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Wird er sie mit seinem Leben schützen? Der Schreck sitzt tief: Nachdem ihr Verlobter erschossen wurde, deutet alles darauf hin, dass auch die Oxford-Dozentin Melissa Elmet in tödlicher Gefahr schwebt. Sie ist dankbar für jede Hilfe … doch der höchst attraktive Bodyguard mit dem verwegenen Ausdruck in den Augen, der sie von nun an auf Schritt und Tritt begleiten soll, ist ausgerechnet ihre Jugendliebe Will Hyde! Ehe Melissa weiß, wie ihr geschieht, ist sie gemeinsam mit ihm auf der Flucht vor schwer bewaffneten Kopfgeldjägern. Und obwohl sie weiß, dass es um Leben und Tod geht und jede Ablenkung verheerende Folgen haben kann, verspürt sie immer mehr den Wunsch, in Wills starken Armen zu liegen … Prickelnde Romantik trifft Suspense - ein mitreißender romantischer Spannungsroman für alle Fans von Ana Huang und J. D. Robb.
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Seitenzahl: 544
Über dieses Buch:
Der Schreck sitzt tief: Nachdem ihr Verlobter erschossen wurde, deutet alles darauf hin, dass auch die Oxford-Dozentin Melissa Elmet in tödlicher Gefahr schwebt. Sie ist dankbar für jede Hilfe … doch der höchst attraktive Bodyguard mit dem verwegenen Ausdruck in den Augen, der sie von nun an auf Schritt und Tritt begleiten soll, ist ausgerechnet ihre Jugendliebe Will Hyde! Ehe Melissa weiß, wie ihr geschieht, ist sie gemeinsam mit ihm auf der Flucht vor schwer bewaffneten Kopfgeldjägern. Und obwohl sie weiß, dass es um Leben und Tod geht und jede Ablenkung verheerende Folgen haben kann, verspürt sie immer mehr den Wunsch, in Wills starken Armen zu liegen …
Meisterhaft verwebt Louise Bagshawe in diesem Roman fesselnde Spannung und prickelnde Romantik – ein Lesevergnügen für alle Fans von Karen Rose und Lisa Jackson.
Über die Autorin:
Louise Daphne Bagshawe wurde 1971 in England geboren. Sie studierte Altenglisch und Altnordisch in Oxford und arbeitete anschließend bei EMI records und Sony Music in der Presseabteilung und im Marketing. 2010 zog sie als Abgeordnete der Tories ins Parlament ein. Seit ihrem 22. Lebensjahr veröffentlichte sie über 15 Romane und ist international erfolgreich.
Bei dotbooks erschienen von Louise Bagshawe bereits die humorvollen Liebesromane »Beim nächsten Fettnäpfchen wartet die Liebe«, »Liebesglück für Quereinsteiger«, »Und morgen klopft die Liebe an« sowie die Romane »Massots – Die Diamantendynastie«, »Glamour – Das Kaufhaus der Träume« und »Diamonds – Als wir nach den Sternen griffen«.
Außerdem veröffentlichte sie bei dotbooks ihre romantischen Großstadt-Romane:
»London Dreamers«
»New York Ambitions«
»Manhattan Affairs«
»Hollywood Lovers«
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eBook-Neuausgabe November 2022
Die englische Originalausgabe erschien erstmals 2009 unter dem Originaltitel »Passion« bei Headline Review, London. Die deutsche Erstausgabe erschien 2011 unter dem Titel »Passion – Eine explosive Liebe« bei Knaur.
Copyright © der englischen Originalausgabe 2009 by Louise Bagshawe
Copyright © der deutschen Erstausgabe 2011 bei Knaur Taschenbuch. Ein Unternehmen der Droemerschen Verlagsanstalt Th. Knaur Nachf. GmbH & Co. KG, München.
Copyright © der Neuausgabe 2022 dotbooks GmbH, München
Alle Rechte vorbehalten. Das Werk darf – auch teilweise – nur mit Genehmigung des Verlages wiedergegeben werden.
Titelbildgestaltung: Wildes Blut – Atelier für Gestaltung Stephanie Weischer unter Verwendung mehrerer Bildmotive von © shutterstock
eBook-Herstellung: Open Publishing GmbH (mm)
ISBN 978-3-98690-409-8
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Louise Bagshawe
My Special Agent – Gefährliche Anziehung
Roman
Aus dem Englischen von Kerstin Winter
dotbooks.
Für Harrie Evans, einer großartigen Lektorin und großartigen Freundin.
Dimitri schob das Foto über den Tisch.
Sie befanden sich im vierten Stock eines unscheinbaren Bürogebäudes. Draußen auf der Königstraße setzte der morgendliche Berufsverkehr ein. Er war bereits seit vier Stunden bei der Arbeit.
Die Jagd hatte begonnen.
»Der Erste.«
Die Frau nahm das Foto und betrachtete es einen Augenblick lang wortlos. Die Person auf dem Bild lächelte strahlend, ein attraktiver Mann im teuren Smoking. Die spindeldürre Brünette an seiner Seite trug roten Satin. Verschiedene Dinnergäste sahen zu ihnen hinüber. Er war das Zentrum der Aufmerksamkeit, und das gefiel ihm.
Er besaß viel, viel Geld. Und viel, viel Macht.
Und bald würde er tot sein.
»Kein Problem.«
»Weiter.« Er schob das zweite Foto über den Tisch. »Wahrscheinlich haben Sie noch nie von ihr gehört. Sie ist keine besonders wichtige Persönlichkeit.«
»Haben Sie den Namen und einen Ort?«
»Natürlich.«
Dann war auch dieses Zielobjekt bald tot. Die Spezialistin zuckte die Achseln. Das Offensichtliche brauchte nicht erwähnt zu werden. Dimitri blickte auf.
Ihr Name war Lola Montoya, und – Gott, sie war ein eiskaltes Biest. Es war erst das dritte Mal, dass er eine Frau engagierte. Mit den ersten beiden hatte es kein gutes Ende genommen, und die meisten Drahtzieher auf dieser Welt standen weiblichen Killern kritisch gegenüber. Aber diese Frau war etwas Besonderes. Dimitri hatte sich fast einen Monat lang vorsichtig herantasten müssen, bevor er Kontakt mit ihr aufnehmen konnte. Ihr Honorar war exorbitant, aber sie war eine der besten Auftragskiller dieser Erde. Der beste weibliche Killer allemal. Sein Blick glitt über ihren beeindruckenden Körper. Große Brüste, fester, runder Hintern, schmale Hüften. Ihr Gesicht war schön, doch die eisblauen, kalten Augen verdarben das Gesamtbild.
Sie war effizient. Und gnadenlos.
Er widmete sich wieder den Fotos.
»Die dritte Zielperson ist Politikerin. Amerikanerin. Der Personenschutz wird besser sein.«
Das schien sie etwas mehr zu interessieren. Dimitri tippte auf dieses letzte Foto. »Eine US-Senatorin mit Verbindungen zu unserer Branche. Laut Gerüchten gehört ein Mossad-Kontingent zu ihrer Sicherheitsmannschaft.«
Ein Hauch eines Lächelns. »Der Mossad wird überbewertet.«
»Denken Sie?«
»Ich habe einige von denen ausgeschaltet. Und mehrere von ihren Schützlingen.«
Er schüttelte den Kopf. »Sie halten alle Firmen für überbewertet.«
»Diese Zielobjekte stellen jedenfalls kein Problem dar.« Die Frau begann sich augenscheinlich zu langweilen. »Sie werden genauso leicht beseitigt wie der Professor. Ich schätze, eine Woche, höchstens zehn Tage. Überweisen Sie das Geld auf meine Konten. Ich kann in einer Stunde den Flieger nehmen.«
Dimitri nickte. Es hätte keinen Sinn gehabt, darauf zu bestehen, dass die Zahlung erst nach Auftragserfüllung geleistet wurde. Bei den Weltbesten reichte der Ruf selbstverständlich aus. Und wenn er dieses Problem für die Gruppe internationaler Klienten gelöst hatte, würde er ohnehin zu mächtig sein, um sich mit ihm anzulegen. Das Geld bedeutete nichts.
»Ich veranlasse es sofort.«
»Dann können Sie auf meinen Anruf warten. Sind wir fertig?«
Beinahe hätte er erneut genickt, doch dann fiel ihm etwas ein, und er zog ein weiteres Foto aus der Schublade. Er betrachtete es. Ein junges Mädchen, langes braunes Haar, helle Haut, sehr hübsch. Es war achtzehn und spielte Hockey in einer Schuluniform: marineblauer Rock, dunkle Strümpfe, grobe Stiefel, ein hellblaues T-Shirt, das ihrem Teint schmeichelte. Kein Make-up. Es sprühte vor Leben.
Plötzlich kam ihm dieses Bild seltsam erotisch vor.
»Weiß sie von alldem?«, fragte Lola.
»Nein«, erwiderte Dimitri im Brustton der Überzeugung. Dann hob er die Schultern. »Töten Sie sie trotzdem. Vorsichtshalber. Sie ist inzwischen natürlich älter. Lehrt in Oxford.«
»Gut. Und wer ist sie?«
»Die Tochter«, sagte er.
Die Vergangenheit
Sie war seine große Leidenschaft. Er wusste es, seit er sie zum ersten Mal gesehen hatte.
»Will.« Jock Campbell zog ihn am Ellbogen. »Pass doch auf, verdammt noch mal! Los, in die Gasse!«
»Klar.« Er nickte widerwillig und riss seinen Blick von der schmalen Gestalt am Spielfeldrand los, aber es fiel ihm schwer.
Sie stand dort und sah mit konzentriert gerunzelter Stirn dem Rugbyspiel zu, und es war eindeutig, dass sie keinen Schimmer von den Regeln hatte. Sie trug eine enge Jeans und ein Sweatshirt, das aussah, als hätte sie es von ihrem oder irgendeinem Freund geliehen. Wer immer es war, Will konnte ihn nicht ausstehen.
Das Mädchen hatte langes, braunes, glänzendes Haar, das bei jeder Bewegung um ihr Gesicht tanzte. Volle Lippen, strahlende Haut. Ihre Wangen waren von der Kälte rosig. Sie lächelte jemandem zu. Und zwar Mark Crosby von Hertford, der gerade in Ballbesitz war. Er holte aus und warf ihn seinem Team zu.
Will stieß sich ab, schwang sich in die Luft und fing mit Leichtigkeit den Ball. Um ihn herum wurde anerkennend gemurmelt. Ja, der Sprung war verdammt gut gewesen. Nun sollte er den Ball an einen der Backs weitergeben. Stattdessen schob er ihn sich unter den Arm und rannte auf die Linie zu. An der Touchline hörte er Rufe und Schreie. Er stellte sich vor, dass das Mädchen ihm zusah. Hertfords Crème de la Crème warf sich auf ihn. Er scheuchte sie fort wie Fliegen. Crosby war plötzlich herangekommen und versuchte, seine Beine zu packen. Will konnte aus dem Geräusch der Schritte im matschigen Gras genau bestimmen, wer hinter ihm war. Er drehte sein Bein und stieß es nach hinten. In dieser Menge durchtrainierter Schüler ragte Will Hyde noch heraus. Er war der Stärkste. Der Entschlossenste.
Seine Lungen schrien nach Luft. Er rannte weiter. Es war verdammt knapp. Die Linie tauchte in seinem Blickfeld auf, doch nun rückten ihm gleich vier von diesen Mistkerlen auf den Pelz, packten ihn und versuchten, ihn mit Gewalt zurückzuhalten. Will stemmte sich dagegen, ächzte vor Anstrengung. Seine Oberschenkelmuskeln traten wie eiserne Bänder hervor. Niemand würde ihn zurückhalten. Er gewann Meter um Meter, packte den Ball mit festem Griff und platzierte ihn fünf Zentimeter hinter der weißen Kreidelinie. Oriel tobte, jubelte, der Schiedsrichter pfiff. Widerstrebend ließen die Hertford-Jungs los. Mark Crosby spuckte verächtlich ins Gras. Du kannst mich mal, dachte Will. Reicher Bastard.
Crosby war Erbe eines Brauereibesitzers in Oxfordshire. Seine Eltern lebten in einem ehemaligen Pastorat aus der Zeit Queen Annes. Er selbst fuhr mit einem MG durch die Stadt und galt als hervorragende Partie.
Was man von Will nicht behaupten konnte. Er hatte nicht einmal Eltern. Er war in einem Waisenhaus der Barnado-Stiftung aufgewachsen, und obwohl die Leute dort immer großartig gewesen waren, wechselten die Betreuer häufig. Will hatte früh gelernt, für sich selbst zu kämpfen. Er hatte sich auf den Sport konzentriert, war zuerst intensiv gelaufen, hatte bald darauf Krafttraining hinzugenommen. Und er paukte; Mathematik war seine Spezialität, denn dabei ging es nur um Disziplin – kein Hauch von Gefühl war erforderlich. Will versuchte stets, seine Gefühle zurückzuhalten. Sie nützten niemandem.
Seine Kindheit war eine Mischung aus Sehnsucht und Hoffnung gewesen. Er hatte sich gewünscht, adoptiert zu werden, gleichzeitig aber heimlich davon geträumt, dass seine echte Mutter ihn holen würde. Aber die Leute, die zum Waisenhaus kamen, suchten meistens ein Baby. Und je älter er wurde, umso weniger Hoffnung hegte er.
Dennoch ließ er sich nicht beirren. Er war ein Überlebenskünstler wie die meisten Kinder im Waisenhaus. Niemand misshandelte sie, die Betreuer waren gut und freundlich zu ihnen. Er hatte Freunde, aber sie kamen und gingen, wurden in Pflegefamilien aufgenommen oder auch nicht. Will war ein Junge, groß und kräftig, und er sah älter aus, als er war; niemand wollte ihn aufnehmen. Bald war er froh über die Konstante, die Waisenhaus und Schule darstellten. Er war ein guter Schüler, und die Lehrer förderten ihn: Er würde vermutlich zur Universität gehen können, vielleicht sogar nach Oxford oder Cambridge. Aus ihm konnte etwas werden. Andere Kinder aus dem Barnado-Projekt hatten es auch geschafft.
Will kannte die gutgemeinten Sprüche und die aufmunternden Worte zur Genüge. Nicht, dass er sie nicht zu schätzen wusste. Aber ihm war durchaus klar, dass es zwischen Güte und Liebe einen Unterschied gab. Vielleicht konnte aus ihm wirklich etwas Großes werden, er war sich nicht sicher. Aber was er sich wirklich wünschte, war Liebe.
Mathematik war eine Flucht aus der Einsamkeit. In Englisch, Fremdsprachen und Geschichte musste man sich mit Menschen auseinandersetzen, aber Will zog die Wissenschaft vor. Und ganz besonders liebte er die unpersönliche Poesie und die reine Logik der Mathematik.
Er war klug und stark. Er trieb viel Sport, verbrachte Zeit mit seinen Freunden aus der Schule und dem Waisenhaus, lernte. Als er sechzehn Jahre alt wurde, lösten sich viele Freundschaften auf, weil er den anderen weit voraus war. Er machte dennoch weiter. Er wollte und musste hinaus in die Welt. Er fuhr nach Oxford, um sich zu bewerben, bestand mit Leichtigkeit und bekam das erwünschte Stipendium. Das Gefühl zu entkommen war enorm. Sein Leben konnte endlich beginnen.
Ja, es gab eine gesellschaftliche Kluft zwischen ihm und Mark Crosby – na und? Hier an der Uni waren sie alle gleich. Crosby mochte Geld haben, aber Will Hyde war stärker.
Er kehrte zu seiner Position zurück. Der Ball flog zwischen den Pfosten hindurch, und während Oriels Fans jubelten, blickte Will wieder zur Touchline hinüber.
Sie war noch da. Zuckte betont die Achseln, während Mark fluchte. Will konnte den Blick kaum abwenden. Sie war erstaunlich. Schön und lebendig, und in ihrem unförmigen Pullover so zart und weiblich.
Als der Schiedsrichter das Spiel endgültig abpfiff, rempelte Mark ihn an.
»Finger weg«, sagte er und folgte Wills Blick. »Die Kleine gehört mir.«
»Ach ja? Und wieso habe ich dich letzte Woche in der Union Bar mit Lisa Smith gesehen?« Mark hatte das Mädchen fast unter den Tisch gezerrt; es war hoch hergegangen.
Crosby grinste. »Was sie nicht weiß, macht sie nicht heiß. Sie ist ja nicht einmal in Oxford. Sie geht aufs St. Mary’s.«
Jetzt war Will überrascht. Wieder sah er hin. Ein Schulmädchen?
»Keine Sorge. Sie ist siebzehn. Alles ist also ganz legal.«
»Schläfst du mit ihr?«
Wieder war er überrascht. Überrascht, wie sehr ihn der Gedanke störte.
Crosby grinste höhnisch. »Was denkst du denn?«
Will entspannte sich. Crosby log, er konnte es spüren.
»Lass sie in Ruhe, Mark. Ich werde sie fragen, ob sie sich mit mir verabredet.«
»Ich sagte, dass ich mit ihr zusammen bin«, gab Crosby zurück.
Will wandte sich ihm zu. Mark Crosby war ein Stürmer wie er, aber Will hatte satte zwanzig Pfund Muskeln mehr auf den Knochen. Und jeder kannte seine Vorgeschichte. Niemand legte sich freiwillig an mit jemandem wie ihm.
»Nicht mehr«, sagte Will.
Ohne auf eine Antwort zu warten, ging er über den Platz zu dem Mädchen, das noch immer dort stand und offensichtlich auf Mark wartete. Aber Mark hatte sich einem seiner Teamkameraden zugewandt. Feigling, dachte Will. Das Mädchen hatte die Konfrontation zwischen ihm und Mark gesehen. Und in ihren Augen glomm ein erster Funken Interesse.
»Hey«, sagte er, »ich bin Will Hyde.«
»Netter Versuch«, sagte sie und ließ offen, ob sie sich auf das Spiel oder die Rivalität der Jungen bezog. In ihrem Blick lauerte ein Lachen. Sie gefiel ihm. »Melissa Elmet«, fuhr sie fort. »Ich bin mit Mark Crosby hier. Wie mir scheint, bist du im Moment nicht gerade sein bester Freund.«
Will grinste. »Stimmt. Aber du darfst das nicht missverstehen.«
»Ach nein?« Sie grinste nun ebenfalls. Angenehme Wärme durchströmte ihn. Sie schienen sich auf Anhieb zu verstehen. Er wagte einen Vorstoß.
»Mark ist kein schlechter Kerl, aber lass ihn laufen. Hier auf der Uni gräbt er jede an, die ihm nicht auf die Finger haut. Letzte Woche noch habe ich gesehen, wie er in einer Bar mit einer anderen rumgeknutscht hat. Und sie war nicht halb so spannend wie du.«
Sie brauchte einen Moment, um das zu verdauen. Aber sie wirkte nur verärgert, nicht tief getroffen.
»Ernsthaft?«
»Ja.« Er nickte. »Sag mal, hast du Lust, mit mir etwas essen zu gehen?«
»Ich weiß nicht so recht. Du hast doch wahrscheinlich auch ein paar Freundinnen in der Hinterhand.«
»Nein.« Und das war die Wahrheit. Wie die meisten Rugbyspieler hatte er ein paar Erfahrungen gesammelt, aber auf eine Beziehung hatte er sich bisher nicht einlassen wollen.
»Dann nehme ich dein Angebot an.« Er sah, wie sie verstohlen seine mit Schlamm verdreckte Hose musterte und errötete. Wie charmant! Welches Mädchen errötete heutzutage noch?
»Toll. Ich zieh mich nur schnell um, okay? Wo soll ich dich abholen?«
»Mir wäre es am liebsten, wenn wir uns gleich im Restaurant treffen. Dann muss ich meinen Eltern nichts erklären.«
»Wie du willst.«
»Also – wo?«
Jetzt war es Will, der fast errötet wäre, aber es hatte keinen Sinn, ihr etwas vorzumachen. Sie hatte sich vorher mit Mark verabredet, und Mark besaß Geld.
»Es darf nichts Teures sein. Ich lebe vom Stipendium. Ich arbeite zwar noch in einer Kneipe, aber dafür kriege ich nicht besonders viel.«
Sie zuckte mit keiner Wimper. »Wie wäre es mit dem Blue Boar? Direkt neben deinem und meinem College.«
»Großartig.« Er zögerte. »Dein College?«
»Na ja, Dads. Mein Vater ist Richard Elmet ...«
»Oh. Ich kenne ihn.« Und mit einem Mal verspürte Will eine dumpfe Vorahnung. Er hatte ein paar Vorlesungen bei Professor Elmet gehört. Wie konnte dieses umwerfende Mädchen seine Tochter sein? Sie wirkte so fröhlich und gut gelaunt. Elmet dagegen, wenngleich ein brillanter Physiker, war ein verkniffener, unnachgiebiger Zyniker, der von seinen Studenten stets Perfektion verlangte. Will konnte ihn nicht ausstehen. Der Mann war besessen vom Klimawandel. Seiner Meinung nach war die Theorie, dass die Erderwärmung von Menschenhand gemacht war, reiner Unfug, und immer wieder sprach er davon, dass er sie widerlegen würde. Elmet war halb Genie, halb Irrer. »Bist du adoptiert worden?«
Sie boxte ihn spielerisch. »So schlimm ist mein Vater ja auch wieder nicht.«
Er wollte nicht mit ihr streiten. »Um halb zwei?«
»Okay.« Wieder ein strahlendes Lächeln. »Will.«
Im Umkleideraum scharten sich seine Kameraden um ihn, lachten und stichelten.
»Die Tochter des Professors«, sagte Jock spöttisch. »Pass bloß auf, Hyde.«
»Ach, halt die Klappe.« Will band sich die Schuhe zu und lächelte in sich hinein. Sie war ein tolles Mädchen, sie war wie ein Sonnenstrahl, der sich seinen Weg durch dunkle Wolken bahnte. Er musste es unbedingt langsam angehen lassen.
»Ich glaube, da ist einer verliebt«, sagte Peter Little, der Hakler.
Will entgegnete nichts darauf. Denn insgeheim musste er Peter recht geben.
Melissa wartete schon auf ihn, als er um halb zwei Uhr eintraf. Sie bestellte Fish and Chips und ein Glas Cidre, beides preiswert. Im nächsten Jahr würde sie ihre Prüfungen in Englisch, Französisch und Geschichte machen. Wenn alles klappte, würde sie Geschichte studieren. Danach? Wer weiß? Sie wollte etwas erleben, von der Welt sehen, erzählte sie.
Will dagegen wünschte sich nichts sehnlicher, als zur Ruhe zu kommen. Einen guten Job zu machen, irgendwo ein Haus zu kaufen. Sich ein Zuhause einzurichten. Aber er wollte nicht über sich reden. Sie war viel interessanter. Sie jedoch hakte nach, wenn auch behutsam, und schließlich erzählte er von seiner Herkunft und seiner Kindheit im Waisenhaus. Ihr Mitgefühl war echt, aber nicht unangenehm. Sie sagte ihm, wie leid es ihr tue, und fragte ihn nach seinen Zukunftsplänen. Er hatte das dumpfe Gefühl, dass sie jemand war, der in der Zukunft lebte. Zu Hause war offenbar nicht alles perfekt. Und dann fragte er sie, ob sie mit ihm ins Kino gehen würde. »Ja. Das wäre schön.« Sie sah ihm in die Augen, und Will hatte den Eindruck, dass es ihr nicht leichtfiel. Bei aller Lebendigkeit war sie ein wenig schüchtern. »Wann du willst. Ich kann die Karten besorgen.«
»Wenn ich dich frage, dann zahle ich auch.« Er lächelte. »Ich kann dich nur nicht zu etwas Teurem einladen.«
»Du musst mich gar nicht einladen. Ich kann selbst zahlen.« Aber er schüttelte den Kopf. Und sie stritt nicht mit ihm. Sie verstand, dass es ihm wichtig war.
»Kann ich dich zu Hause abholen?«
Nun war sie es, die den Kopf schüttelte. »Lieber nicht. Wie ich schon sagte – was Freunde angeht, ist man bei mir zu Hause nicht besonders liberal.«
Er bestand nicht darauf. Ihre Eltern konnte er auch noch später kennenlernen, viel später. Was zählte, war, dass sie ja gesagt hatte. Er würde sie also wiedersehen.
Nach dem Kino erlaubte sie ihm, sie nach Hause zu bringen. Bei der nächsten Verabredung küsste er sie. Sie küsste ungeschickt, ungeübt, aber sie war so leicht, so zart in seinen Armen. Will brannte vor Verlangen nach ihr, doch er nahm sich zusammen. Sie war noch nicht so weit, nicht einmal annähernd. Die meisten Mädchen hätten über kurz oder lang darauf gedrängt, mit ihm ins Bett zu gehen; mittellos oder nicht, er war gut gebaut und gut aussehend, Rugbyspieler, und er galt darüber hinaus noch als klug. Seine Herkunft, die Waisenhausgeschichte, machte nicht wenige Mädchen an, das wusste er, obwohl die meisten es nicht zugegeben hätten. Will Hyde war ein Junge von der Straße. Ein Risiko. Ein bisschen gefährlich.
Melissa Elmet steckte ihn nicht in eine Schublade. Sie ging noch in die Schule, war aber schon in der Oberstufe. Intelligent und hungrig nach Liebe. Ihre Eltern waren offensichtlich sehr konservativ. Sie nicht. Sie war lieb und sanft und abenteuerlustig. Wenn sie picknicken gingen – es war billig und romantisch, daher taten sie es oft –, kletterte sie immer auf Bäume oder sprang zum Baden in die Bäche.
Sexy und clever. Und ein Mädchen, mit dem man Pferde stehlen konnte. Je öfter er mit ihr zusammen war, umso öfter wollte er mit ihr zusammen sein.
Will begann, sich zu verlieben. Er wollte es nicht – er war doch erst neunzehn Jahre alt, sie siebzehn. Er wusste sehr gut, dass sie zu jung waren, um sich wirklich zu binden. Aber er konnte es nicht ändern. Auch sie kämpfte dagegen an, versuchte, sich gegen das Gefühl zu wehren, aber vergeblich. Wann immer er zu ihren Verabredungen kam, war sie schon da und wartete auf ihn, und ihre Augen begannen zu strahlen wie bei einem Kind an Weihnachten, sobald sie ihn sah. Sie interessierte sich für alles, was er mochte. Ihre Finger strichen über seine Brust, über den definierten Bizeps, und er spürte, wie ihr Puls sich beschleunigte, ihr Atem rascher ging und die Pupillen sich weiteten, wenn sie sich an ihn schmiegte. Sich zusammenzureißen und auf sie zu warten war die härteste Geduldsprobe, die er je hatte durchmachen müssen. Aber er hielt daran fest, denn er liebte sie.
Eine Woche nach ihrem achtzehnten Geburtstag flogen seine beiden Mitbewohner nach Dublin, um sich ein Five-Nations-Spiel im legendären Landsdowne-Road-Stadion anzusehen. Will konnte sich weder Eintrittskarte noch Flug leisten, aber das störte ihn nicht sehr. Auf diese Art hatte er ihr kleines, schäbiges Haus für sich allein. Er lud Melissa zum Essen ein.
Sie kam. Es war ein Frühlingsabend, schon recht mild, und die Dämmerung legte sich über die Walton Street. Tief flogen die Schwalben über die Mauern des Worcester Colleges. Wills letztes Referat war mit der Bestnote bewertet worden, und seine Professoren waren überzeugt, dass er seinen Abschluss mit Auszeichnung machen würde. Obwohl er wegen der zwei Jobs übermüdet zu den Seminaren erschien, prophezeite man ihm eine strahlende Zukunft. Für diesen Abend hatte er gespart und eine Flasche Champagner aus einem Sonderangebot bei Victoria Vine gekauft, dazu Filetsteaks und Erdbeeren. Die Vorhänge in dem engen viktorianischen Wohnzimmer waren gegen die hereinbrechende Dunkelheit zugezogen, und im Kamin brannte ein kleines Feuer. Will hatte aufgeräumt und geputzt und freute sich. Auf sie. Er war glücklich und voller Hoffnung. Und so war es immer, wenn er bei ihr war. Weil sie ihn liebte und er sie. Die Finsternis der Kindheit fiel von ihm ab, wenn sie in seiner Nähe war. Melissa stillte seine Sehnsucht. Es war nicht nur eine einfache Verliebtheit, dessen war er sich sicher. Seit Monaten war er sich dessen schon sicher. Dieses Mädchen war sein Leben. Als es an der Tür klopfte, machte sein Herz einen Sprung. Er öffnete, und da stand sie, so wunderschön in ihrem weißen Kleid mit den aufgedruckten Rosen, über das sie ein weiches, helles Sweatshirt gezogen hatte. Ihr langes Haar fiel ihr offen über die Schultern. Sie trug einen Hauch Make-up, und ein leichter Glanz lag auf ihren Lippen, den Will am liebsten sofort weggeküsst hätte.
»Wo sind denn Matt und James?« Sie blickte sich um, als er die Tür schloss.
»Bis Sonntag in Irland.«
»Dann wundert es mich nicht, dass es hier so aufgeräumt ist.« Sie sah ihn an und lachte. »Und mit dir allein soll ich mich sicher fühlen?«
»Bei mir wirst du immer in Sicherheit sein.« Er küsste sie und lächelte. Ihre Lippen waren so weich, so köstlich. »Ich bin froh, dass du da bist«, sagte er und erkannte plötzlich, wie sehr das tatsächlich der Wahrheit entsprach. »Froh« war das perfekte Wort für das, was er empfand. Frohsinn, tiefe Freude, durch und durch. »Komm rein, Missy, und trink einen Schluck Champagner.«
Sie folgte ihm ins Wohnzimmer und sah sich voller Wohlbehagen um. Im Kamin knackte ein Pinienscheit. »Was feiern wir denn?«
Er reichte ihr ein Glas, das bis zum Rand mit der goldenen, prickelnden Flüssigkeit gefüllt war. »Deinen Geburtstag. Uns. Die Zukunft.«
Melissa stieß ihre Champagnerflöte gegen seine, und sie tranken. Sie legte den Kopf ein wenig zurück, und ihr Haar schimmerte im Feuerschein. Will durchfuhr ein so intensives Verlangen, dass es schmerzte.
Behutsam nahm er ihr das Glas aus der Hand und stellte es auf den Tisch. Seine Hand hob ihr Kinn an, damit sie ihn ansah. Sein linker Arm glitt um ihre Taille, und er zog sie an sich, ganz nah an sich, so dass er die Hitze spüren konnte, die sie ausstrahlte, so dass er sehen konnte, wie sich ihre Lippen leicht öffneten. Seine rechte Hand strich über die sanfte Rundung ihrer Brust und liebkoste sie durch den Stoff. Sie reagierte, indem sie sich in seine Berührung lehnte.
»Will«, flüsterte sie, »ich habe noch nie ... ich weiß nicht, wie ...«
»Ich liebe dich, Missy.« Sein Atem strich heiß über ihr Ohr.
»Ich liebe dich wirklich. Alles wird gut. Vertrau mir.«
Sie presste sich an ihn, bebte plötzlich vor Verlangen, und er spürte, wie ihre Knie nachzugeben drohten. Ihre Haut glühte, und sie bog sich ihm entgegen, gab sich seiner Berührung hin und ließ sich gehen ...
Melissa radelte langsam die Straße entlang. Es war schon spät, gegen elf Uhr. Sie wollte nicht nach Hause. Sie wollte zurück in die Walton Street, zurück zu Will ins Bett.
Aber ihre Eltern würden auf sie warten.
Es war kalt, doch sie spürte es kaum. Ihr ganzer Körper glühte. Die Erinnerungen an die wunderbaren Empfindungen, die er ihr verschafft hatte, pulsierten noch immer in ihrem Blut. Unwillkürlich errötete sie. Bestimmt konnte man es ihr ansehen. Bestimmt konnte die ganze Stadt es ihr ansehen. Sie war keine Jungfrau mehr. Immer wurde ein riesengroßes Gewese daraus gemacht, und dennoch war die Welt danach noch immer dieselbe. Aber empfand sie die Welt als etwas anderes? Nein, nicht wirklich. Sie wusste nur, dass sie Will Hyde nun noch sehr viel mehr liebte.
Sie hatte keine Angst, dass er sie jetzt fallenlassen würde, wie Freundinnen sie gewarnt hatten. Vielleicht waren andere Männer so, doch nicht Will. Er hatte sie gebeten, ihm zu vertrauen, und das hatte sie getan. Rückhaltlos. Sie würden heiraten, dessen war sie sich sicher. Er würde sie fragen. Die Hochzeit, die an irgendeinem romantischen Ort stattfinden würde, würde der schönste Tag ihres Lebens werden. Nur mit ihren Eltern und seinen besten Freunden. Und dann läge ein ganz neues, großartiges Leben vor ihnen.
Nur eine kleine Unannehmlichkeit musste vorher noch erledigt werden.
Die Straße verbreiterte sich, und als sie am Martyr’s Memorial vorbeifuhr, verblasste Melissas Glückseligkeit. Sie konnte es kaum erwarten, die Schule zu beenden. Ihr erstes Jahr in Oxford würde Wills letztes sein, und wenn sie erst einmal aus dem Haus ihrer Eltern ausgezogen war, konnten sie die ganze Zeit zusammen sein, vielleicht sogar zusammen wohnen.
Natürlich liebte sie ihre Eltern. Und ihre Eltern liebten sie. Aber ...
Das riesengroße Aber.
Sie war angekommen. Im Zimmer, das zur Straße ging, brannte noch Licht. Sie stieg ab, öffnete die Tür und lehnte das Fahrrad an die Flurwand.
»Melissa.« Richard Elmets Stimme. Nicht laut, aber bestimmt.
Sie seufzte innerlich. Es war peinlich, wenn er den Vater herauskehrte. Daddy war oft zu Hause, war zwar körperlich, jedoch selten geistig anwesend. Stets saß er vor seinen Unterlagen und arbeitete, oder er war im Labor und führte Versuche durch. Ihr Vater war innerhalb der kleinen Oxford-Welt rasch aufgestiegen. Er hatte sich mit seinen Theorien zu Sonneneruptionen und globaler Erwärmung einen Namen gemacht und seinen Ruf mit Studien zur Kernspaltungsreaktionen zementiert. Er war ein rigider Mensch, der nicht mit Geld umgehen konnte und ständig auf den eigenen Ruf bedacht war. Ja, das wohl mehr als alles andere. Er wollte, dass man ihn unter Gleichgesinnten respektierte und seine Brillanz anerkannte. Melissa wusste, dass der Tag, an dem man ihm den Lehrstuhl in Oxford angeboten hatte, der glücklichste seines Lebens gewesen war. Vor diesem Ereignis war auch seine eigene Hochzeit oder die Geburt seiner Tochter verblasst. Und der Tag, an dem die Queen ihn für seine Dienste für die Royal Society zum Ritter geschlagen hatte, war der glücklichste im Leben ihrer Mutter gewesen. Zwar brachte ihnen der Titel kaum mehr Geld ein, aber Mummy war nun Lady Elmet, und sie genoss diesen Namenszusatz in vollen Zügen.
Melissa hätte sich gewünscht, dass es nie geschehen wäre. Denn dadurch waren ihre Eltern zu ehrgeizigen gesellschaftlichen Aufsteigern geworden. Was nichts als Ärger für sie und Will bedeutete. Das war der Grund, warum sie ihn ihren Eltern bisher noch nicht vorgestellt hatte. Sie liebte ihn, und er war das Beste, was ihr in ihrem Leben je zugestoßen war. Sie wollte ihn schützen. Und heute Abend war sie dazu entschlossener denn je.
»Hi, Daddy.« Sie trat ein und gab ihm einen Kuss auf die Wange. »Ist Mum schon im Bett?«
»Aber sicher. Weißt du, wie spät wir es haben?«
»Erst Viertel nach elf. Das ist doch nicht spät.«
»Du hättest vor Stunden zurück sein sollen.«
Melissa versteifte sich. »Ich bin achtzehn, Dad«, sagte sie verärgert. »Ich habe meine Abschlussprüfungen hinter mir.«
»Warst du mit diesem Burschen unterwegs?«
Ihr Vater blickte in die Glut, die im Vergleich zu dem Feuer, das Will entfacht hatte, jämmerlich wirkte. Sah ihr Vater wirklich ins Leere, oder arbeiteten seine Gedanken gerade wieder an etwas, das mit Hitze zusammenhing? Ihr Vater gönnte ihr selten seine volle Aufmerksamkeit, nicht einmal dann, wenn er ihr eine Standpauke halten wollte.
Melissa straffte die Schultern. Wenn man bedachte, was ihr geliebter Will in seinem Leben schon alles hatte durchmachen müssen, dann würde sie wohl mit ein wenig väterlicher Missbilligung umgehen können. »Ja, Dad, war ich. Wie ich schon sagte: Ich bin achtzehn. Vom Gesetz her erwachsen.«
»Aber du wohnst in meinem Haus.« Sir Richard nahm den Schürhaken und rüttelte die Glut auf. »Deine Mutter macht sich Sorgen wegen deiner kleinen Romanze, Melissa. Der junge Mann hat keine Familie, keine Perspektiven, und er arbeitet in einer Bar ...«
»Ein Studentenjob, Dad. Er finanziert sich damit sein Studium. Wen kümmert das schon?«
»Melissa.« Beinahe widerstrebend wandte ihr Vater sich ihr zu. »Wenn du mit ihm ausgehen willst, dann tu das meinetwegen. Aber denk bitte daran, dass du noch in die Schule gehst ...«
»Ja, bis zum Sommer.«
»Wie auch immer. Du bist einfach noch zu jung, um dich jetzt schon festzulegen. Du und er auch«, fügte er in einem ziemlich durchschaubaren Versuch, fair zu klingen, hinzu. »Wir haben ihn noch nicht einmal kennenlernen können.«
Melissa seufzte wieder. »Wie du ganz richtig gesagt hast – wer weiß schon, ob es etwas Ernstes ist? Lass mich doch einfach abwarten, was passieren wird.« Auch sie konnte so tun, als ob. Sie würde vorgeben, die ganze Sache cool und abgeklärt zu betrachten. »Und wenn sich herausstellt, dass es mehr ist, dann bringe ich ihn mit und stelle ihn euch vor, okay?« Die Schultern ihres Vaters entspannten sich sichtlich. »Du weißt doch, wie schnell deine Mutter sich immer Sorgen macht. Du bist nun einmal ihr einziges Kind.«
»Ja, ich weiß.« Melissa hatte plötzlich ein schlechtes Gewissen. Sie liebte ihre Mutter. Auch wenn sie ein Snob war, so war sie doch immer für Melissa da gewesen.
»Dann komm einfach früher nach Hause. Es ist ja nur noch für wenige Monate, wie du selbst gesagt hast. Danach bist du Studentin.«
»Wenn ich den Platz kriege.«
Sir Richard straffte die Schultern. »Du bist meine Tochter. Natürlich kriegst du den Platz.«
Melissa trat zu ihm und tätschelte seinen Rücken, und er umarmte sie ungeschickt. Als sie hinauf in ihr Zimmer ging, war ihr bewusst, dass ihre Eltern Will Hyde niemals als Schwiegersohn akzeptieren würden. Aber das kümmerte Melissa wenig; sie würden es überstehen. Denn Will Hyde war ihre Zukunft. Und nichts konnte sie trennen.
Die Gegenwart
Melissa Elmet begann ihre Seminare niemals vor zehn Uhr. Sie war ein Morgenmensch, dem direkt nach dem Frühstück, wenn die Stadt noch schlief, die besten Gedanken kamen. Sie liebte es, sich mit einer Tasse Kaffee – großartiger Kaffee, den Freunde ihr aus Amerika schickten, nicht die Supermarktbrühe – auf die Fensterbank zu setzen und zuzusehen, wie die Sonne über dem Peckwater Quadrangle, einer der prächtigen viereckigen Innenhöfe von Christ Church, aufging. Für sie war diese Aussicht eine der schönsten in Oxford.
Ihre Studenten schliefen um neun Uhr noch alle ihren Kater aus. Sie wollte sie aber wach und aufnahmebereit, damit die Chancen stiegen, dass sie ihre Prüfungen bestanden. Gute Ergebnisse waren wichtig für ihre Arbeit, und sie brauchte diese Stelle. Der Lehrstuhl verschaffte ihr nicht nur einen – wenn auch mageren – Lohn, sondern auch die Unterkunft. Natürlich veröffentlichte sie auch; für eine Akademikerin, die ernst genommen werden wollte, zwar gerade ausreichend, aber es blieb einfach nie genug Zeit für echte Forschung. Melissas Karriere hing unmittelbar mit den Noten zusammen, die ihre Studenten erzielten. Geschichte war traditionell eine Stärke des Colleges, und wenn sie nicht unaufhörlich mit den besten Noten aufwarten konnte, war sie rascher draußen, als sie sich umsehen konnte. Aber Melissa konnte es sich nicht leisten, diese Stelle zu verlieren. Außer Oxford gab es nichts für sie. Ihr Alltag war immer mit Sorgen durchzogen. Sorgen um Geld, um ihre Leistung, wegen des Mangels an eigenem Wohnraum. Und Sorge um ihre Beziehung. Darum besonders.
Melissa tippte auf ihrem Laptop. Die Tasten klemmten, was sie enorm störte, aber sie konnte sich keinen neuen leisten. Dieser Computer war mit seinen vier Jahren nach heutigen Standards ein Dinosaurier.
Sie rief den Kalender auf und fand die Notizen für das heutige Seminar. Die Studenten im ersten Jahr würden ihre Referate über Alfred den Großen halten. Melissa hoffte, dass der junge Kevin Ross in dieser Woche bei der Analyse etwas mehr Einfallsreichtum bewies. Er steuerte auf eine Lower Second oder noch schlechter zu, und mit seiner mangelnden Begeisterung boykottierte er ein Trüppchen ausgezeichneter Studenten. Melissa hasste Konfrontationen, aber manchmal musste es eben sein, und Kevin brauchte ein paar klare Worte. Er war Ruderer und hielt sich für unangreifbar. Die älteren Dozenten förderten ihn trotz mangelhafter Leistung, weil man hoffte, dass er in die Unimannschaft aufgenommen und beim Rennen eingesetzt werden würde, aber Melissa pfiff drauf: Sie würde nicht zulassen, dass er den Einser-Schnitt ihrer Studenten verdarb. Sie würde den Jungen zur Not ein Jahr von Oxford verbannen, damit er sich zusammenriss und zu sich kam. Ja, falls es nötig wurde, würde sie ihn disziplinieren, mochten die Ruderer noch so laut zetern und jammern. Ihr Computer gab ein Pling von sich. Erinnerung an eine Verabredung. Essen mit Fraser, stand da. Im Eagle and Child. Und plötzlich fühlte sie sich unendlich erschöpft. Daraus bestand ihr Leben? Wie hatte es nur dazu kommen können? Sie erhob sich und trat an den Spiegel, der über ihrem Kamin hing. Ihre Zimmer waren prächtig, die elegante Atmosphäre ein Traum. Hätte man eine solche Wohnung kaufen wollen, hätte man hier mitten in Oxford ein Vermögen ausgeben müssen. Nur ein Millionär konnte sich so eine Unterkunft leisten. Jemand wie Will Hyde vielleicht.
Verdammt! Sie dachte schon wieder an ihn! Wurde sie denn nie erwachsen? In letzter Zeit drifteten ihre Gedanken viel zu oft in diese besondere Richtung ab. William Hyde gehörte zu ihrer Vergangenheit. Und er war schon lange weg, hatte sich in jeder Hinsicht von ihr entfernt. Melissa hatte es sich abgewöhnt, in die Sonntagszeitung zu schauen. Sie konnte es nicht ausstehen, wenn sein Foto auf der Titelseite des Wirtschaftsteils prangte oder, schlimmer noch, auf den Titelseiten von Magazinen. Die Klatschpresse liebte ihn. Aber so etwas las Melissa ohnehin schon lange nicht mehr.
Sie schaute in den Spiegel.
Und ihr Spiegelbild schaute zurück. Ihr ehemals üppiges Haar hatte seinen Glanz verloren. Ihrem Gesicht war zwar noch anzusehen, wie hübsch sie einst gewesen war, aber ihre Augen funkelten nicht mehr, sondern waren blutunterlaufen, und die dunklen Schatten waren Beweis dafür, dass sie nicht besonders gut schlief. Die dauernde Sorge und der Druck, der auf ihr lastete, hatten dafür gesorgt, dass ihre einst strahlende Haut stumpf aussah, aber Melissa machte sich nicht die Mühe, sich aufwendig zu schminken. Ihre Röcke und Hosenanzüge waren eher praktisch als schick, und die wenigen hübschen Kleider, die sie noch besaß, führte sie mitsamt der Perlenkette, die ihr Vater ihr geschenkt hatte, ungefähr einmal im Monat spazieren, wenn Fraser sie zum Essen einlud.
Melissa kam sich nahezu albern vor, wenn sie sich für Fraser schick machte – wie eine Touristin im Leben einer anderen Frau. Sie flirtete nicht. Sie war eine waschechte Akademikerin im altmodischen Sinn und ganz die Tochter ihres Vaters. Sie bewohnte zwar eine fantastische Wohnung, aber sie selbst besaß nichts. Wenn sie einkaufen ging, verglich sie Preise, ihre Kleider kamen von der Stange, Exklusiveres kaufte sie nur im Schlussverkauf. Sie machte auch keine Ferien auf dem Festland. Melissa sparte eisern, aber dennoch wuchsen die Rücklagen nur unendlich langsam.
Diesen Preis muss ich eben zahlen. Zahllose Akademiker würden für diese Position töten.
Das entsprach der Wahrheit. Aber reichte ihr das?
Natürlich hatte das akademische Leben seine Vorteile. Lange Ferien, das Leben im malerischen Oxford, die intellektuelle Herausforderung. Melissa seufzte und wandte sich von ihrem Spiegelbild ab.
Heute machte ihr die unterschwellige Enttäuschung mehr zu schaffen als üblich. Sie freute sich nicht auf das Essen mit Fraser.
Fraser Macintosh. Seit sechs Monaten ihr Verlobter. Unwillkürlich hob Melissa ihre linke Hand und betrachtete den kleinen Diamanten, der an ihrem Ringfinger funkelte. Der Stein passte zu ihm: unauffällig, respektabel. Fraser war acht Jahre älter als sie und Professor mit einem Lehrstuhl für Physik. Wissenschaftler wie ihr Vater. Was hätte Freud wohl daraus geschlossen? Fraser war weder attraktiv noch hässlich: Er war groß, hatte blondes, zerzaustes Haar, und wenn er sprach, purzelten die Worte aus ihm heraus, als ob sie seine brillanten Gedanken nicht schnell genug formulieren konnten. Er hatte tatsächlich einen ungemein beweglichen Geist, und das beeindruckte sie. Hinzu kam ein grundsolider gesunder Menschenverstand, der ihn dazu gebracht hatte, sein jetziges Haus, dessen Garten zum Isis-Ufer hinausging, vor dem Boom zu kaufen und mit der jährlichen Dividende aus einem Aktienfonds für seinen Ruhestand vorzusorgen. Zusätzlich zu dem Haus besaß er noch ein wenig Geld, und wenn man das zu ihrem bescheidenen Gehalt hinzufügte, würden sie beide recht bequem leben können.
Melissa war überzeugt, dass sie sich mit einem solchen Dasein arrangieren konnte. Fraser war kein aufregender Mensch, aber sie konnte ihn gut leiden. Er respektierte sie und drängte sie nicht, zu ihm zu ziehen. Er hatte nichts dagegen, dass sie auch als verheiratete Frau ihren Namen behielt. Ja, er wollte Kinder. Eines Sommerabends hatte er sie mit dem Ring überrascht. Sie waren in der Dämmerung in den Botanischen Gärten spazieren gegangen, und Fraser hatte die romantische Stimmung genutzt, war bei einer mächtigen, alten Ulme auf ein Knie gesunken und hatte ihr den Edelstein präsentiert. Der Ring hatte seiner Großmutter gehört.
Melissa hatte ihre Entscheidung spontan gefällt. Ja, auch sie wollte Kinder, wollte eine Familie, wollte sich niederlassen, zur Ruhe kommen. Fraser und sie kamen gut miteinander aus. Leidenschaft – Leidenschaft, wie sie sie mit Will erfahren hatte – gab es zwar nicht, aber Leidenschaft war genau wie die Schönheit ein flüchtiges Gut. Die Ehe mit Fraser würde ihre Geldsorgen verringern und ihr Geborgenheit schenken. Das mit der Liebe würde sich schon entwickeln.
Seitdem hatte sie diesen Ring getragen.
In der vergangenen Woche hatte sich etwas verändert. In der vergangenen Woche hatte Fraser tatsächlich ein Datum für die Hochzeit vorgeschlagen: am 22. November in St. Mary’s. Nur enge Freunde, Familie. Eine kleine Party, vielleicht fünfundzwanzig Gäste.
Wie hätte sie nein sagen können? Mit welcher Begründung hätte sie um mehr Zeit bitten sollen? Sie selbst hatte keine Familie mehr. Sir Richard war vergangenes Jahr in Venedig bei einem Unfall umgekommen und hatte ihr hauptsächlich Schulden hinterlassen. Ihre Mutter war schon seit zehn Jahren tot. Sie hatte eine Tante in Ottawa und einen Cousin in London, zu dem es kaum Kontakt gab. Hochzeit und Feierlichkeiten würden also hauptsächlich für Frasers Familie sein. Melissa hatte nicht das Gefühl, zu dieser Hochzeit bereit zu sein, aber konnte man das denn überhaupt je sein? Eine Ehe war ein großer Einschnitt. Sie hatte die dreißig bereits überschritten, und die andauernde Geldnot und die sich immer weiter ausbreitende Langeweile begannen ihr zu schaffen zu machen.
Also hatte sie ja gesagt.
Fraser übernahm das Kommando. Er bestellte die Karten, kümmerte sich um das Essen und buchte den Master’s Garden für den Empfang. Die Universitätsfotografen würden das Ereignis festhalten. Melissas zukünftige Schwiegermutter würde aus Südfrankreich eingeflogen werden. Fraser plante und organisierte und jonglierte mit Terminen und seinem akademischen Alltag. Melissa brauchte nichts zu tun, als sich um ihr Hochzeitskleid und die Brautjungfern zu kümmern. Doch jetzt hatte sie nur noch einen Monat Zeit und noch immer keine ihrer Freundinnen gefragt, ob sie die Aufgabe übernehmen wollte. Immerhin hatte sie ein Kleid in Auftrag gegeben: ein schlichtes Etui-Kleid mit dreiviertellangen Ärmeln und einem U-Boot-Ausschnitt – elegant, wenn auch nicht besonders aufregend. Der Gedanke an Blumen und den Brautstrauß hatte ihr Kopfschmerzen bereitet, und schließlich hatte sie crèmefarbene Rosen bestellt. Fraser würde wohl kaum anfangen, ihre Auswahl zu analysieren.
Und dennoch kehrte Will Hyde immer wieder in ihre Gedanken zurück. Irgendwann in dieser Woche musste sie sich mit dem Vikar treffen, ein Gespräch unter vier Augen. Ihre kurze Ehe war ordnungsgemäß annulliert worden, aber Melissa hatte sich niemals um die kirchlichen Papiere gekümmert. Fraser wusste nichts von dieser Episode, und sie wollte auch nicht, dass er es herausfand.
Melissa versuchte ihren Widerwillen, sich mit den Papieren zu beschäftigen, zu ignorieren. Wenn sie die Sache von damals endgültig zu einem Abschluss brachte, war die allerletzte Verbindung gekappt. Sei nicht albern, schimpfte sie unwillkürlich. Das ist sie doch ohnehin schon seit einer Ewigkeit. Du hast ihn nicht mehr gesprochen, seit er gegangen ist. Und du wirst diesen Mann nie wiedersehen.
Also gut. Das war Vergangenheit. Aber wollte sie Fraser wirklich vor dem Altar sehen und anschließend dann jeden Morgen, und das für den Rest ihres Lebens?
Das Telefon, das auf einem schwankenden Stapel Lehrbücher lag, summte, und Melissa fuhr zusammen. Nur wenige Leute riefen sie an. Oxford war eine kleine Stadt, und Gäste kamen einfach vorbei. Ein großer Nachteil der Wohnungen direkt beim College war, dass die Leute wussten, wo man einen finden konnte.
»Hallo?«
»Morgen, Liebling.«
»Fraser. Wie geht’s dir?«
»Gut. Dad hat eine E-Mail aus Grenada geschickt. Er fragt, ob er seine zweite Frau mitbringen darf.«
»Das musst du mit deiner Mutter klären.«
»Wenn ich nein sage, kommt er auch nicht.«
Warum fragst du dann mich?, dachte sie verärgert.
»Musst du wissen«, wiederholte sie.
»Denkst du an unser Date?«
»Aber natürlich.«
Sein jovialer Tonfall machte sie aggressiv. Sie blickte auf den Ring an ihrer Hand, die den Telefonhörer umfasste, und traf eine spontane Entscheidung. »Fraser. Können wir uns schon früher treffen?«
»Gern. Halb sechs?«
»Gut.«
Melissa legte auf und zog den Ring seiner Großmutter vom Finger. Behutsam legte sie ihn auf die Ausgabe von Assers Über Alfreds Taten. Eine Woge der Erleichterung überspülte sie. Den ganzen Morgen schon hatte sie sich unglücklich gefühlt, ohne zu wissen, warum es so war, doch der Klang von Frasers Stimme hatte ihr den entscheidenden Hinweis gegeben. Melissa mochte Fraser wirklich gut leiden, und sie war ihm dankbar. Aber sie liebte ihn nicht.
Kein Wunder, dass sie ausgerechnet jetzt so oft an Will denken musste. Eine gescheiterte Ehe war genug. Lieber arm und allein bleiben als eine zweite Niederlage hinnehmen müssen. Melissa würde Fraser Macintosh nicht heiraten.
Jetzt musste sie es ihm nur noch sagen.
Im Metropolitan Museum of Art fanden regelmäßig großartige Partys statt. Die Wohltätigkeitsveranstaltungen boten den Reichen dieser Welt eine Gelegenheit, Champagner, Kaviar und andere Köstlichkeiten zu genießen und sich in kostspieligen Kleidern und edlem Schmuck zur Schau zu stellen, ohne dabei das unbequeme schlechte Gewissen der weißen Oberschicht demonstrieren zu müssen.
William Hyde nippte an seinem Champagner. Sein Arm lag um Olivia Whartons schmale Taille. Sie war kein Model, hätte es aber durchaus sein können, und an diesem Abend war sie schön und elegant wie eine Göttin. Sie trug ein eng anliegendes Kleid aus silberfarbenem Maschengewebe, das sich wie die Schuppen einer Meerjungfrau an ihren Körper schmiegte, und um ihren Hals lag ein achtzigtausend Dollar teures Collier aus Aquamarinen und Perlen. Will hatte es ihr geschenkt. Er war stolz, sie im Arm zu haben.
Olivia hatte glänzendes, dunkles Haar, dunkelrot geschminkte volle Lippen, durch Schönheitschirurgie optimierte Brüste und einen Harvard-Abschluss in Medizin. Sie hatte sich auf Onkologie spezialisiert, kam jedoch mit der Belastung, sich jeden Tag mit dem Tod auseinandersetzen zu müssen, nicht zurecht. Er konnte es ihr nicht verübeln. Dr. Wharton war charmant und umwerfend schön – ein Schmetterling, der in der Düsternis der Sterbenden verblasste. Nun schulte sie zu Dermatologie um und hatte das vage Ziel, als Hautkrebsspezialistin zu arbeiten. In den vergangenen Tagen hatte sie allerdings immer wieder Anspielungen gemacht, dass sie alle beruflichen Ambitionen hintanstellen würde, wenn Will ihr nur einen Antrag machte. Sie hätte keine Probleme damit, in Zukunft zu Hause bei ihren Kindern zu bleiben und Hausfrau und Mutter zu spielen.
Will hatte eine recht entspannte Einstellung dazu. Wenn er mit einer Frau ins Bett wollte, brauchte sie nur schön zu sein und Spaß am Sex zu haben, aber an eine echte Gefährtin stellte er höhere Ansprüche. Er war entzückt gewesen, in Olivia eine Frau zu finden, die nicht nur fantastisch aussah, sondern auch noch einen Doktortitel besaß. Dadurch hob sie sich von all den anderen spindeldürren Society-Ladys ab, die auf der Jagd nach einer lukrativen Partie waren. Olivia hatte beruflich etwas erreicht und konnte sich selbst finanzieren. Hinzu kam, dass sie Spaß am Leben hatte und gerne Neues ausprobierte.
Bei einer ihrer ersten Verabredungen hatte er sie nach Coney Island ausgeführt, wo sie erst in einer zwielichtigen Burgerbude gegessen hatten und danach eine Runde auf der alten, klapprigen Holzachterbahn gefahren waren. Sie hatte neben ihm im Waggon gesessen, sich mit ihren manikürten Fingern festgeklammert und vor Wonne gekreischt. Und damit hatte sie ihn sofort für sich gewonnen. Außerdem hatte sie, ohne mit der Wimper zu zucken, einen Cheeseburger bestellt. Diese Frau hielt sich mit Sport fit, und das war ihm zehnmal lieber als die Kalorien zählenden Models, mit denen er bisher ausgegangen war.
Inzwischen waren sie schon eine Weile zusammen – achtzehn Monate. Seit er von Virginia nach Manhattan gezogen war, hatte er keine so lang andauernde Beziehung mehr gehabt. An diesem Abend war sie die begehrteste Frau im Saal. Wie immer eigentlich.
Der Bürgermeister von New York flirtete mit ihr, wie William amüsiert feststellte. Er spreizte fast unmerklich seine Finger an ihren Rippen und spürte wie erwartet, wie sie leicht zusammenfuhr. Ja, er spielte mit dem Gedanken, ihr einen Heiratsantrag zu machen. Olivia lachte gerade über den Scherz des Bürgermeisters, und Will musste unwillkürlich lächeln. Er mochte ihr Lachen. Der Bürgermeister offenbar auch, denn er schien sich gar nicht von ihr trennen zu wollen. In Olivias Augen war dagegen nur höfliches Interesse zu erkennen. Natürlich. Was hatte der Mann sich denn gedacht?
Man musste schon etwas mehr zu bieten haben als ein politisches Amt, wenn man Will eine Freundin ausspannen wollte. Die vielen Aktienmillionen in seinem Besitz hatten ihn sehr zuversichtlich gemacht.
Im folgenden Monat würden es noch mehr werden. Der Lassos-Deal. Seine Bank war gerade dabei, alles vorzubereiten, um einen Staatsfonds für die griechische Regierung zu verwalten. Dies waren die Geschäfte, die das ganz große Geld versprachen. Sobald der Deal abgeschlossen war, würde die Bank die Aktien noch einmal splitten, und er würde die Milliarden-Marke überschreiten, falls das nicht schon geschehen war. Will war sich nicht ganz sicher, wie viel genau er wert war. Vielleicht war es ja wirklich an der Zeit, dachte er müßig. Hochzeit. Kinder. Jedes Imperium brauchte einen Erben.
»William.«
Jemand berührte seinen Arm. Er wandte sich um.
»Senatorin.«
Ellen Jospin war Senatorin von New York, und der Titel schien sie zur Königin von England zu machen. Sie war dem linken Flügel zuzurechnen, war sehr reich und trug nur Haute Couture. Man munkelte, dass sie ihre Diamanten mit ins Bett nahm. Ihre Exzentrik war der Grund, warum man sie noch nicht als Präsidentschaftskandidatin vorgeschlagen hatte.
Ihr silberblondes Haar war zu einem ordentlichen Dutt zusammengesteckt worden, und ein breites, enges Platinhalsband mit schwarzen Perlen verbarg die pergamentartige Haut. Sie trug ein Ensemble aus Rock und Jacke von Balenciaga und einen Siegelring mit dem amerikanischen Adler. »Ich freue mich, Sie in der nächsten Woche zu sehen.« Ihre dunklen Augen verengten sich. Senatorin Jospin war ein harter Knochen. »Wenn Sie vor das Komitee treten müssen.« William lächelte. Er hatte es schon mit schlimmeren Gegnern zu tun gehabt.
»Ja, ich freue mich auch darauf.«
Die Senatorin versteifte sich. Er hatte auf den respektvollen Zusatz »Senatorin« verzichtet, und das mit Absicht, dessen war sie sich sicher. Ihr Komitee mochte seine Bank nicht, die auf »commercial intelligence« spezialisiert war: Unternehmen unterschiedlichster Notierung verschafften sich Darlehen bei der Virginian Prospect Bank und nutzten dann die Abteilung M&A, um die Schwachpunkte der Konkurrenz aufzudecken. Dieser Brite hatte sein Vermögen auf diese Art gemacht. Aber wenn Wissen Macht war, dann wurde William Hyde allmählich zu mächtig.
Er hatte im Grunde genommen eine ganz neue Branche erfunden, hatte sich die Techniken von privaten Ermittlungsfirmen wie Kroll abgeschaut und sie auf das ganz große Geld übertragen. Natürlich hatte es auch schon vorher zahllose Beratungsfirmen gegeben, die auf »Oppositionsforschung« spezialisiert waren; Ellen nahm ihre Dienste vor jeder Wahl in Anspruch und schaffte es dadurch in der Regel, dass der Ruf ihrer Konkurrenten anschließend vollkommen ruiniert war. Aber William Hyde tat noch etwas anderes.
Er setzte Spione ein.
Echte Spione. Und Banker und Wirtschaftsprüfer. Die privaten Fehltritte der Vorstandsmitglieder, schlampige Buchhaltung, Verleumdungsklagen, Opfer von Falschberatungen – alles, aber auch wirklich jedes Detail, das man gegen das Zielobjekt der Übernahme einsetzen konnte, wurde durch »Hyde Tracking«, die Sonderabteilung der Bank, ans Tageslicht gezerrt. Erst vergangenen Monat hatten zwei New Yorker Firmen ihre Pforten geschlossen; William Hyde hatte nicht nur belegen können, dass ihre Aktien überzeichnet waren, sondern auch, dass verschiedene Manager munter auf eigene Rechnung gearbeitet hatten. Als demokratische Senatorin begrüßte Ellen natürlich, dass solche betrügerischen Unternehmen zur Rechenschaft gezogen wurden. Aber wenn in ihrem Wahlkreis Unternehmen dichtmachten, gingen Arbeitsstellen verloren und damit Wähler für sie. Ja, Ellen Jospin verlor Stimmen. Und dafür machte sie diesen attraktiven jungen Engländer verantwortlich.
»Jetzt fangen Sie also an, Regierungen zu beraten?«
»Sofern es sich um Staatsfonds dreht, ja.« Er schenkte ihr ein strahlendes Lächeln, und sie begann innerlich zu brodeln.
Oh, ja, sie kannte Typen wie William Hyde.
In ihren jungen Jahren war sie scharf auf Männer wie ihn gewesen: muskulös, dunkelhaarig, arrogant. Aber sie hatte einen verstaubten Banker mit dem Temperament einer Schildkröte geheiratet. Die sichere Wahl. Und er war brav früh gestorben und hatte ihr sein Vermögen hinterlassen.
Dennoch konnte Ellen es nicht leiden, wenn jemand ihr das Gefühl gab, etwas verpasst zu haben. Männer wie Will Hyde. Sie hatte einfach keine Zeit für Reue. Regieren war ein anstrengendes Geschäft.
»Virginian Prospect ist eine amerikanische Gesellschaft. Sie könnten gegen nationale Interessen verstoßen.«
»Lassen Sie uns das vor dem Komitee besprechen«, erwiderte Hyde mit einem Lächeln, wandte sich von ihr ab und der wunderschönen Frau in seinen Armen zu. Sie waren wirklich ein strahlendes Paar: Reichtum und Schönheit vereint. Ellen war sich durchaus bewusst, dass sie mit ihrer Wohnung in Central Park West und dem Strandhaus in Nantucket nicht einmal im Bereich Vermögen mithalten konnte.
»Oh, übrigens, Ellen ...«
Plötzlich wandte er sich wieder zu ihr um, als sei ihm gerade etwas eingefallen. Sie kam sich vor wie eine Bittstellerin, der man gnädig einen Knochen hinwarf. »Vergessen Sie nicht. Unsere Dienste stehen natürlich auch unseren Freunden in New York zur Verfügung. Zu einem bestimmten Preis natürlich.«
Und damit drängte er sich durch die Menschenmenge und ließ sie stehen.
Senatorin Jospin blickte ihm fassungslos nach. Hatte er es wirklich gewagt, so mit ihr zu sprechen – ihr, der Vorsitzenden des Senate Intelligence Committee, dem Ausschuss, der die Aufsicht über die Nachrichtendienste innehatte?
Ihre Partei hatte im Senat und im Repräsentantenhaus die Mehrheit, und der Präsident war ein impotenter Idiot, der sich nicht einmal gegen die Auswahl seiner Krawatten durch seine Frau wehren konnte. Es war nicht in Ordnung, dass ein Engländer hierherkam, den Ruf amerikanischer Firmen ruinierte, damit ein Vermögen machte und sich im Rampenlicht sonnte.
Viele ihrer Gönner konnten Hyde nicht ausstehen. Plötzlich wollte sie ihm eine Lektion erteilen. Ihn aufhalten. Selbst wenn es bedeutete, damit ihre Legislaturperiode zu verkürzen.
William steuerte Olivia durch den Speisesaal. Er liebte das Geplänkel mit den Politikern. Vor allen mit denen, die ihre Profilneurose zur Schau trugen, was, wenn man ehrlich war, so gut wie alle Politiker betraf. Ellen Jospins Abneigung stand ihr quer über die Stirn geschrieben. Aber es kümmerte ihn nicht. Wenn er ein Wahlrecht gehabt hätte, hätte er die Republikaner gewählt.
Will lächelte und ließ seine Hand über Olivias Rücken gleiten, die wohlig schauderte. Sie hatte gelernt, sich in seinen Armen gehenzulassen, hatte gelernt, dass er zwar einen Mangel an Technik tolerierte, aber Reaktionsfreudigkeit einforderte. Er ahnte, dass sie versuchte, ihn sich als Ehemann zu angeln, aber er sah nicht ein, warum diese Tatsache ihn davon abhalten sollte, eine schöne Zeit mit ihr zu verbringen. Er gab sich bewusst Mühe, Frauen gegenüber fair zu bleiben. Was damals vor so vielen Jahren geschehen war ... nun, da waren sie noch halbe Kinder gewesen. Er würde keiner Frau die Schuld an einer Tat geben, die eine ganz andere begangen hatte ...
Und wie es schien, hatte Olivia bei der Lotterie um den besten Ehemann ganz offenbar das große Los gezogen. Denn er hatte all die ach so prächtigen Wohltätigkeitsveranstaltungen, all die Skipartys in den Alpen oder die Kurztrips auf diversen Milliardärsjachten satt. Er wusste durchaus, dass er nach immer größeren Abenteuern suchte, um die Langeweile zu betäuben. Und es war nicht nur der Überdruss wegen eines Überschusses an Reizen. Auch er war nicht mehr der junge Löwe. Es wurde Zeit für ein neues Abenteuer, und diesmal ein echtes: Zeit, eine Familie zu gründen, sich niederzulassen, Kinder in die Welt zu setzen. Will Hyde wollte die echte Familie, wie er sie nie gehabt hatte.
Olivia war eine warmherzige Frau. Er hatte sie einmal in der exklusiven Kindertagesstätte an der Upper East Side beobachtet, die ihre Schwester leitete. Sie hatte nicht gewusst, dass er da war, und er hatte gesehen, wie gut sie mit Kindern umgehen konnte. Er war sicher, dass sie nicht nur eine wunderbare Ehefrau, sondern auch eine großartige Mutter abgeben würde. Dass sie einen reichen Mann wollte, war kein Verbrechen – er wollte schließlich eine umwerfend schöne Frau.
»Komm, lass uns von hier verschwinden«, murmelte er ihr ins Ohr.
»Oh, ja«, flüsterte sie zurück. Stets bereit, das zu tun, was er wollte. Will lächelte. Nur wenige Frauen widersetzten sich ihm. Olivia machte keine Ausnahme.
Ja, sie war ein Prachtmädchen. Er würde sie mit nach Hause nehmen und sie lieben, bis ihr langes Haar wirr und verschwitzt auf dem Kissen liegen und er von ihren dunkelrot lackierten Nägeln Striemen auf dem Rücken haben würde. Und dann würde er zum zweiten Mal in seinem Leben eine Frau bitten, ihn zu heiraten. Diesmal jedoch würde es nach seinen Bedingungen geschehen.
Anfangs hatte Will die Wohltätigkeitsgalas verabscheut. Seiner Meinung nach hatte ein Banker im Rampenlicht nichts zu suchen. Aber seine PR-Agentur sah das anders. Er war kein einfacher Angestellter mehr, sondern ein CEO. Je öfter Wills Gesicht draußen zu sehen war, umso besser für den Börsenkurs. Man mochte es den Donald-Trump-Effekt nennen. Will Hyde, so hieß es, war die Marke.
Will gab nach, willigte in das Fotoshooting für GQ ein, die Nennung in den Klatschspalten, Interviews für die Wirtschaftspresse, und, und, und. Er war immer für eine Story gut, und er warb auf diese Art für seine Gesellschaft: Der Ex-Spion – obwohl er natürlich niemals zugab, als solcher tätig gewesen zu sein – kommt nach Amerika, kauft kleine, um ihre Existenz ringende Banken auf und erklimmt eine steile Karriereleiter. Ein ganzes Bündel kleiner Deals bereitete den Weg für die wirklich großen Geschäfte. Er lebt in einer winzigen Wohnung in Richmond, Virginia, pumpt jeden einzelnen Cent Gewinn wieder in das Unternehmen. Kein Auto, kein Haus; er kauft seine Schuhe bei einem Discounter.
Dafür ging das Geld für Personal drauf: Er investierte in leitende Angestellte, indem er unzufriedene Topmanager abwarb oder in Rente Gegangene mit sechsstelligen Summen lockte; als das Unternehmen in die große Stadt umzog, kam der Reiz von Manhattans Nachtleben dazu. Die Spitzenmänner brachten weitere Talente mit, festigten seinen Ruf, brachten ihm mehr Chancen ein. Noch in New York setzte William Hyde ein Jahr lang U-Bahn-Tickets ab und nahm sich gebratene Nudeln in Styroporbehältern mit nach Hause, während seine Angestellten Mercedes fuhren und mit ihren Frauen in Theaterpremieren gingen. Aber das war ihm egal. Er hatte keine persönlichen Verpflichtungen. Die Mädchen, mit denen er ausging, waren jung und hübsch und wollten Spaß, und den verschaffte William ihnen, doch eine engere Verbindung ging er nicht ein. Er brauchte keinen Ballast – welcher Art auch immer –, denn er wollte stets in der Lage sein, seine Zelte rasch abzubrechen. Er stemmte Gewichte, hielt sich mit Laufen fit, schlief mit den Frauen, die er haben wollte. Es war ein gutes Jahr, ein Jahr der Leichtigkeit. In dieser Stadt konnte man vieles umsonst tun. Er war ein Ausländer, und New York hatte das Potenzial, lange zu faszinieren.
Nach genau einem Jahr zog Will Hyde den Anzug an, den er in einem Kaufhaus erstanden hatte, nahm die U-Bahn zur Eleventh Street und besuchte seinen Buchhalter.
»Es war ein erfolgreiches Jahr.« Carl Goldberg schob seine Brille die Nase hinauf und betrachtete seinen jungen Klienten. Kühl wie der Hudson im November. Hydes extrem sparsames Leben war exzentrisch in Anbetracht der Gewinne, die seine Firma machte. Aber in seinem Blick lag etwas, das Goldberg ziemlich rasch klargemacht hatte, dass er seine Meinung besser für sich behielt.
»Ich kann neue Leute einstellen.«
»Sie haben bereits jetzt Personal, das zu viel Freizeit hat. Sie sind bestens ausgelastet, falls Sie nicht expandieren wollen.« Goldberg zögerte. »Ich würde Ihnen raten, sich endlich ein Gehalt zu zahlen. Bei dem Erlös, den die Bank macht, werden die Analysten unwillkürlich Fragen stellen, wenn Sie Ihre eigene Position nicht reglementieren.«
Will nickte. »Und was würde meine Position reglementieren? Ich glaube an Investment. Sie sind einer der Finanzchefs der Firma.« Er zuckte die Achseln. »Geben Sie mir einen Scheck über das kleinstmögliche Gehalt.«
»Das kleinstmögliche.«
Will nickte.
Der ältere Mann zögerte wieder, dann schrieb er einen Scheck aus. Er riss ihn vom Block und reichte ihn Will.
Er war über eine Million Dollar.
Zu diesem Zeitpunkt hielt Will es für viel, viel Geld.
Und der große Teil davon schien förmlich zu verpuffen. Die schnellen Autos, das Stadthaus in Brooklyn, das Penthouse an der Fifth, das Anwesen in den Hamptons. Die Designeranzüge, die aus London geliefert wurden. Und er trug antike Uhren und handgefertigte Schuhe. Nun war er in Bezug auf Frauen sehr viel wählerischer. Er wurde allmählich so reich, dass sie sich untereinander um ihn zankten. Und er war extrem vorsichtig. Niemand konnte ihn auf eine Vaterschaft verklagen. Und ganz sicher keine Ehe erzwingen.
Dazu hatte er keine Lust. Er hatte vor langer Zeit einen Fehler begangen, aber das würde ihm nicht noch einmal passieren. Nun wollte er Spaß, und mit Leidenschaft widmete er sich der Aufgabe, das Unternehmen aufzubauen, neue Abteilungen einzuführen und auszustatten und forensische Analysetechniken auf Firmenunterlagen, Gewinn- und Verlustrechnungen und Vorstandsmachenschaften anzuwenden. Jeder neue Deal, jeder neue Klient verschaffte ihm einen Kick. Die Frauen waren eine angenehme Abwechslung. Und er war großzügig.