Bossy Love - Küss den Chef - Melanie Moreland - E-Book

Bossy Love - Küss den Chef E-Book

Melanie Moreland

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Beschreibung

Er ist arrogant, er ist unnahbar, und er ist ihr Boss

Eigentlich läuft für Grace VanRyan alles nach Plan. Sie hat endlich eine Stelle als bezahlte Praktikantin bei der renommierten Anwaltskanzlei Smith and Hodges ergattert - doch mit ihrem neuen Boss hat Grace nicht gerechnet. Jaxson Richards ist so unverschämt wie attraktiv, so einschüchternd wie anziehend. Schon bald kommen die beiden sich näher, und gerade als Grace denkt, sie würde Jaxson wirklich zu verstehen beginnen, passiert es: Die gemeinsame Dienstreise endet in einer wilden Nacht in Las Vegas und einem Ring an Gracies Finger ...

"Ich habe Gracies und Jaxsons Story geliebt. Diese Geschichte verdient 10 Sterne." GOODREADS

Auftakt der neuen Office-Romance-Reihe von Bestseller-Autorin Melanie Moreland


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Seitenzahl: 492

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Inhalt

Titel

Zu diesem Buch

Liebe Leser:innen

Widmung

Prolog

1

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5

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Epilog

Danksagung

Die Autorin

Die Romane von Melanie Moreland bei LYX

Leseprobe

Impressum

MELANIE MORELAND

Bossy Love

KÜSS DEN CHEF

Roman

Ins Deutsche übertragen von Gesa Andres

Zu diesem Buch

Eigentlich läuft für Grace VanRyan alles nach Plan. Sie hat endlich eine Stelle als bezahlte Praktikantin bei der renommierten Anwaltskanzlei Smith and Hodges ergattert – doch mit ihrem neuen Boss hat Grace nicht gerechnet. Jaxson Richards ist so unverschämt wie attraktiv, so einschüchternd wie anziehend. Schon bald kommen die beiden sich näher, und gerade als Grace denkt, sie würde Jaxson wirklich zu verstehen beginnen, passiert es: Die gemeinsame Dienstreise endet in einer wilden Nacht in Las Vegas und einem Ring an Gracies Finger …

Liebe Leser:innen,

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Die perfekte Rezeptur für Liebe

xoxo,

Melanie

Für meine treue Fangemeinde

Ihr wisst schon, weshalb

Danke, dass ihr mich zum Lächeln bringt

Ich liebe euch alle

Prolog

GRACE

Ich wachte mit einem Brummschädel auf, und meine Glieder waren schwer wie Blei. Ich blinzelte in die Dunkelheit des Zimmers, mein Mund fühlte sich an wie die Wüste Gobi. Der Raum war mir fremd, und ich brauchte einen Moment, um mich zu erinnern, dass ich in einem Hotelzimmer in Las Vegas war.

Warum hatte ich nur so üble Kopfschmerzen?

Ich durchforstete meine Erinnerungen an den Tag zuvor. Ich hatte schließlich das Rätsel um das Marken- und Urheberrechtsfiasko gelöst und einen sorglosen Nachmittag in Vegas verbracht. Spaß an den einarmigen Banditen gehabt und mich durch ein paar Buffets gefuttert. Die Sehenswürdigkeiten besichtigt. Kurz bevor wir uns dann auf den Weg zum Flughafen machen wollten, bekam ich einen Anruf mit der Mitteilung, dass mein Flug wegen eines technischen Defekts gecancelt worden war und der nächste Flieger frühestens am darauffolgenden Tag ging. Es war ein scheißlanger Flug mit jeder Menge Zwischenlandungen überall in den Staaten, bis er endlich in Kanada ankam, aber wenigstens würde er mich noch vor Addis Hochzeit nach Hause bringen. Ich hatte so kurz vor der Hochzeit gar nicht mit auf diese Reise kommen wollen, es aber trotzdem getan. Jaxson hatte gefragt, und ich hatte Ja gesagt. Das bewies, was für eine Idiotin ich war. Und die Tatsache, dass er mir so kurz nach dem Erwachen als Erstes in den Sinn kam, bestätigte die Behauptung nur.

Was zum Henker ist nur nach dem Anruf mit mir passiert?

Ich zermarterte mir das Hirn und versuchte verzweifelt, mich wenigstens an irgendeine Einzelheit von gestern zu erinnern, aber die einzige klare Erinnerung in meinem Kopf war die Begegnung mit ihm vor ein paar Monaten.

Ich hatte ein Vorstellungsgespräch bei Smith and Hodges, wo mir eine Stelle als firmeninterne Referendarin angeboten wurde. Ein Referendariat, so hatte ich es auf der Juristischen Fakultät gelernt, war ein typisch kanadischer Ausdruck – im Grunde genommen wäre ich eine bezahlte Praktikantin und würde von der praktischen Erfahrung eines Mentors profitieren. Nachdem das Bewerbungsgespräch zu Ende war, wurde ich in Jaxson Richards Büro geschickt. In seinem Vorzimmer war niemand, also klopfte ich an die Tür und wartete darauf, dass er mich hineinrief. Er saß hinter seinem wuchtigen Schreibtisch, und in dem Moment, als sich unsere Blicke begegneten, geriet meine Welt aus den Fugen.

Er erhob sich aus seinem Stuhl, stattlich und breitschultrig, und sah mich ernst und eindringlich an. Seine Augen waren wie Eis und Feuer, das Blau strahlend und klar. Sein Haar war so dunkel, dass es schon fast schwarz erschien, und auf Hochglanz gebürstet. Sein Anzug saß perfekt, und als er auf mich zuging, erhaschte ich einen Blick auf seine kräftigen Oberschenkel, seine großen Hände und die breite Brust. Er streckte mir seine Hand entgegen, ein Lächeln lüpfte eine Ecke seiner vollen Lippen und brachte das Grübchen in seinem Kinn zur Geltung. Noch nie in meinem Leben hatte ich einen so schönen Mann gesehen. In Anbetracht der Sorte Männer, von denen ich sonst umgeben war, wollte das schon etwas heißen.

»Grace VanRyan, nehme ich an?«

Ich nahm seine Hand und schüttelte sie. Der Schock, der mich bei seiner Berührung durchfuhr, ließ mich zusammenfahren. Für einen Moment war ich sprachlos, meine Kehle war trocken, und ich wusste nicht, was ich sagen sollte. Ich schüttelte den Kopf, fand meine Sprache wieder und fragte mich, warum ich so nervös war. »Mr Richards. Ja, ich bin Grace.« Ich räusperte mich, meine Worte klangen merkwürdig atemlos. »Es ist mir ein Vergnügen, Sie kennenzulernen. Ich freue mich auf unsere gemeinsame Zeit.«

Er neigte den Kopf. »Ganz meinerseits.«

Er begleitete mich zu dem Stuhl ihm gegenüber und wartete, bis ich mich gesetzt hatte. Erst da bemerkte ich, dass er immer noch meine Hand hielt. Er ließ mich los, setzte sich wieder und stützte seine Ellbogen auf den Schreibtisch. Dann stellte er mir eine äußerst seltsame Frage.

»Erzählen Sie mir von Grace VanRyan? Abgesehen davon, dass sie eine Jurastudentin im Referendariat ist.«

Ich hatte erwartet, dass er mich nach der Uni fragte. Was ich von meiner Zeit in der Kanzlei erwartete. Meine Pläne für die Zukunft. Aber nicht, dass er mich nach mir fragte.

»Da gibt es wirklich nicht viel zu erzählen. Ich bin ziemlich langweilig.«

»Das kann ich kaum glauben.« Er grinste und hob eine Augenbraue. »Sie mögen noch ganz am Anfang stehen, Ms VanRyan, aber ich bezweifle, dass Sie langweilig sind.«

Es entschlüpfte mir, bevor ich mich bremsen konnte. »Gracie. Meine Freunde nennen mich Gracie.«

Er neigte den Kopf, und ein schiefes Lächeln zierte seine Lippen. »Gracie«, wiederholte er.

Er lehnte sich zurück und verfolgte das Thema nicht weiter. Er sprach von der Kanzlei, seiner Geschichte und seinen Erwartungen an mich. Wir besprachen ein paar Fälle, an denen er arbeitete.

»Warum Unternehmensrecht?«, fragte er.

»Das hat mich schon immer fasziniert«, gestand ich. »Mein Vater ist im Marketing, also hat er dauernd über Markenzeichen und Urheberrecht gesprochen. Ich bin gerne mit ihm ins Büro gegangen, habe mich immer in die Rechtsabteilung geschlichen und tausendundeine Frage gestellt.«

»VanRyan – VanRyan«, wiederholte er. »Richard VanRyan?«

»Ja.«

»Ich kenne seine Arbeit.«

Ich lächelte, unsicher, was ich sagen sollte.

Er besprach mit mir die Arbeitszeiten, wo ich arbeiten würde und beantwortete all meine Fragen. Er strahlte mich an, und diese Wandlung zauberte Wärme auf sein ernstes, charaktervolles Gesicht.

»Ihre Begeisterung ist lobenswert. Ich freue mich darauf, Sie unter mir zu haben.«

Ich machte große Augen, und er korrigierte sich hastig. »Dass sie unter mir arbeiten. Mit mir. Ich habe das Gefühl, wir werden ein gutes Team.«

Ich musste die Vorstellung, unter ihm zu sein, beiseiteschieben. Wie sich sein kräftiger Körper anfühlen würde, wenn er meinen berührte. Den Gedanken an das Vergnügen, das diese großen Hände mir verschaffen könnten. Ich fühlte meine Wangen erröten und musste den Blick senken, bevor er es bemerkte. Stille trat ein, aber dann räusperte er sich und stellte mir noch ein paar Fragen.

Ich schüttelte den Kopf, um die Gedanken loszuwerden, von denen ich wusste, dass ich sie über den Mann, der mein Boss sein würde, nicht haben durfte, und antwortete in korrekter Manier, meine Konzentration ausschließlich auf das Berufliche gerichtet.

Schließlich stand er auf, knöpfte sein Jackett zu und bedeutete mir, dass unsere Zeit um war.

Nach der Bestätigung meiner Arbeitsstunden ging ich und freute mich schon auf die Arbeit mit ihm und auf alles, was ich von ihm lernen würde.

Ich hatte noch keine Ahnung, dass meine größte Lektion Herzschmerz sein würde.

Ich rollte mich noch enger zusammen, während ich versuchte, die schmerzvollen Erinnerungen zu unterdrücken. Wie Begeisterung zu unerträglichem Leid führte. Wie ich entdeckte, dass sich hinter seinem Charme ein selbstsüchtiger Mann verbarg, nur bedacht auf sein eigenes Vergnügen. Zu meinem Entsetzen stellte ich fest, dass ich mich in jemanden verliebt hatte, der unfähig war, diese Liebe zu erwidern, und der mich mit seinen süßen Worten und Gesten belogen hatte. Die Zukunft, die ich mir vorstellte, war nichts als eine Lüge.

Das Gesicht, das er der Welt zeigte, war nichts als eine Lüge.

Ich hatte keine andere Wahl, als weiter jeden Tag mit ihm zu arbeiten und mein Leid zu verbergen. Mich zu fragen, wie aus Liebe Hass werden konnte. Ich weigerte mich, ihn meinen inneren Aufruhr sehen zu lassen, war entschlossen, das Referendariat zu Ende zu bringen, um dann zu gehen und Jaxson Richards nie wiederzusehen. Ich hatte diese Reise nicht antreten wollen, aber die Partner – und Jaxson – hatten mir keine Wahl gelassen.

Stöhnend drehte ich mich um – der dumpfe Schmerz in meinem Kopf verwandelte sich in ein beständiges Hämmern – und erstarrte in der Bewegung, als mir klar wurde, dass das Gewicht auf meinen Hüften nicht die Decke war, sondern eine Hand.

Mein Magen zog sich zusammen, als mir die Realität ins Gesicht schlug. Jemand lag mit mir im Bett. Ich hatte mit einem Fremden geschlafen. Ich hatte mich in Vegas volllaufen lassen und war mit einem Fremden im Bett gelandet. Was für ein Klischee.

Ich ignorierte die Kopfschmerzen, schoss aus dem Bett und zog die Bettdecke mit mir. Ich tastete herum, fand den Schalter und machte das Licht an. Ich blinzelte, als der Schmerz mir durch die Schläfen fuhr, und schnappte nach Luft, als ich den Mann erkannte, der im Bett neben mir lag. Völlig entspannt schob sich Jaxson in Sitzposition und hatte die Nerven, mich anzulächeln.

»Kein Fremder«, sagte er und gab mir damit zu verstehen, dass ich meine Gedanken laut ausgesprochen hatte. »Wie fühlst du dich, Liebling?«

»Was zur Hölle machst du hier?«

»Bis vor wenigen Augenblicken habe ich noch geschlafen. Du brauchst bestimmt Paracetamol. Lass mich dir welche besorgen.«

»Bemühe dich nicht. Ich meinte, wie bist du in mein Bett gekommen, verdammt?«

Er grinste, zog ein Knie an die Brust und lehnte sich mit den Händen hinter dem Kopf zurück. Er sah viel zu gut aus und fühlte sich viel zu wohl in dieser Situation.

»Da das hier mein Zimmer ist, bist du diejenige, die in meinem Bett war.«

Ich sah mich um und erkannte, dass er recht hatte.

»Was zum Teufel ist passiert?«

»Ich würde sagen, das ist offensichtlich.« Er zeigte auf die aufgerissene Kondompackung. »Wir hatten Sex.«

Ich glotzte ihn an. »Warum hatte ich Sex mit dir? Ich mag dich überhaupt nicht!«

Er beugte sich vor, seine blauen Augen leuchteten im gedämpften Licht. Sein Lächeln war verrucht, und am liebsten hätte ich es ihm mit der Faust aus dem Gesicht gewischt. »Letzte Nacht hast du mich aber sehr gemocht. Mindestens drei Mal.«

Wir hatten drei Mal Sex?

»Mindestens«, bekräftigte er. »Den Orgasmus im Auto zähle ich nicht mit, und ich glaube, einen Fick habe ich noch vergessen. Gegen die Mauer, wenn ich mich recht erinnere.«

Ich war fassungslos und starrte ihn entsetzt an. Ich hatte mit meinem Boss geschlafen. Schon wieder.

»Ich kann nicht glauben, dass ich das getan habe«, murmelte ich und krallte mich in die Decke.

»Das ist nicht das Einzige, was du gemacht hast, Liebes.«

»Was könnte es noch Schlimmeres geben?«

Er betrachtete mich aufmerksam. Und zeigte auf meine Hand, die sich an der Decke festklammerte.

»Du hast mich geheiratet.«

Ein dünner, zu enger Ring steckte an meinem Ringfinger. Er hielt demonstrativ seine Hand mit dem passenden Gegenstück hoch.

»Wie steht’s jetzt mit dem Klischee, Mrs Richards?« Er grinste.

Das Zimmer begann sich zu drehen, und mir war speiübel.

Sein Schrei war das Letzte, woran ich mich erinnerte, bevor der Boden auf mich zuraste.

Noch nie war eine Ohnmacht so willkommen gewesen.

1

GRACE

Frühherbst

Ich wurde früh wach und konnte kaum erwarten, dass der Tag begann. Mein erster Tag als Referendarin. Es fühlte sich an, als wäre das Bewerbungsgespräch bei Smith and Hodges, woraus die Stelle resultierte, schon Jahre her, dabei waren erst ein paar Monate vergangen. Ich war erpicht darauf gewesen, diese Karrierestufe zu erreichen, und freute mich darauf, mein Wissen endlich in der Praxis anzuwenden. Im Bewerbungsgespräch hatte man mir erklärt, dass ich im Laufe meines Jahres mit zwei Anwälten zusammenarbeiten würde, damit ich während der Zeit mehr lernte. Ich wusste, dass Jurastudenten danach oft eingestellt wurden, aber mein Plan war, zunächst mit dem Anwalt von BAM zusammenzuarbeiten und Erfahrungen zu sammeln, um danach zu ABC zu wechseln. Bill besaß eine Fülle von Wissen, das ich mir aneignen wollte, bevor er in Rente ging und von jemand Jüngerem ersetzt wurde.

Als im Bewerbungsgespräch der Name Jaxson Richards fiel, war ich nervös geworden.

Und nachdem ich ihn getroffen hatte, war ich doppelt ängstlich gewesen.

Jaxson Richards war legendär, und zu meinem großen Entsetzen konnte ich seit unserer Begegnung nicht aufhören, an ihn zu denken. Er war unglaublich gut aussehend und selbstbewusst, und seine blauen Augen strahlten Intelligenz aus. Unfähig zu widerstehen, hatte ich im Internet recherchiert und wegen der Vielzahl der Artikel über ihn große Augen bekommen. Er war achtunddreißig, Single und im Laufe seiner Karriere zuvor bei zwei anderen Anwaltskanzleien gewesen. Jeder Wechsel hatte ihn zu einer Kanzlei mit noch mehr Prestige gebracht. Bei Smith and Hodges war er seit fünf Jahren. Neben den juristischen Artikeln und beruflichen Informationen, die auf den Kanzleiseiten bereitstanden, war ich auf eine Menge Fotos von ihm mit Frauen gestoßen. Schönen Frauen. Als ich mir seine Dates genauer betrachtete, stellte ich fest, dass nichts von langer Dauer gewesen war. Kopfschüttelnd hatte ich den Laptop zugeklappt. Er würde mein Boss sein, und sein Privatleben ging mich nichts an. Ich ging zu Smith and Hodges, um im kommenden Jahr so viel wie möglich zu lernen, damit ich in meinem Leben vorankam. Nicht mehr.

Wenn ich nur meinen Kopf überzeugen könnte, sich nicht mehr daran zu erinnern, wie sich meine Hand in seiner angefühlt hatte.

Und nun war der Tag, auf den ich gewartet hatte, gekommen. Der nächste Schritt meiner Reise.

Ich glitt aus dem Bett, schlüpfte in meine allgegenwärtigen Puschen und schlurfte in die Küche. Ich machte die Kaffeemaschine an und huschte unter die Dusche. Eine halbe Stunde später saß ich an meinem kleinen Tisch und schlürfte eine Tasse des heißen, duftenden Gebräus. Ich sah mich in meiner Wohnung um, was seine Wirkung niemals verfehlte: Der Raum machte mich einfach glücklich.

Ich wohnte in einem kleinen Haus im Herzen der Innenstadt von Toronto. In fünf Minuten war ich zu Fuß mitten im Stadtgetümmel, aber die Straße, in der ich lebte, war ziemlich ruhig. Es war eine Zweizimmerwohnung mit Charme und Charakter. Und mit Parkett, das unter den Füßen knarzte, verputzten Wänden, hohen Decken und gepflegten Bleiglasfenstern, die im Sonnenlicht funkelten und meine ganze Kraft in Anspruch nahmen, um sie zu öffnen. Die Küche hatte Schränke aus echtem Holz, und die Wanne auf Löwenfüßen im Badezimmer war ideal für ein langes Bad. Ich liebte jeden Zentimeter von ihr.

Mein Vater war entsetzt gewesen über meine Wahl.

»Deine Onkel besitzen einige der luxuriösesten Wohnkomplexe in Toronto«, hatte er protestiert. »Du hast die freie Wahl. Was in aller Welt denkst du dir, Gracie-Mädchen?«, fragte er, während er sich missbilligend umschaute.

Ich fuhr mit den Fingern über die Wandleiste, und das Holz fühlte sich wie Seide an. »Ich mag die Wohnung.«

»Die Häuser haben einen Sicherheitsdienst, Klimaanlagen und moderne Ausstattungen. Fünf Blocks weiter steht eines ihrer Hochhäuser, wenn du schon auf diese Nachbarschaft bestehst. Ich rufe Mad Dog sofort an und arrangiere das.« Er zog sein Handy aus der Tasche. »Hier kannst du nicht wohnen.«

Ich legte meine Hand auf seinen Arm. »Mir gefällt die Wohnung, Dad. Die Nachbarschaft ist großartig. Das Gebäude ist sicher. Es gibt eine neue Klimaanlage im Schlafzimmerfenster, und für den Raum hier werde ich mir ein tragbares Gerät besorgen. Die drei Treppen bin ich im Nu nach oben gelaufen.« Ich begegnete seinem Blick und hob als stille Warnung die Augenbrauen.

»Ich bin sicher, es gibt auch Wohnungen ohne Aufzug«, schnaubte er.

»Nein, ich mag genau diese. Die Miete ist günstig, und zum Bus oder zur Straßenbahn kann ich zu Fuß gehen. Es gibt eine Menge kleiner Läden in der Gegend. Und es ist nah zur Uni.«

Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar. »Geld ist kein Problem, Gracie.«

Meine Mutter, die bis dato geschwiegen hatte, zupfte an seinem Arm. »Richard, Liebling, lass Gracie in Ruhe. Sie ist erwachsen, und das ist ihre Entscheidung. Ich finde auch, dass die Wohnung Charme hat.«

Sie und ich tauschten einen wissenden Blick. Mein Vater war überbehütend und hasste meine unabhängige Ader. Ich hatte mir ein Stipendium verdient, um an der Rechtsfakultät zu studieren, und er hatte darauf bestanden, dass ich nicht arbeitete, sondern mich auf die Uni konzentrierte, was mir gar nicht gefallen hatte. Aber ich hatte ohnehin einen Teilzeitjob in einem der kleinen Coffee Shops. Die Bezahlung war nicht besonders, aber nichtsdestotrotz gefiel es mir da. Es gab mir die Gelegenheit, einfach Grace zu sein, außerdem lernte ich ein paar tolle Leute kennen, die meine Freunde wurden, und hatte ein wenig selbst verdientes Geld. Meine Mutter verstand, wie wichtig das für mich war, denn sie war anders groß geworden als mein Vater. Er war nicht angetan gewesen, unterstützte mich aber wie üblich in meiner Entscheidung.

Als es Zeit war, Entscheidungen für meine Berufslaufbahn zu treffen, hatte ich gezögert. Ich wusste, wie sehr mein Vater heimlich hoffte, ich würde ihm in die Welt des Marketings folgen. Ich hatte es zwei Jahre versucht, bevor ich endlich mit der Wahrheit herausrückte. Marketing war nicht meine Leidenschaft. Ich hatte weder den Antrieb noch das Talent meines Vaters. Oder das Gespür für Design, das Heather besaß. An dem Tag, als ich meinen Eltern das eröffnete, waren sie geschockt gewesen, aber mein Vater hatte darauf bestanden, dass ich mich auf meinen eigenen Traum konzentrieren und aufhören sollte, zu verfolgen, was ich für seinen Traum hielt. Er war entsetzt gewesen, weil ich etwas gemacht hatte, von dem ich dachte, es würde ihn glücklich machen, statt meinen eigenen Wünschen nachzugehen. Ich nahm eine kleine Auszeit, erforschte gründlich mein Gewissen und schrieb mich dann zum nächstmöglichen Zeitpunkt für Jura in Toronto ein und blickte nie wieder zurück.

Ich wollte nicht auf dem Campus im Studentenwohnheim leben und hatte mich in diese Wohnung verliebt. Mein Vater liebte moderne, gepflegte Gebäude. Ich dagegen bevorzugte alte viktorianische Häuser mit Charakter. Er liebte Luxus und das ganze Drumherum, das sein Wohlstand ihm ermöglichte. Ich hatte Glück, so aufgewachsen zu sein, und immer zu schätzen gewusst, mich nicht um Geld sorgen zu müssen, hielt es aber nie für selbstverständlich. Und ich rechnete ihm hoch an, wie hart er arbeitete, um uns ein gutes Leben zu ermöglichen. Die Werte, die er lebte, halfen mir, meine eigenen auszubilden, und auch wenn er über meinen Hang zur Unabhängigkeit murrte, wusste ich, dass er stolz auf mich war.

Mein Vater hatte geschmeichelt, gefleht, sogar gedroht, aber meine Entscheidung schließlich akzeptiert. Ich kapitulierte vor ein paar seiner Forderungen. Keine Spaziergänge nach Einbruch der Dunkelheit, ein modifiziertes Sicherheitssystem, das er von BAM installieren lassen wollte, und zweimal die Woche eine Stippvisite zur Kontrolle, bis er beruhigt war. Jahre später fanden die Besuche allerdings immer noch statt.

Ein paar Jahre nach meinem Einzug erzählte mir meine Mutter, dass er geglaubt hatte, ich würde meine Meinung ändern, aber das hatte ich nie. Ich war immer noch in derselben Wohnung und liebte mein kleines Zuhause, sehr zum Verdruss meines Vaters.

Als hätte er gespürt, dass ich an ihn gedacht hatte, klingelte mein Telefon. Lächelnd stellte ich auf Lautsprecher.

»Hallo, Dad.«

Sein voller Bariton erfüllte die Wohnung. »Hallo, Gracie-Mädchen. Bist du aufgeregt vor deinem ersten Tag?«

Ich kicherte und nippte an meinem Kaffee. »Bin ich. Nervös auch.«

»Das musst du nicht. Die können froh sein, dich zu haben.«

»Es ist drei Uhr morgens in British Columbia, Dad. Bist du immer noch wach oder früh aufgestanden?«

»Immer noch wach. Ich wollte dir für heute alles Gute wünschen, kleines Mädchen. Damit du weißt, dass ich an dich denke und wie stolz ich bin.«

Ich lächelte über seine Worte. Selbst von einem Ende des Landes zum anderen konnte ich seine Liebe spüren. Er ging mit seinen Gefühlen für uns sehr offen um. Er und ich waren uns schon immer nahe gewesen. Während ich aufwuchs, war er für mich ein Held. Das dachte ich immer noch. Er war stark und liebevoll und immer ein großartiger Dad gewesen. Er war ein unübertrefflicher Geschäftsmann und eine Legende in der Marketing-Branche. Sein Name stand für herausragende Leistungen, und sein Ruf war ausgezeichnet. Er galt auch als arrogant und selbstbewusst – als jemand, mit dem man sich nicht anlegen sollte. Aber für uns, seine Familie, war er einfach Dad. Liebevoll, streng, herzlich und lustig. Er verehrte meine Mutter; seine Liebe für sie, die Tatsache, dass sie bei jeder Entscheidung an erster Stelle kam, stand ihm ins Gesicht geschrieben. Angesichts ihres holprigen Starts hatte ihre interessante Geschichte ein märchenhaftes Ende gefunden.

Schwer, dem gerecht zu werden.

Ich bemerkte, dass mein Vater etwas gesagt haben musste und auf eine Antwort wartete.

»Entschuldige, Dad. Was hast du gesagt?«

»Ich habe gefragt, ob du etwas brauchst?«

»Nein, ich habe alles.«

»Du triffst deinen Chef, nicht wahr?«

»Ja.«

»Er hat einen ziemlich guten Ruf in Urheberrecht.«

»Ja. Er war, äh, ganz schön beeindruckend. Sehr seriös. Aber ich bin gespannt. Er machte den Eindruck, als wolle er mir etwas beibringen. Er hat seine Erwartungen sehr deutlich gemacht.«

»Ich habe keine Zweifel, dass du der Herausforderung gewachsen bist, mein Mädchen. Du kannst alles erreichen, was du dir vorgenommen hast.«

»Danke, Dad.«

»Aber falls er aus der Rolle fällt, sag mir Bescheid.«

Ich lachte. »Er ist älter als ich, Dad. Ich bezweifle stark, dass eine Jurastudentin im Referendariat in seiner Liga spielt. Ich schon gar nicht.«

»Du bist weit schöner, als du dir selbst eingestehst. Alles, was ich dir sagen will, ist: Pass auf. Pass auf alle auf.«

»Es gibt dort sehr strenge Richtlinien für Beziehungen am Arbeitsplatz. Da mache ich mir keine Sorgen.«

Er seufzte. »Okay. Gut. Aber erinnere dich trotzdem an die Verteidigungstricks, die ich dir beigebracht habe.«

»Aiden hat sie mir beigebracht«, verbesserte ich ihn und versuchte die Belustigung in meiner Stimme zu verbergen.

»Ich war dabei. Ich habe ihm geholfen.«

»Hab dich lieb, Dad.«

»Ich dich auch. Hab einen tollen ersten Tag.«

»Alles klar.«

»Gracie?«, sagte er leise, bevor ich auflegen konnte.

»Ja?«

»Ich liebe dich, mein kleines Mädchen«, wiederholte er. »Ich bin immer da.«

»Ich weiß, Dad. Ich liebe dich auch.«

Er legte auf, und ich wusste, dass er zurück ins Bett gehen und die behagliche Umarmung meiner Mutter suchen würde. Unter der ruppigen, geschäftsmäßigen Hülle, die er nach außen zur Schau trug, war er ein Softie, und seine Familie bedeutete alles für ihn. Ich wusste, dass er sofort zur Stelle sein würde, sollte ich ihn jemals brauchen, bereit mich zu beschützen oder zu verteidigen.

Ich lächelte, während ich mich für den Tag fertig machte.

2

GRACE

Ich traf zeitig im Büro ein, erpicht darauf, das nächste Kapitel in meinem Leben aufzuschlagen. Im Gebäude war es still, als ich ankam, und am Empfangsschalter saß breit grinsend ein älterer Mann. Als ich ihm meinen Namen sagte, kontrollierte er die Liste, nickte und händigte mir eine Ausweiskarte aus.

»Damit kommen Sie durch, bis Sie bei der Personalabteilung einen dauerhaften Ausweis erhalten. Zum Aufzug geht es nach rechts, den brauchen Sie, um in Ihr Stockwerk zu kommen.«

»Äh, ist das Treppenhaus offen?«

»Sechs Stockwerke Treppen«, unterrichtete er mich.

»Ich weiß.«

Er kicherte. »Auch eine von den Fitness-Leuten, was?«

Ich war erleichtert, dass er darauf gekommen war. »Ja. Das ist gutes Training.«

»Am Ende der Eingangshalle. Sie brauchen die Karte, um hineinzukommen.«

»Prima!«

Ich erklomm die Stufen und hoffte, dass Jaxson nicht so viele Botengänge zum Erdgeschoss benötigte. Ich betrat den Flur und lief zu Jaxsons Büro, nicht sonderlich überrascht, die Tür offen zu finden. Ich konnte ihn im Büro herumgehen hören, als ich meine Tasche abstellte und den neuen Schreibtisch samt Stuhl im Vorzimmer bemerkte. Ich blieb im Türrahmen zu seinem Büro stehen und sah einen Moment still zu. Er studierte einen Stapel Papiere und murmelte leise vor sich hin. Er hielt einen Becher Kaffee, der Dampf waberte in der Luft, als er ihn an seine vollen Lippen führte und einen Schluck nahm. Es war unmöglich, nicht zu registrieren, wie gut er aussah. Vor der frühen Morgensonne, die durch die Fenster schien und ihn von hinten anstrahlte, war seine Statur beeindruckend. Groß und breitschultrig stand er da, kerzengerade aufgerichtet und hochkonzentriert. Heute trug er einen dunkelgrauen Anzug, von dem sich das schneeweiße Hemd abhob. Ein Schlips mit violetten, grauen und schwarzen Streifen war ein Farbtupfer auf seiner breiten Brust. Sein Haar glänzte im Sonnenlicht, ein leichtes Runzeln furchte seine Stirn, während er die Dokumente durchsah. Das Grübchen in seinem Kinn war tief, und mich überkam der spontane Wunsch, mit meiner Zunge einzutauchen. Ich schüttelte den Kopf, um den befremdlichen Gedanken loszuwerden, und hob meine Hand, um an den Türrahmen zu klopfen.

Er sah auf, und wir beide erstarrten. Als unsere Blicke sich trafen, verschmolz sein intensives mit meinem hellen Blau. Ich spürte eine plötzliche Veränderung in der Atmosphäre. Sie lud sich auf, bündelte sich, war kraftvoll. Es war, als würde der Rest der Welt aufhören zu existieren und nur er und ich wären übrig. Mein Herzschlag beschleunigte sich, und mein Atem stockte. Er blinzelte und neigte den Kopf, als wollte er mich studieren.

Dann nahm er die Schultern zurück und begann zu reden. Seine Stimme war unverbindlich.

»Ms VanRyan. Guten Morgen.«

Ich war überrascht von dem plötzlichen Wandel, fand aber meine Stimme wieder.

»Mr Richards.«

»Sie sind früh.«

»Ich wollte rechtzeitig anfangen.«

»Ich habe den Aufzug gar nicht gehört.«

»Oh, ich habe die Treppe genommen.«

Er senkte den Blick auf meine Füße und nahm die von mir bevorzugten niedrigen Absätze zur Kenntnis. Seine Augen wanderten gemächlich prüfend meine Beine hoch. Ich spürte, wie sich meine Kehle zuschnürte, während mein Körper plötzlich zu vibrieren anfing. Es fühlte sich an, als würde sein Blick mich berühren und sich meinen Körper hinaufbrennen. Ich hielt mich am Türrahmen fest, ein zarter Schauer überlief mich. Ich hatte mich heute Morgen mit Bedacht angezogen, trug eine einfache Bluse in Royalblau, meiner Lieblingsfarbe, und einen knielangen Rock. Er hatte schmale Gehfalten, die sich bewegten, wenn ich ging, und es gefiel mir, wie ich aussah. Professionell und doch hübsch. Ich hatte mein Haar hochgesteckt, und der einzige Schmuck, den ich trug, war ein Paar Ohrringe, die ich von meinen Eltern zum Abschluss bekommen hatte. Einfache Perlen mit einem kleinen diamantenen Akzent – sie waren mir am liebsten, und ich trug sie häufig. Ich hatte gehofft, damit einen guten Eindruck zu machen.

Er sagte kein Wort, hob seinen Kaffee an die Lippen und trank.

Wieder verschmolzen unsere Blicke, und ich schwor, ich sah ein Lächeln an seinen Mundwinkeln zupfen, als er schluckte.

Er durchquerte den Raum zu seinem Schreibtisch, warf die Akte obendrauf und den leeren Kaffeebecher in den Mülleimer. Er räusperte sich, und als er sprach, war seine Stimme wärmer.

»Passen Sie bei der dritten Stufe von unten auf. Die Kante hat die Angewohnheit sich an der rechten Seite anzuheben. Es würde mir nicht gefallen, wenn Sie stolpern.«

»Notiert.« Meine Stimme klang atemlos.

Er hob seinen Arm und wies mich an, mich zu setzen. Die Bewegung ließ den Ärmel hochrutschen, und ich bemerkte die schwere Uhr an seinem Handgelenk, das Funkeln des Silbers, in dem sich das Licht spiegelte.

»Setzen Sie sich, Ms VanRyan. Wir haben eine Menge zu besprechen.«

Dreißig Minuten später schwirrte mir der Kopf. In dem kurzen Augenblick, den ich brauchte, um mich zu setzen, hatte sich Mr Richards’ Stimme schon wieder verändert und war wieder kühl und geschäftsmäßig. Er führte seine Erwartungen im Detail auf, erzählte mir von den Fällen, die er bearbeitete, und informierte mich, dass der Schreibtisch, den ich vorhin gesehen hatte, für mich war.

»Sie teilen sich den Platz mit meinem Assistenten Michael.«

»In Ordnung.«

»Er war nicht da, als Sie zum Bewerbungsgespräch hier waren, Ms VanRyan. Ich habe hohe Ansprüche. Der letzte Student, der bei mir war, blieb einen Monat und fragte nach einem anderen Anwalt. Glauben Sie, Sie können es besser?«

Ich begegnete seinem Blick. Er war eindringlich und ernst, von der Glut von vorhin war nichts mehr übrig. Vielleicht hatte ich mir das auch nur eingebildet. Ich straffte meine Schultern und weigerte mich, ihn merken zu lassen, wie nervös ich war. »Ja«, behauptete ich standhaft.

»Was macht Sie so sicher?«, fragte er, legte den Kopf schief und beäugte mich.

Ich konnte mir das Lächeln nicht verkneifen. »Weil, wie meine Mutter sagen würde, ich meines Vaters Tochter bin. Ich bin bekannt dafür, hartnäckig zu sein.«

Er hob seine Augenbrauen, schwieg aber.

»Ich habe vor, hier alles zu geben, Mr Richards. Ich will das machen. Alles lernen, was ich nur kann. Ich habe keine Angst vor harter Arbeit. Ich habe meine Noten nicht bekommen, weil ich eine Drückebergerin bin. Ich werde mich wieder und wieder anstrengen, bis der Job getan ist.« Ich unterbrach mich. »Und nicht zu Ihrer Zufriedenheit, sondern zu meiner. Ich garantiere Ihnen, was immer Ihre Standards sind, meine sind genauso hoch, wenn nicht höher.«

Er schien überrascht über meine Worte, dann nickte er, als wäre er zufrieden. Er übergab mir einen Stoß Akten. »Sehen Sie sie durch, bis Michael eintrifft. Den Flur hinunter gibt es eine Küche, wenn Sie einen Kaffee wollen.«

»Kann ich Ihnen eine Tasse mitbringen?«

Er schüttelte den Kopf. »Sie sind nicht meine Botengängerin. Sie müssen mir keinen Kaffee bringen.«

»Ich wollte nur nett sein. Ich habe nicht vor, Sie zu bedienen.«

Er kicherte. »Nun denn, Ms VanRyan. Eine Tasse wäre mir sehr willkommen.«

»Warum Ms VanRyan und Mr Richards?«, fragte ich, bevor ich mich bremsen konnte. »Sie haben mich bei unserer ersten Begegnung Grace genannt.«

»Ich setze Grenzen.«

»Nennt Michael Sie Mr Richards?«

»Er hat sich bereits bewiesen«, bemerkte er und bestätigte meine Vermutung.

»Also wollen Sie mir sagen, dass ich mir den Namen erst verdienen muss.«

Ein Schatten huschte über sein Gesicht. »Ja.«

»Dann freue ich mich auf die Herausforderung.«

Ich ging hinaus und setzte mich an den kleinen Schreibtisch in der Ecke. Er war leer, bis auf eine Lampe und einen Becher mit ein paar Stiften. Ich legte die Akten ab, sah auf und begegnete dem Blick meines neuen Chefs. Der Schreibtisch war so platziert, dass er mich sehen konnte, wenn seine Tür offen war. Er würde mich beobachten.

Ich ging Kaffee holen, denn ich brauchte einen Moment, um mich zu sammeln. Jaxson, Mr Richards, wie auch immer ich ihn nennen sollte, hatte mich aus der Bahn geworfen und mich rappelig gemacht. Er war heiß und kalt – in dem einen Moment warmherzig und sympathisch und im nächsten ein höflicher Fremder, der mich spüren ließ, dass ich nicht von Wichtigkeit war. Das war ein merkwürdiges Gefühl. Aber ich würde mich wohl daran gewöhnen müssen. Ich würde hierbleiben und mich ihm beweisen und jedem anderen, der meine Fähigkeiten infrage stellte. Grace VanRyan drückte sich nicht vor einer Herausforderung. Niemals. Mein Vater hatte mir diese Worte mein ganzes Leben lang mit auf den Weg gegeben.

Selbst wenn die blauen Augen des Mannes, der mich vor diese Herausforderung stellte, mein Herz zum Flattern brachten.

Den Part würde ich ignorieren.

Als ich ins Büro zurückkam, saß Michael an seinem Schreibtisch. Er war in meinem Alter, groß und schlank, sein blondes Haar war mit Gel zurückgekämmt, und er lächelte breit. Er war ein attraktiver Mann. Er war gut angezogen und, aus der Optik seines Arbeitsbereichs zu schließen, ordentlich und organisiert. Seine haselnussbraunen Augen waren warm, sein Handschlag fest und seine Stimme freundlich.

»Grace, ich bin Michael. Ich freue mich darauf, mit dir zusammenzuarbeiten.«

Ich schüttelte seine Hand und erwiderte seine Herzlichkeit. »Ich mich auch, Michael.« Mein Blick huschte zu der geschlossenen Tür und dann zurück zu ihm. »Hier draußen sind Vornamen okay?«

Er grinste, der Schalk blitzte in seinen Augen. »Oh, er fährt die Für-Sie-bin-ich-Mr-Richards-das-Recht-mich-Jaxson-zu-nennen-müssen-Sie-sich-erst-verdienen-Tour?«

Ich nickte.

Er lehnte sich vor. »Er ist ein Bär. Die meiste Zeit ein mürrischer, grummeliger Bär, aber das ist alles nur Show. Er ist ein anständiger Kerl. Bleib locker und warte ab, was passiert.«

Jaxsons Tür öffnete sich. Er kam mit großen Schritten heraus, blieb aber stehen, als er uns sah. Er runzelte die Stirn, als er bemerkte, wie nah wir beieinander waren.

»Schon Kaffeepause?«

Mir fiel siedend heiß ein, dass ich ihm einen Kaffee hatte mitbringen wollen.

»So weit sind wir noch nicht«, erwiderte Michael leichthin.

»Los, Michael. Ich habe einen arbeitsreichen Tag. Ms VanRyan muss so schnell wie möglich auf dem Laufenden sein.«

»Mir ist bewusst, wie viel du zu tun hast. Ich bin für deinen Terminkalender verantwortlich. Ich habe Grace im Büro willkommen geheißen.« Er rümpfte die Nase. »Irgendjemand muss ja freundlich sein.«

Jaxson blickte erstaunt und überreichte mir einen Stoß Akten. »Lesen Sie die. Wir sprechen nach dem Mittagessen darüber.« Er sah Michael an. »Führ sie herum. Und stell sicher, dass ihr Stundenplan genug Studienzeit übrig lässt. Bring sie zur Personalabteilung. Sorge dafür, dass sie sich hier einfindet. Die IT sollte ihr bereits einen Laptop eingerichtet haben. Mach ihn ausfindig. Und ich brauche mehr Informationen über Drake’s Manufacturing. Die Aktenlage ist dünn.«

Ich meldete mich zu Wort. »Ich kann das machen. In Recherche bin ich sehr gut.«

Jaxsons blauer Blick funkelte in meine Richtung. »Gut. Ich brauche es noch heute.« Er wandte sich wieder an Michael. »Besorg ihr einen Computer. Schnellstmöglich.«

»Ich bin sicher, in der Bibliothek steht ein Computer, den ich benutzen kann, bis einer auf meinem Schreibtisch ist. Kein Problem. Ich kann überall arbeiten.«

Jaxson machte auf dem Absatz kehrt und stoppte kurz in der Tür. »Ich brauche Kaffee, Michael.« Dann sah er mich an. »Das ist ein Problem. Ich wünsche Sie an Ihrem Schreibtisch und nicht in der Bibliothek.« Er hielt inne. »Und private Handys werden im Büro nicht benutzt, außer Sie haben Pause.«

Er verschwand, und die Worte waren aus meinem Mund, ehe ich darüber nachdenken konnte. »An meinem Schreibtisch, damit er mich beobachten und dafür sorgen kann, dass ich die Regeln nicht breche?«, murrte ich. »Himmel.«

Sein Kopf erschien wieder im Türrahmen. »Ja. Vertrauen wird verdient, Ms VanRyan, nicht blind vergeben.«

Ich spürte die Hitze in meine Wangen steigen, weigerte mich aber, klein beizugeben. »Dasselbe gilt für Respekt, Mr Richards.«

Seine Augenbrauen schossen hoch, aber er sagte nichts. Seine Tür schloss sich geräuschvoll, und ich blickte zu Michael und verzog das Gesicht. »So viel zu einem guten Eindruck.«

Er grinste. »Mädel, ich bin total in dich verliebt. Aber erzähl das nicht meinem Ehemann. Der große Wüstling ist nämlich ein eifersüchtiger Sack.« Er zeigte auf das gerahmte Foto auf seinem Schreibtisch, und ich versuchte, nicht zu lachen. Sein Mann war kleiner als er, ein bisschen mollig und hatte den süßesten Blick, den ich je gesehen hatte. Auf dem Foto sah er Michael an, als würde er für ihn die Sonne vom Himmel holen wollen.

»Unverkennbar.«

Michael gluckste. »Okay, lass uns starten, bevor der Boss wieder herauskommt und zu schreien anfängt. Ich bringe dich in die Personalabteilung und besorge ihm den Kaffee und Blaubeer-Muffins. Er isst jeden Morgen zwei davon. Ich denke, der Zucker tut ihm gut. Danach ist er gewöhnlich nicht mehr so mürrisch.«

Ich machte mir im Geiste eine Notiz – irgendwann könnte sich das als nützlich erweisen. Genauso vermerkte ich, dass Jaxson Richards ein ausgezeichnetes Gehör hatte. Ich sollte mich bei Gelegenheit daran erinnern und einen inneren Monolog für meine frechen Bemerkungen benutzen. Ich grinste Michael an. »Mein Vater ist immer besser drauf, wenn er morgens erst mal einen Bagel gegessen hat. Meine Mutter sagt, wenn er nichts gegessen hat, ist er eigentlich immer ungenießbar.«

Schmunzelnd öffnete er die Tür und ließ mir den Vortritt. »Du hast Erfahrung im Umgang mit selbstherrlichen Männern. Das ist schon mal gut.«

Ich hatte das dumpfe Gefühl, dass er damit richtiglag.

3

GRACE

Ich strich mir übers Haar, straffte die Schultern und klopfte an Jaxsons Tür. Er war den ganzen Tag auf dem Sprung gewesen, hatte Meetings gehabt und am Telefon gehangen, war unausgesetzt beschäftigt gewesen. Mein Computer war geliefert worden, ich hatte für die Personalabteilung alle notwendigen Formulare ausgefüllt und den Tag damit verbracht, die Akten durchzusehen, die Jaxson mir auf den Schreibtisch gelegt hatte, und Drake’s Manufacturing zu recherchieren.

»Herein«, rief er.

Ich trat ein und schloss die Tür hinter mir. Ich hatte heute einiges gelernt. Mr Richards war ein extrem beschäftigter Mann. Er verhandelte nicht nur mit Unternehmen, sondern seine Expertise in Urheber- und Markenrecht machte ihn auch zu einem gefragten Mann. Seine Fälle waren vielseitig und umfangreich, und er beriet sich mit etlichen Anwälten der Belegschaft. Er bevorzugte eine spezielle Art der Protokollierung und bestand darauf, dass die komplette Dokumentation nach seinen Vorgaben zu geschehen hatte. Er war akribisch genau. Strikt und unerschütterlich. Seine Stimmung wurde tatsächlich besser, nachdem er seine Muffins gegessen hatte, aber als freundlich hätte ich ihn trotzdem nicht bezeichnet. Manchen Leuten gegenüber verhielt er sich reserviert, zu anderen war er geradezu kalt. Er murmelte häufig vor sich hin, hatte ein außergewöhnliches Gehör und ließ gerne seine Tür offen stehen, außer wenn er mit einem Mandanten telefonierte. Er verzog ziemlich oft das Gesicht, vor allem, wenn er Kaffee trank.

Jedoch hatte ich zweimal einen flüchtigen Blick auf seine andere Seite erhaschen können. Ich hörte, wie er sich nach Michaels Tochter Abby erkundigte, die eine Erkältung hatte, und fragte, ob sie sich besser fühle. Ich bekam heraus, dass er ihr ein Stofftier geschickt hatte – das sie anhimmelte –, um ihr den Tag zu versüßen. Er schien sich darüber zu freuen, dass es ihr besser ging und sein Geschenk so viel Begeisterung hervorgerufen hatte. Ein anderes Mal hatte ich ihm einen Stapel Korrespondenz gebracht, während er telefonierte, und er hatte aufgesehen, als ich hereinkam. Ich zögerte an der Tür, aber er winkte mich hinein. »Ich habe auf lautlos gestellt.«

Ich legte ein paar von den Akten, die er mir vorhin gegeben hatte, auf die Ecke seines Schreibtisches. Ich hatte all seine Anmerkungen und Fragen beantwortet und ein paar eigene Gedanken hinzugefügt, denn er schien mir die Sorte Mann zu sein, die Eigeninitiative schätzte.

»Entschuldigung, dass ich störe«, sagte ich leise.

Er grinste und sah plötzlich spitzbübisch aus. »Keine Sorge. Er wird mir eine Stunde lang etwas über irgendein neues Geschäftsvorhaben vorbeten. Das macht er jede Woche.« Er deutete auf die aufgeschlagene Akte auf seinem Schreibtisch. »Ich erledige jede Menge Arbeit, während er mir die Ohren volljammert.«

»Und das kriegt er nicht mit?«

»Nee. Ich werfe ein paar ›Hms‹ oder Bemerkungen ein, bis er sich die Idee selbst ausgeredet hat. Dann legt er auf, und ich beauftrage Michael, ihm eine Rechnung zu schicken. So profitieren wir alle.«

Ich konnte nicht anders, als ihn anzulächeln. Er sah fast jungenhaft aus, amüsiert über seine eigenen Streiche. Er lächelte zurück, und mir stockte der Atem. Er sah umwerfend aus, wenn er lächelte. Die sexy Kerbe in der Mitte seines Kinns vertiefte sich, und die Furchen auf seiner Stirn wurden glatter. Das Eis in seinen Augen schmolz. Er berauschte mich, und ich wollte mich an diesem Lächeln betrinken. Als ich merkte, dass meine Gedanken auf Abwege gerieten, musste ich schleunigst kehrtmachen und verschwinden, bevor er meine Reaktion noch mitbekam. Zum Glück war es gerade wieder an der Zeit, eins seiner »Hms« einzuwerfen, sodass er meine Verwirrung nicht bemerkte.

Nun näherte ich mich seinem Schreibtisch und war unsicher, welcher Mann mich diesmal begrüßen würde. Er sah heute Nachmittag etwas zwangloser aus, sein Schlips war gelockert, und das Jackett hing über der Rückenlehne seines Stuhls. Seine Ärmel waren hochgekrempelt und gaben den Blick auf seine kräftigen Unterarme frei, und das Licht verfing sich in seinem Haar. Außer der schweren Uhr an seinem Handgelenk trug er keinen Schmuck. Seine Hände waren groß und maskulin. Ich musste meinen Blick von ihnen losreißen – aus irgendeinem Grund faszinierten sie mich. Ich bemerkte, dass er müde aussah, aber sein Blick war ruhig und fest, als er mich anblickte.

»Ms VanRyan.«

Ich setzte mich und übergab ihm die Drake-Akte. »Ich habe alle Informationen, die Sie haben wollten.«

Er schaute skeptisch. »Wirklich alle?«

»Ja.«

Er überflog die Akte und nickte langsam. »Gute Arbeit.«

»Danke.«

Er tippte auf die andere Akte auf seinem Schreibtisch. »Auch hier haben Sie eine ordentliche Leistung abgeliefert. Ich habe Ihre Anmerkungen bezüglich des Konfliktes in der Greyson-Markenzeichen-Sache gesehen. Gut aufgepasst.«

»Danke«, sagte ich erneut.

Er schürzte die Lippen. »Wie höflich.«

»Ich reagiere bloß auf die Stimmung, Sir.«

Ein Grinsen zuckte um seinen Mund. »Ich war ein bisschen drüber heute Morgen, oder?«

»Das kann ich nicht beurteilen. Es ist mein erster Tag. Vielleicht sind Sie immer ›ein bisschen drüber‹. Mürrisch sind Sie jedenfalls.« Ich riss vor Schreck die Augen auf, als mir klar wurde, was ich gerade gesagt hatte. Doch bevor ich mich entschuldigen konnte, lachte er.

»Sie haben Probleme damit, Ihre Gedanken für sich zu behalten, nicht wahr?«

»Eigentlich nicht.«

Er schwieg kurz und wechselte dann das Thema. »Hat Michael Sie herumgeführt? Sind alle Formalitäten erledigt? Firmenhandy?«

»Ja.« Ich hielt ihm meinen Ausweis hin. »Nun bin ich offiziell.«

Ein merkwürdiger Ausdruck huschte über sein Gesicht. »Na schön.« Er klopfte auf die Akten neben ihm. »Machen Sie weiter so gute Arbeit, und wir werden prima miteinander auskommen.«

»Ich bin kein Faulpelz, Mr Richards. Ich werde hart für Sie arbeiten.«

Er kräuselte die Lippen, öffnete dann den Mund, um etwas zu sagen, stockte aber. »Ich bin sicher, das werden Sie. Einen schönen Abend, Ms VanRyan.«

Meine Zeit war offensichtlich um. Ich stand auf. »Ihnen auch.«

Ich verließ ihn und fragte mich, warum ich es so ungern tat.

Die Woche war verrückt. Ich war jede Sekunde des Tages beschäftigt, recherchierte, beendete verschiedene Aufgaben für Mr Richards, hospitierte bei Meetings, brütete über Verträgen. Ich war fasziniert von der Art, wie er arbeitete. Er mochte kein überflüssiges Geschwätz. Hasste Small Talk. Er war stets höflich zu seinen Mandanten, kam aber immer schnell zur Sache und hielt alle Meetings kurz und produktiv.

»Zeit ist Geld, Ms VanRyan. Ich hasse es, sowohl das eine als auch das andere zu verschwenden.«

Mit Informationen allerdings ging er großzügig um. Er beantwortete meine Fragen gewissenhaft und startete ein von ihm ersonnenes spezielles Übungsprogramm, das mir beim Lernen helfen sollte. Jeden Morgen fand ich eine gekritzelte Notiz mit einem hypothetischen Sachverhalt auf meinem Schreibtisch vor. Ich hatte Zeit zum Nachdenken, wie ich vorgehen wollte, und bevor ich Feierabend hatte, besprachen wir das Ganze. Er verlor nie die Geduld, wenn ich falschlag, und erklärte mir stattdessen, wo ich Fehler machte. Wenn ich richtiglag, war sein Lob zwar sparsam, aber aufrichtig.

»Gut gemacht.«

»Ausgezeichneter Gedankengang.«

Ein- oder zweimal erntete ich sogar sein seltenes Lächeln. Was mich dazu brachte, noch härter arbeiten zu wollen.

Eines Tages war er spät dran, und ich fand keine Notiz vor. Stattdessen rief er mich in sein Büro.

»Mir ist der Sitz im Vorstand eines externen Unternehmens angeboten worden. Sollte ich das in Erwägung ziehen?«, fragte er.

Ich begriff, dass dies die heutige Lektion war und er meine erste instinktive Reaktion wollte – ohne dass ich Zeit für Recherche oder Vorbereitung gehabt hätte.

Anwälte wurden oft gefragt, dem Vorstand eines Unternehmens beizutreten. Ich hatte diese Diskussion bereits mit Bill gehabt.

»Nein.«

Er hob eine Augenbraue und bedeutete mir schweigend, fortzufahren. Ich suchte in meinem Kopf nach den richtigen Worten, um eine angemessene Antwort zu geben. Da Jaxson Ehrlichkeit schätzte, entschied ich mich dafür, kein Blatt vor den Mund zu nehmen.

»Unterm Strich bedeutet das eine mördermäßige Verantwortung bei geringem Nebenverdienst, wenn überhaupt. Mehr Arbeit, mehr Zeitaufwand – plus rechtliche Fallstricke, das Risiko, verklagt zu werden, und die Frage, wo Ihre Verantwortlichkeit liegt. Ihre Loyalität. Es ist die Sache nicht wert, außer es handelt sich um ein Unternehmen, hinter dem Sie hundert Prozent stehen. Selbst dann ist es ein Wagnis. Wer will sich den Kopf über einen zankenden Vorstand zerbrechen? Die großen Egos mit ihren Launen, die nichts als Ihre Zeit verschwenden? Ich kann mir offen gesagt nicht vorstellen, dass Sie geduldig genug dafür sind. Sie würden denen ziemlich schnell mitteilen, dass sie sich verpissen sollen.«

Für einen Augenblick sagte er gar nichts. Ich sah, wie seine Lippen zuckten und er nickte. »Sehr … eloquent, Grace. Alles stichhaltige Argumente.«

Ich spürte, wie ich rot wurde.

Er zeigte auf die Tür. »Sie können gehen. Gute Leistung.«

Als ich an der Tür war, wies er mich an, sie hinter mir zu schließen. Ich hätte schwören können, dass ich ihn lachen hörte, als ich zu meinem Schreibtisch ging.

Ich beschloss, das als Sieg zu verbuchen.

Ich war so beschäftigt, dass ich überhaupt nicht dazu kam, die Zeit, die mir die Kanzlei zum Lernen einräumte, auch zu nutzen. Es war zwar eine großartige Vergünstigung, aber ich lernte auch so jede Menge. Jaxson war ein hervorragender Lehrer. Doch mir war klar, dass ich lernen musste. Freitagnachmittag ging er zu einem Meeting, an dem ich nicht teilnahm, und Michael packte seine Sachen zusammen, um früh nach Hause zu fahren, denn Abby hatte einen Impftermin beim Arzt.

»Larry ist mit den Nerven fertig. Ich glaube, er heult heftiger als sie«, erzählte er mir. »Ich muss da sein und den beiden beistehen.«

Er blieb an der Tür stehen. »Jaxson wird nicht zurückkommen. Die Meetings gehen den ganzen Nachmittag. Du solltest auch nach Hause gehen.«

»Ich dachte, ich lern besser noch.«

»Oh, guter Plan. Du hast ja deinen Ausweis. Die Tür ist ab sechs geschlossen, also denk dran, ihn dabeizuhaben, wenn du den Raum verlässt.«

»Mach ich.«

Nachdem er weg war, ging ich in die Bibliothek. Es war ein gemütlicher Raum mit ein paar Tischen und Stühlen und viel Licht. Ich stellte meinen Laptop auf und legte los. Mein Kopf füllte sich mit Sachverhalten, Fällen und Zahlen. Ich machte mir von den wichtigsten Dingen Notizen und füllte Seite um Seite auf dem Tablet, das mir mein Vater gegeben hatte. Es war das beste Geschenk, das er mir je gemacht hatte. Ich fand, etwas aufzuschreiben, half, die Sachen besser zu behalten, und das machte das Tablet möglich. Danach speicherte ich das Dokument sowohl in handgeschriebener als auch in getippter Form. Auch Bilder konnte man damit kopieren. Ich liebte es.

Ein Räuspern unterbrach mein Unterfangen. Ich blickte auf und sah Mr Richards vor meinem Tisch stehen.

»Ms VanRyan, was machen Sie da?«

»Studieren.«

»Es ist Freitagabend, neun Uhr.«

Ich blinzelte. Es war bereits neun? Die Zeit war wie im Flug vergangen. Ich sah auf die Bücher, die ich um mich herum verteilt hatte. Die Seitenzahl auf meinem Tablet. Ich war ziemlich fleißig gewesen.

Er runzelte die Stirn. »Haben Sie nicht Ihre vorgesehene Studierzeit dafür genutzt?«

»Ähm, nein.«

Die Falten auf seiner Stirn wurden tiefer. »Ich erwarte nicht von Ihnen, dass Sie bis in die Nacht arbeiten, um Ihr Lernpensum zu schaffen. Sie haben die Zeit. Nutzen Sie sie.«

»Ich hatte diese Woche so viel zu tun. Und die Arbeit ist so spannend. Ich lerne so viel …«

Er fiel mir ins Wort. »Trotzdem. Die Extrazeit ist zum Lernen gedacht. Keine Widerrede. Haben Sie verstanden?«

»Ja.«

»Warum packen Sie nicht zusammen und fahren nach Hause?«

»Ja, das werde ich.«

»Ich nehme an, Sie haben einen Tiefgaragenplatz? Es ist spät und hat angefangen zu regnen.«

»Oh nein, ich nehme den Bus. Ich fahre kein Auto.«

Wegen seines schockierten Gesichts versuchte ich es ihm zu erklären. »Ich meine, ich kann Autofahren. Ich weiß, wie das geht, aber hier in Toronto fahre ich nicht. Der Verkehr ist irre. Ich nehme den Bus oder die Straßenbahn.«

»Was ist mit der U-Bahn?«

Ich unterdrückte allein bei dem Gedanken daran ein Schaudern. »Nein. Ich mag die U-Bahn nicht.«

Sein Blick durchbohrte mich, als versuchte er zu entscheiden, ob er meine Äußerung anzweifeln sollte oder nicht. »Gut, Ms VanRyan. Packen Sie Ihre Sachen, und ich bringe Sie nach Hause.«

»Nein, nein, schon gut. Ich bin es gewohnt, mit dem Bus zu fahren.«

»Es ist spät, und es regnet. Ich werde Sie nach Hause fahren.« Sein Ton duldete keinen Widerspruch. Er beugte sich über den Stuhl und klappte die Bücher zu. »Sie waren fleißig genug. Holen Sie Ihre Tasche und Ihren Mantel. Ich warte am Aufzug.«

»Nein!«, rief ich und sprang so schnell auf, dass mein Stuhl umfiel. »Wirklich, es macht mir nichts aus. Ich werde ein Taxi nehmen.«

»Ich fahre Sie«, sagte er durch zusammengebissene Zähne. »Ihnen wird absolut nichts passieren.«

»Das weiß ich. Es ist nur, äh, ich brauche noch ein paar Augenblicke und will Sie nicht warten lassen.«

Er schaute perplex. »Dann werde ich im Auto in der Garage warten und derweil ein paar Mails checken. Wie wäre es damit?«

Ich entspannte mich. »Einverstanden. Danke. Ich weiß das zu schätzen.«

Er ging, ich räumte schnell die Bücher an ihren Platz zurück und holte meinen Mantel und die Handtasche aus dem Büro. Ich rannte die Stufen hinunter und entdeckte sogleich sein Auto, was nicht schwierig war, denn es war das einzige in der privaten Garage. Ein schwarzer Audi, schnittig und sexy. Als ich mich näherte, saß Jaxson hinter dem Lenkrad, die Augen fest auf sein Handy gerichtet, deshalb klopfte ich ans Fenster, bevor ich einstieg.

Er verzog skeptisch das Gesicht, während ich mich anschnallte. »Ich habe Sie nicht aus dem Aufzug kommen sehen.«

»Oh, ich habe die Treppe genommen. Nachdem ich den ganzen Tag gesessen habe, musste ich mir mal die Beine vertreten.«

Ich spürte seinen Seitenblick, sagte aber nichts weiter und war froh, dass er es dabei beließ. »Wohin soll’s gehen?«, fragte er leichthin.

»Jamison Street.«

»Bei der St. Clair?«

»Ja.«

»Mein altes Revier«, murmelte er.

»Tatsächlich?«

»Ich habe in der Coventry gewohnt.«

»Oh ja. Das ist nur ein paar Straßen weiter.«

Wir schwiegen für einen Moment, und ich genoss die Wärme im Auto. Die Ledersitze waren luxuriös, und im Hintergrund lief leise beruhigende Musik. Und das Auto roch nach Jaxson. Warm, köstlich und unverwechselbar. Ich mochte seinen Geruch.

Dann begann mein Magen zu knurren. Hörbar.

Jaxson sah zu mir herüber.

»Entschuldigung«, stammelte ich peinlich berührt.

»Sie haben nicht zu Abend gegessen, oder?«

»Ich war zu beschäftigt.«

»Ich bezweifle, dass der Apfel und die Käseecken, an denen Sie zum Mittagessen geknabbert haben, sehr hilfreich waren.«

Ich drehte den Kopf und starrte ihn fassungslos an. Woher wusste er, was ich zu Mittag gegessen hatte?

Bevor ich fragen konnte, bog er wenige Blocks von meiner Wohnung entfernt um die Ecke.

»Kennen Sie Rocking Ramen?«

»Ich bin da schon mal vorbeigegangen.«

»Mögen Sie Suppe? Und Nudeln?«

»Ja.«

Er hielt vor einem kleinen Gebäude. »Gut. Das Restaurant war und ist eines meiner Favoriten.« Er stellte den Motor ab und löste den Sicherheitsgurt.

»Was haben Sie vor?«

»Sie füttern.«

»Das ist nicht nötig. Ich esse, wenn ich zu Hause bin.«

»Nein. Wir essen jetzt.«

»Ist das ratsam?«

Er sah mich an und hob die Brauen. »Wir essen eine Schüssel Suppe, Grace. Ich habe nicht vorgeschlagen, dass wir es auf dem Tisch miteinander treiben.«

Seine Worte trieben mir die Röte auf die Wangen, aber ein kleiner Teil von mir war beleidigt. Ich hätte gewettet, dass Sex auf dem Tisch weitaus befriedigender gewesen wäre. Ich schüttelte den Kopf. »Nun bin ich also Grace?«

»Wir können nicht gemeinsam essen und so formell sein. Abgesehen davon hast du es dir verdient. Nun raus aus dem Auto. Ich bin kurz vorm Verhungern.«

Und damit stieg er aus und schlug die Tür zu. Mir blieb nichts anderes übrig, als ihm zu folgen.

4

GRACE

Es gab keinen Zweifel, dass Mr Richards – oder Jaxson, wie ich ihn nun nennen durfte – wusste, was er wollte, und dass es ihm gefiel, das Sagen zu haben. Als wir in das fast leere Restaurant kamen, zeigte er auf einen Tisch in der Ecke, befahl mir, mich zu setzen, ging dann an den Tresen und bestellte. Er kam mit zwei Tsingtao-Bier und einer Flasche Wasser zurück an den Tisch. Er stellte sie ab und deutete auf die zwei eiskalten Flaschen. »Ich war nicht sicher, ob du Tsingtao magst.«

»Und ob.«

Er schob mir eine Flasche zu, hob seine und wartete, bis ich es ihm gleichtat. Wir stießen an, er führte die Flasche an den Mund und nahm einen kräftigen Schluck. Ich musste wegschauen. Wie schaffte er es bloß, einen Schluck aus der Flasche so sexy aussehen zu lassen?

Auch ich trank einen Schluck, und als die kalte Flüssigkeit durch meine Kehle rann, stöhnte ich genüsslich.

»Ich habe eine große Portion der Spezialsuppe und ein paar knusprige Frühlingsrollen bestellt.«

»Spezialsuppe?«

Er grinste. »Sie ist fantastisch. Die machen hier ihre eigenen Ramennudeln, und die Brühe ist unwiderstehlich. Dann tun sie noch alle möglichen Sorten Gemüse hinein, und obendrauf kommt knuspriges Hähnchen- und Schweinefleisch.«

»Klingt köstlich.«

»Ist es.«

Wir schwiegen, tranken unser Bier und entspannten. Kurze Zeit später kam die dampfende, duftende Suppe. Dazu ein Teller mit Frühlingsrollen und kleinere Schüsseln für jeden von uns.

Ich sog den Duft ein und hatte plötzlich richtig Kohldampf. Jaxson nahm meine Schüssel, lud mir eine ordentliche Portion auf und fügte Fleisch und Gemüse hinzu. »Iss«, befahl er.

Ich gab keine Widerrede. Die Brühe war reichhaltig und schmackhaft, die Frühlingsrollen mit der scharfen Soße lecker und kross. Das Hähnchenfleisch obendrauf knusperte bei jedem Bissen, und ich stöhnte aus tiefster Kehle, so lecker war dieses einfache Essen. Ich öffnete die Augen und sah, wie Jaxson mich fixierte, seine Essstäbchen waren auf dem Weg zum Mund erstarrt.

»Was?«

»Dir scheint es ja zu schmecken.«

»Ja.«

»Legst du gleich die berühmte Harry-und-Sally-Szene für mich hin?«

Für einen Moment war ich irritiert, dann fiel mir die Filmszene wieder ein, in der Meg Ryan mitten im Restaurant einen Orgasmus vortäuschte. Ich fing an zu lachen, und Jaxson stimmte augenzwinkernd ein.

»Nicht ganz so gut. Nah dran, aber nur fast.«

Er hob die Brauen. »Verstehe.«

Ich wechselte das Thema. »Wie war dein Meeting?«

Er zuckte mit den Achseln und schlürfte ein paar Nudeln. Er kaute und schluckte und wischte sich den Mund ab.

»Langweilig. Einmal im Monat haben wir Teambuilding. Ich gehe hin, weil es erwartet wird.«

»Gefällt dir das nicht?«

Er nahm einen großen Schluck von seinem Bier und betrachtete mich. »Ehrlich gesagt, Grace, bin ich grundsätzlich nicht gern unter Leuten.«

Ich scheiterte bei dem Versuch, mir ein Grinsen zu verkneifen. »Alle Leute oder nur Anwaltsleute?«

»Alle.«

»Selbst deine Freunde?«

Er hob die Schultern. »Meine Freunde halten mich für einen Arsch.«

»Aha.«

Er lachte düster. »Nur ein Scherz.« Dann fügte er mit gesenkter Stimme hinzu: »Ich habe nicht viele echte Freunde.«

Ich konnte nur die Augen senken. Nach seinem Tonfall zu urteilen, war es ihm ernst.

»Deine Familie?«

Sein Gesicht wurde finster. »Ich habe keine.«

»Oh.«

Das Schweigen wurde ungemütlich, und ich wusste, dass ich an etwas Persönlichem gerührt hatte.

»Und du magst es nicht mal, mit anderen Anwälten abzuhängen? Genießt du nicht den vertrauensbildenden Aspekt?«

Er schnaubte. »Ich würde keinem von ihnen auch nur einen Meter über den Weg trauen. Ich spüre null Verlangen, mit auch nur einem von denen ›abzuhängen‹, wie du es ausgedrückt hast.«

»Liegt das an deiner Stellung? Ich nehme an, du hoffst darauf, Partner zu werden?«

Er schüttelte den Kopf. »Die letzten zwei Firmen, in denen ich war, hatten mir die Partnerschaft angeboten. Aber ich sollte sofort einsteigen. Ich habe beide Angebote abgelehnt.«

Ich blinzelte. »Du willst kein Partner sein?«

»Nein. Das bedeutet nur größere Verantwortung. Es bedeutet eine langfristige Bindung. Daran glaube ich nicht. Nichts dauert ewig. Und der Gedanke an die Scherereien mit der Auflösung der Partnerschaft, wenn ich gehe oder die mich nicht mehr haben wollen, ist nicht besonders reizvoll.«

»Vielleicht würde das gar nicht passieren.«

Er sah mich mit ernstem Blick an. »Nichts ist für die Ewigkeit, Grace. Alles im Leben ändert sich. Darum sind Scheidungsanwälte so begehrt. Darum füllen Sorgerechtsstreitigkeiten die Gerichtssäle. Verklagen sich Geschäftspartner unentwegt. Liebe stirbt. Freundschaft endet. Das ist unausweichlich.«

Ich war schockiert von seinen Worten. »Ich bin anderer Meinung. Meine Familie ist der Beweis dafür, dass Liebe lebt und gedeiht. Dass Freundschaft ein lebenslanger Bund sein kann.«

»Dann bist du eine der wenigen Glücklichen.«

»Entschuldige meine Direktheit, aber das klingt nach einem einsamen Leben.«

»Ich mag deine unverblümte Art. Aber meines Erachtens ist es ein gutes Leben. Ich erwarte nichts. Ich verlange nichts. Ich schulde niemandem etwas. Ich bin von niemandem abhängig. Ich muss mich an niemanden anpassen oder mir Gedanken um jemandes Gefühle machen. Ich lebe, wie es mir gefällt. Ich weiß, dass nichts von Dauer ist, also bin ich auch nicht überrascht, wenn es endet.« Er trank sein Bier aus. »Und alles hat immer irgendwann ein Ende.«

»Ich habe keine Ahnung, was ich zu diesem Statement sagen soll.«

Er schüttelte den Kopf. »Nun habe ich dich schockiert, kleine Grace.«

»Nicht schockiert, nur traurig gemacht.«

»Kein Grund, traurig zu sein. So ist das Leben.« Er wischte sich über den Mund. »Hast du fertig gegessen?«

»Ähm, ja.«

Er erhob sich. »Dann komm, ich bringe dich nach Hause.«

Im Auto schwiegen wir. Seine Worte hatten mich irgendwie betroffen gemacht. Er glaubte das wirklich. Ich konnte es an seinen Augen sehen und hörte die Überzeugung in seiner Stimme.

»Grace?«

Ich sah in Jaxsons Richtung.

»Wir sind da.«

»Oh.« Ich löste den Sicherheitsgurt. »Danke für das Abendessen, Jaxson.«

»Grace …« Er stockte und holte tief Luft.

»Ja?«

»Ich bin froh, dass deine Welt anders ist als meine.«

Unsere Blicke begegneten sich im Halbdunkel des Autos. Langsam wandelte sich die Atmosphäre. Sein Ausdruck veränderte sich, und seine Augen – seine leuchtenden, intensiven eisblauen Augen – schmolzen. Sein Blick wurde wärmer, nicht mehr distanziert und unnahbar, sondern freundlich. Je länger wir uns ansahen, desto größer wurde die Veränderung. Aus Eis wurde Feuer. Aus Kälte Glut. Es loderte und brannte und raubte mir den Atem. Ich spürte, wie die Intensität des Augenblicks uns überwältigte. Außerhalb des Autos existierte nichts mehr. Nur die Gegenwart zählte. Jaxson. Langsam begann sich sein Kopf zu senken, so wie meiner sich ihm entgegenneigte. Ich erschauerte, weil ich wusste, was gleich geschehen würde.

Da fuhr ein Auto vorbei, hupte laut, und der Moment zerbarst in tausend Scherben und katapultierte uns schlagartig in die Realität zurück.

Jaxson schreckte zurück, als hätte er sich verbrannt, und griff nach dem Lenkrad.

»Danke für deine Bemühungen diese Woche.«

Es brauchte meine ganze Entschlossenheit, ohne zu stolpern aus dem Auto zu steigen. »Danke für das Essen«, wiederholte ich, weil mir nichts anderes einfiel.

Ich schlug die Tür zu und war im Begriff zu gehen, als er das Fenster runterließ und sich über den Sitz lehnte. »Warte.«

Ich beugte mich vor. »Ja?«

Er schloss die Augen und schüttelte den Kopf. »Nichts. Nur – hab ein schönes Wochenende, Gracie.«

Er fuhr davon.

Ich sah ihm hinterher und realisierte schlagartig, wie er mich genannt hatte.

Nicht Ms VanRyan. Nicht Grace. Gracie.

Hatte er das überhaupt bemerkt?

Am Montagmorgen war von dem Mann, der darauf bestanden hatte, mich nach Hause zu fahren und mir Suppe vorzusetzen, nichts mehr zu erkennen. Er war distanziert und kühl, auch wenn er mich immer noch Grace nannte und mich nicht berichtigte, als ich ihn das erste Mal hier im Büro Jaxson nannte.