bestes schwarzes Haargummi gewählt, um meinen Pferdeschwanz zu bändigen. Es ist aus Samt. Mehr kann man doch nicht erwarten, oder?

Ich weiß, dass ich heute sehr professionell aussehe, auf eine journalistische Art eben.

Da wären wir. Die schmale Gasse, die um Admiral Lord Nelson herumführt, macht heute einen besonders schmutzigen Eindruck. Brust raus und auf den Klingelknopf gedrückt.

»Hallo?«, antwortet er fröhlich.

»Hier ist Lucy.«

Ken antwortet nicht, sondern drückt auf den Türöffner. Dafür klang er heute ungewöhnlich lebhaft, vielleicht wird es doch nicht so schwierig werden.

Ich stürme nach oben, vorbei an dem Ausbeuterbetrieb, in dem es mit der üblichen bemitleidenswerten Geschäftigkeit zugeht, und betrete unser enges Büro.

Ken sitzt auf seinem Stuhl neben der schmutzigen Fensterscheibe mit dem Sprung. Er trägt ein fleckiges Sweatshirt und lächelt mich breit an.

Ich sehe mich um. Sonst ist niemand hier. Großartig!

»Schön, dich zu sehen«, begrüße ich Ken so gut gelaunt wie möglich.

»Wie geht es dir, Lucy?« Er strahlt mich an. »Ist heute nicht ein wundervoller Tag?«

Unsicher blicke ich auf die finsteren Wolken am Himmel und den Nieselregen, der gerade eingesetzt hat.

»Ahm ... ja!«

»Ein wirklich wundervoller, großartiger Tag.«

»Vielleicht ist es ein bisschen nass.« Das kann ich nicht unterdrücken. »Na ja, und auch ziemlich grau.«

»Nass! Grau!« Ken winkt ab, als wären solche Belanglosigkeiten irrelevant. »So ist es nun einmal im März, nicht? So ist es mit den Jahreszeiten. Man muss sie einfach lieben.«

Ich starre ihn an. Was ist nur los? Normalerweise ist Ken so depressiv wie Winnies Freund, der Esel I-Ah, an einem seiner besonders tristen Tage.

»Ach Lucy, wie schön, dass du hier bist.« Er steht auf, kommt auf mich zu, und noch bevor ich weiß, wie mir geschieht, umarmt er mich.

Nun. Das ist vielversprechend. Meine Glücksfee scheint nach einem besonders langen Schlaf endlich aufgewacht und in verschwenderischer Laune zu sein.

Ich packe die Gelegenheit beim Schopf. »Ken, könnten wir vielleicht über die Zukunft sprechen?«

Auf diesen Satz bin ich stolz. Er ist diplomatisch. Ich führe ihn langsam an das Thema heran.

»Die Zukunft!«, ruft er freudig aus. »O ja, natürlich können wir über die Zukunft sprechen. Genau genommen wirst du die Erste sein, die davon erfährt!«

»Wovon erfährt?«

Ken setzt sich wieder und strahlt mich an.

»Ich«, beginnt er langsam, »habe das Magazin verkauft.«

»Was?«

»Ich habe das Magazin verkauft.«

Ich lasse mich auf den nächsten Stuhl fallen. »Du hast PC Games Universe verkauft?«

»Und ob ich das habe. An Associated Magazines.«

»Aber unsere Auflage ist doch nicht der Rede wert.«

»Offenbar hatten wir genug Leser, dass wir ihnen in die Quere kamen«, erklärt Ken schadenfroh. »Zumindest so viele, dass sie uns nicht mehr vor der Nase haben wollten. Sie möchten ihren Titel noch stärker auf dem Markt positionieren.«

»PC Games Galaxy.«

»Ganz genau.«

Wir hassen PC Games Galaxy und alles, wofür der Titel steht. Das Magazin ist das Sprachrohr der Presseabteilungen und hat noch nie ein Spiel eines marktführenden Herstellers schlecht besprochen.

»Aber wir hassen –«

Ken hält abwehrend eine Hand hoch. »Ich weiß, was du jetzt sagen möchtest, Lucy. Aber so kann man nicht denken, wenn man ein Geschäft am Laufen halten muss. Associated –«

»... ist das Establishment.«

»Associated hat mir ein großzügiges Angebot gemacht«, fährt Ken fort, »damit wir einpacken. Wir hätten ohnehin nicht bis in alle Ewigkeit so weitermachen können, Lucy.«

»Aber –«

»Es wird Zeit, dass du erwachsen wirst«, antwortet er ziemlich unwirsch. »Benimm dich vernünftig, deinem Alter entsprechend.«

Mein Blick richtet sich bedeutungsvoll auf sein Sweatshirt, auf dem in großen roten Lettern geschrieben steht: WER HAT EINEN FAHREN LASSEN?

Dann dämmert es mir langsam.

»Was meinst du mit ›einpacken‹? Hast du das Magazin nicht an die verkauft? Werden wir nicht« – ich weiß auch nicht – »mit denen zusammengelegt oder so?«

»Nun«, seine Miene verdunkelt sich leicht, »als solches nicht.«

»Als solches nicht?«

»Tja, wir werden quasi ... wegrationalisiert.«

Ich blicke mich im Büro um. »Aber ...«

»Offenbar haben sie bei PC Games Galaxy genug Leute.«

»Aber unsere Kolumnen ...«

»Sie gefallen ihnen nicht.«

»Und unsere Grafik ...«

Er schüttelt den Kopf. Ein weiterer bösartiger Gedanke schießt mir durch den Kopf.

»Meine Kritiken?«

»Ich habe es wirklich versucht, ehrlich, Kumpel«, erklärt Ken entschuldigend. »Ich habe ihnen sogar Presseausschnitte geschickt. Sieh nur.« Er reicht mir eine dünne, graue Pappmappe, die tatsächlich mit Ausschnitten einiger meiner besten Kritiken gefüllt ist.

Jemand hat sie mit blauem Filzstift durchgestrichen. Meine Kritik von Empire Earth flattert auf den Boden. Über den Text steht in der gleichen blauen Farbe das Wort MIST geschrieben.

»Mach dir nichts draus«, sagt er. »Sie schätzen dich eben nicht so wie ich.«

Verdammt noch mal, es macht mir aber etwas aus!

»Sieh mal, Lucy, du darfst jetzt nicht verzweifeln«, fährt er fort. »Ich habe dir zwei hervorragende Arbeitszeugnisse ausgestellt.«

»Zwei?«, frage ich benommen.

Er reicht mir zwei Briefumschläge.

»In diesem bestätige ich dir, was für eine brillante Kritikerin du bist und dass du deine Texte stets pünktlich abgeliefert hast.«

»Na gut.« Ich greife nach dem ersten Umschlag.

»Und in diesem hier«, sagt Ken und errötet leicht, »in diesem bestätige ich dir, was für eine erstklassige Sekretärin du bist, und lobe deine Schreib- und PC-Kenntnisse und dein freundliches und« – er zögert – »damenhaftes Auftreten.«

»Zum Teufel damit!«, platzt es aus mir heraus. »Ich bin keine Sekretärin, Ken! Und das war ich auch nie!«

»Ja, aber ich dachte, es könnte für dich trotzdem nützlich sein.«

»Wofür?«

»Lucy, ich habe überall herumgefragt«, antwortet er in ernstem Ton. »Bei allen meinen Kontakten, du weißt schon. Und überall hieß es, dass die meisten Spielemagazine jede Menge Autoren an der Hand haben. Sie arbeiten mit Freiberuflern zusammen, denen sie so gut wie nichts zahlen. Und Redakteure werden eher aus- als eingestellt.« Er lächelt mir schwach zu. »Und da dachte ich mir, dass du vielleicht eine größere Chance als Sekretärin hast. Deswegen habe ich dir ein wirklich gutes Zeugnis ausgestellt.« Mit einem Kopfnicken deutet Ken auf den Umschlag, den ich zwischen Daumen und Zeigefinger halte, als sei er giftig. »Ich habe da ein paar echt großartige Sachen über dich geschrieben.«

»Ja. Schönen Dank auch.« Ich starre ihn an. »Damit möchtest du mir wohl sagen, dass ich keinen Job mehr habe.«

»Nein«, korrigiert er mich. »Du hast nur diesen Job nicht mehr. Ich bin mir ganz sicher, dass du etwas Neues finden wirst. Nutze deine Chancen.«

Ich schlage mir mit der Hand an die Stirn.

»Ach, du lieber Gott.« Ich lache erleichtert auf.

»Was?«, fragt Ken.

»Du machst Witze, oder? Das ist dir wirklich gut gelungen. Ich bin dir tatsächlich auf den Leim gegangen, du Mistkerl.«

»Lucy –«

»Und ich dachte gerade noch, sieh dir diesen egoistischen Ignoranten an, da verkauft er einfach seine Seele ans Establishment und setzt mich auf die Straße.« Ich schüttele den Kopf. »Und das ausgerechnet, wenn ich eine Gehaltserhöhung brauche.«

»Aber das ist kein –«

»Kann sein, dass du ein dickes, hässliches Ekel mit dem Charme eines betrunkenen Pavians bist, aber du bist ein verdammt witziger Kerl. Das muss man dir einfach lassen.«

»Das ist kein Witz!«, brüllt er.

Mit bleibt die Luft weg. »Nicht?«

»Nein, ist es nicht.«

»Aber wie kannst du uns das nur antun?« Entsetzt stelle ich fest, dass sich in meinen Augenwinkeln Tränen sammeln, die ich wütend fortblinzele. »Uns einfach so fallenzulassen!«

»Ich bin verheiratet, schon vergessen? Ich habe eine Familie. In den letzten sechs Jahren habe ich mir Arm und Bein für dieses Magazin ausgerissen, und jetzt, denke ich, verdiene ich eine kleine Belohnung«, erklärt Ken mit einem aufreizenden Maß an Vernunft.

»Und was ist mit Tim, Richard und Iain?« Das sind meine Kollegen. »Hast du ihnen auch Arbeitszeugnisse geschrieben, die ihnen bestätigen, was für großartige Sekretäre sie waren?«

Ken ist kein schlechter Mensch, und ich sollte nicht so sauer sein. Aber das bin ich. Ich bin so sauer wie eine Zitrone, die man mit Bittermandel übergossen hat.

»Brauchen sie nicht. Richard ist ein kompetenter Buchhalter. Er hatte ohnehin vor zu kündigen. Iains Vater betreibt eine erfolgreiche Schnapsbrennerei in Glasgow. Und Tim hat einen erstklassigen Abschluss in Mathe an der Uni Bristol gemacht. Für ihn dürfte es auch kein Problem sein, einen Job zu finden.« Mitfühlend blickt Ken mich an. »Mit dem Arbeitszeugnis wollte ich dir nur helfen, Lucy.«

Ich muss schlucken. »Ich weiß. Danke, Ken«, murmele ich und empfinde dabei das absolute Gegenteil.

»Schließlich hast du noch nicht einmal einen Universitätsabschluss oder etwas in der Art.«

»Ja.«

»Und du besitzt auch sonst keine beruflichen Qualifikationen.«

»Hm.«

»Du solltest einen Kurs besuchen und tippen lernen.« Ich schreibe meine Kritiken mit dem Drei-Finger-Suchsystem.

»Du besitzt gute Computerkenntnisse. Eine fleißige Sekretärin verdient nicht schlecht.«

»Aber ich will nicht als Sekretärin arbeiten. Ich will mein Geld mit Spielen verdienen.«

»Lucy, du wirst dir Alternativen überlegen müssen.«

»Ich könnte einer Band beitreten«, schlage ich hoffnungsfroh vor.

Er wirft mir einen strengen Blick zu. »Du bist vierundzwanzig. Für eine Band bist du zu alt. Das ist etwas für Studenten. Und davon abgesehen: Wovon willst du ohne dein Gehalt leben?«

Ich habe nicht die geringste Ahnung.

»Ach, das wird schon«, lüge ich fröhlich. »Freue dich über dein« – »deinen Judaslohn« will ich schon sagen, kann mich aber noch zurückhalten – »Geld«, beende ich den Satz.

»Lucy.« Ken steht auf und schüttelt mir die Hand. »Manchmal versteckt sich das Glück im Unglück. Du wirst schon sehen.«

Nun, denke ich, während ich die enge Treppe zur Straße hinunterlaufe und in den mittlerweile prasselnden Regen trete, eines ist sicher, es hat sich wirklich verdammt gut versteckt.

Weil ich nichts Besseres zu tun habe, gehe ich nach Hause. Dort hocke ich ein paar Stunden lang trübselig herum. Für solche Gelegenheiten besitze ich genau die richtige Hintergrundmusik. Pearl Jam und Creed sind die unangefochtenen Könige des Jammerrocks. Aber dann halte ich es einfach nicht mehr aus, schalte meine Stereoanlage aus und gehe um die Ecke zu unserem Zeitschriftenhändler.

Weil ich davon immer gute Laune bekomme, wollte ich mir eine Packung Walnut Whip kaufen, ein Schokotoffee mit kremiger Vanillefüllung und einer Walnuss obendrauf. Ich kann mich noch genau daran erinnern, wie mir mein Vater früher erlaubte, etwas Süßes auszusuchen, und ich mich zwischen Walnut Whip und einem mit Milchkrem gefüllten Schoko-Ei entscheiden musste. Oje, das war die Qual der Wahl. Ich entschied mich für das Ei, was sich selbstredend als die falsche Entscheidung herausstellte. Und nachdem ich es gegessen hatte, saß ich zu Tode betrübt in meinem Kinderzimmer und träumte von diesem schokoladig-nussigen Knuspern ...

Aber ich schweife ab. Es gibt kein Walnut Whip. Es gibt hier eigentlich überhaupt keine guten Süßigkeiten. Dann muss es wohl ein Schokoriegel tun. Nachdem sich dieser Tag langsam zum schrecklichsten meines Lebens entwickelt, kann mich das auch nicht mehr schockieren.

Doch dann streift mein Blick das Zeitungsregal.

Ah!

Licht am Ende des Tunnels. Es ist doch Montag, oder? Der Media Guardian kommt montags raus. Das weiß ich, weil ich einmal für ungefähr fünf Minuten mit einem Schauspieler liiert war, der den Media Guardian montags immer auf der Suche nach Vorsprechterminen und Ähnlichem durchblätterte.

Ich durchsuche meine Taschen und finde ein paar Münzen. Großartig. Ich werde die Zeitung gleich mit nach Hause nehmen, die Anzeigen lesen und einen neuen Job finden. Schließlich habe ich meinen letzten Job auch ohne große Anstrengung gefunden, oder?

Meine Laune bessert sich ein wenig, vielleicht wird sich alles bald wieder zum Guten wenden.

Drei Stunden später fängt mein Schädel an zu pochen.

Man muss heutzutage nicht besonders viel können, wenn man einen Job finden will, oder? Man braucht lediglich »mindestens drei Jahre Berufserfahrung bei einem Radiosender«. Oder »als zwingende Voraussetzung gilt Redaktionserfahrung bei einem großen Verlagshaus«. Und dafür bekommt man schlappe sechzehntausend Pfund.

Es ist wirklich frustrierend. Und obwohl ich ein sonniges Gemüt besitze, beginne ich allmählich, mir ein paar Sorgen zu machen.

Über das, was Ken zu mir gesagt hat. Ihr wisst schon. Dass meine Kollegen entweder von Haus aus begütert sind oder über hervorragende Qualifikationen verfügen. Während ich von alldem nichts vorweisen kann. Irgendwo habe ich eine Ausgabe des Loot-Anzeigenblatts von letzter Woche, und während ich darüber nachdenke, einen gefälschten Lebenslauf zu schreiben, werfe ich einen Blick auf die Mietpreise.

Das ist doch krank. Man muss schon Millionär sein, um in London halbwegs passabel wohnen zu können, oder mindestens dreißigtausend Pfund verdienen. Mein Gehalt müsste sich verdreifachen, damit ich mir meinen Lebensstandard sichern kann.

Was soll ich jetzt nur machen?

Ich höre den Schlüssel im Türschloss und erstarre. Es ist bestimmt die Nervensäge, die gekommen ist, um mir ihren Verlobungsring unter die Nase zu halten, den sie selbst gekauft hat, und ihren Triumph zu genießen, weil sie mich auf die Straße gesetzt hat. Und ich kann noch nicht einmal fies zu ihr sein! Schließlich wird sie Ollie heiraten.

»Oh, hallo.«

Sie ist es nicht. Es ist Ollie. Als ich seinen blonden Schopf sehe, lächele ich erleichtert.

»Wie geht’s?«, fragt er mit einem schuldbewussten Lächeln.

»Alles in Ordnung«, antworte ich. Meine Stimme klingt merkwürdig schrill wie bei einem Cheerleader. »In bester Ordnung«, wiederhole ich und höre mich an wie ein Kätzchen, das zu ersticken droht.

»Lucy.« Ollie sieht mich besorgt an. Er stellt seine Aktentasche ab und kommt auf mich zu. »Stimmt irgendetwas nicht?« Ob irgendetwas nicht stimmt? Nein, was denn auch? Wenn man davon absieht, dass du Martha Stewart persönlich ehelichen wirst und mich dafür aus meinem Zuhause wirfst.

»Nein, alles in Ordnung.«

»Bist du ganz sicher? Ich frage nur, weil du immer wieder sagst, dass alles in Ordnung ist.«

»Ist es auch, bis auf die Tatsache, dass ich heute gefeuert wurde. Aber damit kann ich leben«, erkläre ich und ruiniere meinen gelassenen Auftritt, indem ich in Tränen ausbreche.

Ollie steht mit einem merkwürdigen Gesichtsausdruck vor mir und zieht dann ein weißes Stofftaschentuch aus seiner Brusttasche. Er hat mich bisher noch nie weinen sehen. Wahrscheinlich hat er nicht die geringste Ahnung, wie er sich jetzt verhalten soll.

»Na, komm schon«, sagt er nach kurzer Zeit. »Lass uns zum Inder gehen.«

»Ich kann nicht, ich habe kein Geld.« Tränen kullern in sein Taschentuch.

»Aber ich. Der Abend geht auf meine Rechnung. Und die Drinks auch.«

»Na ja ...« Ich habe Hunger. Wenn man regelmäßig joggen geht, hat man eben immer Hunger.

»Wir könnten sogar ein Taxi nehmen.«

Damit hat er mich endgültig überredet. Außerdem bin ich jetzt offiziell verarmt. Ich kann es mir schlichtweg nicht leisten, eine Gratismahlzeit abzulehnen. Wer weiß, wann ich jemals wieder etwas zu essen bekomme, denke ich bekümmert.

Als das Naan-Brot serviert wird, hebt sich meine Laune. Ollie hat mich ins Calcutta Sapphire, einem sehr noblen Inder auf der Kings Road, eingeladen. So nobel, dass ich in meinem Bon-Jovi-T-Shirt und meiner Motorrad-Lederjacke sehr misstrauisch beäugt werde und für einen kurzen Moment vermute, dass sie mich nicht reinlassen werden. Doch dann steckt Ollie dem Oberkellner einen Zwanziger zu, und plötzlich sind alle über die Maßen freundlich zu uns.

Mmm. Ich sterbe fast vor Hunger. Hier gibt es alles, was mein Herz begehrt. Zuerst bestelle ich Naan-Brot, Papadam aus Linsenmehl und Bombay Duck, einen würzigen Trockenfisch, der zu Curry gereicht wird. Ich liebe Bombay Duck.

»Soll ich lieber das Garnelen-Curry oder das Lamm in Joghurt nehmen?« Ein Dilemma, das mich sehr an die Grundsatzfrage Schoko-Ei oder Walnut Whip erinnert. Mich verfolgt der Gedanke, die falsche Entscheidung zu treffen.

Ollie grinst. »Wir bestellen einfach beides und teilen dann.«

»Ah.« Erleichtert lächele ich ihn an. »Und vielleicht noch etwas Hühnchen Tikka Masala?«

»Das werden wir selbstverständlich auch probieren.«

»Und Linsensuppe?«

»Kein Problem.«

So kommt es schließlich, dass ich aufgeregt sechs verschiedene Gerichte bestelle.

»Du und dein unersättlicher Appetit.« Er schüttelt den Kopf.

»Was? Denkst du etwa, ich sei ein Nimmersatt?«

»Aber nicht doch. Du wirst nie einen Mann treffen, der nicht auf Frauen mit gesundem Appetit steht.«

»Hat Vicky ab und zu richtigen Hunger?« Ich bin neugierig, denn bislang habe ich sie noch nie etwas essen sehen. Einmal hat sie durchklingen lassen, dass sie gelegentlich Selleriestangen als kleine Zwischenmahlzeit dabeihat.

»Ja«, antwortet er. »Sie isst wie eine typische Frau. Du weißt schon, nicht besonders viel. Sie stochert hauptsächlich mit der Gabel herum.«

Nachdem ich einen großen Bissen von dem Bombay Duck genommen habe, lasse ich meine Gabel sinken.

»Ich mag dich so, wie du bist, Kumpel«, sagt Ollie. Seine blauen Augen funkeln mich förmlich an, und sein Lächeln ist fantastisch, das muss ich zugeben. Irgendwie legt es sein ganzes Gesicht in kleine Fältchen. Ollies Look ist insgesamt leicht knittrig, und das hat mir schon immer sehr gut an ihm gefallen. Victoria wird das wahrscheinlich ändern. Keine zerknitterten Anzüge und kein zu langes Haar mehr.

»Du bist heute schon der zweite Mann, der mich so nennt.«

Ollie zieht eine Augenbraue hoch. »Aber wir sind doch beste Freunde, oder nicht?«

Ich rede Unsinn. »Natürlich sind wir das. Tut mir leid, ich hatte einen wirklich harten Tag.«

»Die Heirat wird mich nicht verändern«, sagt Ollie. »Wir werden weiterhin beste Freunde bleiben, okay?«

Ich wünschte, ich könnte ihm glauben.

»Ich weiß«, schwindele ich.

Das ist doch verrückt. Ich kann nicht glauben, dass ich langsam anfange, auf Victoria eifersüchtig zu sein. Ich wette, dass niemand »Kumpel« zu ihr sagt oder ihr erzählt, dass sie keine Qualifikationen für einen neuen Job besitzt. Außerdem hat sie den Appetit einer »typischen Frau«. Ganz im Gegensatz zu meinem.

Ganz im Gegensatz zu mir in jeglicher Hinsicht. Und dann bekommt sie auch noch meinen besten Freund ab. Von meiner Wohnung ganz zu schweigen. Und eine großartige Karriere. Während ich ...

O nein, mir kommen schon wieder die Tränen.

Ich greife nach dem Erstbesten in meiner Nähe und schneuze meine Nase. Leider muss ich feststellen, dass ich meine Stoffserviette erwischt habe. Ollie starrt mich mit fasziniertem Entsetzen an.

Ich stecke die Serviette in den Ärmel.

»Keine Sorge. Ich nehme sie mit zur Toilette und stopfe sie in den Handtuchkorb«, versichere ich ihm.

»Äh ... okay.« Ollie zuckt kurz zusammen. »Hör zu. Ich denke, dass ich dir helfen kann.«

»Wie?«

Ich nehme mal schwer an, er hat nicht vor, Victoria den Laufpass zu geben und alles beim Alten zu belassen.

»Bei deiner Jobsuche«, antwortet er.

»Ich möchte nicht als Sekretärin arbeiten.«

»Als Sekretärin? Kannst du denn tippen?«

Ich schüttele den Kopf.

»Das dachte ich mir«, erwidert Ollie. »Der Posten ist nicht so wichtig, wie der einer Sekretärin. Aber die Bezahlung wäre passabel und würde reichen, um ein neues WG-Zimmer zu finden.«

Nicht so wichtig wie eine Sekretärin, was? Gerade will ich mein Gesicht verziehen, aber dann werden unsere Hauptgerichte serviert, die derartig himmlisch duften, dass mir alles egal ist.

»Und der Job bietet dir Zukunftsaussichten«, verspricht er weiter.

»Zukunftsaussichten?«

»Du könntest dich in der Branche einarbeiten. Befördert werden. Und eines Tages sogar das Gehalt einer Top-Managerin verdienen. Gute Leute verdienen dort Gehälter im sechsstelligen Bereich. Manche werden sogar Millionäre.«

Ich führe mir gerade eine Gabel mit Hühnchen Tikka zum Mund und halte auf halbem Weg inne.

»Ich bin ganz Ohr«, sage ich gnädig.

»Es geht um Immobilien«, erklärt er.