Corporate Love - Reid - Melanie Moreland - E-Book

Corporate Love - Reid E-Book

Melanie Moreland

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Beschreibung

Nach den CEOs jetzt der Rebell!

Reid Matthews wurde als Kind misshandelt und im Stich gelassen. Auf sich gestellt, genial und unschlagbar an der Computertastatur geriet er als Teenager auf die schiefe Bahn, bis er schließlich im Gefängnis landete. Doch die Macher von BAM gaben ihm eine zweite Chance. Nun hat er Freunde und einen Job, den er über alles liebt, aber noch immer ist er einsam. Bis Becca in der Firma anfängt und die beiden zusammen arbeiten müssen. Schnell entwickelt Reid Gefühle für seine neue Kollegin, doch die Liebe ist der komplizierteste Code, den er jemals entschlüsseln musste ...

"Man muss lachen, seufzen und gerät ins Schwärmen. Diese Geschichte ist alles, was ich in der Romance liebe: lustig, sexy und angefüllt mit wahrer Liebe!" B. CRANFORD, Bestseller-Autorin

Band 4 der CORPORATE-LOVE-Serie von Bestseller-Autorin Melanie Moreland

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Seitenzahl: 457

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Inhalt

Titel

Zu diesem Buch

Widmung

1

2

3

4

5

6

7

8

9

10

11

12

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16

17

18

19

20

21

Epilog

Leseprobe

Die Autorin

Die Romane von Melanie Moreland bei LYX

Impressum

MELANIE MORELAND

Corporate Love

REID

Roman

Ins Deutsche übertragen von Hans Link

Zu diesem Buch

Reid Matthews wurde als Kind misshandelt und im Stich gelassen. Ganz auf sich gestellt, genial und unschlagbar an der Computertastatur geriet er als Teenager auf die schiefe Bahn, bis er schließlich im Gefängnis landete. Doch die Macher von BAM gaben ihm eine zweite Chance. Nun hat er Freunde und einen Job, den er über alles liebt, doch noch immer ist er einsam. Bis Becca in der Firma anfängt und die beiden zusammen arbeiten müssen. Schnell entwickelt Reid Gefühle für seine neue Kollegin, doch die Liebe ist der komplizierteste Code, den er jemals knacken musste …

Bei Familie geht es nicht immer um Blutsverwandtschaft. Es geht um Liebe.

Für Valerie, meine liebe Schwiegermutter,

und Megan und Kay, meine Adoptivschwestern – danke, dass ihr Teil meines Lebens seid und ich zu eurer Familie gehören darf.

Eure Liebe und Unterstützung bedeuten mir sehr viel.

Und für Matthew – wie immer. Für immer.

1

Reid

Listen hatte ich schon als Kind gemocht. Sie halfen mir, mich zu konzentrieren. Selbst an den schlimmsten Orten, an denen ich gelebt habe, ließen sich ein Stück Papier und ein Bleistift auftreiben.

Ich machte mir eine Liste und nummerierte dann die einzelnen Punkte nach ihrer Priorität. Es gab mir immer das Gefühl, etwas geleistet zu haben, wenn ich nach Erledigung einen dicken Strich durch eine Sache ziehen konnte. Wenn ich das Glück hatte, noch mehr Papier zur Verfügung zu haben, konnte ich die Liste neu schreiben – kürzer und geordneter, bis alles abgehakt war.

Jetzt als Erwachsener mochte ich Listen immer noch. Aber bei der heutigen Technologie benutzte ich meinen Computer anstelle von Papier, meine Tastatur statt des Bleistiftstummels. Mit einem Mausklick konnte ich sortieren, organisieren, entfernen und meinen Punkten neue Prioritäten zuweisen.

Ich überflog die jüngste Liste auf meinem Computer, die ich »Projekt B« genannt hatte.

Lernen, mit Becca zu reden wie ein Mann statt wie ein stammelnder Idiot

Becca dazu bringen, mich als Mann wahrzunehmen – nicht bloß als den IT-Typen der Firma

Das neue Programm vollenden, das ich für Becca entwickelt habe, damit sie sich in mich verliebt

Becca um ein Date bitten

Becca Blumen schicken

Becca Kaffee spendieren

Becca küssen

Meine Unschuld an Becca verlieren

Ich schürzte die Lippen und rückte den Punkt »Becca Kaffee spendieren« an die zweite Stelle. Ich fragte mich, ob ich ihr vor oder nach der Installation des Programms Blumen schicken sollte. Sobald sie sah, welchen Nutzen das Programm für sie hatte, würde sie vielleicht sogar mir Blumen schicken. Möglicherweise mit einem Kuss oder zweien als Dreingabe. Ich war mir sicher, dass sie einem Date zustimmen würde.

Nicht sicher war ich mir, ob sie dazu bereit war, mir dabei zu helfen, meine Unschuld zu verlieren. An diese Idee musste ich sie wahrscheinlich erst vorsichtig heranführen.

Ich speicherte die Datei auf meinem privaten Laufwerk ab, weil ich wusste, dass ich mich endlich auf Bentleys jüngste Anfrage konzentrieren sollte. Sobald ich die Aufgaben für ihn erledigt hatte, würde ich mich wieder meiner Liste zuwenden.

Ich nahm meine Brille ab und rieb mir die müden Augen. Wieder einmal hatte ich die ganze Nacht durchgearbeitet. Meine Tage waren sowieso schon restlos ausgefüllt – mit den vielen Ideen für die Ridge-Towers, den neuen Computerprogrammen, an denen ich für den Kontrollfreak Maddox arbeitete, der ständigen Aktualisierung unserer Sicherheitsstandards für den riesigen Aiden und der fortlaufenden Überprüfung unserer Sicherheitssysteme, die für den überängstlichen Bentley selbstverständlich unüberwindbar sein mussten.

Und obendrein gab es da noch diese kleine Sache mit Becca. Sie saß weniger als sieben Meter von mir entfernt, lediglich durch eine Wand getrennt, doch es hätten genauso gut sieben Meilen sein können.

Von dem Moment an, in dem ich verspätet, mit zerzausten Haaren und fest entschlossen, meine Entschuldigungen vorzubringen und gleich wieder zu verschwinden, in den Konferenzraum geeilt war, hatte sie mich verzaubert.

Sie saß am Konferenztisch auf meinem angestammten Platz. Als sie mich anschaute, riss sie überrascht die Augen auf. Mir war klar, dass ich schlimmer aussah als gewöhnlich und wieder gehen sollte, aber meine Füße trugen mich vorwärts, und ich setzte mich ihr gegenüber.

Sie war die hübscheste Frau, die ich je gesehen hatte – dickes dunkelbraunes Haar, cremeweiße Haut und strahlende Augen, die meine Aufmerksamkeit fesselten. Sie trug ein Kostüm, ihre Frisur war perfekt und ihr Make-up dezent. Sie hatte ihren kleinen Laptop geöffnet, ein Notizbuch und ein Stift lagen bereit, ganz die professionelle Frau, die bereit war, an die Arbeit zu gehen. Doch in ihrem Blick lag eine gewisse Weichheit, und ihr Lächeln war warmherzig und sogar eine Spur schüchtern.

Sie war unglaublich sexy.

So sexy, dass ich beinahe den Stuhl verfehlt hätte, als ich mich setzte. Zum Glück ersparte mir Aiden diese Peinlichkeit. Und was Peinlichkeiten anging – das Gebiet beherrschte ich gut. Ich konnte den Blick nicht von ihr losreißen. Mehr als einmal musste ich mich diskret unter dem Tisch richten und war dankbar dafür, dass Bentley bei Tischen Holz Glas vorzog. Meinem Schwanz gefiel, was er sah – sehr sogar.

An diesem Tag beschloss er, dass sie das war, worauf wir beide mein Leben lang gewartet hatten.

Wie ich feststellte, war es einfach, mit ihr über die Arbeit zu reden. Sie war intelligent, verstand etwas von Computern und beherrschte den entsprechenden Fachjargon. Sie stellte kluge Fragen, machte sich Notizen, auf die sie häufig Bezug nahm, und hörte sich aufmerksam meine Antworten an. Aber wenn das Geschäftliche erledigt war und sie zu Becca, der Frau wurde, wurde ich zu Reid, dem Loser.

Es gab so viel, was ich ihr sagen wollte, doch leider musste ich feststellen, dass ich überhaupt nichts über die Lippen brachte. Da fehlte die Verbindung zwischen meinem Gehirn und meinem Mund. In ihrer Anwesenheit konnte ich kaum einen vollständigen Satz bilden.

Ich strich mir übers Gesicht. Mein Verhalten hatte sich seit ihrer Ankunft nicht groß verändert. Der einzige reibungslose Austausch, den es zwischen uns gab, hing mit der Arbeit zusammen. Bei Meetings funkten wir auf derselben Wellenlänge. Wenn sie in mein Büro kam, um eine Frage zu stellen, konnte ich ihr ohne Zögern antworten. Gestern hatte sie mir erklärt, wie sie sich den idealen Report vorstellte.

»Ich müsste alle Daten einer Kampagne zusammenhaben«, überlegte sie laut. »Das würde mir das Leben enorm erleichtern.«

Ich spitzte die Ohren. Alles, was ihr das Leben erleichterte, interessierte mich. Ich schnappte mir ein Stück Papier. »Erzähl mir mehr.«

»Ich muss immer auf jede einzelne Website gehen und mir zusammensammeln, wie oft sie angeklickt, von da auf die Links gegangen und wie oft sie überhaupt aufgerufen wurde. Um das auszudrucken, muss ich mir erst die Zahlen schicken lassen und sie dann herunterladen. Ich hätte so gern etwas, das all diese Daten an einer Stelle sammelt. Dann könnte ich alles viel schneller vergleichen und analysieren.«

Ich machte mir Notizen, und in meinem Kopf ratterte es bereits. »Könnest du mir Beispiele schicken?«

Ihre Augen leuchteten. »Wirklich? Das würdest du hinkriegen?«

Es würde sehr viel Arbeit machen.

Ich sah sie an. »Für dich schon.«

Sie strahlte mich an. Ich fühlte mich, als hätte ich im Lotto gewonnen.

Doch kaum hatten wir das Thema abgehakt, bekam ich wie gewöhnlich eine trockene Kehle, und ich konnte sie nur noch anstarren.

Voller Begehren. Voller Sehnsucht. Stumm.

Sie hatte bereits lächelnd den Raum verlassen, als mir die richtigen Worte einfielen. Aber da war es zu spät.

Ich war verdammt noch mal immer viel zu spät dran.

Ich schlug den dicken Aktenordner auf meinem Schreibtisch auf. Ich war gerade dabei gewesen, Bentleys Notizen zu entschlüsseln und mir meine eigene Liste zu machen, damit ich sicherstellen konnte, dass alles in dem Zeitrahmen und in der Reihenfolge passierte, in der er die einzelnen Punkte erledigt haben wollte.

Ich klickte auf das Symbol für seine Liste und überflog, was ich zuvor getippt hatte. Schwere Schritte waren zu hören, und ich schaute in die Richtung, aus der sie kamen. Aiden stand im Türrahmen, und seine gewaltigen Schultern füllten ihn vollkommen aus. Er machte den Eindruck, als stehe er kurz davor, die Beherrschung zu verlieren. Bei seinen Worten verkrampfte ich mich.

»Hast du eine Minute?«

Aiden war nie so höflich, es sei denn, irgendetwas stimmte nicht. »Ja.«

Er trat ein und schloss die Tür, was meine Nervosität noch steigerte. Er schloss sonst nie die Tür.

Er setzte sich mir gegenüber hin, sagte aber nichts.

»Was ist los?«

Er schluckte, dann sah er mir in die Augen. »Also, Bentley hat mich gebeten herzukommen und mit dir zu reden.«

»Worüber?«

»Du, äh, nun ja …«

Mir rutschte das Herz in die Hose. »Feuerst du mich?«

»Nein. Ganz und gar nicht«, antwortete er mit Nachdruck. »Auf keinen Fall.«

Ich entspannte mich ein wenig. »Okay, was liegt an?«

Er konnte sich nicht länger beherrschen, beugte sich vor und begrub das Gesicht in den Händen. Seine Schultern zitterten vor Lachen.

Ich starrte ihn an, unsicher, was zur Hölle so witzig war.

Er lehnte sich zurück und wischte sich übers Gesicht. »Reid, Mann. Du musst raus aus diesem Büro. Schlaf ein wenig. Du warst wieder die ganze Nacht hier, oder?«

»Ja. Warum?«

Er lachte wieder. »Maddox und ich haben uns gerade mit Bent getroffen, nachdem wir alle die Nachricht bekommen haben, dass es eine neue Checkliste gibt.«

Ich schaute stirnrunzelnd auf meinen Bildschirm. »Ich war noch nicht fertig mit Bentleys Datei – ich habe nichts geschickt …« Ich brach ab, als es mir dämmerte. »Oh, heilige Scheiße.«

»Sosehr wir es zu schätzen wissen, über deine persönlichen Unternehmungen auf dem Laufenden zu sein, will Bentley wirklich nichts über dein Vorhaben wissen, dir von Becca die Unschuldskarte abstempeln zu lassen.«

Ich schloss die Augen, denn es war mir tatsächlich peinlich – was bei mir selten vorkam. Statt meine Liste für mich privat abzuspeichern, hatte ich sie mit meinen Chefs auf dem Laufwerk geteilt – mit allen dreien.

»Wie sauer ist Bentley?«, fragte ich, außerstande, Aiden anzusehen.

Bentley explodierte nicht oft, aber wenn er es tat, dann war es wie ein Vulkanausbruch. Man ging ihm dann lieber schnellstens aus dem Weg.

»Kennst du das Geräusch, das er von sich gibt, wenn er nicht sprechen kann? Diesen seltsamen, erstickten Laut, der dann aus seiner Kehle kommt? Die Art, wie sein Auge leicht zuckt?«

Ich nickte stumm.

»Das hat er gemacht. Zweimal.«

»Scheiße«, sagte ich wieder.

»Nun, offensichtlich bist du in der Endphase, aber Reid, Alter … eine Liste?«

»Das mache ich immer so. Ich schreibe so einen Scheiß auf.« Ich schnappte nach Luft. »Und sorge damit dafür, dass ich gefeuert werde, wie es scheint.«

Aiden gluckste. »Nein, dir passiert schon nichts. Wir waren alle etwas baff, bis Maddox gelacht hat. Ich fand es so lustig, dass ich vom Stuhl gefallen bin. Bentley hat das Komische daran dann auch erkannt, und wir haben am Ende alle geheult vor Lachen. Doch er hat mir einen Vortrag über dein verantwortungsloses Verhalten gehalten und mich hergeschickt, damit ich dir ›den Kopf wasche‹, auch wenn er immer noch gelacht hat, als ich sein Büro verlassen habe.«

Ich atmete heftig aus. Ich war nur knapp einer Kugel entgangen. Ich sah Aiden an. Er wirkte entspannt, aber ernst.

»Er fand es ziemlich lustig, war aber auch erleichtert, dass du das nicht auf dem Firmen-Laufwerk gespeichert hast. Unser Gespräch wäre dann ganz anders verlaufen, und ich hätte jemanden aus der Personalabteilung mitgebracht. Bentley will, dass du die Liste sofort löschst, und bittet darum, alle weiteren persönlichen Listen in deinen eigenen vier Wänden zu machen.«

Mein Herz stolperte bei dem Gedanken, dass Becca die Liste gesehen hätte. Dass alle sie gesehen hätten. Meine Erschöpfung machte mich unvorsichtig. Und, ja, verantwortungslos.

»Heilige Scheiße«, hauchte ich zum zweiten Mal. »Das wäre eine Katastrophe gewesen.« Ich zog meinen Laptop zu mir heran, und meine Finger flogen nur so über die Tastatur. »Okay. Sie ist jetzt auf meiner privaten Festplatte. Ich habe sie von unserem gemeinsamen Laufwerk entfernt.«

»Gut.«

»Es wird nicht wieder vorkommen.«

Er lächelte verständnisvoll. »Ich weiß, Reid.« Er musterte mich. »Wenn es dir ernst ist mit Becca, musst du noch einen drauflegen.«

»Ich gebe mir Mühe.«

»Sie ist einfach nur ein Mädchen. Rede mit ihr. Lad sie auf einen Kaffee ein.«

Ich schüttelte den Kopf. »Sie ist nicht einfach nur ein Mädchen, Aiden. Ich denke, sie ist die Eine.«

Er legte die Stirn in Falten. »Die Eine, die deine Erste, oder die Eine, die deine Letzte werden soll?«

»Beides.«

Er lehnte sich auf seinem Stuhl zurück und legte ein Bein aufs Knie. »Das ist eine ziemlich gewichtige Aussage, wenn man bedenkt, dass du nur dann mit ihr reden kannst, wenn es um die Arbeit geht.«

»Sie vernebelt mir den Verstand. Es ist so, als würde ich erstarren.«

»Dann such nach einer Gemeinsamkeit außerhalb der Arbeit. Schau in ihrem Büro vorbei, um Hallo zu sagen. Bring ihr einen Kaffee. Erzähl ihr, wie gut dir ihre Kekse schmecken. Biete ihr an, ihr Toronto zu zeigen, so wie du es tun wolltest, als du erfahren hast, dass sie herziehen würde. Tu irgendetwas.«

»Ich weiß, es klingt so einfach. Es ist nur …«

»Ja?«, hakte er nach.

»Ich … ich bin mir nicht sicher, ob ich gut genug für sie bin.«

»Wegen deiner Vergangenheit?«

»Ich war im Gefängnis. Das macht einem das Leben nicht einfacher. Ich habe keine Familie, kann ihr im Grunde nichts bieten außer einer großartigen Comicsammlung und ein paar Vintage-T-Shirts. Sie verdient etwas Besseres.«

Er schüttelte den Kopf, und seine Frustration war augenfällig. »Warum lässt du nicht sie entscheiden, was sie verdient? Lass sie dich kennenlernen, und sieh zu, dass du sie kennenlernst. Hör auf, immer nur auf das Endziel zu starren, und geh die Sache einen Schritt nach dem anderen an. Du setzt dich unnötig unter Druck. Lebe im Hier und Jetzt.«

»Guter Rat.«

»Du bist ein toller Typ, Reid. Ich habe gelernt, dass die eigene Vergangenheit genau das ist: Vergangenheit. Du kannst sie nicht ändern, aber du kannst nach vorn schauen. Mach nicht denselben Fehler wie ich, dich von deiner Vergangenheit bestimmen zu lassen.«

Ich nickte und wusste, dass er von seiner noch nicht lange zurückliegenden Hochzeit mit Cami sprach und davon, wie seine Frau ihn verändert hatte.

»Und du hast sehr wohl eine Familie«, fügte er mit leiser, ernster Stimme hinzu. »Du hast uns. Du bist ein wertvolles Mitglied unseres Teams, und darauf solltest du stolz sein. Dein ganzes Leben lang hast du gekämpft und viel erreicht. Vergiss das nicht.«

Ich blinzelte. Aiden wurde selten persönlich, und seine Worte bedeuteten mir ungeheuer viel.

Er stand auf und ging zur Tür, die Hand bereits auf der Klinke, aber er drückte sie nicht hinunter.

»Und weil wir gerne unseren Senf dazugeben, sind wir uns alle einig. Spendier ihr einen Kaffee, unterhalte dich mit ihr, geh mit ihr aus und schick ihr danach Blumen. Der Rest kommt dann schon von allein. Bent allerdings findet, um ehrlich zu sein, Blumen seien jederzeit angebracht.« Er zwinkerte mir zu. »Aber übertreib es nicht.«

Ich lachte. »Okay.«

»Wahrscheinlich wirst du feststellen, dass sie genauso interessiert ist wie du, Reid. Ich mein ja bloß.«

Damit ging er, und ich fragte mich, was er wusste, das ich nicht wusste.

Ich schaute auf meinen Computer, dann zur Tür. Ich musste mit Becca reden und dafür sorgen, dass wir uns beide dabei wohlfühlten.

Ich kannte nur eine Möglichkeit, das hinzubekommen.

Mit wenigen Mausklicks und ein paar Sekunden Tippen auf der Tastatur setzte ich meinen Plan in Gang.

Dann lehnte ich mich zurück und wartete.

2

Reid

Ein leises Klopfen an meiner Tür ließ mich von meinem Bildschirm aufschauen. Becca stand in der Tür, in geschäftsmäßiger Aufmachung. Ihr dunkles Haar war zu einem Knoten gesteckt, ihr anthrazitgraues Kostüm, dessen Rock keusch bis zu den Knien reichte, faltenlos. Mein Blick wanderte zu ihren High Heels. Rot und elegant, eine unerwartete sexy Note als Ergänzung ihres Outfits. Dadurch sahen ihre Beine einfach unglaublich aus.

Ich fragte mich, wie sie aussehen würden, wenn sie um meine Taille geschlungen waren.

Sie runzelte die Stirn, und mir wurde klar, dass ich sie wieder einmal anstarrte.

»Entschuldigung. Was gibt es denn?«

»Ich bin mir nicht sicher. Ich war am Arbeiten, und dann hat sich mein Computer aufgehängt. Jetzt lässt er sich nicht neu starten, und ich komme nicht mehr an mein Dokument.«

Ich unterdrückte ein Lächeln. »Seltsam.« Ich streckte die Hand nach ihrem Laptop aus. »Lass mich mal sehen.«

Sie nahm mir gegenüber Platz. »Hoffentlich kannst du das in Ordnung bringen. Ich war so in Gedanken, dass ich das Dokument nicht abgespeichert habe.«

»Ich habe die Laptops aller Angestellten der Firma so eingestellt, dass sie alle zwei Minuten automatisch speichern«, versicherte ich ihr. »Tatsächlich speichert dein Computer sogar alle sechzig Sekunden. Deine Arbeit ist also nicht verloren.« Dafür hatte ich gesorgt, als ich ihr den Computer eingerichtet hatte. Ich hatte ihr jede Sicherheitsfunktion und jede Datensicherung eingerichtet, die auch nur halbwegs sinnvoll war.

Sie beugte sich über meinen Schreibtisch und stützte das Kinn auf die Hand. »Du bist toll.«

Mein Blick flackerte zwischen ihrem Gesicht und ihrer Brust hin und her. So wie sie dasaß, wurden ihre Brüste leicht zusammengedrückt. Ich hatte sie direkt vor der Nase. Voll und einladend lugten die Rundungen zwischen dem seidigen Stoff ihrer Bluse hervor. Hatte sie eigentlich eine Ahnung, was sie da mit mir machte?

Gott, ich wollte diese Brüste berühren. Sie küssen. Feststellen, ob ihre Brustwarzen braun oder rosa waren. Ob sie unter meiner Zunge hart wurden, und ob sie zittern würde, wenn ich sie leckte.

Ich riss den Blick von ihr los und schüttelte die schmutzigen Gedanken ab. Wenn es um Becca ging, hatte ich immer nur eins im Kopf. Ich sah sie, und ich wünschte mir nur noch, sie zu berühren.

Ich drückte ein paar Tasten, und damit war das Problem gelöst. Lächelnd reichte ich ihr den Laptop zurück. »Alles erledigt.«

»So schnell?«

Ich zuckte die Achseln. »War nur ein kleiner Fehler.«

Sie schüttelte den Kopf. »Ich habe alles versucht, was mir einfiel, um das in Ordnung zu bringen.«

Ich zwinkerte ihr zu. »Genau deshalb zahlt man mir so ein dickes Gehalt.«

Sie lachte leise. »Ich bin mir sicher, du hast es verdient.«

Als sie sich in meinem Büro umschaute, folgte ich ihrem Blick und fragte mich, was sie sah. Ich hatte in letzter Zeit versucht, es aufzuräumen. Es war immer noch unordentlich, aber besser als zuvor. Zumindest hatte ich die ganzen leeren Pizzaschachteln weggeschafft.

»Du bist kein normaler Computerfreak.«

Meine Augenbrauen schnellten in die Höhe. »Wie bitte?«

Sie grinste. »Bei dir liegen keine Actionfiguren oder Comicbücher herum. Keine Poster von Computerspielen oder signierte Sammlerstücke.«

»Die sind alle zu Hause«, gab ich zurück, ohne die Miene zu verziehen. »Alle zwölf Sammlungen. Ich bewahre sie hinter Glas auf, weil ich nicht will, dass irgendwer sie anfasst.«

Sie starrte mich an. Blinzelte. Röte kroch ihr den Hals hinauf. Es war faszinierend zu beobachten, wie sie sich ausbreitete, wie Beccas cremefarbene Haut rosig und warm wurde. Es schien ihr furchtbar peinlich zu sein.

»Es … es tut mir leid«, stotterte sie. »Ich habe nur einen Witz gemacht. Ich bin mir sicher, sie sind alle sehr hübsch.«

Ich sprang auf, eilte um den Schreibtisch herum und kniete mich neben sie hin, entsetzt darüber, dass ich sie aus der Fassung gebracht hatte. »Mein Gott, ich bin ein Arschloch. Ich bin derjenige, der einen Witz gemacht hat, Becca.« Ich griff nach ihrer Hand und drückte sie, und ich spürte, wie warm ihre Haut war. »Ich habe keine Sammlungen, bis auf ein paar Comichefte – und die habe ich, weil ich sie gern lese und als Kind nie eins bekommen habe.«

»Nicht ein einziges?«

»Nein«, antwortete ich und hoffte, dass sie keine weiteren Fragen stellen würde. »Deshalb habe ich jetzt welche. Und Computer. Ich nehme sie für mein Leben gern auseinander und setze sie wieder zusammen.«

Sie stieß erleichtert die Luft aus. »Ach so. Dann bist du nicht sauer auf mich?«

Ich schaute sie an. Ihre Augen waren so blau, dass sie mich an ein Bild erinnerten, das ich einmal von einem Meer im Sonnenlicht gesehen hatte. Aber ihr Blick war besorgt, dunkel wie eine Wolke, die übers Wasser trieb.

»Nein, Becca, ich bin nicht sauer.« Ohne zu wissen warum, beugte ich mich ein wenig näher zu ihr. »Ich könnte niemals auf dich sauer sein.«

»Okay«, hauchte sie.

»Es tut mir leid, dass ich dich verunsichert habe.«

Sie fasste nach meiner Hand. Mir war gar nicht bewusst gewesen, dass ich ihre immer noch festhielt. »Dann ist alles okay, ja?«

»Ja.«

Mein Blick lag auf ihren Lippen. Sie starrte auf meine. Mir stockte der Atem. Mit dem Gefühl, als würde mich eine unsichtbare Schnur zu ihr ziehen, beugte ich mich vor, wollte etwas, brauchte etwas.

Sie.

»Reid!«, dröhnte Aidens Stimme aus dem Flur. »Was zur Hölle ist mit den sechs Pizzen, die gerade an der Rezeption angekommen sind? Noch dazu auf meine Kreditkarte!«

Becca und ich standen auf und zogen uns rasch voneinander zurück, die Gelegenheit war verstrichen. Unsere Hände trennten sich, und ich spürte den Verlust sofort. Sie lächelte traurig. Ich fand es schrecklich, sie so zu sehen.

»Möchtest du ein Stück Pizza?«, fragte ich in der Hoffnung, sie zum Lächeln zu bringen.

»Hast du wirklich Pizza auf seine Kreditkarte bestellt?«

»Vorhin meinte er, er wolle welche haben. Ich habe uns lediglich Zeit gespart.« Ich zuckte die Achseln. »Er wird ohnehin das meiste davon essen. Das tut er immer.«

Aiden erschien in meiner Tür, ein riesiges Pizzastück in einer Hand, die dazugehörige Schachtel in der anderen. Er kniff die Augen zusammen, musterte uns und grinste dann.

»Das nächste Mal geht das aber auf Maddox’ Rechnung.«

»Okay.«

»Ich habe den Rest in den Pausenraum gestellt. Bedient euch bitte.«

»Du nimmst nur eine?«, fragte ich verwundert.

»Cami schränkt meine Kohlenhydrat-Zufuhr ein.«

Ich schnaubte, und er musste grinsen. »Ich habe dich gewarnt, Reid. Sobald ich die hier aufgegessen habe, kann ich für nichts garantieren.« Lachend verschwand er im Flur.

Ich deutete auf die Tür und sah Becca an.

»Du hast gehört, was er gesagt hat. Hol dir ein Stück.«

»Kommst du mit?«, fragte sie.

»Ich komme gleich nach. Ich muss noch etwas zu Ende machen, woran ich gerade sitze.«

Sie ging, und mein Blick folgte ihr. Dann ließ ich mich schwer auf meinen Schreibtischstuhl sinken.

Wenn wir nicht von Aiden gestört worden wären, hätte ich dann den Mut gehabt, sie zu küssen?

Wollte sie, dass ich es tat?

Ich hatte keine Ahnung. Schlimmer noch, es war mir schleierhaft, wie ich es herausfinden sollte.

Maddox kam mit Aiden im Schlepptau in mein Büro. Er schaute sich um und zog die Augenbrauen hoch, als er die ungewohnte Ordnung im Raum bemerkte. Nachdem Becca da gewesen war, hatte ich mein Büro komplett umgekrempelt. Sandy war erschrocken und entzückt zugleich gewesen, als sie es gesehen hatte. Noch glücklicher war sie gewesen, als ich sie gebeten hatte, mir zu helfen, ein paar neue Shirts und Hosen auszusuchen. Es war nicht schwer, das alte Mädchen zum Lächeln zu bringen.

Das i-Tüpfelchen vom Ganzen stellte das gerahmte Yoda-Poster dar, das ich gekauft und über meinen Schreibtisch gehängt hatte, in der Hoffnung, dass es Becca bei ihrem nächsten Besuch zum Lachen bringen würde. Ich wusste, dass sie bald auftauchen würde. Ihr kleines Computerproblem war so eingestellt, dass es in zwei Stunden wieder auftreten würde.

Maddox setzte sich und schlug die Beine übereinander. »Willst du ein neues Leben anfangen, Reid?«

Aiden drückte meine Tür zu und warf sich auf den anderen Stuhl, dessen Beine protestierend ächzten. »Ich glaube, er versucht, eine gewisse hübsche Marketingmanagerin zu beeindrucken.«

Ich verdrehte die Augen, obwohl ich wusste, dass meine Ohren rot wurden. »Ist doch egal. Ich habe nur ein wenig aufgeräumt.«

»Wie lange hast du dafür gebraucht?« Maddox grinste.

»Die ganze Nacht. Ich habe mein Portemonnaie wiedergefunden, von dem ich dachte, ich hätte es verloren. Es waren immer noch fünfzig Mäuse drin.«

Aiden klatschte mich ab.

»Tolles Poster.« Er deutete mit dem Daumen auf Yoda. »Ich liebe dieses grüne Kerlchen.«

Maddox stieß ein Stöhnen aus. »Bitte, erspar uns deine Yoda-Imitation. Sie ist Furcht einflößend.«

»Wie du meinst. Nur eifersüchtig du bist, mmm-mm«, witzelte Aiden, und beim Klang seiner Stimme weiteten sich meine Augen.

»Alter, nein«, stöhnte ich.

Er schüttelte den Kopf. »Wertschätzung für mein Talent du nicht hast, mmm-mm.«

Maddox gab ihm einen leichten Schlag auf den Kopf. »Nein, du hast kein Talent. Du hörst dich an, als würdest du gleich Schleim aushusten.«

Ich lachte, während ich die beiden beobachtete. Sie funkelten einander an, dann stimmten sie in mein Gelächter ein.

Lässig lehnte ich mich auf meinem Stuhl zurück. »Also, was liegt an?« Ich schaute auf meinen Bildschirm. »Ich habe doch nicht schon wieder den falschen Kram verschickt, oder?«

Aiden kicherte, und Maddox schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte er. »Ich habe mir überlegt, dass du das Sicherheitsprogramm noch woanders installieren solltest.«

»Ach, echt? Cool. Ich denke, ich habe alle Macken gefunden, aber mehr Feedback wäre toll. Ich will, dass es für die Ridge-Towers perfekt wird.« Ich durchwühlte meinen Schreibtisch, bis ich einen Stift fand. »Wo?«

»In der Wohnung, die ich Becca vermietet habe«, antwortete Maddox.

Ich riss den Kopf hoch und sah ihm in die Augen. Er musterte mich mit ernster Miene, aber sein Blick wirkte belustigt. »Wir dachten, dass du deine Zeit vielleicht besser mit einer direkten Herangehensweise nutzen solltest, statt jeden Tag ihren Computer wieder in Ordnung zu bringen.« Er sah mich wissend mit einer hochgezogenen Augenbraue an.

»Ähm …« Ich schluckte. Sie hatte mich in der letzten Woche ziemlich oft aufsuchen müssen. Zwar hatte sich nicht wieder so eine Situation wie am ersten Tag ergeben, aber ich gab die Hoffnung nicht auf. Das Problem war, dass ich in ihrer Gegenwart immer erstarrte und mir einfach nicht die richtigen Worte einfielen, woraufhin das Schweigen peinlich wurde.

»Der Computer ist eben sehr störanfällig«, antwortete ich lahm.

»Störanfällig?« Maddox lachte. »Ich arbeite in dem Büro gegenüber. Sie kommt täglich mit einem Problem her, oder du musst in ihr Büro, um ihr zu helfen, etwas in Ordnung zu bringen. Wenn der Computer so viele Probleme macht, sollten wir vielleicht einfach einen neuen kaufen.«

»Nein! Ich regle das schon.«

Aiden strich sich übers Kinn. »Dann ist da noch etwas ganz Seltsames. Ich finde keine einzige Meldung im System zu Beccas ständigen Computerproblemen.«

»Oh, na ja, nun …« Ich rieb mir den Nacken. »Es ist einfacher, ihr direkt zu helfen, statt das System mit Meldungen zu überfluten.«

Aidens Kopf fiel nach hinten, und sein Gelächter dröhnte durch mein Büro. »Das System überfluten? Reid, seit du an Bord gekommen bist, haben wir keine Meldungen mehr. Keine Ausfallzeiten. Keine Fehler.« Er wischte sich über die Augen. »Erzähl schon, Junge, was machst du?«

Ich seufzte. »Ich schicke kleine Viren, damit sich ihr Computer aufhängt und sie zu mir kommen muss. Ich wollte die Zeit nutzen, in der sie hier ist, um mit ihr zu reden.«

»Und wie funktioniert das so?«

Ich warf meine Brille auf den Schreibtisch. »Überhaupt nicht.«

Maddox beugte sich vor. »Du bist ein Feigling.«

»Ich weiß.«

»Du redest mit Sandy. Du redest mit Liv. Mit allen anderen Frauen im Büro. Warum kannst du nicht mit Becca reden?«

»Ich kann mit den anderen reden, weil ich mir nicht in jeder Sekunde des Gesprächs ausmale, wie sie meinen Schwanz in ihren Mund nimmt! Ich denke nicht darüber nach, dass ich sie auf ihren Schreibtisch werfen und mich in ihr versenken will, um zu erfahren, ob es genauso verdammt umwerfend ist, wie ich es mir erträume!«, platzte ich heraus und schlug mit der Hand auf den Schreibtisch.

Beide Männer starrten mich an. Maddox senkte den Blick und kämpfte gegen sein Lächeln an, aber Aiden grinste breit. »Du bist so was von am Arsch.«

»Schön wär’s«, murmelte ich.

»Dich hat es ganz schön erwischt.«

»Was du nicht sagst. Meine verdammte Hand tut weh, und mir geht ständig die Körperlotion aus.«

»Zu viele Informationen«, sagte Maddox gedehnt.

Aiden beugte sich dichter zu mir vor. »Okay. Hör zu. Maddox wird Becca sagen, er wolle, dass das Sicherheitssystem bei ihr installiert wird. Du machst eine Zeit mit ihr aus. Dann tauchst du auf und bringst ihr einen Kaffee mit. Lächelst sie an. Plauderst mit ihr, während du arbeitest, so wie du mit Cami geplaudert hast, als du das Sicherheitssystem bei mir zu Hause installiert hast. Denk mit deinem großen Kopf, nicht mit deinem kleinen Schwanz.«

Ich schaute ihm in die Augen. »Er ist nicht klein. Glaub mir.«

Er stöhnte. »Wie auch immer.«

Maddox schnaubte. »Worauf es hier ankommt, ist Folgendes: Sei du selbst. Sie mag dich. Du magst sie. Lerne sie als Mensch kennen. Lass sie den Reid außerhalb des Büros sehen.«

»Woher weißt du, dass sie mich mag?«

Maddox verdrehte die Augen. »Warum habe ich das Gefühl, als seien wir zwölf und würden in der Schule Zettelchen weiterreichen? Sie hat mich mal nach dir ausgequetscht. Ich habe den Eindruck gewonnen, dass sie interessiert ist. Aber sie ist eine vorsichtige junge Frau. Wenn sie sich also nicht sicher ist, dass du genauso empfindest, wird sie nicht den ersten Schritt machen.« Er stand auf. »Sei ein Mann. Ich werde ihr Bescheid geben, und der Rest liegt bei dir.«

Er verließ mein Büro und ließ mich mit Aiden allein.

»Er hat recht. Hör auf mit diesen Spielchen. Du willst diese Frau? Dann los. Ich weiß, das alles ist neu für dich, aber Fakt ist, nur du kannst es tun, Reid.«

»Du hast recht. Ich habe mich wie ein Idiot aufgeführt.«

»Jepp.« Er ging zur Tür. »Also los, hol dir dein Mädchen.«

Ein paar Stunden später stand ich auf der Schwelle von Beccas Büro. Sie war gerade beschäftigt und widmete ihrem Bildschirm ihre volle Aufmerksamkeit. Mit der Hand auf der Maus, gestaltete sie gerade eine Abbildung. Konzentriert runzelte sie die Stirn, und ihre Zungenspitze lugte zwischen ihren Lippen hervor. Ich musste schlucken, weil ich mir vorstellte, wie wundervoll sich ihre Zunge in meinem Mund anfühlen würde.

Still musterte ich sie und ließ ihre professionelle Ausstrahlung auf mich wirken. Kein Haar, das nicht an seinem Platz war, ihr Kostüm faltenfrei, ihr Make-up perfekt. Ihr Büro war ordentlich, ihr Schreibtisch makellos. Sie hatte sogar einen Untersetzer unter ihrer Kaffeetasse. Das halbmondförmige Gestell ihrer Lesebrille, die sie trug, betonte ihre leuchtend blauen Augen und machte sie noch hübscher.

Ganz zu schweigen von sexy. Sie war so sexy, dass mein Herz raste.

Ich schaute auf meine schwarzen Jeans und das blaue Oberhemd. Verlegen strich ich mir übers Haar. Ich wusste, dass es mir unordentlich vom Kopf abstand. Verglichen mit ihr ähnelte ich einem ungemachten Bett, wie Bentley es oft von mir behauptete. Konnte es möglich sein, dass sie sich für jemanden wie mich interessierte?

Ich hob die Hand, um anzuklopfen, als sie aufschaute. Unsere Blicke trafen sich, und für einen Moment existierte nichts anderes als sie und der Zauber, mit dem sie mich geradezu hypnotisierte. Strahlend und liebenswürdig lächelte sie mich an, das Grübchen in ihrem Kinn deutlich sichtbar.

»Hi.«

Ich riss mich zusammen. »Ähm, ja, genau. Hi.«

Sie lehnte sich zurück, was dazu führte, dass ihre Bluse sich über ihrer Brust spannte. Ich versuchte, ihr nicht auf den Busen zu starren.

Ich scheiterte.

Sie räusperte sich, und ich beeilte mich, den Blick wieder auf ihr Gesicht zu richten.

»Also, Maddox hat mich gebeten, das Sicherheitssystem in deiner Wohnung zu installieren«, sagte ich. Ich war verblüfft zu hören, wie fest meine Stimme klang.

Sie nickte. »Er hat mir schon gesagt, dass du bei mir vorbeikommen wirst.«

Ich näherte mich langsam ihrem Schreibtisch. »Ist das in Ordnung für dich?«

Mach, dass es in Ordnung für sie ist, betete ich stumm.

»Wie viel Zeit brauchst du?«

Ich zuckte die Achseln. Die Sache ließ sich problemlos ein oder zwei Tage in die Länge ziehen. »Erst einmal muss ich mir die Wohnung ansehen. Die Wohnungstür und die Fenster für das richtige Konzept checken. Feststellen, was am besten funktioniert. Alles aufzeichnen und das richtige Equipment zusammenstellen. Die Installation selbst dauert nur wenige Stunden, wenn es keine Komplikationen gibt.«

Ich hatte vor, dafür zu sorgen, dass es jede Menge Komplikationen gab.

»Okay. Du würdest also irgendwann mal abends vorbeikommen und am nächsten Tag das System installieren?«

»Ja. Wie wäre es mit heute Abend? Ich könnte auf einen Sprung reinschauen und mir alle notwendigen Informationen beschaffen, und dann sehen wir weiter?« Ich stockte, weil mir einfiel, dass heute Freitag war. »Es sei denn natürlich, du hast schon was anderes vor.«

Bitte, hab nichts anderes vor.

Ich verspürte große Erleichterung, als sie den Kopf schüttelte. »Nein. Heute Abend passt gut.«

»Wunderbar.«

»Hast du denn kein, äh, Date?«

Ich hätte am liebsten geschnaubt. Ein Date hatte ich seit zwei Jahren nicht mehr gehabt. Das letzte Mal war derartig katastrophal gewesen, dass ich beschlossen hatte, es nicht weiter zu versuchen.

»Nein.«

»Gut, dann klappt das mit heute Abend. Welcher Tag ist für die Installation am besten geeignet?«

»Sobald ich herausgefunden habe, welches Set-up für dich das Beste ist, muss ich alle Teile bestellen. Das nächste Wochenende sollte gehen. Samstag ist am besten«, erklärte ich mit Nachdruck. Wenn ich meine Trümpfe richtig ausspielte, würde ich sie den ganzen Tag für mich allein haben. »Ich komme gern frühmorgens.«

Sie riss die Augen auf.

Als mir klar wurde, was ich da gesagt hatte, griff ich mir an den Hinterkopf und riss frustriert an meinen Haaren. »Ich meine, ich ziehe es vor, früh anzufangen.« Wieder zerrte ich an meinem Haar. »Falls es irgendwelche Probleme geben sollte«, setzte ich etwas lahm hinzu.

Ich erwartete, dass sie lachte. Oder mich aus ihrem Büro warf. Stattdessen lächelte sie. »Samstag ist in Ordnung.«

»Okay, großartig.« Ich machte Anstalten, ihr Büro zu verlassen. »Wir sehen uns dann heute Abend.«

»Reid.« Ihre Stimme ließ mich innehalten.

»Ja?«

»Brauchst du nicht noch meine Adresse?«

Am liebsten hätte ich gelacht. Ich wusste genau, wo sie wohnte. Schließlich war ich schon ein paarmal in ihrer Gegend gewesen, in der Hoffnung, ihr über den Weg zu laufen.

Weil ich mich in einen Becca-Stalker verwandelt hatte. Einen ungeschickten, idiotischen Stalker.

Ich lächelte und antwortete mit einer Halbwahrheit. »Maddox hat mir die Adresse gegeben.«

»Gut. Dann sehen wir uns heute Abend.« Sie verzog das Gesicht. »Wenn nicht früher.«

Ich konnte der Versuchung nicht widerstehen. »Wir haben ein Date.«

Dann beeilte ich mich zu verschwinden.

Der Tag zog sich in die Länge, bis ich mich endlich zu Beccas Wohnung begeben konnte. Bei der Arbeit war ich schon den ganzen Nachmittag kribbelig, und ich ließ die Finger von ihrem Computer. Ich musste cool bleiben. Falls das überhaupt möglich war.

Sie war in meinem Büro vorbeigekommen, um noch einmal die Uhrzeit zu bestätigen, und hatte entzückt über mein Poster gelacht.

»Yoda der Beste er ist«, witzelte sie und sah, als sie ihn nachmachte, viel süßer aus als Aiden. »Das hast du bestimmt nur für mich besorgt, Reid Matthews.«

Ich bestritt es nicht. Ich war zu beschäftigt damit, das Internet zu durchsuchen, um weitere Yoda-Artikel zu finden, die sie zum Lachen bringen würden.

Ich suchte meine Sachen zusammen und stopfte sie in meine Umhängetasche. Ich hatte mir ein frisches Hemd angezogen und die Haare gekämmt, doch als ich in den Spiegel schaute, stellte ich fest, dass ich immer noch ziemlich unordentlich aussah. Ich sollte vielleicht Maddox fragen, wie er es schaffte, immer so … unzerknittert auszusehen. Doch ich entschied mich dagegen. Er würde womöglich mit mir shoppen gehen wollen. Vielleicht sollte ich lieber Sandy fragen – sie liebte es, sich um mich zu kümmern, und sie würde sich mächtig ins Zeug legen, um mich zu beraten.

Ich ging zu Fuß zu Beccas Wohnung und besorgte unterwegs zwei Becher Kaffee. Der kleine Blumenladen an der Ecke neben dem Café hatte Kübel voller Sträuße draußen stehen. Ich betrachtete sie und fragte mich, ob Bentley recht mit seiner Ansicht hatte, wann man Blumen verschenken konnte, oder ob ich eher auf Aiden hören sollte. Eine gebückte, alte Frau mit einer Schürze und grauem Haar kam herausgeschlurft und lächelte mich an.

»Sie mögen?«, fragte sie in gebrochenem Englisch.

»Die sind hübsch.«

»Für Ihre Freundin?«

Ich seufzte. »Schön wär’s. Sie ist leider nur eine Kollegin.«

Sie schenkte mir ein strahlendes Lächeln, bei dem sich die Falten in ihrem Gesicht noch vertieften. Dann tätschelte sie mir die Wange. »Geben Sie Zeit. Sie sind fesche Junge.«

Ich kicherte.

Sie bückte sich und zog einen kleinen Strauß Margeriten aus einem Kübel. »Hier. Hell. Hübsch. Nicht zu viel, ja? Um zu sagen, Guten Tag, lass es dir gut gehen.« Sie zwinkerte mir zu. »Bald bringen Sie ihr Rosen. Versprochen.«

Ich lachte und reichte ihr die fünf Dollar, die die Blumen laut dem dazugehörigen Schild kosteten. Ich hatte nicht vor, Einwände gegen ihre Argumentation zu erheben. Sie gefiel mir. Ich wusste nicht, ob Becca Rosen mochte, aber ich würde es herausfinden. Ich würde ihr jede Blume schenken, die sie mochte.

Lass es dir gut gehen. Das passte.

Die Gegensprechanlage knisterte, aber Becca wusste ohnehin, dass ich es war, und betätigte den Summer, sodass ich zu ihrer Wohnung hochgehen konnte. Als sie die Tür öffnete, sah sie so anders aus als im Büro, dass ich mich anstrengen musste, sie nicht anzuglotzen. Mit Sicherheit starrte ich sie an. Ihr Haar war lang und offen und fiel ihr wie dunkle Seide über den Rücken. Sie trug Leggins und ein T-Shirt, das sich an ihre Kurven schmiegte. Die Nägel an ihren nackten Füßen waren knallrot lackiert.

Ihre Augen weiteten sich vor Entzücken, als sie die Blumen sah. »Für mich?«

Ich konnte der Versuchung nicht widerstehen, sie zu necken. »Nein, eigentlich wollte ich sie mit nach Hause nehmen – um meine Wohnung ein wenig aufzuhübschen, weißt du?«

Sie blinzelte und wurde rot, und die seltsame Schüchternheit, die ich gelegentlich bemerkt hatte, trat wieder zutage. Der Gedanke, dass ich offenbar diese Schüchternheit in ihr auslösen konnte, gefiel mir. Das machte mich mutiger, als ich es normalerweise war.

Ich hielt ihr den kleinen Strauß hin. »Entschuldige, ich habe dich schon wieder ein bisschen geärgert. Ja, die sind für dich.«

»Warum?«

Ich zuckte die Achseln. »Um dich zum Lächeln zu bringen.«

»Reid«, flüsterte sie. »Wie unglaublich aufmerksam. Ich finde sie wunderschön!« Sie stellte sich auf die Zehen und hauchte mir einen Kuss auf die Wange. Es war eine süße Geste, und ich genoss es, wie ihre Lippen sich auf meinem Gesicht anfühlten. Die wollte ich auf meinem ganzen Körper fühlen. Sie war so nah, dass ich den Duft ihrer Haut wahrnahm – er war leicht und luftig und ließ mich an eine Blumenwiese in der Sonne denken. Ich widerstand der Versuchung, an ihr zu schnuppern.

»Komm rein.«

Als ich ihr in die Wohnung folgte, musste ich mich bemühen, nicht darauf zu achten, wie die Leggins sich an ihren perfekten Hintern und ihre wohlgeformten Beine schmiegten. Doch das war unmöglich. Es war ein toller Hintern. Mein Schwanz stimmte mir zu, und ich musste ihm Einhalt gebieten, bevor sie sich zu mir umdrehte.

Ich stellte meine Tasche ab und schaute mich in ihrer Wohnung um. Das Wohnzimmer war recht groß und hatte einen Küchenbereich, abgetrennt durch eine hohe Theke, unter die Becca zwei Hocker geschoben hatte. Vor dem Fenster stand ein kleines Sofa mit einem Sessel daneben. Ein Tischchen war in der Ecke platziert, und sie hatte einen massiven Schreibtisch. An der Wand lehnten ein paar Regalbretter, die Halterungen dazu lagen auf dem Boden. Ein großer Teil des Raums war noch leer.

»Ich bin immer noch dabei auszupacken«, erklärte sie. »Das, was ich nicht so gerne mache, habe ich mir für den Schluss aufgehoben.«

»Was machst du denn nicht gerne?«

»Regale anbringen, Bilder an die Wand hängen. Wenn ich einen Hammer benutze, treffe ich öfter meinen Daumen als den Nagel.«

Ich stürzte mich auf die Gelegenheit und deutete auf die Regalbretter. »Brauchst du Hilfe, die Dinger anzubringen?«

Ihre blauen Augen strahlten.

»Wirklich?«

»Sicher, das kann ich machen.« Ich schaute mich um. »Die Bilder aufhängen, Elektrogeräte anschließen. Solche Sachen.« Ich sah sie an. »Ich bin dein Mann.«

Für alles, fügte ich im Geiste hinzu.

Sie rümpfte die Nase, was sie entzückend aussehen ließ. »Ich habe nicht viele Elektrogeräte.«

Ich starrte sie ungläubig an. »Was?«

»Na ja, ich sehe selten fern, daher habe ich keinen Apparat.« Sie tippte auf ein Gerät auf der Theke. »Aber ich höre gern Musik. Meine Bose-Anlage nutze ich sehr oft.«

»Was ist mit streamen? Netflix?« Ich liebte meine Computer, aber es ging doch nichts darüber, sich einen Film oder eine Fernsehsendung auf dem großen Bildschirm anzusehen.

Sie schnitt eine Grimasse, öffnete einen Schrank und holte eine kleine Vase heraus. »Ich kann super mit Computern und Software umgehen, aber um ehrlich zu sein, Elektrogeräte überfordern mich. Wenn eine Sendung läuft, die mir gefällt, streame ich sie auf meinem Laptop.« Sie füllte die Vase mit Wasser, stellte die Blumen hinein und die Vase dann mit einem breiten Lächeln auf die Theke.

»Ich kann mich nicht daran erinnern, wann mir das letzte Mal jemand Blumen geschenkt hat. Das war wahrscheinlich mein Dad. Die hier sind wirklich hübsch.«

Ich fühlte mich, als sei ich ungefähr drei Meter groß.

»Ich könnte das alles mit deinem Fernseher verbinden, wenn du dir einen anschaffen würdest.« Ich zeigte auf die leere Fläche in ihrem Wohnzimmer. »Ich könnte außerdem eine tolle Musikanlage aufstellen. Du hast ja jede Menge Platz.«

»Oh, äh, es kommt noch etwas, das viel Platz braucht.«

»Also hast du doch ein paar Geräte?«

»Ähm, nein. Ich hab’s aufgegeben. Wenn ich mir einen Film ansehen wollte, bin ich meist zu Richard und Katy gegangen.«

»Sie stehen dir ziemlich nah, wie?«

»Ja. Ich vermisse sie jetzt schon.«

»Aber ich freue mich, dass du hier bist«, sagte ich mit gesenktem Blick.

Sie legte ihre Hand auf meine und drückte sie. »Vielen Dank. Ich freue mich auch darüber.«

Unsere Blicke trafen sich. Das war jetzt die perfekte Gelegenheit. Ich könnte sie fragen, ob ich sie ein wenig herumführen und ihr Toronto zeigen solle. So hätte ich Zeit mit ihr verbringen können, damit sie mich kennenlernte. Aber ich brachte die Worte einfach nicht über die Lippen. Dann schaute sie weg, und die Gelegenheit war verpasst.

Ich räusperte mich, griff nach einem Becher, nahm den Deckel ab und nahm einen Schluck von dem Kaffee. »Okay, da fällt uns bestimmt etwas ein.« Ich reichte ihr den anderen Becher. »Sag mir einfach, was du brauchst.«

»Danke.«

»Jederzeit.« Ich griff nach meiner Tasche und holte ein Notizbuch und einen Stift heraus. »Kann ich mich in der ganzen Wohnung umsehen und ein paar Maße nehmen?«

»Natürlich.«

Eine Klingel ertönte, und erst jetzt bemerkte ich den Duft in der Küche. Ich atmete tief ein. »Rieche ich da Erdnussbutter?«

Becca lächelte und zog ein Blech aus dem Ofen. »Kekse, für später, wenn du fertig bist. Als Dankeschön.«

Ich beugte mich über das Blech, aber sie scheuchte mich lachend weg. »Zu heiß. Mach erst deine Arbeit, dann kannst du welche haben.«

»In Ordnung.«

Als ich ins Wohnzimmer zurückkam, lehnte Becca an der Theke und tippte auf ihrem Laptop herum. Ein Teller mit Keksen stand neben ihr. Ich schnappte mir einen und biss hinein.

»Oh Gott, die sind umwerfend. Die mit Erdnussbutter mag ich am liebsten.«

»Freut mich.«

Ich zog den anderen Hocker unter der Theke hervor. »Darf ich?«

Sie lachte. »Natürlich.«

Sie schob mir eine Flasche Wasser hin. »Hast du alles, was du brauchst?«

»Ja. Ich werde das Schloss gegen eins austauschen, die wir auch in den Ridge-Towers haben. Die Kamera funktioniert über Funk. Ich muss die Software auf deinem Laptop und deinem Handy installieren. Dann kannst du sehen, wer vor deiner Tür steht, bevor du den Summer betätigst. Es ist ein gutes System. Damit kann dir nichts passieren.«

»Ist das alles, was es kann?«

»Nein, es hat eine Menge Eigenschaften. Maddox’ Sicherheitssystem ist mit dem Foyer verbunden, und er kann direkt mit dem Personal dort reden, sich Lieferungen nach oben schicken lassen oder sich seine Besucher ansehen. Ich werde es bei dir so einrichten, dass du die Leute, die vor der Haustür stehen, per Telefon hereinlassen kannst.«

Leise lachend griff sie nach einem Keks. »Ich werde nie mehr vom Sofa hochkommen.«

Ich schnappte mir auch noch einen Keks. »Sobald wir herausgefunden haben, was du willst, kann ich alle möglichen Funktionen für deine elektronischen Geräte, zum Beispiel die Musikanlage, installieren. Schnurlose Lautsprecher wären ideal für deine Wohnung.«

»Das wäre wunderbar, aber ich will dich nicht zu sehr in Anspruch nehmen.«

Ich wollte, dass sie mich in Anspruch nahm. In jeder erdenklichen Weise. Ich räusperte mich und rutschte auf dem Hocker hin und her. »Nicht doch. Ich habe es ja selbst angeboten, und das meine ich ernst.«

»Vielen Dank, Reid.« Sie biss in ihren Keks, und einige Krümel blieben an ihrer Lippe hängen. Als sie mit der Zunge darüberfuhr, musste ich ein Stöhnen unterdrücken.

Ich wollte sie küssen.

Sie legte den Kopf schräg. »Alles in Ordnung bei dir?«

»Ja, alles okay.« In dem verzweifelten Versuch, das Thema zu wechseln, deutete ich auf die Regale. »Muss ich irgendetwas mitbringen, um die Dinger aufzuhängen?«

»Ich habe einen kleinen Werkzeugkasten, weil mein Dad darauf bestanden hat, dass ich einen brauche. Es ist aber kein Bohrer dabei, und ich bin mir nicht sicher, ob ich diese Teile habe, auf denen die Regale liegen.«

»Meinst du Winkel?«

»Ja.«

»Die kann ich mitbringen, und einen Bohrer auch. Außerdem brauchen wir eine Wasserwaage. Das habe ich alles.«

Beziehungsweise ich würde es haben, sobald ich im Baumarkt gewesen war.

»Bist du dir sicher?«

Ich nickte zustimmend. »Jepp. Wann soll ich die Regale denn aufhängen?«

»Oh, wann immer du Zeit hast.«

»Ich könnte am Wochenende vorbeikommen. Morgen würde passen, wenn du Zeit hast.«

Sie runzelte die Stirn. »Dann müsstest du schon zwei Samstage herkommen. Du hast doch sicherlich etwas vor … mit deiner Freundin …?« Sie brach ab und wandte den Blick ab.

»Nein. Keine Freundin.«

»Oh.« Das war alles, was sie sagte, aber mir fiel auf, wie ihre Mundwinkel zuckten, als kämpfe sie gegen ein Lächeln an.

»Ich … ich werde dir und, äh, deiner besseren Hälfte nicht in die Quere kommen?«, fragte ich mit trockener Kehle.

Sie sah mich an und schüttelte den Kopf. »Nein. Es gibt niemanden.«

Wir beide lächelten und schauten uns in die Augen. Dann wandte sie den Blick ab, und wieder erschien die leichte Röte auf ihren Wangen. Ich musste mich beherrschen, nicht die Hände auszustrecken, um die Wärme ihrer Haut zu fühlen.

»Was soll denn eigentlich dorthin kommen?«, fragte ich und deutete auf die leere Fläche hinter mir. »Ein Esstisch oder so etwas?«

Sie biss sich auf die Unterlippe und stützte das Kinn auf die Hand. »Nein, mir reicht die Theke. Ich gebe keine Dinnerpartys.«

»Ein neuer Schreibtisch?«

»Nein«, sagte sie wieder. »Ich brauche den Platz, um zu trainieren.«

»Oh, machst du vielleicht Yoga?« Ich wusste, dass Cami, Emmy und Dee vor Kurzem mit Yoga angefangen hatten.

Sie legte den Kopf schräg und musterte mich, während ich einen großen Schluck Wasser nahm.

»Nein, ich trainiere Pole Dancing.«

Noch während ich schluckte, schnürte sich mir die Kehle zu.

Bis zu genau diesem Moment hatte ich keine Ahnung, wie weit ich Wasser spucken konnte.

Anscheinend ziemlich weit.

3

Reid

Ich sah noch einmal den Inhalt meiner Tasche durch und zog den Reißverschluss zu. Ich hatte genug Schrauben, Nägel und Winkel, um sämtliche Bilder eines Museums aufzuhängen. Den Bohrer und die Wasserwaage würde ich heute sicher öfter brauchen. Beim Blick auf meine Armbanduhr fragte ich mich, ob acht Uhr morgens zu früh war, um bei Becca aufzutauchen.

Als ich am vergangenen Abend die Wasserfontäne von mir gegeben hatte, war sie sofort vom Hocker gerutscht, hatte ein Handtuch für mich geholt und mir auf den Rücken geklopft, während ich noch immer hustete.

»Es tut mir so leid!«, rief sie. »Das war nicht meine Absicht!«

Ich sog dringend benötigten Sauerstoff in die Lungen und tupfte die Theke vor mir ab. »Kein Problem. Ich war einfach nicht vorbereitet auf den Witz. Meine Schuld.« Ich sah sie an. »Hast du was abgekriegt?«

Sie schüttelte den Kopf. »Nein.«

»Gott sei Dank.«

Sie zuckte die Achseln. »Und selbst wenn, was ist schon ein wenig Spucke unter Freunden?«

Glücklicherweise hatte ich meine Flasche noch nicht an den Mund gesetzt, sonst hätte ich mich schon wieder verschluckt. Ich musste mir auf die Zunge beißen, um ihr nicht zu sagen, wie gern ich meinen Speichel mit ihrem vermischen würde. Stattdessen räusperte ich mich und trank die Flasche aus. Ich glitt vom Hocker und wischte mir die Hand an meinem feuchten Hemd ab.

»Wir sehen uns dann morgen. Um wie viel Uhr würde es dir passen?«

»Ich bin den ganzen Tag hier, du kannst also einfach irgendwann vorbeikommen.«

Ich war gegangen, bevor ich mich noch mehr blamieren konnte. Ihre unerwartete Bemerkung löste eine Bilderflut in meinem Kopf aus. Die Vorstellung von Becca an einer Stripperstange wurde zu einer Endlosschleife in meinen Gedanken. Natürlich konnte sie keine Ahnung haben, dass ihre Witzelei eine Flut von Fantasien auslösen würde, in denen sie die Hauptrolle spielte, aber ich konnte sie einfach nicht unterdrücken.

Da ich zu dem Schluss kam, dass es noch zu früh war, räumte ich meine Wohnung auf. Sie war nichts Besonderes, aber sie lag in der Nähe der Firma, und als ich sie bezogen hatte, war sie mir wie ein Palast vorgekommen. Ich hatte noch nie etwas Eigenes besessen. Da ich meine Kindheit und Jugend in verschiedenen Pflegefamilien verbracht hatte und dann für eine Weile im Gefängnis gelandet war, war mir der Begriff Privatsphäre ziemlich fremd.

Meine Wohnung war klein und nur mit dem Nötigsten ausgestattet – ein Zimmer mit Küche an einem Ende und einem Futon am anderen, den ich sowohl als Sofa als auch als Bett nutzte. Das Bad, neben der Eingangstür gelegen, bestand aus einer Toilette, einem Waschbecken und einer Dusche. Alles schon älter und etwas abgenutzt, aber es erfüllte seinen Zweck. Das Zimmer war beige gestrichen, und an den Wänden hingen nur ein paar Poster, damit es nicht so eintönig war.

In der Mitte des Zimmers stand unter dem einen Fenster mein Schreibtisch aus alten Betonsteinen, die ich nach Hause geschleppt hatte, und einer schweren Holzplatte. Links und rechts davon standen Metallregale voll mit Computerkram. Mein einziger Luxus, der Fernseher, hing an der Wand, und in einem etwas schöneren Regal befand sich meine Comicsammlung. Ich hatte nicht gescherzt, als ich Becca erzählt hatte, dass ich sie liebe. Comics hatte ich mir als Kind sehnlichst gewünscht, und jetzt konnte ich sie mir kaufen. Im Schrank vorn im Zimmer hatte ich einige zusätzliche Regalbretter angebracht; dort waren meine Klamotten und hier konnte ich meinen Mantel aufhängen. Besuch hatte ich nur selten. Ich lebte einfach, und bislang hatte das nie eine Rolle gespielt. Aber als ich mich jetzt in meiner Wohnung umsah, wusste ich, dass ich sie Becca nicht zeigen wollte. Sie würde mich nicht schief ansehen, aber die Wohnung war ohne Leben – ein Ort, den ich nur zum Schlafen und zum Wechseln der Kleidung nutzte.

Es bestand kein Zweifel daran, dass mir mein Büro bei BAM lieber war. Ich war begeistert gewesen, dass ich bei ihnen eine Chance bekam. Schon in der Zeitung hatte ich von BAM gelesen und mir dann ihre Internetseite angesehen, und eines Tages war ich auf einer Seite mit Jobangeboten auf eine Stellenanzeige ihrer IT-Abteilung gestoßen. Nachdem ich meinen ganzen Mut zusammengenommen hatte, brachte ich meine Bewerbung direkt zu ihnen. Sandy saß gerade an ihrem Schreibtisch und redete mit Aiden, als ich hereinkam. Ich hatte abgewartet, bis ihr Gespräch zu Ende war, und dann höflich gefragt, ob ich meine Bewerbungsunterlagen bei ihr abgeben könne.

Aiden runzelte die Stirn. »Für die Bewerbung gibt es eine Website.«

»Ich weiß. Das habe ich schon erledigt. Aber ich wollte Ihnen meine Unterlagen auch persönlich übergeben.«

Er musterte mich. Ich wusste, wer er war – ich hatte sein Foto oft genug in der Zeitung gesehen und den Werdegang der Firma verfolgt, während ich im Gefängnis saß. Ich hielt seinem Blick stand und war erleichtert, als er seine große Hand ausstreckte.

»Ich werde sie annehmen.«

»Vielen Dank, Mr Callaghan.«

»Sie kennen meinen Namen?«

»Natürlich. Ich bin mir sicher, dass Sie mich checken werden – das Gleiche habe ich auch getan, damit ich weiß, für wen ich vielleicht arbeite«, erwiderte ich mit einem Grinsen und täuschte frech Selbstbewusstsein vor.

Er kicherte. »Gut gekontert, Junge.«

Fluchend tippte Sandy auf ihrer Tastatur herum. »Der Computer hat sich mal wieder aufgehängt, Aiden. Immer wenn ich dieses Programm öffne, passiert genau das.«

Er stöhnte. »Ich habe alles getan, was ich kann. Wir müssen wohl einen neuen Computer kaufen.«

Bevor ich mich beherrschen konnte, waren die Worte heraus. »Es liegt nicht am Computer. Lassen Sie mich mal schauen.«

Ich war mir sicher, dass er Nein sagen würde, aber er machte mit einer knappen Handbewegung einen Schritt nach hinten. Ich setzte mich, und binnen Sekunden war ich im System, durchsuchte die Dateien und fand das Problem. Mit ein paar Tastenkombinationen brachte ich es in Ordnung. Dann stand ich auf und lächelte. »Erledigt. Jetzt sollte es funktionieren.«

»Was haben Sie gemacht?«

»Es gibt da einen Fehler im Programm, der häufiger vorkommt. Man muss lediglich etwas überschreiben. Sie sollten keine weiteren Probleme damit haben.«

Aiden runzelte die Stirn. »Meine IT-Leute hätten das wissen müssen.«

Ich zuckte die Achseln. »Davon habe ich irgendwann mal im Netz gelesen.«

»Vielen Dank, junger Mann.« Sandy strahlte mich an.

»Reid«, stellte ich mich vor und streckte die Hand aus. »Mein Name ist Reid Matthews.«

Sie schüttelte mir die Hand. »Nun, Reid Matthews, ich weiß Ihre Hilfe zu schätzen. Ich bin Sandy, der heimliche Kopf hinter diesem Unternehmen.« Sie zwinkerte mir zu. »Und jetzt schlage ich vor, Sie gehen los und lassen sich die Haare schneiden. Sie müssen schließlich manierlich aussehen für Ihr Bewerbungsgespräch.«

Ich blinzelte. »Mein Bewerbungsgespräch?«

Sie sah Aiden an und nickte. »Morgen. Zwei Uhr. Richtig, Aiden?«

Er grinste. »Richtig.«

Und so hatte alles angefangen. Vor dem Bewerbungsgespräch war ich nervös gewesen und hatte meine besten Sachen angezogen, die rückblickend betrachtet nicht besonders toll waren, aber bessere hatte ich nicht. Meine Haare hatte ich mir selbst geschnitten, da kein Geld für den Friseur da war. Das Vorstellungsgespräch hatte ich mit Aiden geführt, dessen schnell aufeinanderfolgende Fragen ich mühelos und ohne Ausnahme beantworten konnte.

Er lehnte sich zurück und klopfte auf meinen Lebenslauf. »Sie scheinen mir auf jeden Fall qualifiziert zu sein.«

»Das bin ich. Ich würde exzellente Arbeit für Sie leisten.«

»Sie haben noch nicht viel gearbeitet. Für den Job, den Sie jetzt haben, sind Sie angesichts Ihrer offensichtlichen Kenntnisse überqualifiziert. Ihre Fähigkeiten kommen dort überhaupt nicht zum Tragen.«

Ich hätte am liebsten gelacht. Ein Reparaturjob in einem zwielichtigen Computerladen war praktisch gar kein Job. Ich kam kaum über die Runden. Um mir etwas dazuzuverdienen, arbeitete ich auch noch als Barkeeper, aber ich hasste beide Jobs.

»Ich weiß. Ich würde gern mehr tun. Wenn Sie mir die Chance geben, werde ich Sie nicht enttäuschen.«

»Sie haben eine Menge Onlinekurse gemacht. Darf ich fragen, warum?«