Blutaxt - Robert Low - E-Book

Blutaxt E-Book

Robert Low

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Beschreibung

Hieb für Hieb, Mann für Mann

Irland, Insel Mann, A. D. 979. Ein Mann liegt im Sterben, mit brechender Stimme flüstert er letzte geheimnisvolle Worte. Seine Botschaft ist bestimmt für den norwegischen Prinzen Olaf Tryggvason, auch bekannt als Krähenfuß, der im Bund mit den Eingeschworenen steht: Er soll die Krone von Norwegen erlangen. Für die Wikinger beginnt eine gefahrvolle Reise. Im Kampf gegen mächtige Feinde bahnen sie sich ihren blutigen Weg. Als sie jedoch auf die unheimliche Gunnhild treffen, die Mutter der Hexen, scheint ihr Schicksal besiegelt ...

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Zum Buch

Irland, Insel Man, A. D. 979.

Ein Mann liegt im Sterben, mit brechender Stimme flüstert er letzte geheimnisvolle Worte. Seine Botschaft ist bestimmt für den norwegischen Prinzen Olaf Tryggvasson. Tryggvasson, genannt Krähenbein, ein junger Kampfgefährte der Eingeschworenen, ist mittlerweile zum Mann herangewachsen. Mithilfe der Wikinger unter ihrem Anführer Orm will er das ihm zustehende Erbe erstreiten: die Krone Norwegens. Denn Krähenbein ist ein Nachkomme von Eirik Blutaxt, dem zweiten König des Nordreichs. Für die Wikinger beginnt eine gefahrvolle Reise. Im Kampf gegen mächtige Feinde bahnen sie sich ihren blutigen Weg. Als sie jedoch auf Gunnhild treffen, die unheimliche Königsmutter, scheint ihr Schicksal besiegelt ...

Zum Autor

Robert Low ist Journalist und Autor. Mit 19 Jahren war er als Kriegsberichterstatter in Vietnam. Seitdem hat ihn sein Beruf in zahlreiche Krisengebiete der Welt geführt, unter anderem nach Sarajevo, Rumänien und Kosovo. Auf Wunsch seiner Frau und seiner Tochter hat er das Reisen mittlerweile aufgegeben. Um seine Abenteuerlust zu befriedigen, nimmt er regelmäßig an Nachstellungen von Wikingerschlachten teil. Robert Low lebt in Larges, Schottland– dem Ort, wo die Wikinger schließlich besiegt wurden.

Besuchen Sie den Autor im Internet unter www.robert-low.com

Lieferbare Titel

Raubzug – Runenschwert – Drachenboot – Rache

ROBERTLOW

Blutaxt

Die Eingeschworenen V

Roman

Aus dem Englischen

von Christine Naegele

WILHELMHEYNEVERLAG

MÜNCHEN

Die Originalausgabe Crowbone

erschien 2012 bei HarperCollins Publishers, London

Vollständige deutsche Erstausgabe 12/2013

Copyright ©2012 by Robert Low

Copyright ©2013 der deutschsprachigen Ausgabe

by Wilhelm Heyne Verlag, München,

in der Verlagsgruppe Random House GmbH

Redaktion: Heiko Arntz

Umschlaggestaltung: Nele Schütz Design unter Verwendung von iStockphoto

Satz: Buch-Werkstatt GmbH, Bad Aibling

ISBN: 978-3-641-11756-6

www.heyne.de

Für meine Frau Kate,

die dafür sorgt, dass ich den wahren Schatz

nie aus den Augen verliere

Im Griff ist Ruhm

Im Schaft ist Mut

In der Klinge ist Furcht

Lied von Helgi Hjörvarðsson

Finnmark, A. D. 981

Ihre Haut war bereits wächsern und schlaff und wirkte doch verstörend lebendig, denn das Schmelzwasser, ihre letzte Abkühlung, stand ihnen wie Schweiß im Gesicht. Schwarze und gelbe Blutergüsse, klaffende Wunden wie Münder ohne Lippen, schwarzes Blut, in der Kälte verkrustet.

Besonders eines der Gesichter schien alle anzusehen, die es betrachteten, eine verwirrte Frage in den gläsernen Augen. Die Hände auf den Bauch gepresst, hatten sich seine Finger in den struppigen Pelz verkrallt, den er trug, als wollte er die klaffende Wunde, aus der sich seine bläulichen Eingeweide drängten, mit aller Gewalt geschlossen halten. Sein Haar war wirr und verklebt und seine Nase voller Rotz.

Aber fürs Naseputzen ist es jetzt zu spät, dachte Krähenbein.

Sie waren eine zähe Rasse, diese kleinen dunklen Samen von den Schneebergen, vor denen sich selbst die Nordmänner von Gjesvaer fürchteten, die auf den Eisschollen des Nordens Wale, Walrosse und Eisbären jagten. Sie wussten, dass die Samen jemandem auflauern konnten, ohne dass er es merkte, bis er die Knochenspitze eines ihrer Pfeile im Herzen hatte.

Selbst im Zweikampf sind sie uns überlegen, dachte Krähenbein.

Nicht weit von hier lagen Männer, die Arme auf der Brust verschränkt, die Gesichter mit ihren Mänteln bedeckt. Männer, die Geschick und Verstand besessen hatten, deren Prahlerei und Gelächter nun verstummt war und die jetzt nur noch tote Kleiderbündel waren, aufgereiht wie frisch gefällte Baumstämme und in dieser Kälte ebenso steif.

Die Samen hatten sich schon oft mit diesen Jägern aus den Bergen eingelassen, doch noch nie zuvor waren so viele von ihnen gleichzeitig gefallen. Die Mannschaft ging stumm zwischen den Toten umher, nur ab und zu hörte man jemanden missmutig brummen. Hier und da kniete sich wohl auch einer hin, um zwischen Blut und zersplitterten Knochen etwas zu suchen. Insgesamt aber gaben sie sich große Mühe, diesen fremdartigen Kriegern mit ihren Tiermasken, von denen man sich furchterregende Geschichten erzählte, nicht zu viel Beachtung zu schenken.

Schließlich brach Murrough das Schweigen. Er war gerade damit beschäftigt, die große bärtige Dal-Cais-Axt mit einer der Ledermasken zu reinigen. Er sah auf einen der Toten herab und stieß ihn leicht mit dem Fuß an.

»Tja«, sagte er, »ich könnte wetten, den hier habe ich gestern umgebracht.«

Kapitel 1

Insel Man, A. D. 979

Die drei hatten in der nach Fisch stinkenden Keeill Schutz gesucht. Es war eng und die Kälte drang ihnen ins Mark– aber einen von ihnen kümmerte das nicht mehr, denn er lag im Sterben. Aber vielleicht, dachte Drostan, als er das gerötete Rattengesicht des Glaubensbruders ansah, der hier lebte, vielleicht kümmert es den Priester noch weniger als den Sterbenden.

»Ich bin erledigt, Bruder«, sagte Sueno. Seine Stimme war nur ein heiseres Flüstern, und sein Gesicht im trüben Licht der Tranlampe glänzte vor Schweiß.

»Unsinn«, log Drostan. »Wenn der Sturm morgen nachlässt, gehen wir zur Kirche von Holmtun und bitten dort um Hilfe.«

»Er schafft es nicht mehr«, sagte der rattengesichtige Priester mit verächtlicher Stimme, und Drostan drehte sich wütend um.

»Schweig!«, zischte er ihm zu. »Das sollte das Mindeste sein, was dir die christliche Nächstenliebe gebietet.«

Ein gurgelndes Geräusch, das ein Lachen oder ein Fluchen sein konnte, und plötzlich hatte er das Rattengesicht so dicht vor sich, dass er den Kopf zurückbiegen musste. Es war kein tröstendes Gesicht. Es war von strähnigem eisengrauen Haar umrahmt, und die Haut war so ausgetrocknet, dass sie an einen aufgerissenen, dürren Ackerboden erinnerte. Die wenigen Zähne standen ihm im Maul wie schwarze Runensteine.

»Die Nächstenliebe ist mir abhandengekommen«, nuschelte er, dann wurde sein Blick glasig, und er stand auf und kümmerte sich um das Feuer. Er ging gebeugt und humpelte stark. »Ich habe sie verloren«, sagte er und schüttelte den Kopf. »Draußen, im weißen Nichts. Dort liegt sie, eine Beute für Wölfe und Füchse und heidnische Trolle in Fellen… Aber nein, Gott wird sie schon beschützen. Ich werde sie wiederfinden. Gott wird sie beschützen.«

Erschrocken versuchte Drostan, seine Gedanken zu ordnen. Er kannte diesen Priester nur vom Hörensagen, und was er gehört hatte, war nicht sehr vertrauenerweckend gewesen. Leicht verrückt, hatte es geheißen. Ein Pfahlsitzer, der von seinem Pfahl gefallen war, hatten böse Zungen behauptet. Ein Fremdling, nicht von hier. Letzteres hatte Drostan bereits selbst erkannt, denn seine krächzende Sprache klang in der Tat merkwürdig.

»Gebe Gott, dass du sie bald wiederfindest, und deinen Frieden dazu, Bruder«, sagte Drostan und versuchte, trotz seiner zusammengebissenen Zähne so fromm wie möglich zu klingen.

Das Rattengesicht sah ihn an. »Ich bin nicht dein Bruder, Kuldeer«, sagte er höhnisch. »Ich bin aus Hammaburg. Ich bin ein wahrer Anhänger der wahren Kirche. Ich bin sowohl Priester als auch Mönch.«

»Ich bin lediglich ein einfacher Eremit der Cele Dei, genau wie diese arme Seele hier. Und doch sind wir alle hier vereint«, erwiderte Drostan gereizt. »Bruder.«

Der Regen fiel auf die Mauern, und die feuchte Luft von draußen brachte den Geruch nach Seetang mit, der sich mit dem Gestank der Tranlampe vermischte. Der Priester aus Hammaburg sah nach links, nach rechts und dann nach oben, als suche er Gott unter dem niedrigen Dach, dann grinste er sein schwarzes, zahnlückiges Grinsen.

»Dies ist keine große Halle«, gab er zu, »aber im Moment reicht es mir.«

»Wenn du keiner von uns bist«, hielt Drostan am Thema fest, während er versuchte, Sueno wärmer zuzudecken, »warum bist du dann hier?« Er lehnte sich zurück und wies mit einer Handbewegung in den Raum: ein Viereck, so lang und breit wie zweieinhalb große Männer, mit einem Dach, unter dem man kaum aufrecht stehen konnte. Es war das, was im Hochland von Man als Kapelle galt und wie sie Drostan und Sueno ebenfalls bewohnten. Sie brachten Gottes Wort der Cele Dei– der Kuldeer dieser Insel– zu allen, die sich einfanden, um es zu hören. Sie waren Cenobiten, Angehörige eines Mönchsordens, die in die Welt hinausgegangen waren und als Einsiedler lebten.

Dieser Mönch jedoch war ein richtiger Priester aus Hammaburg, ein geweihter Mann, der predigen, die Sakramente spenden und andere unterrichten durfte, gleichzeitig aber auch ein gottgefälliges Leben führte, denn er hatte die Gelübde abgelegt und lebte in der betrachtenden Anbetung Gottes. Doch es ärgerte Drostan, dass dieser merkwürdige Gottesmann behauptete, den einzig wahren Glauben zu vertreten– obwohl er den Glauben der Cele Dei nicht teilte und auch keine christliche Nächstenliebe zu kennen schien.

Drostan schluckte seinen Ärger herunter, denn er musste zugeben, dass der Priester recht hatte und Sueno tatsächlich im Sterben lag, und im Stillen bat er Gott um Verzeihung für seinen Hochmut.

»Ich warte auf ein Zeichen«, sagte der Priester aus Hammaburg schließlich. »Ich habe Gott beleidigt, und doch weiß ich, dass er noch nicht mit mir fertig ist. Ich warte auf ein Zeichen.«

Er setzte sich etwas bequemer hin, und Drostans Blick fiel auf seinen Fuß, an dem er weder Schuh noch Sandale trug, aber für diesen Fuß hätte man auch nicht leicht einen passenden Schuh gefunden. Die Hälfte fehlte, er hatte keine Zehen, und der Spann war eine einzige große Narbe. Es musste schmerzhaft sein, ohne Stock oder Krücke damit zu gehen, und Drostan überlegte, dass dies wohl ein Teil der Buße war, die dieser merkwürdige Priester sich auferlegt hatte, während er auf ein Zeichen wartete.

»Womit hast du Gott beleidigt?«, fragte er, mehr um das Gespräch in Gang zu halten als aus ehrlichem Interesse.

Einen Augenblick war es still, dann schien der Priester aus einem Traum zu erwachen.

»Ich habe sie verloren«, sagte er mit tonloser Stimme. »Sie war mir anvertraut worden, und ich habe sie verloren.«

»Die christliche Nächstenliebe?«, fragte Drostan, ohne ihn anzusehen, sodass er das zornige Glitzern in den Augen des Priesters nicht sah, die sich gleich darauf wieder trübten wie eine klare Wasserfläche, über der sich eine Wolke ausbreitet.

»Die habe ich schon vor langer Zeit verloren. Die haben mir die Dänen abgenommen. Ich hatte sie, und ich verlor sie.«

Drostan vergaß Sueno und sah überrascht den Gottesmann an.

»Die Dänen?«, sagte er und bekreuzigte sich. »Gesegnet sei dieses Wetter, Bruder, denn das hält uns die Dänen aus Dyfflin vom Hals.«

Der Priester aus Hammaburg machte sich plötzlich eifrig am Feuer zu schaffen, sodass es kurz aufflackerte, ehe das feuchte Holz die Oberhand gewann und es wieder nur qualmte.

»Ich hatte sie, draußen im Osten, in der Steppe des Gardarike«, fuhr er fort, als spreche er mit der Dunkelheit. »Ich habe sie verloren. Sie liegt dort und wartet. Und ich warte auf ein Zeichen von Gott, das mir sagt, ich hätte nun für meine Verfehlungen lange genug Buße getan und sei würdig, sie zurückzuholen. Erstens das– und dann müsste ich aber auch wissen, wo sie ist.«

Drostan war sprachlos. Er hatte zwar vom Gardarike gehört, dem Gebiet der Rus-Slawen, aber es war immer nur ein vager Ausdruck gewesen für etwas, das unvorstellbar weit entfernt liegt, so weit, dass es eigentlich ins Reich der Legende gehört– und hier war jemand, der dort gewesen war. Oder zumindest behauptete er es. Schließlich hatte Drostan gehört, dass dieser Einsiedler, dieser Mönch, nicht ganz richtig im Kopf sei.

Er beschloss, dem Priester gegenüber lieber schweigsam zu sein. Er würde ihm nicht erzählen, wie er Sueno bis hierher fast getragen hatte, nachdem er ihn besucht und krank vorgefunden hatte. Er wollte ihn eigentlich ins Tal zur Kirche bringen, wo er eine bessere Pflege hätte. Und Drostan würde ihm auch nicht erzählen, wie Gott sie hierhergeführt hatte, nachdem sie vom Gewitter überrascht worden waren. Denn da hatte Gott ihnen das Licht gezeigt, das sie hierher geführt hatte, an diesen Ort, der so von dem heiligen Mysterium durchdrungen war, dass man kaum atmen konnte.

Allerdings meldete sich in Drostan auch eine spöttische Stimme, die ihm zuflüsterte, dass es wohl eher der Holzrauch und die Tranlampe waren, die das Atmen so mühsam machten. Er musste unwillkürlich grinsen, denn die spöttischen Gedanken passten besser zu Sueno als zu ihm. Es hatte eine Weile gedauert, bis Sueno und er festgestellt hatten, dass lediglich ein paar Meilen Ginster zwischen ihnen lagen. Bis dahin hatte jeder für sich sein abgeschiedenes Einsiedlerleben geführt, und Drostan hatte seinen eigenen Glauben nie infrage gestellt.

Die Zweifel und die Fragen waren erst gekommen, als sie angefangen hatten, sich zu besuchen und Streitgespräche zu führen, denn das schien dem älteren Sueno ein Anliegen zu sein. Und obwohl Drostan sich fragte, warum Sueno die Lebensweise der Kuldeer hier oben auf den einsamen, windigen Hügeln gewählt hatte, hatte er doch nie bedauert, ihn kennengelernt zu haben.

Es war still, nur der Regen prasselte, und der Wind pfiff und heulte durch die dürftig abgedichteten Mauern. Er wusste, der Priester aus Hammaburg hatte recht und Sueno, dieser aufmüpfige alte Mönch, war im Begriff, vor Gott zu treten, um gerichtet zu werden. Leise betete er um Gnade für seinen Freund.

Der Priester aus Hammaburg saß da und brütete vor sich hin, er wusste, dass er schon zu viel gesagt hatte, aber andererseits auch nicht genug, denn er hatte schon lange mit niemandem mehr gesprochen, und selbst jetzt war er sich nicht ganz sicher, ob diese beiden Kuldeer wirklich existierten.

Einen Moment lang war es ihm sehr merkwürdig vorgekommen, als die beiden bei Wind und Regen zu ihm hereingestolpert kamen, und das hatte nichts mit ihrer Ankunft zu tun– er war es gewohnt, mit Geistern zu sprechen. Einige, das wusste er, waren schon lange tot: Starkad, der ihn auf allen Flüssen des Gardarike und bis ins Heilige Land gejagt hatte, bis er von seinen eigenen Leuten abgeschlachtet worden war. Einar der Schwarze, Anführer der Eingeschworenen– ein Mann, den der Priester aus Hammaburg so sehr hasste, dass er sich auf seine Auferstehung freute, nur um ihn erneut sterben zu sehen. Und Orm, ihr neuer Anführer, der in den Augen Gottes nicht weniger verdammt war.

Nein. Das merkwürdige Gefühl hatte sich eingestellt, als der, der Drostan hieß, sich vorgestellt und dann ebenfalls auf einen Namen gewartet hatte. Und der Priester aus Hammaburg war überrascht gewesen, weil er sich nicht mehr erinnern konnte, wie er hieß. Er fürchtete sich. So etwas sollte man nicht verlieren, wie man andere Dinge verlor. Christliche Nächstenliebe. Vor langer Zeit an die dänischen Eingeschworenen verloren, dort draußen im weißen Nichts, wo die heilige Lanze noch immer zwischen Fuchsscheiße im Steppengras lag. Wenigstens hoffte er, dass sie noch dort war, dass Gott sie dort sicher bewahrte, bis jemand sie zurückbrachte.

Und dieser Jemand bin ich, dachte er. Martin. Durch seine faulen Zahnstummel murmelte er es vor sich hin. Ich heiße Martin. Mein Name bedeutet Schmerz.

Gegen Morgen wachte Sueno auf, und sein Husten riss die beiden anderen aus dem Schlaf. Drostan spürte, wie eine harte Klaue seinen Unterarm ergriff. Sueno richtete sich mühsam auf.

»Ich bin am Ende«, sagte er, und diesmal sagte Drostan nichts, und Sueno nickte zufrieden.

»Gut«, sagte er zwischen rasselnden Atemzügen. »Jetzt wirst du hoffentlich besser zuhören, denn dies sind die Worte eines Sterbenden.«

»Bruder, ich bin nur ein Mönch. Ich kann dir nicht die Beichte abnehmen. Hier ist ein richtiger Priester…«

»Sei still. Haben wir nicht beide da oben in den Bergen diese Trennlinie ignoriert, wenn arme Seelen in der Hoffnung auf Absolution zu uns kamen? Und hätte es für sie einen Unterschied bedeutet? Nein. Sie hätten ihre Beichte genauso gut vor einem Baum oder einem Felsen ablegen können. Und mir ist es auch einerlei. Hör zu, denn ich habe nicht mehr lange. Ich frage mich nur, ob ich in Gottes Halle komme oder in Hels?«

Seine Stimme war schwach. Drostan war jetzt hellwach und tätschelte dem Freund beruhigend den Arm.

»Für dich wird es kein Höllenfeuer geben, Bruder«, sagte er voller Überzeugung, und der alte Mönch lachte, was einen heftigen Hustenanfall auslöste.

»Egal, welche Götter mich schließlich aufnehmen«, sagte er, »auf jeden Fall ist dies ein sinnloser Tod.«

Das war ein klares Bekenntnis zu den Heidengöttern, und Drostan hatte Mühe, ruhig zu bleiben. Sueno winkte ab.

»Mein Name, Sueno, ist das, was diese Leute hier aus Sven gemacht haben«, sagte er. »Ich komme aus Venheim am Eidfjord, obwohl es dort niemanden mehr gibt, der sich an mich erinnert. Ich bin mit Eirik nach Jorvik gekommen. Ich habe Odins Tochter für ihn getragen.«

Sueno schwieg und versuchte wieder, sich aufzurichten, seine Hand umklammerte Drostans Arm.

»Versprich mir eines, Drostan, als Bruder in Christo und im Namen Gottes«, zischte er. »Versprich mir, dass du den Yngling-Erben aufsuchen und ihm sagen wirst, was ich dir jetzt sage.«

Er fiel zurück und murmelte. Drostan wischte ihm mit zitternder Hand den Speichel vom Gesicht, tief verunsichert über das, was er soeben gehört hatte. Odins Tochter? Das war offenes Heidentum, so klar wie Wasser im Sonnenschein.

»Schwöre, in Christi Namen, Bruder. Schwöre, wenn du mich liebst…«

»Ich schwöre, ich schwöre«, sagte Drostan hastig, schon um den Alten zum Schweigen zu bringen. Die Scham für diesen Gedanken überrieselte ihn heiß, und er versuchte, sie wegzubeten.

»Genug davon«, knurrte Sueno. »Ich habe in den dreißig Jahren, seit sie mich aus Stainmore mitgeschleppt haben, genug salbadernde Heuchler gehört. Diese verräterischen Arschlöcher. Diese verfluchten Mistkerle in Asgard haben uns verlassen…«

Er schwieg. Der Wind und das Prasseln des Regens drangen durch die Ritzen in der Mauer und verstärkten Holzrauch und Trangestank, sodass man fast erstickte. Sueno atmete wie ein kaputter Blasebalg. Dann holte er tief Luft und sprach.

»Geh mit dieser Nachricht nicht zur Königinmutter. Nicht zu Gunhild, Eiriks Hexenweib. Nein, auf keinen Fall zu ihr. Sie stammt nicht aus dem Geschlecht, und keiner von Eiriks Söhnen, die dem Miststück noch geblieben sind, verdient es, Odins Tochter zu heiraten… Das hat Asgard klar bekundet, als die Götter sich in Stainmore von uns abwandten.«

Drostan bekreuzigte sich. Ihm war schleierhaft, wovon Sueno da genau redete, aber er erkannte, dass jedes seiner Worte vor heidnischem Glauben nur so triefte.

»Geh mit dem, was ich dir sage, zu dem Jungen, wenn er noch am Leben ist«, keuchte Sueno mit schwacher Stimme. »Harald Schönhaars Verwandter. Die wahre Linie der norwegischen Könige. Tryggves Sohn. Ich bin sicher, dass er lebt, das habe ich selbst hier in dieser Wildnis gehört. Geh zu ihm. Schwöre mir…«

»Ich schwöre«, sagte Drostan leise, er erschrak, als jetzt zwischen Suenos aufgeplatzten Lippen Blut heraussickerte.

»Gut«, sagte Sueno. »Jetzt hör gut zu. Ich weiß, wo Odins Tochter liegt…«

Martin aus Hammaburg saß vergessen im Dunkel und lauschte. Selbst der ewige Phantomschmerz in seinen nicht mehr vorhandenen Zehen– eindeutig ein Teil der Buße, die Gott ihm auferlegt hatte– war vergessen, als er in dem dringenden, heiseren Geflüster des alten Mönchs die Stimme Gottes erkannte.

Es war ein Zeichen, so gewiss wie das Feuer der Hölle. Nach dieser langen Zeit, in einer erbärmlichen, mit Lehm und Hoffnung verschmierten Steinhütte, deren Dach so niedrig war, dass selbst die Ratten sich bücken mussten– ein Zeichen. In ekstatischer Verzückung schlang Martin die Arme um sich. Er spürte, wie ihm aus dem ungläubig geöffneten Mund der Sabber lief, machte aber keinen Versuch, ihn abzuwischen… Doch schließlich stellte sich der Schmerz in seinem Fuß wieder ein, ganz langsam, so wie damals, als er nach seiner Rettung in der gefrorenen Steppe wieder aufgetaut war.

Ein grausamer, ewiger Schmerz, den Martin seit Jahren akzeptiert hatte, denn jeder qualvolle Stich erinnerte ihn an seine Feinde, an Orm, den Bärentöter, den Anführer der Eingeschworenen, und an Finn, der sich vor nichts fürchtete– und an Krähenbein, den Nachfahren von Harald Schönhaar aus der Yngling-Dynastie, den wahren Prinzen von Norwegen. Tryggves Sohn.

Dies war eine Möglichkeit, dachte er, wie Gott sein Urteil verkündete, damit das verloren Gegangene wiedergefunden würde und alle bestraft würden, die sich Seinem Willen entgegenstellten. Jetzt wurde ihm auch der Sinn der drei Goldmünzen klar, die der Herrscher von Kiew ihm einst geschenkt hatte und die er nie ausgegeben hatte. Er warf einen Blick auf den Stein, unter dem er sie versteckt hatte. Ein guter, solider Stein, der in eine Hand passte.

Und als der alte Mönch zum letzten Mal Blut gehustet hatte, wusste Martin, wie er es machen würde.

Hammaburg, einige Monate später

Man sagte, es sei eine atemberaubende Stadt, voller Rauch und mit Hunderten von Höfen, die sich am schlammigen Ufer dahinzogen und sich weit ins Hinterland ausdehnten. Hunderte von Schiffen waren entlang der Landestege an Pfählen angebunden oder am Ufer hochgezogen, wo es von Menschen wimmelte wie in einem Ameisenhaufen. Es gab Lagerhäuser, Wagen, Packpferde, und es herrschte ein ohrenbetäubender Lärm aus Schmiedehämmern, quietschenden Wagenrädern und schreienden Fischfrauen, die den kreischenden Möwen so ähnelten wie Schwestern.

Über allem dröhnte die große Holzglocke der Christenkirche– der Stolz von Hammaburg. Dort saß der Hauptpriester der Christen, der sich Bischof nannte und fast so wichtig war wie der Anführer der Christenpriester, der Papst, wenn Krähenbein richtig gehört hatte.

Mit der ganzen Arroganz des Weitgereisten hatte Krähenbein trotz seiner kaum siebzehn Jahre seine Männer mit abschätzigen Blicken bedacht, weil sie aus dem Staunen über die Stadt Hammaburg gar nicht wieder herauskamen– schließlich hatte er die Große Stadt namens Konstantinopel gesehen, die man hier Miklagard nannte und von der man mit so ehrfürchtiger Stimme sprach wie von Legenden. Doch Krähenbein war dort gewesen, er war wie im Traum in der Nachmittagshitze auf den Terrassen herumgeschlendert, wo Blumen in verschwenderischer Fülle blühten und kühle Fontänen spielten, ein Geschenk Ägirs, des Wassergottes.

Er war in der Umgebung der Hagia Sophia gewesen, diesem riesigen Skaldengedicht aus Stein, gegen das der Dom von Hammaburg nichts weiter als ein besseres Bootshaus war. Sämtliche Straßen zur Hagia Sophia waren mit runden grauen Steinen gepflastert gewesen, erinnerte Krähenbein sich, mit farbigen Kieseln dazwischen, und Tauben, die zu faul waren, um zu fliegen, liefen den Passanten zwischen den Füßen herum.

Hier in Hammaburg gab es Priester in braunen Kutten, die an Glocken schlugen und ihre Sprechgesänge rezitierten, denn hier war man ganz versessen auf den weißen Christus, so sehr, dass die Dänen Bischof Ansgar, den Apostel des Nordens, schließlich satthatten und ihm das Dach über dem Kopf anzündeten, ehe sie auf dem Fluss weitergefahren waren. Aber das war vor mehr als hundert Jahren geschehen, sodass es kaum noch Spuren dieser Gewalttaten gab, und Krähenbein hatte gehört, dass die Priester von Hammaburg trotzdem weiterhin im Norden missionierten– unaufhaltsam wie ein Felsbrocken, der bergab rollt.

Der Eifer dieser Mönche mit ihren rasierten Köpfen beeindruckte Krähenbein nicht sonderlich, denn er wusste, wenn man die Macht des weißen Christus wirklich spüren wollte, dann musste man nach Miklagard gehen, denn Miklagard war der Nabel der Welt, der richtige Ort dafür. Die bärtigen Priester der Großen Stadt saßen auf den Mauern und an den Straßenecken, sogar auf Säulen saßen sie und predigten ihren Glauben und stritten miteinander. In Miklagard, so schien es Krähenbein, war jeder ein Priester. Manche Tempel dort hatten vergoldete Kuppeln, doch manchmal genügten auch vier weiße Wände und ein einfaches Dach mit einem Kreuz darauf.

In Miklagard war es unmöglich, ein Brot zu kaufen, ohne vom Bäcker eine Predigt über seinen Gott zu hören zu bekommen. Sogar Huren ließen sich, während sie ihr Hemd schürzten, in Streitgespräche darüber ein, wie viele Christen-Walküren auf einer Nadelspitze Platz haben. Huren hatte Krähenbein zum ersten Mal in der Großen Stadt kennengelernt.

Die Huren in Hammaburg dachten nur an Geld. Hier hing der Seenebel dick wie nasse Seide in der Luft, und die Christus-Anhänger schwitzten und stöhnten und lagen auf den Knien, ängstlich bemüht, ihren Gott zu beschwichtigen, denn die Erde hatte gebebt, und einige angelsächsische Mönche hatten steif und fest behauptet, ein feuriger Drache sei über Land gegangen– ein sicheres Zeichen, dass das Ende der Welt bevorstehe, wie ein alter Seher es prophezeit hatte, nämlich tausend Jahre nach der Geburt ihres gemarterten Gottes. Die Zeit wurde knapp, jedenfalls schien es so.

Krähenbeins Männer pflegten darüber zu lachen, die meisten von ihnen waren ehrliche, slawische Rus und aßen Pferdefleisch, was sie in den Augen guter Christen zu Heiden machte. Doch sie alle wussten, falls tatsächlich Ragnarök, die Zeit des Zwielichts, angebrochen war, dann konnten alle Glocken und Gesänge der Christen nichts dagegen ausrichten. Denn auf den Weltuntergang hatten die Götter keinen Einfluss, und es war ihr Wyrd, zusammen mit allen Menschen zu sterben.

Harek, der den Beinamen Gjallandi trug, erklärte oft und gern, dass kein Betteln und Beten Loki davon abhalten würde, die Erde erbeben zu lassen und nach seiner Frau zu rufen, sie solle sich beeilen und die Schüssel bringen, damit das Gift der Weltenschlange nicht weiter auf sein Gesicht tropfe. Und er erklärte es mit gellender Stimme, wie es von einem Skalden mit dem Beinamen »der Schreier« nicht anders zu erwarten war, und alles seufzte, sobald er den Mund aufmachte.

Selbst wenn die Männer aus dem Norden die wahren Zusammenhänge kannten, verursachte es ihnen doch eine Gänsehaut, wenn Loki die Erde erbeben ließ. Vielleicht spürten sie, dass keine Macht und kein Glaube sie vor dem Untergang schützte.

Krähenbein hingegen fand die Überheblichkeit dieser Christus-Anhänger einfach ungeheuerlich. Sie glaubten tatsächlich, dass mit der Geburt ihres Gottessohnes die letzten tausend Jahre der Welt angebrochen seien. Nach ihrer Rechnung waren es bis dahin gerade noch zwanzig Jahre. Dann würden Christenkinder, die jetzt geboren wurden, junge Männer sein, und ihre Eltern würden aus ihren Gräbern auferstehen, und alle würden gerichtet werden.

Krähenbeins Laune hob sich nicht gerade bei diesem Gedanken, denn er kannte die Launen der Götter nur zu gut. Sein ganzes Leben stand auf Messers Schneide. Der nächste Moment konnte ihn entweder ins Verderben stürzen oder auf den Thron heben, auf den er Anspruch hatte. Doch seit Prinz Wladimir von Kiew sich von ihm abgewandt hatte, schien es wohl eher aufs Verderben hinauszulaufen.

»Du hättest seinen Bruder eben nicht erschlagen sollen«, knurrte Finn Rosskopf, als er zusammen mit Jarl Orm in Krähenbeins Hov angekommen war und dieser über seine düsteren Vorahnungen sprach.

Krähenbein starrte den Mann an, der eisengrau und faltig war wie ein Walrossbulle. Aber der Mann hielt seinem vernichtenden Blick spielend stand. Schließlich war dies Finn Rosskopf, der Mann, der sich vor nichts fürchtete.

»Jaropolk musste sterben«, murmelte Krähenbein. »Wie können denn zwei Prinzen ein Land regieren? Bei Odins Knochen– hatten wir nicht gerade mit dem Mann um die Entscheidung gekämpft, wer in Kiew herrschen sollte? Wladimirs Arsch hätte nicht lange auf dem Thron gesessen, wenn sein Bruder Jaropolk am Leben geblieben wäre.«

Er wusste auch, dass Wladimir dies ebenso sah, trotz aller Drohungen und des hochmütigen Gehabes, mit dem er von Ehre und verletzter Waffenruhe sprach– ach, bei Odins Arsch, und das von einem Mann, der sich gerade eine Frau beschafft hatte, indem er die Festung ihres Vaters gestürmt und die Tochter kurzerhand entführt hatte. Jaropolk, der Bruder und Rivale, musste sterben, sonst wäre er eine ewige Bedrohung gewesen, Waffenruhe hin oder her.

Doch das alles half nicht, Wladimir zu besänftigen. Er hatte sich offiziell von seinem Freund abgewandt.

»Stimmt, sie haben gekämpft«, erwiderte Orm und trat aus dem Schatten hervor. »Aber am Ende war es zu einer Verständigung unter Brüdern gekommen– und ausgerechnet da musst du Jaropolk mit der Axt vor den Kopf schlagen.«

Das war doch alles nur Schau, dachte Krähenbein. In Wirklichkeit war Wladimir doch froh, dass sein Bruder tot war, und wenn Krähenbein das Problem nicht gelöst hätte, dann hätte er wahrscheinlich selbst eine Möglichkeit gefunden, um Jaropolk aus dem Weg zu räumen.

Der eigentliche Grund für Wladimirs Zorn war, dass Krähenbeins Name inzwischen ebenso berühmt war wie der Wladimirs– und dieser Zustand konnte nicht länger hingenommen werden. Es war nichts weiter als ein taktischer Schachzug.

Krähenbein ließ seinen finsteren Blick zum Bärentöter wandern. Er war inzwischen ebenfalls eine Legende, dieser Jarl der Eingeschworenen, und Krähenbein war einer von ihnen und damit war Orm sein Jarl, und er gab sich alle Mühe, sich nicht zu sehr darüber zu ärgern. Er stand hoch in Orms Schuld, nicht zuletzt wegen seiner Befreiung aus der Sklaverei.

Das war nun acht Jahre her. Der Junge, den Orm gerettet hatte, war ein hochgewachsener, schlanker Jüngling geworden. Er hatte breite Schultern, lange flachsblonde Zöpfe, schwer von eingeflochtenen Münzen und Silberringen, und trug zumindest den Anfang eines ernst zu nehmenden Bartes. Doch die verschiedenfarbigen Augen– das eine blaugrün wie ein Eisberg, das andere braun wie eine Haselnuss– leuchteten wild wie eh und je, und seine Lippen neigten noch immer dazu, sich zu einem Schmollmund zu verziehen, wie damals, als er noch ein Kind war.

»Wladimir könnte mit diesem Bruder, wenn er noch lebte, genauso wenig regieren, wie ich Silber furzen kann«, sagte Krähenbein, und sein Schmollmund verschwand ebenso schnell, wie er gekommen war. »Wenn er erst mal Zeit hat, darüber nachzudenken, wird er mir danken.«

»O ja, natürlich dankt er dir«, entgegnete Finn, »nur mit dem Verzeihen hat er Schwierigkeiten.«

Krähenbein ignorierte den gut gelaunten Finn, der offenbar Spaß an diesem Streit unter Prinzen hatte. Stattdessen betrachtete er Orm. Er sah die tiefen Furchen um den Mund, die auch der sauber gestutzte Bart nicht verbergen konnte, genau wie die Stirnzöpfe weder die Fältchen in den Augenwinkeln noch die Narbe versteckten, die sich über den Augenbrauen hinzog. Die Nase hatte einen deutlichen Schlag zur Seite, und die Wangen waren von Pockennarben übersät. An der linken Hand fehlten zwei Finger, und er hinkte noch stärker als im Jahr zuvor.

Das Leben hatte ihm hart mitgespielt, das wusste Krähenbein, und wer die Runenzeichen dieser Verletzungen lesen konnte, kannte auch die Geschichte des Mannes und der Eingeschworenen, die er anführte.

Im Gegensatz zu Finn zeigten sich bei Orm noch keine grauen Haare, aber auch er war schon alt, gewiss über dreißig Jahre, und die Reise von Känugard– Kyjiw oder Kiew, wie die Rus sagten– über eine Ostsee, die stellenweise noch zugefroren war, war mühsam für die beiden gewesen. Und noch schlimmer war es, dass sie ihr Schiff in Hedeby gelassen hatten und über das Danewerk nach Hammaburg reiten mussten, was Finn immer noch schmerzhaft zusammenzucken ließ, sobald er sich irgendwo hinsetzte.

»Hat euch womöglich der neue Fürst von Kiew geschickt?«, fragte Krähenbein mit einem Blick auf das Kästchen, das Orm feierlich hereingetragen und vor ihn auf den Tisch gestellt hatte. Es war voller Silber. Hacksilber und frisch gemünztes Geld mit seinem vollen Gewicht. »Will er damit vielleicht andeuten, dass ihm seine Drohung leidtut, mich zu pfählen? Ist er gar dankbar dafür, dass ich ihm auf den Thron von Kiew geholfen und seinen Rivalen beseitigt habe?«

»Wohl eher nicht«, sagte Orm trocken und ignorierte Krähenbeins erneute Empörung.

»Du bist schon immer mit der Axt schnell bei der Hand gewesen, mein Junge«, fügte Finn hinzu, und jetzt war in seiner Stimme kein Spott mehr. »Ich habe dich immer gewarnt, dass du dich damit eines Tages in Schwierigkeiten bringen würdest. Und dies ist schon das zweite Mal, dass du den jungen Wladimir damit verärgert hast.«

Beim ersten Mal war Krähenbein neun Jahre alt gewesen und frisch der Sklaverei entkommen. Er hatte seinen ehemaligen Besitzer auf dem belebten Marktplatz von Kiew entdeckt und ihm mit der Axt vor den Kopf geschlagen, ehe irgendwer überhaupt begriff, was geschehen war. Es hatte die Eingeschworenen in größte Gefahr gebracht, und weder Orm noch Finn würden es ihm jemals vergessen, und das wusste Krähenbein.

»Ja, wem gehört dieses Silber dann?«, wollte Krähenbein wissen.

Orm sah ihn an und zuckte nur die Schultern.

»Ich habe immer noch ein paar Mondschein-Begräbnisse«, sagte er leichthin. »Also habe ich dir das da mitgebracht.«

Krähenbein antwortete nicht. Silber, bei Mondschein vergraben, war eine Verschwendung. Silber war für Schiffe und Besatzungen, und nach Krähenbeins Einschätzung würde es davon nie genug auf der Welt geben, um seinen Ehrgeiz zu befriedigen.

Er wusste aber auch, dass Orm Bärentöter da anders dachte. Orm hatte Odins Gunst erfahren und den größten Silberschatz erbeutet, den man je gesehen hatte. Das war einer der grausamsten Scherze, den sich je ein Gott ausgedacht hatte, denn was hatten die Eingeschworenen damit gemacht, nachdem sie ihn aus Attilas Grabhügel ans Tageslicht befördert hatten? Sie hatten es wieder vergraben und sich fortan Sorgen um ihren Besitz gemacht.

Doch Krähenbein verdankte Orm sein Leben, deshalb sagte er ihm nie das, was er in seinem Herzen dachte– nämlich, dass Orm nicht aus der Dynastie der Yngling-Könige stammte, aber dass er, Olaf, der Sohn von Tryggve, mit Beinamen Krähenbein, das Blut dieses Geschlechts in seinen Adern hatte. Und deshalb würde es immer einen Unterschied zwischen ihnen geben: Orm, der Bärentöter, würde immer der kleine Jarl bleiben, während OlafTryggvasson eines Tages König von Norwegen sein würde, und vielleicht sogar noch mehr.

Trotzdem, dachte Krähenbein mürrisch, Asgard ist wahrscheinlich leicht verärgert, weil ich Jaropolk erschlagen habe, vielleicht war auch der Zeitpunkt schlecht gewählt. Und wahrscheinlich war Orm mehr als nur leicht verärgert, sondern wütend. Er hatte sich mit nur wenigen Begleitern auf eine lange, gefahrvolle Reise begeben. Schließlich hatte der alte Harald Blauzahn, der Herrscher über die Dänen, allen Grund, eine tiefe Abneigung gegen die Eingeschworenen zu hegen. Und die Stadt Hammaburg gehörte Ottos Sachsen, und die waren ebenfalls keine Freunde von Jarl Orm.

»Im Moment ist es nicht besonders gefährlich für uns«, sagte Orm leichthin, als Krähenbein das erwähnte. »Otto ist nach Süden ins Land der Langobarden gezogen, wo er sich mit Pandulf Eisenkopf streitet. Und Blauzahn ist vollauf damit beschäftigt, für riesige Geldsummen Festungen zu bauen, deren Sinn sich mir nicht erschließt.«

Um seine Macht zu demonstrieren, dachte Krähenbein, und um einen neuen Krieg mit Otto vorzubereiten. Als König weiß man so etwas. Ein richtiger Jarl würde das wissen, genauso wie man weiß, dass eine geriffelte Wasseroberfläche vom Wind gemacht wird, den man ja auch nicht sehen kann– aber er biss sich auf die Zunge und sagte nichts. Stattdessen stellte er die nächstliegende Frage.

»Möchtest du, dass ich jemanden suche, der meinen Platz einnimmt?«

Es klang schroffer als beabsichtigt. Orm sollte nicht denken, er habe Angst. Denn die einzig sichere Art, die Eingeschworenen zu verlassen, war, dass man einen Ersatzmann fand, der bereit war, den Schwur abzulegen. Es gab noch zwei andere Wege– der eine war, zu sterben, der andere, Odins Zorn auf sich zu laden, was auf dasselbe herauskam.

»Nein«, erklärte Orm mit einem Lächeln. »Und dies hier ist auch kein Geschenk. Ich bin dein Jarl. Ich bin zu dem Schluss gekommen, dass wir ein zweites Langschiff brauchen und dass du es befehligen sollst. Mit diesem Silber sollst du ein geeignetes Schiff kaufen. Du hast Männer aus Nowgorod mitgebracht, und damit hast du schon den Grundstock für eine Mannschaft.«

Krähenbein schwieg. Der Wind blies vom Meer und rüttelte an den losen Fensterläden. Finn beobachtete die beiden. Das war eine wirklich kluge Entscheidung, denn auf einem Langschiff war auf Dauer nicht genug Platz für zwei Männer wie Orm und Krähenbein. Andererseits war es für beide von Vorteil, wenn Krähenbein weiterhin bei den Eingeschworenen blieb. Und die Weite der Meere würde dafür sorgen, dass die beiden sich nicht an die Gurgel gingen.

Krähenbein verstand es und nickte, und Finn sah, wie die gefurchten Stirnen sich glätteten, und spürte förmlich, wie sich bei beiden die Nackenhaare wieder legten. Er grinste, dann knurrte er wie ein Walross, das sich genüsslich kratzt.

»Wohin gehst du von hier?«, wollte Krähenbein wissen.

»Zurück nach Känugard«, erklärte Orm. »Dann in die Große Stadt. Ich habe dort Verschiedenes zu erledigen. Und du?«

Soweit hatte Krähenbein noch gar nicht gedacht. Er hatte sich bisher voll und ganz für Wladimir eingesetzt, um diesem Prinzen zu seinem rechtmäßigen Erbe zu verhelfen, sodass er noch keine anderen Pläne gemacht hatte. Vier Jahre hatte er bei Wladimir verbracht, der für ihn wie ein Bruder gewesen war… Er schluckte seinen Ärger über die Undankbarkeit des neuen Fürsten von Kiew hinunter, aber fast wäre er daran erstickt.

»Ach ja, richtig«, sagte Orm schließlich, »ich habe doch noch eine Art Geschenk für dich. Ein Händler namens Hoskuld, den ich kenne, kam und fragte nach dir. Er behauptet, er komme von der Insel Man mit einer Botschaft von einem Christenmönch dort, der Drostan heißt.«

Krähenbein legte den Kopf auf die Seite und wartete.

Orm zuckte die Schultern. »Ich glaube nicht, dass du diesen Mönch kennst. Hoskuld sagt, es ist einer von denen, die ganz allein in der Wildnis leben und nicht ganz richtig im Kopf sind. Ich habe nicht begriffen, worum es ging. Hoskuld meint, die Botschaft des Priesters bestehe aus einem Namen. Sven Kolbeinsson. Und einem Geheimnis, das für Tryggves Sohn, den Nachfahr von Harald Schönhaar, von großer Wichtigkeit sei.«

Krähenbein sah von Orm zu Finn.

»Daraus werde ich auch nicht schlau. Weder der Mönch noch der Name sagen mir irgendwas, wenn ich auch zugeben muss, dass die Botschaft mich neugierig macht. Aber deswegen nach der Insel Man reisen…?«

»Hoskuld nimmt dich mit«, fiel Orm ihm ins Wort. »Du brauchst nicht zu warten, bis du ein anständiges Schiff und eine Mannschaft hast«, fuhr er fort. »Du hast sechs Leute, und Hoskuld kann neun mitnehmen und hat trotzdem noch Platz für eine kleine Ladung. Also wird er mit dem, was du ihm von dem Silber dafür gibst, einen guten Gewinn machen. Vielleicht geht Murrough mit dir. Er kommt von dort und wird dir nützlich sein. Und wenn du willst, kannst du Onund Hnufa auch haben. Es könnte sein, dass du einen geschickten Schiffbauer brauchst.«

Jetzt war Krähenbein überrascht. Diese beiden Gefährten waren mit Orm und Finn gekommen und waren für jede Schiffsbesatzung von unschätzbarem Wert. Murrough mac Mael mac Buadhach war ein riesenhafter rothaariger Ire mit einer Axt und immer gut gelaunt. Onund Hnufa war das genaue Gegenteil, ein wortkarger Alter, der aus zwei gekrümmten Stöcken ein Schiff bauen konnte, aber er war aus Island, wo man mit Prinzen nichts im Sinn hatte, besonders wenn sie aus Norwegen kamen. Und er war für gewöhnlich so freundlich wie ein Bär, den man aus dem Winterschlaf aufgeweckt hat.

»Der eine ist dein bester Axtkämpfer. Und der andere ist dein Schiffbauer«, gab er zu bedenken, und Orm nickte.

»Richtig. Aber wir werden draußen im Grasmeer sein«, erwiderte er, »wo wir mit Pferdetrollen kämpfen und wo es weit und breit kein Wasser und kein Schiff gibt. Murrough möchte gern Irland wiedersehen, ehe er zu alt für große Reisen ist, und du fährst dorthin. Und Onund liebt den Horizont auch nur vom Meer aus, also wird er vielleicht froh sein, wenn er wieder auf ein Schiff kommt.«

Er sah Krähenbein lange und eindringlich an.

»Andererseits tut er es vielleicht auch nicht. Denn er hält nicht viel von dir, Prinz von Norwegen.«

Krähenbein dachte nach und nickte. Sie ergriffen ihre Handgelenke. Eine gespannte Stille trat ein, bis Orm sich schließlich räusperte.

»Geh und werde König von Norwegen«, sagte er endlich. »Wenn du die Eingeschworenen brauchst, dann schick uns eine Nachricht.«

Ehe er und Finn in die regennasse Nacht hinaustraten, drehte Orm sich noch einmal um. »Und sorge dafür, dass Prinz Olafs Ruhm auch weiterhin hell erstrahlt.«

Krähenbein starrte noch lange auf die geschlossene Tür, ohne etwas zu sehen, und die Worte hallten in seinem Kopf nach. Sorge dafür, dass Prinz Olafs Ruhm auch weiterhin hell erstrahlt– und damit der Ruhm der Eingeschworenen, denn das eine war nicht ohne das andere zu haben.

Bis jetzt, sagte Krähenbein zu sich selbst.

Seine Finger spielten mit dem Silber, er betrachtete die Münzen, silberne Dirham aus Serkland, einige intakte Münzen aus der Ewigen Stadt, verbogene Ringe und Ohrgehänge, Hacksilber, Teile von kleinen Barren. Ein seltsam geformtes Teil war dabei, das vielleicht zu einer Tasse gehört haben mochte.

Verfluchtes Silber, dachte Krähenbein fröstelnd, falls es aus Orms Schatz stammte, der aus Attilas Grab kam. Davor hatten die Wälsungen es gehabt, denen Sigurd es gebracht hatte, der den Drachen Fafner getötet hatte, um es zu rauben. Die Geschichte dieses Reichtums war lang und blutig.

Der Schatz hatte Orm wenig Glück gebracht, dachte Krähenbein. Er war überrascht gewesen, als Orm sagte, er wolle nach Kiew zurückkehren, denn der Jarl hatte sich lange in den Gebieten des baltischen Meeres aufgehalten, wo er Thorgunna, seine Frau, gesucht hatte.

Krähenbein hatte gehört, dass sie ihren Mann verlassen und den Göttern von Asgard abgeschworen habe und einem Christenpriester gefolgt sei, um eine dieser heiligen Frauen zu werden, eine Nonne.

Auch das war ein Teil des Fluchs gewesen, der Orm zusammen mit Attilas Silber verfolgt hatte. Das andere war der Verlust seines Kindes gewesen, das verkrüppelt geboren und ausgesetzt worden war– eine Tat, die Thorgunna verzweifeln ließ, sodass sie mit ihrem alten Leben gebrochen hatte– und der Tod des Pflegesohnes, der Orm anvertraut und zufällig der Sohn von Jarl Brand gewesen war, der wiederum Orm das Anwesen von Hestreng zum Geschenk gemacht hatte.

Innerhalb eines Jahres, dem Jahr, nachdem Orm den Schatz aus Attilas Grab geborgen hatte, hatte der Fluch ihm alles genommen: seine Frau, seinen neugeborenen Sohn, seinen Pflegesohn, seinen Besitz, seine Freundschaft mit mächtigen Männern und ein ziemliches Stück seines guten Rufes.

Krähenbein betrachtete den matten Glanz des Silbers und überlegte, wie viel davon wohl aus dem Wälsungenschatz stammte und wie schwer der Fluch war, der darauf lag.

Sandvik, Orkney, zur selben Zeit

Der Wind kam aus Norden, kalt und hart wie das Herz einer Hure, sodass die Wolken wie Rauch davonstoben und die Sonne über Hoy unterging. Das graugrüne Meer tobte, und der Schaum flog von den Wellenkämmen, die wie wilde Pferde gegen die Felsvorsprünge zubrausten und zerstoben, während der Sog klang wie das Schmatzen genießerischer Lippen, bis eine neue Welle kam.

Der Mann fröstelte, selbst die dicken Wände seiner Hütte schienen nicht solide genug. Er spürte das Vibrieren des Felsens unter den Füßen. Eigentlich war es ganz wohnlich hier, aber die Insel war rau und selbst für ihn zu weit nördlich. Der Raum war dunkel und rauchig, denn die Tür war wegen des Wetters geschlossen, und der Wind heulte durch den Rauchabzug und spielte mit dem Feuer, er ließ die Kohlen aufglühen und drückte die Flammen herunter, sodass die Augen der schwarzen Katze glühten wie unheilvolle Irrlichter.

Ein Licht erschien, es schwebte im Raum und flackerte im Wind, sodass der Mann unruhig wurde, und obwohl er ein bekannter Kämpfer war, bekreuzigte er sich.

Er hörte ein leises Lachen, ein trockenes Rascheln wie von einer Ratte in altem Farnkraut, und die Dunkelheit wich vor der Kerzenflamme. Man erkannte knotige Balken aus Treibholz und eine Hand um den Lampenring, dahinter nichts als Dunkelheit.

Aus der Nähe sah er einen Arm, und den sah er im Dunkeln nur, weil er einen Silberring trug, denn der Stoff war tiefblau wie die Nacht. Ein weiterer Schritt, und er sah ein Gesicht, aber im Licht der Lampe war es verschwommen, der Mann konnte lediglich die Hand mit der welken, braunfleckigen Haut und den knotigen Fingern erkennen.

Dazu Augen, die wie Nadeln die Dunkelheit durchdrangen und ihn ansahen.

»Erling Flatnef«, sagte eine krächzende Stimme, dick wie Haferschleim, doch unverkennbar die Stimme einer Frau. »Du bist spät dran.«

Erlings Wangen fühlten sich kalt und steif an, als sei er in einem Schneesturm gewesen, doch von irgendwo in seinem Inneren holte er Worte hervor, die er mühsam ausspuckte.

»Ich habe noch mit Arnfinn, meinem Herrn, gesprochen«, sagte er, und der Klang seiner Stimme schien aufgesaugt zu werden und zu verschwinden.

»Ich weiß. Und was hatte der Sohn von Thorfinn Jarl zu sagen?«

Die kaum hörbare Stimme der Frau triefte vor Hohn, doch Erling hatte keine passende Antwort. Tatsache war, dass die vier Söhne von Thorfinn, der jetzt über Orkney herrschte, von der Königinmutter Gunhild– oder dem, was von ihr noch übrig geblieben war– ebenso abhängig waren wie ihr Vater. Und Arnfinn litt unter diesem Fluch besonders stark. Er hatte lediglich ins Feuer gestarrt und Erling mit einer Handbewegung und ohne ein Wort weggeschickt, wobei er es vermieden hatte, seine Frau Ragnhild anzusehen, Gunhilds Tochter.

Erlings Schweigen genügte Gunhild als Antwort. Solange ihr Gesicht vom matten Licht der Lampe beleuchtet wurde, war er nicht einmal imstande, sich zu bekreuzigen, er war bei diesem Anblick wie gelähmt. Was immer die Herrin verlangte, sie würde es bekommen, und nicht zum ersten Mal empfand Erling Mitleid für die Jarls von Orkney wegen dieser Schwiegermutter, die ihnen wie ein Mühlstein um den Hals hing.

Nicht dass es ein hässliches Gesicht gewesen wäre, alt und verfallen. O nein, ganz im Gegenteil. Die Haut ihres Gesichts war noch immer glatt wie feinstes Leder. Nur um den Mund hatten sich mit den Jahren zu beiden Seiten Falten eingegraben, doch sie betonten nur die große Schönheit, die sie noch immer war. Gunhild hätte ihn gern angelächelt, aber sie wusste, dass es ihre Maske zerstören würde, wie wenn man einen Stein auf eine dünne Eisfläche wirft. Sie benutzte ihr Gesicht wie eine Waffe, um ihn gefügig zu machen.

»Ich hatte einen Sohn namens Erling«, sagte sie, und Erling erstarrte. Das war ihm bekannt– und Hakon Jarl hatte ihn umgebracht. In einem kurzen Moment der Panik überlegte Erling, ob sie ihren toten Sohn wieder auferstehen lassen wollte und dazu seinen Namen brauchte…

»Ich habe einen Auftrag für dich, Plattnase«, sagte sie mit ihrer verbrauchten Stimme. »Für dich und meinen letzten, nutzlosen Sohn Gudrod und deinen jungen Neffen, der Tyr anbetet– wie heißt er doch gleich?«

»Od«, brachte Erling heraus, und zu seiner Erleichterung zog Gunhild sich aus dem Lichtschein zurück und schlüpfte wieder in die Dunkelheit.

»Hör mir zu«, sagte sie und rückte endlich mit der Sprache heraus. Es war eine lange, merkwürdige Geschichte, die er in dieser stinkenden Dunkelheit zu hören bekam. Ihre Offenbarung ließ ihn erschauern, er fragte sich, woher sie ihr Wissen hatte, und war gleichzeitig überwältigt von den Zauberkräften, über die sie immer noch verfügte. Die Götter allein mochten wissen, wie alt sie war, und doch war sie noch immer schön und mächtig.

Als er später aus der Halle taumelte, waren Wind und Regen geradezu ein Trost, wohltuend wie Gänsefett auf einer schmerzenden Brandwunde.

Kapitel 2

An der friesischen Küste, eine Woche später

Krähenbeins Mannschaft

Es war kein vorschriftsmäßig ausgekleidetes Langschiff mit eichenem Kiel, aber dennoch war die Or-skreiðr ein gutes Schiff, eine robuste Knarr mit breitem Rumpf, deren ramponierte Planken von glücklich überstandenen Seereisen erzählten und Vertrauen erweckten. Sie hatte den Händler sicher von Dyfflin nach Hammaburg und anderswohin gebracht

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