Loved to the Maxx - Melanie Moreland - E-Book

Loved to the Maxx E-Book

Melanie Moreland

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Beschreibung

Wenn sich Charly als Charlynn entpuppt ...

Maxx Reynolds braucht dringend Hilfe. Sein Geschäft, sein Haus, sein ganzes Leben - alles ist ein einziges Chaos. Aus Verzweiflung gibt er im Internet eine Anzeige für einen neuen Mitarbeiter auf, der ihn in seiner Werkstatt unterstützen soll. Als aber am ersten Tag des neuen Jobs nicht der erwartete Charly auftaucht, sondern eine attraktive Rothaarige namens Charlynn, steht er vor einem weiteren Problem: Sie ist ihm zu hübsch, zu frech, zu lebhaft - und er kann seine Finger einfach nicht von ihr lassen ...

"Eine romantische, aber auch superprickelnde Liebesgeschichte über zwei verlorene Seelen, die sich finden." BECCA THE BIBLIOPHILE

Der neue Roman von Bestseller-Autorin Melanie Moreland

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Seitenzahl: 492

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Inhalt

Titel

Zu diesem Buch

Widmung

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

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Epilog

Danksagung

Die Autorin

Die Romane von Melanie Moreland bei LYX

Leseprobe

Impressum

MELANIE MORELAND

Loved to the Maxx

Roman

Ins Deutsche übertragen von Ralf Schmitz

Zu diesem Buch

Maxx Reynolds braucht dringend Hilfe. Sein Geschäft, sein Haus, sein ganzes Leben – alles ist ein einziges Chaos. Aus Verzweiflung gibt er im Internet eine Anzeige für einen neuen Mitarbeiter auf, der ihn in seiner Werkstatt unterstützen soll. Als aber am ersten Tag des neuen Jobs nicht der erwartete Charly auftaucht, sondern eine attraktive Rothaarige namens Charlynn, steht er vor einem weiteren Problem: Sie ist ihm zu hübsch, zu frech, zu lebhaft – und er kann seine Finger einfach nicht von ihr lassen …

Liebe gibt es in allen Formen und Farben.

Doch immer ist es Liebe.

Das größte Geschenk, das wir einander machen können, ist unser Herz.

Mein Herz gehört euch.

Der Liebe in all ihrer Herrlichkeit.

Und meinem Matthew, der sie verkörpert.

1

Maxx

Draußen herrschte pechschwarze Nacht, heiß und stark wehte der Wind. Das einzige andere Geräusch war das Wummern der Rockmusik im Hintergrund. Ich trank einen großen Schluck Bier aus der Flasche, die ich mir aus dem kleinen Garagenkühlschrank genommen hatte, und vertilgte den Rest meines eilig zusammengestellten Sandwichs. Ich starrte auf den Computer, dann öffnete ich ein neues Dokument. Ärgerlich rieb ich mir das Gesicht. Ich hatte keinen Schimmer, wie ich es anfangen sollte, und sonderlich scharf darauf war ich auch nicht, aber so wie die Dinge lagen, musste ich es versuchen, ob es mir gefiel oder nicht.

Gesucht:

Helfer

Botenjunge

Botenmädchen

Assistent/in

Privatassistent/in

Haushälter/in

Buchhalter/in

Handlanger/in

Grübelnd las ich die Liste noch einmal. Keine der Bezeichnungen kam mir richtig vor. Da kam mir eine Erinnerung an meinen Dad und meine Mom im Büro in den Sinn. Er nannte sie immer sein »Mädchen für alles« und behauptete, es gäbe absolut nichts, was sie nicht erledigen konnte. Er bestand immer darauf, dass sie sich im Büro besser mit allem auskannte als er selbst und dass er ohne sie aufgeschmissen wäre. So jemanden brauchte ich, also tippte ich genau das in die Anzeige:

Mädchen für alles

Anforderungen:

Leitung einer Werkstatt plus

Haushalt, Einkäufe, Wäsche, Kochen

Kompetenzen in Buchhaltung, Rechnungsführung sowie in diversen anderen Bereichen erwünscht

Stirnrunzelnd ging ich die Liste noch einmal durch. Meine Nachbarin Mary hatte mir dazu geraten, auf dieser Website zu annoncieren und dabei sehr genau anzugeben, was mir vorschwebte. Ich las mir die Liste abermals durch und begann dann wieder zu tippen. Als ich fertig war, checkte ich alles noch mal und fand es genau genug.

Gesucht: Mädchen für alles

Anforderungen: Haushalt, Einkäufe, Wäsche, Kochen

Kompetenzen in Buchhaltung, Rechnungsführung, Kontoführung, Lagerbestandskontrolle sowie Verwaltung der Firmen-Website erwünscht

Führerschein, Organisationstalent und Fähigkeit zu selbstständiger Arbeit erforderlich

Sollte fernab größerer Ortschaften auf dem Land leben wollen

Sollte Hunde lieben

Backen zu können ist klar von Vorteil

Arbeitszeit: Montag bis Freitag von 8 Uhr früh bis 6 Uhr abends, samstags von 8 bis 12 Uhr mittags

Samstagnachmittage und Sonntage sind arbeitsfrei.

Zimmer mit Bad vorhanden, Kost und Logis frei

Bitte nur ernst gemeinte Anfragen

Ich sah mich in der Werkstatt um. Ich benötigte dringend Hilfe. Seit Shannon nicht mehr da war, ging alles den Bach runter. Das ging schon eine ganze Weile so, aber irgendwie hatte ich es vorher nie richtig gemerkt. Ich schnaubte und trank mein Bier aus.

Ich hatte so einiges nicht mitbekommen.

Ich überlegte, ob das mit dem Backen nicht ein bisschen übertrieben war. Mir war klar, dass Kuchenbacken eine fast vergessene Kunst war, die Menschen unter fünfzig wahrscheinlich nicht mehr beherrschten. Ich beschloss, es drinzulassen. Vielleicht würde das nicht ernst gemeinten Anfragen vorbeugen.

Ich lud das Dokument bei Solutions for You hoch und prüfte es abschließend auf irgendwelche Fehler. Es gefiel mir, dass man auf dieser Website mit den Interessenten chatten und sich ein Bild machen konnte, bevor man jemanden einstellte. Ich hatte bereits einige andere Online-Jobvermittlungen probiert, die mir jedoch nicht zusagten. Diese Website hatte schlichtere Richtlinien, und es ging auch nicht bloß um Jobs, sondern auch um den An- und Verkauf von Dingen, man konnte sie gewerblich nutzen oder Suchanzeigen nach verlorenen Gegenständen aufgeben. Ich hatte dort bisher nur nach Ersatzteilen gesucht, Mary indes hatte dort ihre letzten beiden Hilfskräfte gefunden und mich deshalb ermutigt, es ebenfalls zu versuchen. Was eine gute Idee zu sein schien. Schließlich hatte ich gerade nichts mehr zu verlieren. Aber auch wenn ich dringend etwas unternehmen musste, setzte ich nicht allzu viel Hoffnung in dieses Vorhaben.

Da man die Reichweite der Anzeige festlegen konnte, entschied ich mich dafür, meine unmittelbare Umgebung auszuschließen, aber innerhalb der Provinz zu bleiben. Ich musste jemanden von außerhalb der Kleinstadt einstellen, in der ich lebte. Weil ich mitleidige Blicke vermeiden und den Klatschmäulern keinen Stoff für Gerüchte liefern wollte, wenn jemand aus der Gegend in meiner Werkstatt oder sogar bei mir daheim auftauchte, benötigte ich jemand Fremdes ohne Verbindung zu diesem Ort oder zu mir.

Jemand Fremdes, den ich nicht kannte und der mir egal war und der, was mich anging, genauso dachte.

Es war ganz einfach. Ich brauchte jemanden für die Arbeit, und ich war mir sicher, dass es da draußen jemanden gab, der Arbeit suchte.

Zufrieden drückte ich auf Senden.

Jetzt musste ich nur noch auf Bewerber warten.

Wer könnte einem solchen Jobangebot schon widerstehen?

Charlynn

Ich starrte entsetzt auf das Blatt Papier in meiner Hand. Ich war mir sicher, nicht richtig zu lesen.

»Räumungsbescheid«, flüsterte ich. Ich hob den Blick zu meinem Vermieter; diesmal lauter, wiederholte ich: »Aber ich bin doch nur einen Monat im Rückstand.«

Terry lehnte vollkommen unbekümmert am Türpfosten. Er sah mich mit einem seiner langen anzüglichen Blicke an, die ich so hasste. Mir gefiel nicht, dass er mir so nah kam, daher wich ich einen Schritt zurück.

»Nope, diese mit eingerechnet, schulden Sie mir drei Monatsmieten.«

»Drei?«, fiepte ich. »Aber ich habe Trish meinen Anteil an der Miete gegeben – ich verstehe das nicht. Sie hat mir gesagt, die Miete ist bezahlt – ich hab sogar die Belege.«

»Zeigen Sie mal.«

Ich lief in die kleine Küche und riss die Schublade auf. Ich nahm den Umschlag und zog die Papierstreifen heraus. Dann drehte ich mich um und erschrak, als ich sah, dass Terry mir gefolgt war. Ich mochte ihn nicht besonders – er machte mir sogar Angst. Doch ich unterdrückte meine Nervosität und hielt ihm die Belege hin. »Hier.«

Er betrachtete sie, schüttelte den Kopf und drückte sie mir wieder in die Hand. »Fälschungen.«

Ich schaute auf die Papierstreifen. Ich hatte sie mir nicht angesehen, als Trish mir sagte, die Miete sei bezahlt. Sie hatte sie dann zu den übrigen Quittungen in die Schublade gelegt. Aber als ich sie nun musterte, sah ich, dass Terry die Wahrheit sagte. Das waren eindeutig Fälschungen.

»Und wo ist das Geld geblieben?«, murmelte ich.

Er zuckte die Achseln. »Das hat sie wohl jemand anderem gegeben.«

Ich kämpfte gegen aufsteigende Panik an. »Es muss doch irgendwas geben, das ich tun kann.« Ich schluckte meine Abscheu davor, Terry um irgendetwas zu bitten, hinunter, denn mir blieb nichts anderes übrig. »Trish hat mich betrogen, Terry. Sie hat mich ausgeplündert und ist mit allem, was mir gehört, auf und davon. Und meinen Job hab ich auch verloren. Sie können mir sicher etwas Zeit geben, bis ich eine Lösung gefunden habe.«

Ein lüsternes Funkeln trat in seine Augen, er kam noch einen Schritt näher, während sein Blick an meinem Körper auf und ab wanderte, wobei er nicht länger vorgab, irgendwas anderes im Sinn zu haben. »Sie könnten Ihre Schulden auf dieselbe Weise begleichen wie Ihre Mitbewohnerin.«

»W-was?«

»Sie hat die Miete in den letzten Monaten in Rückenlage bezahlt.« Er zwinkerte anzüglich. »Oder auf den Knien.«

Heftig den Kopf schüttelnd, wich ich einen Schritt zurück. »Nein.«

Er lächelte. Kalt und grausam. »Ich wette, Sie sind ein Teufelsweib im Bett, stimmt’s?« Er streckte die Hand aus, griff mir ins Haar und zog fest daran. »Rothaarige sind ja für ihr Temperament bekannt. Ich würde gerne erleben, wie du dich gegen mich wehrst.« Er verstummte kurz und leckte sich die Lippen. »Ich steh nämlich drauf, wenn sich die Weiber wehren.«

Bei seinen Worten drehte sich mir der Magen um. Angewidert schlug ich seine Hand weg. »Ich schlage vor, Sie lassen mich los, es sei denn, Sie wollen, dass ich Ihnen Ihre Eier bis rauf in den Hals trete. Ich habe Nein gesagt. Raus hier!«

Seine Miene blieb unverändert – sie wurde höchstens noch eisiger. »Gib mir, was ich verlange, dann kannst du einen weiteren Monat in deiner Wohnung bleiben.« Er sah mich höhnisch an. »Wenn du gut bist, vielleicht sogar länger.«

Ich hätte kotzen können. Stattdessen legte ich den Kopf schief und betrachtete ihn, als würde ich über sein großzügiges »Angebot« nachdenken. Dann trat ich vor, legte meine Hand auf seine und senkte den Blick. Sein zufriedenes Grunzen verwandelte sich in Schmerzgeheul, als ich ihm grob die Finger zurückbog. Ich machte mir seine Überraschung zunutze, packte seinen Arm und verdrehte ihn in einem Winkel, der ihm, wie ich wusste, mächtig wehtun würde. Schließlich bugsierte ich ihn zu meiner Wohnungstür und beförderte ihn hinaus.

»Lieber lebe ich auf der Straße.«

Wütend schlug ich die Tür zu und schloss ab. Mit einem lauten Klack legte ich die Kette vor. Ich konnte ihn auf der anderen Seite der geschlossenen Wohnungstür fluchen und knurren hören.

Ich wandte mich ab, fuhr aber sogleich wieder herum, als die Tür aufgeschlossen wurde und Terrys hässliche Visage in dem Spalt erschien, den die Kette ließ.

»Vergiss nicht, du Schlampe, dass ich einen Schlüssel habe, mit dem ich jederzeit reinkommen kann.«

Ehe ich mich rühren konnte, zog er die Tür ins Schloss.

Für einen Moment stand ich da, Angst ergriff mich. Er hatte recht. Er konnte jederzeit reinkommen. Nach dem Auszug meiner ersten Mitbewohnerin, Rhonda, hatte ich manchmal das Gefühl gehabt, jemand sei während meiner Abwesenheit in der Wohnung gewesen, aber beweisen konnte ich es nie. Trish, meine nächste Mitbewohnerin, hatte zu Hause gearbeitet und leugnete, jemals von ihm belästigt worden zu sein.

Jetzt hob Terry den Briefschlitz der altmodischen Tür. »Du hast noch bis zum Monatsende Zeit. Entweder du zahlst, was du mir schuldest, plus eine Monatsmiete extra, oder du fliegst hier raus.«

Der Briefschlitz fiel mit einem lauten metallischen Knall zu, dann hallten seine schweren Schritte durch den Hausflur.

Das Monatsende war schon in einer Woche. Und ich war drei Monatsmieten im Rückstand. Ich rutschte an der Wand hinunter und raufte mir die Haare.

Ich sah mich in der kleinen Wohnung um. Zwei Jahre hatte ich hier gelebt. Nach Rhondas Heirat hatte ich eine Anzeige aufgegeben und jemand Neues gefunden, um die Kosten mit mir zu teilen. Trish schien anfangs schwer in Ordnung zu sein. Sie kochte gern, es war schön, sie um mich zu haben, und ich dachte schon, ich hätte eine neue Freundin aufgetan. Als ich gestand, dass mir unser Vermieter ein bisschen an die Nieren ging und dass Rhonda sich immer mit ihm abgegeben hatte, bestand Trish darauf, dass sie ihm jeden Monat die Miete zahlen würde, weil sie, wie sie sagte, nicht »wollte, dass ich mich unbehaglich fühlte«, und schon mit »ihm klarkommen« würde. Im ersten Monat hatte sie darauf geachtet, dass ich mitbekam, wie sie den Beleg in die Schublade legte, und danach hatte ich nie wieder einen Gedanken daran verschwendet.

Bis ich an einem Tag vor zwei Wochen heimkam und herausfand, dass sie sich in meine Benutzerkonten gehackt, mein gesamtes Geld gestohlen, meine Kreditkarte belastet und alles von Wert, das ich besaß, mitgenommen hatte und von der Bildfläche verschwunden war.

Buchstäblich.

Als hätte sie niemals existiert. Was sie, wie sich herausstellte, auch nicht hatte. Als ich zur Polizei ging, um Anzeige zu erstatten, erfuhr ich, dass ich übers Ohr gehauen worden war. Es gab niemanden namens Trish Gordon. Und sie war gut. Die Telefonnummern, unter denen ich ihre Referenzen überprüft hatte, existierten nicht mehr. Die Namen in ihrer Bewerbung waren samt und sonders falsch. Sie war ein Profi, und ich war auf ihr freundliches, hilfsbereites Getue hereingefallen – aber komplett.

In derselben Woche hatte ich meine Arbeit verloren. Weil das Industrieunternehmen, für das ich arbeitete, ohne jede Vorwarnung seine Tore schloss. Eine neue Vollzeitstelle zu finden war mir nicht gelungen, und die Teilzeitjobs, die ich auftreiben konnte, deckten nicht einmal die Kosten für das Allernötigste, geschweige denn die Miete. Noch entsetzter war ich, als ich sah, dass Trish mit allem anderen auch das Geld hatte mitgehen lassen, das ich für die Miete dieses Monats zurückgelegt hatte. Und nun kam ich auch noch dahinter, dass sie sich auch das übrige Geld eingesteckt und die Miete stattdessen mit Blowjobs und Sex beglichen hatte.

Ich war am Arsch. Total am Arsch.

Kelly sah mich über ihr Glas hinweg an. »Was kann ich tun, Char?«

Ich trank einen Schluck Wein. Kelly war fast so pleite wie ich, daher hatte es keinen Sinn, sie anzupumpen. »Nichts. Ich muss bloß innerhalb einer Woche umziehen und einen Job finden. Kinderspiel, oder?«

»Du kannst auf meiner Couch pennen«, bot sie halbherzig an.

Ich tätschelte ihre Hand. »Du schläfst selbst schon auf deiner Couch.« Kellys Wohnung war winzig – ein Zimmer in einem Boarding House. Sie liebte es, aber als wir einmal versucht hatten, dort zusammen zu wohnen, war darüber fast unsere Freundschaft zerbrochen. Wir waren einfach viel zu unterschiedlich.

»Wir könnten es drauf ankommen lassen.«

»Danke.« Der Gedanke, es könnte darauf hinauslaufen, gefiel mir nicht, aber womöglich würde mir nichts anderes übrig bleiben.

»Wo hast du dich beworben?«

»Überall. In Cafés, als Aushilfe, in Läden. Ich habe meinen Lebenslauf online bei verschiedenen Jobbörsen gepostet. Nichts.«

»Lass mal sehen?«

Ich gab ihr meinen Laptop und schenkte mir Wein nach. Der Wein gehörte zu dem wenigen, das Trish mir gelassen hatte – vermutlich war ihr die Weinkiste zu unhandlich für den Transport erschienen. Wein und Nudeln ergaben eine Supermahlzeit. Jedenfalls beim ersten Mal. Beim zehnten Mal bekam man beides kaum noch hinunter. Aber inzwischen war der Wein beinah aufgebraucht, die Nudeln desgleichen.

»Da hast du aber viel abgedeckt.«

»Ich weiß.«

»Und was ist Solutions for You?«, fragte sie stirnrunzelnd.

»Oh, so was wie Craigslist – etwas weniger formell als andere Jobbörsen im Netz«, erklärte ich. »Wenn man will, kann man da genauso gut einen Job wie eine neue Kommode finden. So eine Art Sammelstelle für Anzeigen. Als ich davon hörte, dachte ich: Wer nicht wagt, der nicht gewinnt.«

»Vermutlich.« Sie musterte den Bildschirm. »Oh, schau, hier ist ein neuer Eintrag.« Sie kicherte. »Sieht … interessant aus.«

Ich spähte über ihre Schulter, dabei blinzelte ich ein wenig, um den Bildschirm zu erkennen. Nach dem Wein und ohne zu wissen, wo meine Brille lag, fiel es mir schwer, mich zu konzentrieren.

Gesucht: Mädchen für alles

Anforderungen: Haushalt, Einkäufe, Wäsche, Kochen

Kompetenzen in Buchhaltung, Rechnungsführung, Kontoführung, Lagerbestandskontrolle sowie Verwaltung der Firmen-Website erwünscht

Führerschein, Organisationstalent und Fähigkeit zu selbstständiger Arbeit erforderlich

Sollte fernab größerer Ortschaften auf dem Land leben wollen

Sollte Hunde lieben

Backen zu können ist klar von Vorteil

Arbeitszeit: Montag bis Freitag von 8 Uhr früh bis 6 Uhr abends, samstags von 8 bis 12 Uhr mittags

Samstagnachmittage und Sonntage sind arbeitsfrei.

Zimmer mit Bad vorhanden, Kost und Logis frei

Bitte nur ernst gemeinte Anfragen

Ich fing an zu lachen. »Echt jetzt? Mädchen für alles? Wer verwendet den Ausdruck heute denn noch? Alte Säcke?«

Kelly kicherte wieder. »Ziemlich lange Liste.«

»Wow, und ob«, murmelte ich, während ich las.

»Du kannst super backen. Dein Zitronenkuchen ist wirklich umwerfend. Und dein Blaubeerkuchen ist auch nicht zu verachten«, scherzte sie.

Lachend stieß ich sie mit dem Ellbogen an. »Der Typ ist definitiv alt. Alte Leute stehen auf Kuchen.«

Ich überflog die Anzeige noch einmal, dann sah ich mir den Benutzernamen an und schnaubte. »Ziemlich viel ›muss‹ bei Cycleman. Der Typ ist bestimmt ein Kontrollfreak. Soll die Frau für ihn arbeiten, oder soll sie ihn heiraten? Heiliger Strohsack, fehlt nur noch, dass sie ihm Kinder gebären und es ihm in der Missionarsstellung besorgen soll.«

Sie zwinkerte. »Vielleicht steht er ja auf anal. So gibt es auch keine Babys.«

Ich schnaubte belustigt. »Ich fasse es nicht, dass jemand so etwas postet.« Ich warf einen Blick auf die Zahlen. »Vier Antworten. Du lieber Himmel.

»Die Leute …« – sie schüttelte den Kopf – »… sind echt schräg drauf.«

Ich klappte den Laptop zu und trank mein Glas aus. »Kann man wohl sagen.«

2

Charlynn

Als Kelly ging, schloss ich die Tür hinter ihr und sah mich in der größtenteils leeren Wohnung um. Nur noch das alte Sofa und der angeschlagene Tisch standen da. Alles, was Trish hatte davontragen können, war verschwunden. Im Schlafzimmer lag sogar meine Matratze auf dem Fußboden, da sie das Bettgestell auseinandergenommen und mitgenommen hatte. Die Kommode mit meinen Anziehsachen war noch da – die war ihr sicher zu alt und hässlich gewesen, um sich damit abzuplagen. Dafür hatte sie aus ihrem Zimmer alles mitgehen lassen.

Ich war froh, dass wir nicht dieselbe Größe hatten; sonst wären bestimmt auch meine ganzen Kleider nicht mehr da. Aber den Kleiderschrank hatte sie zum Glück nicht angerührt, was bedeutete, dass auch die alten Fotoalben meiner Eltern in Sicherheit waren. Wenigstens die waren mir geblieben. Und meinen Laptop hatte ich an dem Tag dabeigehabt. Wenn nicht, wäre gewiss auch der jetzt über alle Berge.

Seufzend beschloss ich zu duschen. Ich war hundemüde. Als ich in meinen Bademantel schlüpfte, klopfte es an der Tür. Lachend fragte ich mich, was Kelly vergessen hatte, und ging öffnen. Sie war so zerstreut, dass sie dauernd ihre Schlüssel oder ihr Handy irgendwo liegen ließ.

Doch nicht Kellys lächelndes Gesicht grüßte mich. Terry stand da, leicht schwankend, dünstete Alkohol aus und grinste mich dreist an.

Ich drückte gegen die Tür, ließ nur einen Spaltbreit Raum. »Was wollen Sie?«

Er beäugte mich durch die schmale Öffnung. »Sehen, ob du es dir anders überlegt hast.«

»Nein.« Ich wollte die Tür zustoßen, doch er drängte seinen Fuß dazwischen und hielt sie auf.

Seine Stimme war leise, wütend: »Denkst du, du bist zu gut für mich?«

»Jedenfalls bezahle ich meine Miete nicht mit sexuellen Gefälligkeiten. Und jetzt verschwinden Sie von meiner Tür, oder ich rufe die Polizei«, blaffte ich ihn an.

Als er sich gegen die Tür lehnte, ließ ich los. Darauf nicht gefasst, stolperte er in die Wohnung, ich fiel ihm in den Rücken und verdrehte ihm den Arm. »Wie oft wollen wir das noch so machen, Arschloch? Ich habe Nein gesagt.« Ich ließ ihn los. »Raus!«

Er rappelte sich auf, Wut stand ihm ins Gesicht geschrieben. Ich forderte ihn heraus, irgendwas zu unternehmen. Bei offener Wohnungstür würde es unweigerlich Zeugen geben – und ich konnte so laut schreien wie die wenigsten. Als er auf mich zuwankte, hätte ich kotzen können. »Ich kann in deine Wohnung, wann immer mir danach ist, du kleines Flittchen. Vergiss das nicht, wenn du die Bullen rufst.« Er schnaubte abfällig. »Dann steht dein Wort gegen meines.« Doch dann drehte er sich um und wankte von dannen. »Schlampe«, brummte er noch.

Ich machte die Tür zu, schloss ab und starrte das Holz an. Ja, er konnte rein, er hatte Generalschlüssel zu sämtlichen Wohnungstüren. Ich hatte nur das eine Schloss sowie die blöde kleine Kette, die ich zusätzlich vorlegen konnte, um bei Bedarf durch den Spalt lugen zu können. Was mich nicht im Geringsten gegen jemanden wie Terry schützte. Ich war mir auch nicht sicher, ob die Polizei irgendetwas unternehmen würde. Ich hatte schon genug Mühe gehabt, sie wegen Trish zu überzeugen. Sie hatten mich erst für voll und meine Anzeige aufgenommen, als ein anderer Polizist zufällig mitbekam, was ich vorbrachte, und sich an eine ähnliche Beschwerde erinnerte.

Fröstelnd beschloss ich, vorerst auf die Dusche zu verzichten, und setzte mich auf das Sofa. Ich klappte den Laptop auf und suchte nach zusätzlichen Sicherheitsmaßnahmen für die Wohnungstür. Zehn Minuten später trat ich bewundernd von meinem Werk zurück. Ich hatte ein Buttermesser so unter den Türrahmen geschoben, dass der Griff an der Tür für ein wenig mehr Sicherheit sorgte. Um auf Nummer sicher zu gehen, schob ich zwei weitere Messer in den Türrahmen. Jetzt konnte Terry zwar aufschließen, die Tür wegen der Messer aber nicht öffnen, es sei denn, er brach mit Gewalt ein. Aber er würde sicher nicht lautstark auf sich aufmerksam machen wollen. Kein großer Aufwand, aber auf diese Weise würde ich vielleicht ein wenig Schlaf finden.

Immer noch nervös, trank ich den Rest von meinem Wein, und so langsam holte mich der Rausch ein. Stinksauer, wütend auf die Welt und beschäftigungsbedürftig, klickte ich wieder die Solutions-for-You-Website an und schüttelte ungläubig den Kopf, als ich sah, wie viele Leute sich inzwischen wegen seines fabelhaften Jobangebots bei Cycleman gemeldet hatten.

Unfähig, zu widerstehen, schickte ich ihm eine Nachricht.

Charly:Ist das eine Job- oder eine Heiratsanzeige?

Cycleman: Was ist das denn für eine Frage? Natürlich eine Jobanzeige. Die Anforderungen sind aufgelistet.

Charly:Sexist. Mädchen für alles? Anforderungen? Wie alt sind Sie? Gehen Sie mal mit der Zeit!

Cycleman: Verzeihung, wenn ich Ihnen zu nahegetreten bin. Was schlagen Sie vor? »Person für besondere Fälle«? Sind Sie interessiert?

Ich schnaubte.

Charly: Person für besondere Fälle wäre immerhin besser. Aber ich arbeite nicht für Sexisten. Man(n) muss heutzutage respektvoll sein. Die Stellenausschreibung könnte »Sekretärin«, »Assistentin« oder »Bürofachkraft« lauten. Also, Mann, gewöhnen Sie sich dran.

Cycleman: Ich bin kein Sexist – ich hab so was bloß noch nie gemacht. Wenn ich weiß, wie es geht, ändere ich die Wörter.

Wieder lachte ich. Wie ich vermutet hatte, war er schon älter.

Charly: Na, dann viel Glück auf der Suche nach jemandem, der Ihnen dabei hilft. Ich schätze, Sie hätten »Haushälter/in« mit auf die Liste setzen sollen.

Cycleman: Wenn Sie sich bewerben wollen, müssen Sie noch an Ihrem Benehmen feilen.

Charly: Ich bin wohl nicht passend für den Job.

Cycleman: Weil Sie ein Mann sind? Ich würde auch einen Kerl einstellen. Wäre mir sogar lieber. Weniger Ärger.

Ich zog die Stirn kraus. Wieso hielt er mich für einen Kerl? Dann platzte ein neuer Heiterkeitsausbruch aus mir heraus. Charly war natürlich die Kurzform von Charlynn. Meine Freunde nannten mich Char oder Charly. Und ich selbst verwendete online immer die kürzere Version. Aber ich tat das mit einem Achselzucken ab.

Charly: Kerle können auch Ärger machen. Das muss ich ja wohl wissen. Und die wenigsten können Kuchen backen.

Cycleman: Wer ist hier jetzt sexistisch?

Charly: Im Unterschied zu Ihrer Anzeige bleibe ich bloß bei der Wahrheit.

Cycleman: Für Plaudereien bin ich zu beschäftigt. Wenn Sie nicht interessiert sind, gute Nacht.

Ich zeigte dem Bildschirm den Mittelfinger und schloss das Fenster.

War ich interessiert? Unwahrscheinlich. Viel Glück, wer auch immer für ihn arbeiten würde.

Jedenfalls ging es mir besser, nachdem ich ihm die Hölle heißgemacht hatte.

Allerdings noch nicht gut genug, um schlafen zu können.

Ich döste nur auf dem Sofa, mein Handy und ein Küchenmesser in Griffweite. Bis die Nacht vorbei war, verging eine Ewigkeit.

Am nächsten Morgen musste ich vor die Tür, weil ein Bewerbungsgespräch auf der Tagesordnung stand. Ich kleidete mich sorgfältig an, versicherte mich, dass niemand im Hausflur lauerte, und lief hinaus. Ich war erschöpft, wusste immer noch nicht, was ich machen sollte, hielt aber an der Hoffnung fest, dass ich eine Zeit lang auf Kellys Fußboden schlafen und eine neue Wohnung finden konnte, während ich das Geld für die erste und letzte Monatsmiete ansparte – falls ich heute einen Job ergatterte. In meiner jetzigen Wohnung konnte ich jedenfalls nicht länger bleiben. Und selbst wenn ich die Stelle heute bekam, hätte ich nicht genug Geld für den Mietrückstand, und Terry wollte ich ganz bestimmt nicht mehr begegnen.

Ich kam zehn Minuten zu früh an, legte einen Zwischenstopp im Waschraum ein, um mich davon zu überzeugen, dass ich mich ordentlich herausgeputzt hatte, dann eilte ich zu dem Büro mit der angegebenen Nummer hinauf. Lächelnd nannte ich der Empfangsdame meinen Namen. Sie sah mich stirnrunzelnd an.

»Es tut mir leid, aber da muss ein Irrtum vorliegen.«

Mein Mut sank. »Verzeihung?«

»Die Stelle ist seit gestern besetzt. Sie hätten eigentlich benachrichtigt werden sollen.«

Ich schluckte, mit trockenem Hals. »Mich hat niemand benachrichtigt.«

Sie seufzte vernehmlich. »Ich entschuldige mich für die Zeitverschwendung.«

»Gibt es nicht etwas anderes? Eine andere Stelle?«, fragte ich verzweifelt. »Ich kann alles.«

»Nein.« Ihre Züge wurden weicher. »Es tut mir aufrichtig leid. Ich weiß, wie es ist, also, viel Glück.«

Ich wandte mich schnell ab, ehe sie die Tränen sah, die mir in die Augen traten. Ich lief in den Waschraum zurück, in dem ich eben erst gewesen war, und schloss mich in einer Kabine ein. Dort ließ ich den Tränen freien Lauf und schluchzte in meine vorgehaltenen Hände. Ich hatte mich hierauf verlassen – auf was auch immer –, damit es endlich wieder lief. Das war heute das letzte Vorstellungsgespräch auf meiner Liste.

Ich überließ mich den Tränen, dann wischte ich mir die Augen, wusch mir die Hände und spritzte mir aus dem Waschbecken Wasser ins Gesicht. Danach lief ich ziellos in der Innenstadt von Toronto herum. Ich war mit den schönsten Hoffnungen hierhergekommen, die Lockungen der Großstadt hatten mich fasziniert. Jetzt wirkte die Stadt kalt und Furcht einflößend. Ich hatte mich noch nie so verlassen gefühlt wie jetzt, als ich auf einer Bank saß und den Leuten zusah, die, auf dem Weg zur oder von der Arbeit an mir vorbeihasteten und geschäftig ihr Leben lebten.

Ich dachte an das Gesicht meines Vaters. »Kopf hoch, Mädchen. Morgen ist auch noch ein Tag.«

Ich stieß einen langen Atemzug aus. Ich musste eine Lösung finden, aber ich hatte niemanden mehr, an den ich mich noch wenden konnte. Meine Mutter war an einem Hirnaneurysma gestorben, als ich zehn war, mein Vater war jetzt seit zwei Jahren tot, und das wenige, das er mir hinterlassen hatte, war, dank der Zicke Trish, inzwischen aufgebraucht. Und Kelly besaß keinen müden Cent, und ich würde jetzt auch noch aus meiner Wohnung fliegen.

Außer ich machte mich für Terry zur Nutte.

Aber schon beim Gedanken daran überlief mich eine Gänsehaut.

Ich blickte in den Himmel.

Wann war mein Leben zu so einer Tragödie geworden?

Ich warf einen Blick ins Portemonnaie. Ich nannte ganze siebenundzwanzig Dollar mein Eigen. Ende der Fahnenstange. In der Wohnung gab es noch ein paar Nudeln, die geleerte Kiste Wein, ein paar Cracker und eine Dose Instantkaffee. Die Kaffeemaschine hatte Trish mitgenommen.

Ich lief den ganzen Tag herum, fragte nach Jobs und gab es erst auf, als mir die Lebensläufe und mein Lächeln ausgingen. Ich ging in einen Laden und kaufte einen Laib Brot und die billigste Erdnussbutter, die es gab. So konnte ich mich wenigstens für ein paar Tage von Sandwiches ernähren. Als ich in der Wohnung das Brot in den Kühlschrank legen wollte und die Kühlschranktür öffnete, blieb ich wie angewurzelt stehen. Auf dem ansonsten leeren Regal stand eine Flasche Bier.

Ich trank kein Bier.

Aber Terry. Ich kannte die Marke von den Flaschen, die ich oft von seiner Hand hatte baumeln sehen.

Terry war hier gewesen und hatte die Bierflasche hinterlassen, um mich daran zu erinnern, dass er nach Belieben ein und aus gehen konnte.

Entsetzt nahm ich ein Messer und durchsuchte die Wohnung, um mich davon zu überzeugen, dass er nicht mehr hier war. Anschließend schob ich die Buttermesser wieder in den Türrahmen, setzte mich auf das alte Sofa und zog die Knie an die Brust.

Ich war nicht sicher; ich musste hier raus.

Die Frage war bloß, wohin.

Ich hob den Laptop auf und sah mir in der Hoffnung auf irgendeine Benachrichtigung noch mal die zuletzt besuchten Seiten an, fand jedoch nichts dergleichen. Absolut niemand hatte auf meine Anfragen reagiert. Ich hatte gehofft, als Kellnerin einspringen zu können, hinter dem Tresen aushelfen oder sonstwie als Vertretung arbeiten zu können. Nichts.

Ich fragte mich, ob ich Anspruch auf staatliche Unterstützung hatte. Dann schüttelte ich den Kopf. Ich musste irgendeine Arbeit finden.

Egal was.

Da fiel mein Blick auf die noch geöffnete Registerkarte von Solutions for You, und ich las noch einmal die Anzeige, über die ich mich gestern Abend lustig gemacht hatte. Ich starrte sie an, kaute an meinem Fingernagel herum. Nach gestern Abend war ich sicher, dass, wer auch immer die Anzeige aufgegeben hatte, ein mürrischer alter Griesgram war.

Mädchen für alles. Cycleman. Lachhaft.

Da fiel mir etwas ins Auge, und als ich nach der Tür schielte, sah ich die Schatten von Füßen hinter dem Türspalt, und jemand drehte den Türgriff. Langsam. Stumm. Verängstigt sah ich zu, wie sich das Schloss drehte und das Metall im Hausflurlicht schimmerte. Die Tür bewegte sich ein Stückchen, hielt an, aufgehalten von den Messerklingen, die ich hineingeschoben hatte. Dann bewegte sie sich wieder, und dann noch einmal. Das Schloss rastete in der Ausgangstellung ein, der Türgriff drehte sich zurück. Jemand fluchte leise, die Füße verschwanden.

Doch ich wusste, er würde wiederkommen.

Abermals fiel mein Blick auf den Bildschirm. Ein mürrischer Griesgram war einem Möchtegernvergewaltiger bei Weitem vorzuziehen.

Aber als mir wieder einfiel, was der Mann von meinem Benehmen gehalten hatte, war ich mir sicher, dass er nicht mal meine Chat-Anfrage akzeptieren würde.

Ich schluckte meinen Stolz hinunter, klickte die Suchanzeige an und öffnete ein Chat-Fenster.

Charly: Ist der Job noch zu haben?

3

Maxx

Ich saß an meinem alten Schreibtisch und fuhr mir durch die Haare. Heute war mal wieder viel los gewesen – und ich lag einen Tag mehr hinter allem zurück, was dringend abgearbeitet werden musste. Ich griff nach einer Wasserflasche, trank sie leer und warf sie in die Wertstofftonne.

Dann klickte ich auf die Maus und checkte meinen Computer. Ich musste Ersatzteile bestellen und zur Bank. Ich musste so vieles tun, wozu ich momentan weder Zeit noch Kraft besaß.

Ich klickte die Jobbörse an, um nachzusehen, ob sich noch jemand gemeldet hatte. Ein Dutzend Antworten auf meine Anzeige hatte ich schon, aber die hatte ich sämtlich sofort verworfen. Vier waren sowieso fingiert, und eine Interessentin teilte mir viel zu viel Persönliches mit. Ein paar verlangten mehr Geld, als ich anbieten konnte. Zwei jagten mir förmlich Angst ein, weil die Frauen viel zu alt waren, um überhaupt noch zu arbeiten. Offenbar suchten sie einen Ort, an dem sie unterkommen konnten, aber keine Arbeit. Aber mir fehlte die Zeit, um für irgendwen zu sorgen. Und der Rest meinte es nicht ernst, was mich echt wütend machte. Zeit für Schwachköpfe hatte ich auch nicht. Der Typ, der mir gestern Abend geschrieben hatte, war allerdings eine kleine Überraschung gewesen. Er hatte mir seinen Standpunkt klargemacht und mir mitgeteilt, was er von meiner Anzeige hielt. Um ehrlich zu sein, hatte er mich zum Lachen gebracht. Als ich sie noch einmal las, kam sie mir selbst ein wenig sexistisch vor, ich hatte allerdings heute noch keine Zeit gefunden, daran etwas zu ändern. Ich mochte Computertechnik nicht, vor allem, weil ich das meiste nicht verstand. Als ich jünger war, hatte ich mich weit mehr dafür interessiert, wie Maschinen funktionierten, und hatte die ganze Zeit mit meinem Vater in der Werkstatt zugebracht. Mit der Technik, für die ich als Mechaniker ausgebildet war, kam ich zurecht – alles andere, Facebook, Instagram, Websites – so was alles – überforderte und ärgerte mich, wenn ich ehrlich sein sollte. Ich nutzte, was ich nutzen musste, wusste aber genau, dass ich jemanden brauchte, der sich besser damit auskannte und mir half, mich damit zurechtzufinden.

Verblüfft sah ich eine weitere Nachricht von diesem Charly. Die Verblüffung wuchs noch, als ich las, dass er wissen wollte, ob der Job noch zu haben sei. Wenigstens glaubte ich, dass dies seine Frage war – ein Teil von mir fragte sich, ob er bloß noch einmal mit mir in den Ring steigen wollte. Ehe ich reagierte, schaute ich mir sein Profil an, fand jedoch wenig Informationen, nur dass er Erfahrung als Bürofachkraft hatte und für sofort eine Arbeit suchte. Gegen beides hatte ich nichts einzuwenden. Darüber hinaus schützte er seine Privatsphäre, es gab weder ein Foto noch irgendwelche persönlichen Informationen.

Cycleman: Ist das eine allgemeine Nachfrage, damit Sie mich kritisieren können, oder meinen Sie es ernst?

Charly: Die Frage ist ernst gemeint. Es geht doch um einen Job, oder? Das muss ich wissen.

Cycleman: Worum sollte es denn sonst gehen?

Charly: Ihre Anzeige wirkt so, als würden Sie eine Ehefrau suchen. Falls ja, komme ich nicht für Sie infrage. Ich meine, Mädchen für alles – das ist schon ein bisschen altmodisch.

Er hatte ja recht. Es war altmodisch. Aber da ich seine Meinung bereits kannte, wollte ich nicht noch mehr Zeit vergeuden.

Cycleman: Das haben Sie gestern Abend schon deutlich gemacht. Das ist meine erste Anzeige. Ich brauche jemanden, der sich um mein Geschäft und um mein Haus kümmert. Die Überschrift schien mir nur irgendwie geläufig.

Charly: die beste Bezeichnung wäre »Haushälter/in« oder »Handlanger/in«.

Cycleman: Schön, gut. Ich suche keine Ehefrau. Absolut nicht. Wie wäre es mit »Assistent«. Ist Ihnen die Bezeichnung recht? Sind Sie interessiert? Ich bin ein vielbeschäftigter Mann.

Charly: Beschäftigt, ja, das sagten Sie schon. Springen Sie nicht gleich aus dem Hemd. Ja, ich bin interessiert. Ich habe jede Erfahrung mit Büroarbeit und wie man ein Haus sauber hält. Schließlich lebe ich schon seit Jahren allein. Ich kann beides, kochen allerdings nicht so toll, aber verhungern werden Sie nicht. Und ich kann backen. Wie groß ist Ihr Hund?

Ich schürzte die Lippen. Immerhin stellte er jetzt Fragen. Ich antwortete.

Cycleman. Er ist ein Golden Retriever. Groß, aber freundlich.

Charly: Okay, ich mag Retriever.

Cycleman: Haben Sie einen Lebenslauf?

Charly: Angehängt.

Ich öffnete den Lebenslauf und las ihn mir durch. Er verriet mir sehr wenig über die Person, auch wenn ich sah, dass der Mann schon über fünf Jahre Berufserfahrung verfügte. Über dem Ganzen stand der Name C. L. Hooper sowie eine Telefonnummer, aber keine Adresse. Das Geburtsdatum machte mich stutzig. Er war gerade mal fünfundzwanzig – zwölf Jahre jünger als ich. Ich rieb mir das Kinn und kam zu dem Schluss, dass das Alter keine Rolle spielte. Solange er sich ordentlich ins Zeug legte, war es mir egal. Schließlich sollte er mein Angestellter sein, nicht mein Kumpel. Erfreut sah ich unter seinen früheren Beschäftigungsverhältnissen auch eine Autowerkstatt gelistet. Ich gab es nur ungern zu, doch bisher war er der einzige brauchbare Kandidat.

Cycleman: Sie haben in einer Werkstatt gearbeitet? Kennen Sie sich mit Motoren aus?

Charly: Ich komme zurecht. Experte bin ich nicht. Ich hab mehr im Büro gesessen als unter der Haube gesteckt.

Ich brummte zufrieden. Ich wollte keinen Mechaniker, aber jemand, der wusste, was ich machte, war natürlich ein Plus.

Charly: Ich habe auch eine Referenz von meinem letzten Arbeitgeber angehängt.

Ich sah mir das Dokument von Peter Phelps an. Die Schlüsselwörter, die mir ins Auge sprangen, lauteten »loyal«, »arbeitsam«, »ehrlich«, »belastbar«. Wichtige Eigenschaften – vor allem im Moment. Und dass Phelps angab, Hooper jederzeit wieder beschäftigen zu wollen, sagte viel. Einzelheiten könnte ich unter der angegebenen Telefonnummer erfahren und mich versichern, dass die Angaben stimmten. Sobald ich Zeit dazu fand.

Cycleman: Warum haben Sie da aufgehört?

Charly: Weil die Firma pleiteging.

Ich zögerte noch kurz, dann entschied ich mich. Ich brauchte jemanden, und Charly brauchte Arbeit. Der Junge schien ganz okay zu sein. Ein bisschen vorlaut vielleicht, aber daran konnten wir arbeiten.

Cycleman: Die Arbeitszeiten sind lang, und ich erwarte, dass Sie ranklotzen.

Charly: Harte Arbeit macht mir nichts aus. Sie sagten, Unterkunft inklusive?

Cycleman: Ja.

Charly: Kann man die Tür abschließen?

Die Frage schien mir so seltsam wie berechtigt zu sein.

Cycleman: Ja.

Charly: Okay.

Cycleman: Sie werden fahren müssen, um einzukaufen und Vorräte zu besorgen.

Charly: Muss ich schwer tragen?

Cycleman: Ist das ein Problem?

Charly: Ja, ich hab es an der Bandscheibe.

Ich zögerte. Ich wollte keinen Schwachkopf, den ich bemuttern musste.

Cycleman: Okay, damit kommen wir schon klar.

Charly: Wo wohnen Sie?

Cycleman: In einer Kleinstadt außerhalb von Lomand.

Charly: Lomand ist eine Kleinstadt.

Cycleman: Der Ort ist noch kleiner. Nicht viel los hier.

Charly: Kein Problem.

Ich lehnte mich zurück und betrachtete den Bildschirm. Er schien ein anständiger Kerl zu sein. Er stellte recht intelligente Fragen, und sein Profil hatte gute Bewertungen. Er hatte nie irgendwem Probleme gemacht, und die Leute, mit denen er zu tun hatte, gaben ihm Bestnoten.

Cycleman: Sind Sie interessiert? Ich zahle 1000 Dollar monatlich, plus Unterkunft. Ein Monat Probezeit.

Ich wartete ein paar Augenblicke, während sich auf dem Bildschirm nichts tat. Ich war bereit, noch ein wenig draufzulegen, wartete aber erst mal seine Reaktion ab. Schließlich kam die Antwort.

Charly: Wann fange ich an?

Ich warf einen Blick auf den Wandkalender. Heute war Mittwoch. Morgen und am Freitag war ich ausgebucht.

Cycleman: Kommen Sie mit dem Auto her?

Charly: Mit dem Bus. Aus Toronto.

Ich kratzte mich am Kinn. Von Toronto bis hierher waren es drei Stunden. Immerhin so weit weg, dass wahrscheinlich keinerlei Verbindung hierher bestand. Was ein weiteres Plus war.

Cycleman: Aber Sie können fahren? Oder ist das ein Problem?

Charly: Kein Problem. Ich fahre passabel. Aber in Toronto ein Auto zu halten ist viel zu teuer.

Da war was dran. Ich checkte den Busfahrplan, dann antwortete ich.

Cycleman: Ich hab mal in den Fahrplan geguckt. Es gibt einen Bus, mit dem Sie am Samstag um zehn hier ankommen. Sie steigen in Littleburn aus. Das ist die Haltestelle nach Lomand. Sagen Sie dem Fahrer, er soll sie da rauslassen, sonst fährt er einfach durch.

Charly: Okay.

Cycleman: Ich erwarte Sie beim General Store.

Charly. Gut. Also, bis dann.

Ich meldete mich ab.

Zufrieden lehnte ich mich zurück. Da es sich um einen Mann handelte, fiel es mir leichter, ihn bei mir unterzubringen. Eine Frau hätte mich vor das Problem gestellt, ihr womöglich ein Zimmer im Haus geben zu müssen, obwohl ich das eigentlich gar nicht wollte. Der Raum hinter der Werkstatt mochte nicht viel hermachen, aber man war da ungestört, hatte ein leidlich bequemes Bett und ein ordentliches Bad. Es gab sogar einen Sessel und einen Fernseher und ein wenig Stauraum. Kalte Getränke konnte der Junge, wenn er wollte, hier im Bürokühlschrank unterbringen. Auch Snacks konnte er hier aufbewahren, wenngleich ich ihn vor Mäusen warnen musste. Essen unverpackt herumliegen zu lassen war eine Einladung für die kleinen Scheißer. Selbst im Haus verwahrte ich alles in versiegelten Behältern.

Ich stand auf, streckte mich und rief Rufus. Er erschien auf der Stelle, die Zunge hing ihm bereits aus dem Hals, und er wedelte mit dem Schwanz. Es war Zeit fürs Abendessen, und er wusste es.

Ich schloss ab und lief zum Haus zurück, wobei ich darüber nachdachte, welche eingefrorene Mahlzeit ich mir heute Abend warm machen wollte. Der Junge hatte behauptet, ein leidlich guter Koch zu sein. Was hoffentlich hieß, dass er besser kochte als ich.

Ich betrachtete den Inhalt des Gefrierfachs, dann klatschte ich ein weiteres geschmacksfreies Gericht in die Mikrowelle.

Noch schlechter konnte es unmöglich sein.

4

Charlynn

Ich starrte auf den Computerbildschirm und konnte kaum glauben, was ich gerade getan hatte. Nämlich einen Job angenommen, über den ich gestern noch gespottet hatte. Und im Grunde als Haushälterin und Handlangerin bei einem Fremden angeheuert.

Der Mann wirkte sehr direkt und stellte die entscheidenden Fragen. Was vermutlich eine Frage des Alters war. Er interessierte sich nicht für meinen Hintergrund oder sonst irgendwas, sondern nur dafür, ob ich seinen Anforderungen genügte und für die Arbeit geeignet war.

Ich klappte den Laptop zu und schob ihn von mir. So hatte ich mir mein Leben eigentlich nicht vorgestellt. Ich schloss fest die Augen, weil ich nicht heulen wollte. Es war ja nur vorübergehend. Mein Vater hatte immer gesagt, man müsse sich mit dem begnügen, was einem gegeben wurde. Und ich hatte ein Jobangebot. So konnte ich aus dieser Wohnung raus und etwas Geld zurücklegen. Ich würde hart arbeiten und diesem Cycleman zeigen, woraus ich gemacht war. Wenn ich erst mal genug Geld gespart hatte, konnte ich nach Toronto zurückgehen und mir eine andere Arbeit suchen. Und selbst wenn es beschissen lief, hatte ich immerhin tausend Schleifen in der Tasche und würde nicht mehr hier festsitzen. Ich arbeitete sehr gerne als Sekretärin in einem hektischen Bürobetrieb. Ich war sehr gut darin, Einzelheiten zu organisieren und Leute bei der Stange zu halten. Und ich hatte Talent für Websites und Soziale Medien. Ich konnte mehrere Aufgaben auf einmal erledigen. Ich verlor niemals die Nerven, und den frechen Sekretärinnen-Look hatte ich auch voll drauf. Und ich kam gut mit Kollegen und Vorgesetzten aus.

Ich war mir sicher, auch mit Cycleman prima auszukommen.

Solange er den Umstand verdaute, dass ich kein Kerl, sondern eine Frau war. Wenn ich ihm bewies, was ich konnte, würde er sich schon daran gewöhnen. Ältere Leute hatte ich immer schon gut um den Finger wickeln können.

Neugierig griff ich nach meinem Laptop und suchte nach Autowerkstätten in der Gegend von Littleburn. Ich fand vier und sah mir an, was ich darüber in Erfahrung bringen konnte. Alle vier schienen ganz okay zu sein. Eine war auf Motorräder und Restaurierungen spezialisiert und hatte als Einzige eine allerdings sehr veraltete Website. Es gab einige Fotos von restaurierten Motorrädern, die ich einer genauen Musterung unterzog. Samt und sonders gute Arbeit. Mein Dad hatte Motorräder geliebt und sein Leben lang damit gearbeitet. Er hatte selbst eine kleine Werkstatt unterhalten, in der ich den Sommer über herumhing, bis ich alt genug war, um herauszufinden, dass ich Kleider lieber mochte als Arbeitsoveralls und Make-up lieber als Motorenöl. Trotzdem bediente ich im Sommer weiter das Telefon und kümmerte mich für ihn um Rechnungen und Aufträge, damit er sich die Kosten für einen Angestellten sparen konnte. Doch nach dem Tod meines Bruders starb auch die Begeisterung meines Vaters für seine Werkstatt und sein Leben, und er verkaufte das Geschäft.

Ich schüttelte die Erinnerungen ab und sah wieder auf den Computerbildschirm. Wenigstens hatte ich Cycleman in der Hinsicht die Wahrheit gesagt. Ich wusste, aus welchen Einzelteilen ein Motor bestand und wie man das Öl oder einen Reifen wechselte, kannte mich aber besser mit allem aus, was im Büro anfiel.

Am Ende wusste ich immer noch nicht, in welcher der vier Werkstätten ich zukünftig arbeiten würde. Mir fiel ein Foto auf, auf dem ein älterer Mann neben einer Harley stand und sich vor der Kamera offensichtlich nicht wohlfühlte. Er blickte finster ins Objektiv, die Werkstatt im Hintergrund wirkte chaotisch und unaufgeräumt. Irgendwie hatte ich das Gefühl, das sei diejenige welche. Auf jeden Fall sah sie aus, als würde der Mann Hilfe benötigen. Ich beäugte das grobkörnige Bild. Wenn das Cycleman war, sah er gar nicht mal übel, bloß ein bisschen griesgrämig aus.

Damit würde ich klarkommen.

Plötzlich kam mir ein Gedanke, und ich rief den Busfahrplan auf, fand den von Cycleman erwähnten Bus und musste schlucken, als ich den Preis für die Hinfahrt sah.

Zweiundvierzig Dollar! Und ich hatte nur noch einundzwanzig Dollar im Portemonnaie. Mehr besaß ich nicht. Ich würde mir das Geld von Kelly leihen müssen. Sie war die Einzige, die ich darum bitten konnte. Viel war es nicht, also war es wenigstens nicht aussichtslos. Ich schickte ihr eine Nachricht, in der ich sie fragte, wo sie war. Ihre Antwort ließ mich aufstöhnen.

Kelly: Hatte Gelegenheit, für ein Shooting nach Jamaika zu fliegen. Bin in einer Woche zurück. Alles gut?

Kelly arbeitete als Assistentin für einen Fotografen. Die Bezahlung war miserabel, aber die Lohnzulagen kamen ihr zupass, und sie lernte jede Menge dabei. Allerdings konnte ich sie nicht anpumpen, wenn sie nicht im Lande war. Online-Banking traute sie nicht und erledigte deshalb alles in bar. Um sie nicht zu beunruhigen, schickte ich eine kurze Nachricht.

Charlynn: Alles prima, hab Arbeit. Allerdings außerhalb – melde mich, wenn ich angekommen bin.

Was ich zurückbekam, war ein Smiley, sonst nichts, und ich wusste, sie hatte zu tun. Seufzend zermarterte ich mir das Hirn, wo ich das restliche Geld für die Busfahrkarte herbekommen sollte. Ich dachte daran, Cycleman um einen kleinen Vorschuss zu bitten, aber ich hatte so ein Gefühl, dass ihm das nicht gefallen würde, daher beschloss ich, darauf nur im äußersten Notfall zurückzugreifen. Ich wollte aufstehen, als ich es wieder sah, die Schatten von Füßen unter meiner Wohnungstür. Dann wurde langsam der Türgriff gedreht.

In dem Wissen, dass Terry auf der anderen Seite stand, schlich ich mich zur Tür. Ich konnte ihn atmen und unterdrückt fluchen hören. Ich wollte schon durch den Spion spähen, als mir einfiel, dass ich in einer Fernsehserie gesehen hatte, wie jemand mit einem Hilfsmittel seinerseits von außen durch den Spion gucken konnte. Ich huschte auf Zehenspitzen in die Küche, wo ich Abdeckband und einen schwarzen Marker fand. Ich malte das Klebeband schwarz an, schlich zurück und klebte es über den Spion.

»Ich höre dich«, brummte Terry. »Ich weiß, dass du da drin bist.«

Ich hielt den Atem an, ging in die Hocke und nahm den abgesägten Hockeyschläger, mit dem ich normalerweise das Fenster aufhebelte.

Er höhnte: »Du kannst nicht ewig da drinbleiben. Ich komme wieder. Du schuldest mir noch was.«

Vorsichtig klappte ich den Briefschlitz auf. Wie ich vermutet hatte, stand Terry vor der Wohnungstür, also legte ich mich flach auf den Boden, spähte unter der Tür hindurch und brachte den Schläger vor seinen Füßen in Stellung.

Er lief gerne barfuß im Haus herum. Ich fand es ekelhaft, mit bloßen Füßen in anderer Leute Wohnungen zu latschen, und hatte ihn einmal gebeten, Schuhe anzuziehen. Er hatte mir nur ins Gesicht gelacht.

»Hättest du mal auf mich gehört, Arschloch«, brummte ich, zog den Arm an, als hätte ich ein Billardqueue in der Hand, und stieß mit dem Schläger zu.

Sein Schmerzensschrei gellte laut in meinen Ohren. Ich hielt die Luft an und stieß mich von der Tür ab.

»Dafür wirst du bezahlen, Schlampe«, fauchte er und stürmte davon.

Ich begann zu beben. Vielleicht musste ich ihn lediglich ignorieren. Aber er machte mich einfach stinksauer. Das hier war, alles was Recht war, immer noch meine Wohnung, in der ich mich nicht sicher fühlte. Aber wo sollte ich sonst hin? Ich hatte kein Geld, keinen Schlafplatz, und ich saß in der Klemme. Ich hatte niemand mehr, an den ich mich wenden konnte. Ich war mutterseelenallein.

Erst als ich einen Stuhl unter den Türgriff geklemmt hatte, ging es mir etwas besser. Nun konnte ich nicht mehr hinaus, aber dank der Messer und des Stuhls konnte Terry auch nicht mehr herein. Ich versicherte mich, dass alle Fenster verriegelt waren, obwohl mir auf diesem Weg im zweiten Stock sicher niemand zu nah kommen konnte. Trotzdem zog ich, für den Fall, dass er von unten hereinsah, die Vorhänge vor.

Ich ging den Flur hinunter und in mein Schlafzimmer. Ich musste etwas tun, sonst drehte ich noch durch. In zwei Tagen wäre ich weg, und bis dahin hatte ich keinen Grund, die Wohnung zu verlassen, er würde also keine Gelegenheit finden, zu mir hereinzukommen. Das würde ich hinkriegen. Und unterdessen würde ich mich sammeln.

Ich zog meinen Koffer unter dem Bett hervor und wandte mich dem Kleiderschrank zu. Der Koffer war ein Geschenk meines Vaters – das leuchtende Blumenmuster war kaum zu übersehen. Da ich nur einpacken durfte, was ich tragen konnte, würde ich nur persönliche Sachen mitnehmen. Als Erstes legte ich meine Fotoalben in den Koffer. Was mein Vater mir sonst hinterlassen hatte, war in einem Selfstorage im Norden eingelagert. Eines Tages, wenn ich mal genug Platz dafür hatte, würde ich alles holen. Zum Glück hatte ich den Lagerraum noch für eine Weile im Voraus bezahlt, sodass ich mir darum momentan keine Sorgen machen musste. Schließlich wollte ich die eingelagerten Sachen nicht verlieren.

Ich packte in den Koffer, was ich am liebsten anzog, dann ging ich in die Küche und machte mir ein Sandwich. Während ich es aß, durchsuchte ich sämtliche Schubladen nach meinen Notgroschen. Gelegentlich deponierte ich für Notfälle irgendwo fünf Dollar, aber auch die hatte Trish anscheinend aufgespürt. Ich fand nicht mehr als einen Dollar fünfzig in Münzen.

Vergeblich fuhr ich mit den Händen unter die Sofakissen und in die Schubladen des weitgehend leeren Badezimmerschränkchens. Die Kuh hatte sogar meine Schminksachen mitgehen lassen. Ich fand rein gar nichts mehr.

Ich saß auf der Bettkante und sah zufrieden, dass mein Koffer fast voll war und dass ich so ziemlich alles eingepackt hatte, was ich mitnehmen wollte. Ich trug den Laptop ins Schlafzimmer und fand heraus, wie weit ich mit zweiundzwanzig Dollar fünfzig kommen würde. Ich würde ungefähr eine Stunde vor Lomand aussteigen müssen. Ich überlegte, ob ich per Anhalter weiterfahren sollte.

Ich ließ den Kopf gegen die Wand hinter mir sinken, als ich die Stimme meines Vaters schimpfen hörte, wie gefährlich es sei, per Anhalter zu fahren. Wenn man in einer Kleinstadt aufwuchs, hielten viele Jugendliche den Daumen in den Wind, und häufig wurden sie von Nachbarn und Freunden mitgenommen. Im Umkreis großer Städte funktionierte das allerdings nicht, und ich kannte niemanden in der Gegend von Lomand. Aber hatte ich überhaupt eine Wahl?

Ich wandte den Kopf und wischte eine Träne weg. Da fiel mir ein Glanz ins Auge, und ich erinnerte mich wieder an die Schachtel, die ich hinten in den Kleiderschrank geschoben hatte. Ich schob den Hocker hin und stieg hinauf, dann zog ich den Schuhkarton hervor und trug ihn zum Bett. Gleichzeitig heulend und lächelnd blickte ich auf den Inhalt. Jahrelang hatte mein Vater mir zu Weihnachten das gleiche Geschenk gemacht. Jedes Jahr ein neues Portemonnaie. Aber kein normales; es war, als hätte er weder Kosten noch Mühen gescheut, um mir das hässlichste Portemonnaie zu kaufen, das je hergestellt worden war. In grellen Farben, mit Flicken, Fransen oder Glitter – mein Vater trieb jedes aufgemotzte Portemonnaie auf. Lustig war, dass er dachte, die Dinger würden mir tatsächlich gefallen, und ich fand niemals den Mut, ihn eines Besseren zu belehren. Selbst nachdem ich hierhergezogen war, kamen weitere Portemonnaies. Nun breitete ich sie auf dem Bett aus und betrachtete sie eingehend. Insgesamt zehn, und jedes rief eine Erinnerung wach. An glücklichere Zeiten, als mein Bruder noch lebte. Wir drei am Weihnachtsmorgen, wie wir heißen Kakao tranken und Geschenke auspackten. Wir hatten nie viel Geld, doch wir liebten einander. Die Geschenke waren schlicht, aber mein Bruder und ich bekamen jedes Jahr ein Portemonnaie. Nur mit dem Unterschied, dass Seans immer einfache schwarze oder braune, doppelt aufklappbare, ganz normale Brieftaschen waren. Meine dagegen waren alles andere als schlicht. Wir kauften unserem Vater auch eines, weil er fand, dass man jedes Jahr ein neues Portemonnaie verdiente. Das war so Tradition in unserer Familie.

Und in jedem steckten ein Vierteldollar Wechselgeld und eine Zehn-Dollar-Note.

Leider waren der Vierteldollar und der Geldschein längst ausgegeben. Ich strich mit den Fingern über die Portemonnaies, die mein Vater mir nach meinem Umzug geschenkt hatte. Sie waren sogar noch scheußlicher als die übrigen – zweifellos dachte er, dass ich nun, da ich in der Stadt lebte, noch schrillere Portemonnaies brauchte. Er hatte einen eher mäßigen Sinn für Stil. Für ihn galt, je greller gemustert, desto schicker das Hemd. Ich musste lachen, als mir ein paar seiner Oberhemden wieder einfielen, die ich inzwischen manchmal lose über einem T-Shirt trug.

Ich nahm ein Portemonnaie in die Hand und lächelte, als ich die vielen Reißverschlüsse und Fächer sah.

Und als ich die über mein Bett verstreute Sammlung betrachtete, kam mir ein Einfall und ich fragte mich, ob ich sie in ein Pfandhaus bringen konnte. Bestimmt würde ich für zehn Portemonnaies genug Geld für eine Busfahrkarte bekommen? Obwohl mir die Vorstellung, sie zu verkaufen, überhaupt nicht gefiel, weil sie ein Geschenk meines Vaters waren, erschien mir der Gedanke durchaus sinnvoll. Außerdem konnte ich sie, wenn ich sie ins Pfandhaus trug, zurückkaufen, sobald ich mit genug Geld wieder in die Stadt kam.

Ich schluckte meine Gefühle hinunter. Mein Dad würde es verstehen, versicherte ich mir; er würde wollen, dass ich die Portemonnaies verkaufte.

Müßig hob ich noch ein Portemonnaie auf, zog den Reißverschluss auf und erinnerte mich, dass mein Bruder seinen Vierteldollar und den Zehn-Dollar-Schein für den Notfall immer im Futter seiner Brieftasche aufbewahrt hatte. So hatte es auch mein Vater gemacht. Ich selbst hatte den Vierteldollar jahrelang aufgespart, schließlich aber doch ausgegeben. Ich wollte die Brieftasche wieder verschließen, da fühlte ich eine kleine Verdickung im Futter. Neugierig strich ich abermals mit dem Finger darüber. Etwas steckte darin. Ich betastete den Rand, fand ein loses Ende und zwängte einen Finger unter die seidige Naht. Ein gefalteter Geldschein fiel heraus, und ich starrte fassungslos auf den Fünfziger, der vor mir auf dem Bett lag. Mit zitternden Fingern hob ich ihn auf und erkannte auf dem daran haftenden Notizzettel die Handschrift meines Vaters.

Ich hoffe, es hilft dir, wenn du es findest. In Liebe.

Fünfzig Dollar, er hatte fünfzig Dollar unter das Futter geschoben. Ich sah mir das Portemonnaie an. Es war das letzte, das er mir geschenkt hatte. Hastig legte ich mir alle Portemonnaies zurecht und untersuchte eines nach dem anderen. Alle, die er mir vor meinem Auszug von Zuhause geschenkt hatte, waren leer, doch in den drei Portemonnaies, die er mir danach gegeben hatte, waren Geldscheine sowie eine kurze Nachricht versteckt.

Unwillkürlich begann ich zu weinen. Plötzlich besaß ich einhundertfünfzig Dollar. Nicht viel für ein ganzes Leben, im Augenblick jedoch ein Vermögen.

Genug jedenfalls, um dieser Stadt zu entkommen und neu anzufangen. Und es bedeutete, dass ich diese dummen kleinen Portemonnaies behalten würde.

Wieder studierte ich den Busfahrplan und fand einen anderen Bus, der am Freitag um zehn Uhr morgens nach Lomand abging. Ich musste nur morgen überstehen und konnte schon am Freitag hier weg. Ich musste nur noch einen Tag durchhalten. Ich besaß jetzt genug Geld, um nach meiner Ankunft in einem Motel zu übernachten und mir etwas zu essen zu kaufen. Und am Samstag konnte ich in Lomand in den Bus steigen und nach Littleburn weiterfahren. Und dort würde mich Cycleman abholen.

Ich zermarterte mir das Hirn, um mich an Terrys Tagesablauf zu erinnern. Früh am Freitag war er immer im Keller und stellte die Tonnen für die Müllabfuhr raus. Sobald ich sah, dass er weg war, konnte ich mich verdrücken. Er würde es überhaupt nicht mitbekommen.

Wenn er dahinterkam, würde ich schon an der Bushaltestelle warten.

In Sicherheit.

Ich hob den Blick zur Decke. »Danke, Daddy.«

5

Charlynn

Donnerstag blieb ich bis in die frühen Morgenstunden auf und überzeugte mich davon, dass ich alles eingepackt hatte, was ich mitnehmen wollte. Ich war gut auf Freitag vorbereitet – sobald ich Terry an meiner Wohnungstür vorbeigehen und die Treppenhaustür zufallen hörte, würde ich mich in die Gegenrichtung davonmachen. Er würde eine Stunde, gewöhnlich sogar noch länger beschäftigt sein. Ich hatte ihn oft genug darüber jammern hören, wie viel Zeit es ihn kostete, den Müll hinauszuschaffen, und hoffte nur, er würde sich gleich selbst mit auf den Müll befördern.

Wenn er so weit war und wieder nach oben kam, wäre ich längst über alle Berge.

Ich schlief eine Weile und wurde wieder wach, als ich meine Wohnungstür rappeln hörte. Ich stand wütend auf und lief auf den Flur.

»Verschwinden Sie von meiner Tür, oder ich rufe die Polizei, Arschloch. Ich bin nicht an Ihrem Angebot interessiert«, rief ich, während ich mich wappnete.

»Dann schuldest du mir die Miete.«

»Bis zum Monatsende ist noch Zeit. Mir bleibt noch die nächste Woche. Lassen Sie mich in Frieden, oder ich mache Ernst und rufe die Polizei. Ich werde sagen, dass Sie versucht haben, in meine Wohnung einzubrechen.«

Seine Antwort kam leise, drohend: »Und du denkst, die glauben dir? Dem Mädchen, das behauptet, von einer unbekannten Mitbewohnerin abgezogen worden zu sein? Einem Mädchen, dem ich bloß auf den Zahn gefühlt habe, weil es seit drei Monaten die Miete nicht bezahlt hat, und dem ich das freundlicherweise habe durchgehen lassen?« Er lachte so bellend, dass es mich schauderte. »Viel Glück damit.«

Ein Teil von mir fürchtete tatsächlich, dass die Polizei mir nicht glauben würde. Und da ich nicht vorhatte, noch länger hierzubleiben, ergab es irgendwie auch wenig Sinn. »Ich werde mich nie so weit erniedrigen.«

»Oh, und ob du dich erniedrigen wirst. Nämlich vor meinem Schwanz. Und du wirst mich darum anflehen. Auf mehr als eine Art. Ich freue mich schon auf nächste Woche.«

Ich stieß durch den Briefschlitz mit meinem Hockeyschläger nach ihm. Dann griff ich zu der Bierflasche neben mir, ließ den Verschluss aufpoppen, drückte den Daumen in die Öffnung und schüttelte sie kräftig; wie ich es erwartet hatte, fluchte er und bückte sich nach dem Briefschlitz, den er aufdrückte, um mir in die Augen zu blicken.

»Dafür wirst du bezahlen.«

»Das sagten Sie bereits, aber ich glaube eher, Sie sind derjenige, der bezahlt.« Damit schob ich den Flaschenhals durch den Schlitz und ließ los. Er kreischte, als das angestaute Bier ihm ins Gesicht schoss und in seine Augen spritzte, was ohne Zweifel ziemlich brannte.

Ich wälzte mich von der Tür weg und versuchte vergeblich, nicht zu lachen. Ich schlug mir die Hand vor den Mund, um das wiehernde Gelächter zu unterdrücken. Wütend hämmerte er gegen meine Tür.

»Du Schlampe«, grollte er mit verhaltener Stimme durch den Briefschlitz. »Das musst du jetzt sauber machen.«

»Nope«, gab ich zurück. »Das ist außerhalb meiner Wohnung. Das muss der Hausverwalter wegmachen. Oh, das sind ja Sie. Na, dann mal los!«

»Das wirst du noch bereuen.«

Endlich verzog er sich, wobei er das lädierte Bein nachzog, und ich sank gegen die Tür.

»Na dann viel Glück, Arschloch«, flüsterte ich.

Den Rest des Tages verbrachte ich in Sorge und Furcht. Ich schlief unruhig, duschte mitten in der Nacht, und am Freitagmorgen war ich bereits um sechs bereit zum Aufbruch. Mein Koffer war gepackt, der Rucksack saß auf den Schultern, und ich stand lauschend an der Wohnungstür. Gegen Viertel vor sieben hörte ich, wie sich klickend Terrys Tür öffnete, dann hallten in der Morgenstille seine Schritte durch den Hausflur. Als ich ihn vor meiner Tür rasselnd kichern hörte, hätte ich mich am liebsten übergeben, doch ich wartete stumm und reglos an meiner Tür. Es schien ewig zu dauern, bis am anderen Ende des Hausflurs die Treppenhaustür zufiel. Ich wartete noch fünf Minuten, dann setzte ich mich so schnell wie möglich in Bewegung.

Letzte Nacht hatte ich in der Falle unter dem Küchenschrank eine Maus gefunden. Ich fing sie immer lebend und setzte sie dann draußen aus. Töten mochte ich sie nicht. Zuerst dachte ich daran, die Maus einfach wieder in der Wohnung freizulassen, doch dann hatte ich eine bessere Idee. Ich wusste, dass Terry Mäuse verabscheute. Einmal, als er dachte, eine in seiner Wohnung entdeckt zu haben, hatte ich ihn sogar kreischen gehört.

Ich nahm die Falle und lief damit zu Terrys Wohnung. Ich holte tief Luft, um mir Mut zu machen, und hob die Maus am Schwanz in die Höhe, unterdrückte ein Schaudern und schob sie kurzerhand durch den Briefschlitz. Ich hatte nichts gegen Mäuse, fasste sie aber auch nicht gerne an.

»Lauf, kleiner Kerl, und richte Chaos und Verwüstung an.«

Dann wandte ich mich sarkastisch an die Tür: »Vielen Dank, dass du so ein wunderbarer Mensch warst, Mistkerl.«