Bom Shiva - Wolf-Dieter Storl - E-Book

Bom Shiva E-Book

Wolf-Dieter Storl

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Beschreibung

Shiva, der indische Schutzhüter des Hanfes, verkörpert wie kein anderer Gott den Rausch, die Ekstase und die Lust am Leben als solches. Über Shiva ist relativ wenig geschrieben worden. Er offenbart sich weniger auf Papier, als dass er in den Herzen derjenigen lebt, die ihn lieben. Ja, ihr Leben selber, mit all seinen irdischen Nöten und Freuden, ist seine "Schrift". Seine Geschichten werden vor allem gelebt im Lebensschicksal der Geschöpfe; sie werden mündlich weitergegeben und in Bildern und Gesängen dargestellt. Der Autor erzählt in diesem Buch die schönsten Geschichten von Shiva und seinem Lieblingskraut - ein berauschendes Lesevergnügen.

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Wolf-Dieter Storl

BOM SHIVA

Gewidmet den FreundenGanesh Baba und Bhairav Bhoga Baba

Impressum

Verlegt durch:

NACHTSCHATTEN VERLAG AG

Kronengasse 11

CH-4502 Solothurn

Tel: 0041 32 621 89 49

Fax: 0041 32 621 89 47

[email protected]

www.nachtschattenverlag.ch

© 2008 Wolf-Dieter Storl

© 2008 Nachtschatten Verlag

Umschlaggestaltung und Layout: Trigger.ch, Zürich

Druck: Druckerei und Verlag Steinmeier GmbH, Deiningen

Printed in Germany

ISBN 978-3-03788-114-9eISBN 978-3-03788-233-7

Abdruck und sonstige Wiedergaben nach Absprache mit dem Verlag.

Inhalt

BOM SHIVA

Einführung

I. Eine Sakralpflanze

Shivas Blumenkinder

Lebensstufen

II. Bhangeri Baba

Shivas Garten des Wahnsinns

Im Fluss

Jedes Chilam ein Scheiterhaufen

Dakshas Opfer

Heilige Asche

Im Schatten der Nacht

III. Geschichten

Annapurna

Bholanath

Froschhochzeit

Das Buttern des Urmeeres

Shiva und Parvatis Hochzeit

Anmerkungen

BOM SHIVA

Gewidmet den Freunden

Ganesh Baba und Bhairav Bhoga Baba

Einführung

Bestimmte Pflanzen spielen in der Ernährung, in Märchen, Mythen und Sagen, in Zeremonien, Ritualen, im Zauber, im natürlichen Kalender, in der Heilkunde, im Orakel und in der Weissagung, in der Religion und überhaupt im symbolischen und kulturellen Kosmos der unterschiedlichen Kulturen eine wichtige Rolle. Mit vielen verschiedenen Namen werden solche Pflanzen benannt, wobei jede Benennung etwas über die Eigenschaften und das Wesen der Pflanze aussagt. So sehen wir, dass Pflanzen nicht nur eine botanische oder pharmakologische Identität haben, sondern auch eine linguistische und eine kulturelle. Diese Beziehungen zwischen Pflanze und menschlicher Kultur auszuloten, ist die vornehmlichste Aufgabe der Ethnobotanik. In dem vorliegenden Büchlein geht es um eine alte Kulturpflanze – den Hanf.

In unserem Kulturkreis war der Hanf, seit der Jungsteinzeit, also noch vor den Kelten, eine wichtige Kulturpflanze. Das belegen die auf 5500 v.u.Z. datierten Grabfunde aus Thüringen. Die Germanen weihten die Faser- und Textilpflanze der holden Göttin Freya. Im vorchristlichen Kultus wurden die nahrhaften Samenkörner in den Nächten zur mittwinterlichen Sonnenwende, den Verstorbenen und Ahnen als Speise geopfert. Für viele Naturvölker sind es die Toten, die vom »Jenseits« aus, die Fruchtbarkeit im Diesseits bewirken: so ist es verständlich, dass Hanfsamen Fruchtbarkeit und Gedeihen symbolisierten. Die Gepinstpflanze Hanf machte die Fahrt auf dem offenen Meere möglich, denn aus seinen festen Fasern ließen sich Segel und Taue herstellen. Später lieferte die Pflanze das Papier, auf dem die Bibel, das »Wort Gottes«, gedruckt wurde – so wurde der Hanf unwillkürlich auch Träger der sakralen Kultur des christlichen Europas. Über Jahrhunderte war der Hanf auch eines unserer wichtigsten Heilkräuter: In der deutschen Volksmedizin wurden bei Krämpfen und »wilden Wehen« Umschläge aus Hanfblättern um die betroffenen Stellen gewickelt. Auch legte man Gebärende auf Hanfwerg, damit sie der Krampf nicht befalle.1 Ärzte der Renaissance, wie etwa Nicholas Culpeper, verschrieben u.a. die in Milch gekochten Hanfsamen bei trockenem Husten und Emulsionen aus Samen bei Leberblockierungen, Ausflüssen und schlechten »Humoren im Darm«. Seit Dioskurides (1. Jahrhundert n.u.Z.) wird bei Ohrenschmerzen der frischgepresste Hanfsaft in schmerzende Ohren geträufelt. Trotz der gegenteiligen Behauptung von einigen akademisch gebildeten Potheads, spricht jedoch wenig dafür, dass der Hanf in der bäuerlichen Gesellschaft Nordeuropas geläufige Anwendung als psychoaktives Entspannungsmittel fand – es sei denn als Bierwürze. Das war auch so nicht notwendig, denn die vorindustrielle Gesellschaft hatte zwar ihre Not und Härte, aber nicht den Stress, die permanente Anspannung des sympathischen Nervensystems, die den modernen urbanen Menschen plagt. Im 19. Jahrhundert war es zuerst die künstlerische Boheme und bald darauf die Ärzteschaft, die sich für die entspannende und euphorisierende Wirkung der weiblichen Hanfblüten interessierte. Queen Victoria behandelte ihre prämenstruellen Beschwerden mit Hanfextrakten, und ihr Enkel Kaiser Wilhelm tröstete sich mit Hanfzigaretten über den Verlust von Reich und Glorie hinweg. Zu Anfang des 20. Jahrhunderts sah es so aus, als hätte der Hanf als Faserpflanze sowie als Heilpflanze eine große Zukunft vor sich. Aber dann – aus inzwischen bekannten kommerziellen, politischen und ideologischen Gründen2 – wurde die einst heilige Pflanze verteufelt. Auch das ist Kulturgeschichte, ist Ethnobotanik.

I. Eine Sakralpflanze

Aber lassen wir die europäische Geschichte dieser Pflanze und wenden uns, der kulturellen Rolle zu, die der Hanf seit vielen tausend Jahren am Ganges und im Himalaya, im Land der wandernden Sadhus und Fakire, der Heiligen und Pandits (Gelehrten) spielt und spielte. Denn dort, in Indien, war Ganja schon immer zu Hause bzw. scheint er mit den Indoariern schon sehr früh aus Zentralasien in den Subkontinent eingewandert zu sein. Schon als – vor rund 3500 Jahren – die Veden geschrieben wurden, galt der Hanf (Bhanga) als mächtige Medizin für Leib, Seele und Geist, als Sakralpflanze von gleichem Rang wie der heilige Feigenbaum (hind. Pipal) oder das heilige Basilikum (hind. Tulasi). In der Hanfpflanze lebt Shiva (»der Gütige«), der auch als Mahadev, als der »Große Gott« bekannt ist. Die Pflanze ist ein Sakrament, welches – im korrekten rituellen Kontext und mit einer unvoreingenommenen Gesinnung – die Kommunion mit diesem »Gott der Götter« ermöglicht. Sie führt in die Tiefe, in den Himmel. Sie verbindet, so sagen die Hindus, mit Shiva, der ja zugleich unser eigenstes, wahres Selbst ist. Schon in den Veden hören wir von »den vom Winde begürteten, mit Staub bekleideten Asketen, die, sobald die Götter in sie eingetreten sind, dem Wehen des Windes folgen«. Diese, allesamt außerhalb der gesitteten Gesellschaft in der Wildnis lebenden, gottestrunkenen Wanderer (Yatis), unberührbaren Vratyas, Bettelheiligen (Ajivikas) und schweigenden Munis, führten vorarische Rituale aus und berauschten sich an dem magischen Gebräu Rudras. (Rudra, »der vor Wut heulende«, ist eine Erscheinung Shivas, der, ähnlich wie Odin mit seiner wilden Jagt, mit einer Horde Naturund Sturmgeister durch die Wildnis fegt.)

Seit Urzeiten spielt der Hanf in Indien in den wichtigsten religiösen Zeremonien und den gesellschaftlichen »Übergangsritualen«, etwa bei Hochzeiten und Bestattungen, eine Hauptrolle. Das Kraut Soma, das heilige Ambrosia der arischen Viehhirten, das zwischen Steinen zermahlen, mit Milch gemischt, durch ein Sieb gepresst und bei Feierlichkeiten am selben Tag getrunken wurde, ist bis heute nicht eindeutig bestimmt worden. Den vielen Liedern zufolge, die in der Rigveda dem Soma geweiht sind, muss es ein mächtiges Kraut gewesen sein:

Wir haben Soma getrunken,

Unsterblich sind wir geworden,

Gekommen sind wir zum Licht,

Aufgefunden haben wir die Götter.

Was könnte uns jetzt noch Missgunst antun,

Was, o Unsterblicher, die List eines Sterblichen.

(Rigveda VIII, 48, 3)

Handelt es sich bei dem Zaubertrank um das aus Hanfrispen hergestellte Bhang-Getränk? A. L. Basham, wohl der bedeutendste Kenner des alten vedischen Indien, sieht in den Beschreibungen der Wirkung wie auch in der Zubereitungsart im Bhang den ehesten Kandidaten für das Götterelixier Soma3. Ich würde mich dem Urteil Bashams anschließen.

Noch heute wird das geistbewegende Kraut im hinduistischen Kultus in Form von Bhang eingesetzt, um Darshana – das Schauen des göttlichen Hintergrunds des Seins – zu ermöglichen. Bhang – als flüssiger Brei oder zu weichen, feuchten Kugeln gerollt – wird aus zermahlenen männlichen wie weiblichen Hanfblättern unter Zusatz von Jogurt und Pfeffer gebraut. Auch das Rauchen der Pflanze in Form von Ganja – das sind die getrockneten weiblichen Blätter – ist uralt und dient der Gottesschau. Tilok Chandra Majupuria und Indra Majupuria, bekannte nepalesische Kulturwissenschaftler an der Tribhuvan University (Kathmandu, Nepal), schreiben: »Marihuana ist die heiligste Pflanze Lord Shivas. Dieser Herr der Yogis oder Asketen bleibt im immerwährenden Zustand der ewigen Wonne, wobei seine Augen im unmani mudra verharren. Die Verbindung zwischen Marihuana und höhere Bewusstseinszustände ist wohlbekannt. Das Rauchen von Charas unterstützt das visionäre Durchdringen des Schleiers der Unwissenheit, öffnet das Tor zur Zukunft und spielt eine Rolle in der Transformation des menschlichen Bewusstseins.«4

Die Pflanze ist in Indien so heilig, dass, – wie auf einer Kuh, einem Bilvablatt (Aegle marmelos), den Veden oder, wie bei uns, auf einer Bibel – Eide und Gelübde auf seinem Blatt geschworen werden können. Wer den Schwur nicht einhält, ist des Todes. Sogar im Traum wirkt Hanf segensreich: Wer von Bhang träumt, dem ist die Glücksgöttin Lakshmi hold. Dagegen ist es ein böses Omen, wenn man träumt, dass jemand das Hanfkraut mit Füßen tritt. Die Verehrung der entheogenen5 Eigenschaften dieses, mit den Brennnesseln und Hopfen weitläufig verwandten Krauts, findet sich auch in anderen Kulturkreisen wieder. Wie der Ethnopharmakologe Christian Rätsch hervorhebt, ist Hanf weltweit Bestandteil verschiedener schamanischer Kulte.6 Immer wieder wird Hanf in Bezug zu den zentralen religiösen Mysterien, den Hauptgöttern und Heilbringern einer Kultur gestellt. Einer der vielen volkstümlichen mexikanischen Namen für das Kraut ist Marihuana: Der Name deutet auf Maria y Juan (Maria und Johannes) hin, die als Zeugen des heilbringenden Opfers des Gottessohnes, rechts und links neben dem Kreuz stehen. Der in Südafrika »Dagga«7, Umya (Xhosa) oder Nsangu (Zulu) genannte Rauchhanf wird von den Ngangas und Sangomas (Schamanen und »Hexenmeister«) geraucht, um Schadzauber ausfindig zu machen, um Krankheiten zu heilen und um die Geister zu sehen – es ist der »Rauch der Ahnen«. Im Kongo zerstörte das Bantuvolk der Balouba 1888 alle seine Fetische, setzte die Hanfpflanze in den Mittelpunkt seines religiösen Lebens und bezeichnete sich von da an, als »Söhne des Hanfs«. Bei den Rastafaris in Jamaika ist Gann-Jah der von Jah (Jehova) den Menschen geschenkte »Baum der Weisheit«, das »Heil der Nation«. Der Rastafari sagt von sich, er nehme das brennende Kraut in seinen Körper hinein, »so wie die Christen zu Ehren Gottes in ihren Kirchen Weihrauch verbrennen« und die Ganjapfeife wird mit dem Abendmahlkelch verglichen.8 Der Ethnobotaniker William Emboden schreibt, dass bei den Chinesen schon vor 6000 Jahren der Hanf als göttliche Pflanze galt. Die Samen galten als wertvolle Nahrung und lieferten Lampenöl, die Fasern wurden zu Fischnetzen und Textilien verarbeitet. Im Jahre 2737 v.u.Z. empfiehlt der göttliche Kaiser Shen Nung Hanfharz bei Beriberi, Verstopfung, Frauenkrankheiten, Gicht, Malaria, Rheuma und Geistesabwesenheit. Den veränderten Bewusstseinszustand nach Cannabisgenuss bezeichneten die Chinesen als »göttliche Transzendenz«.9

Shivas Blumenkinder

In den 60er und 70er Jahren des 20. Jahrhunderts pilgerten mehrere Millionen Jugendliche ins Land des Ganges. Das Aufkommen des billigen Düsenflugs und Überlandbusse machten es möglich. Dort trafen die seelisch verhungerten Kinder der materialistischen Wohlstandsgesellschaft auf eine Kultur, die »den Gast als Gott« behandelt; sie setzten sich zu Füßen Ganja rauchender Babas und Mahatmas; sie schlossen sich wandernden Sadhus an, teilten mit ihnen das Ganja-Rauchrohr (Chilam