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»Die Luft war kälter als erwartet. Es hing ein Versprechen auf Schnee in der Luft. Nichts regte sich auf dem Pfad, als ich die ersten Bäume hinter mir liess und in den Wald hineinging. In der Ferne hörte ich den Verkehr. Eine Sirene erklang irgendwo auf der Autobahn. Ansonsten umgab mich das Schweigen der Bäume. Meine Schritte knirschten leicht auf dem kalten Untergrund. Das Geräusch verband mich mit dem Leben. Ich atmete tief durch, machte die Augen einen kurzen Moment zu, um die Kälte auf meinem Gesicht besser wahrnehmen zu können. Ich spürte in mich hinein. Die Freude war da. Diese Lust, das Leben zu geniessen. Trotz allem, was passiert war ...« Von einem einfachen, ruhigen Leben träumt Valerie Birbaum, die nach zwölf Jahren nach Düdingen zieht, wo sie einen Grossteil ihrer Jugend verbracht hat. Ideal um die gescheiterte Ehe zu vergessen, ihr lang erträumtes BuchCafé zu eröffnen und endlich ihren Frieden zu finden. Ihre Rückkehr stellte sich Valerie jedoch anders vor, hatte sie doch nicht mit einem Toten gerechnet ...
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Seitenzahl: 139
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Leserstimmen zu »Buch, Mord und Kaffee«
»Ein Krimi, der mich gleich zu Beginn begeistern konnte.
Spannend und abwechslungsreich bis zum Schluss. Ich
konnte das Buch nicht mehr aus der Hand legen.«
Christophe Häni
»In diesem Krimi hat nichts gefehlt, Spannung,
Gefühle,Herzklopfen, Humor und ein überraschendes Ende.
Mehr davon!«
Barbara Zumstein
»Düdingen war mir bisher vollkommen unbekannt, doch
schon nach dem ersten Kapitel konnte ich mehrere Dörfer
aus meiner Jugend aufzählen, in denen sich das Leben
genauso abgespielt hat. Mit gutem Gespür für Stimmungen
und präziser Sprache erzählt der Autor hier eine spannende
Geschichte voller Überraschungen. Menschliche
Verstrickungen wie in einem Fernsehkrimi. War eindeutig
ein Lesespaß den ich empfehlen kann.«
Testudina auf Amazon.de
»Entspannter Krimi mit sympathischer Hauptfigur
und toller Atmosphäre. Jean-Pascal Ansermoz
trifft immer den richtigen Ton.«
Markus Kleinknecht
Ein Achttausend-Seelen-Ort mit einem Einkaufszentrum oder zwei, einer katholischen und einer reformierten Kirche, einem Bahnhof und einem eigenen Buchcafé. Davon träumt jedenfalls Valerie Birbaum, die nach zwölf Jahren gerade deswegen zurück nach Düdingen zieht, wo sie einen Großteil ihrer Jugend verbracht hat: der Wunsch nach einem einfachen Leben in einer ruhigen Umgebung. Ideal um die gescheiterte Ehe zu vergessen und endlich ihren Frieden zu finden. Ihre Rückkehr stellte sich Valerie jedoch anders vor, hatte sie doch nicht mit einem Toten gerechnet ...
Jean-Pascal Ansermoz wurde als Schweizer im September des Jahres 1974 in Dakar (Senegal) geboren. Er ist einer, der mit Leichtigkeit über den Röschtigraben springt, schrieb er doch bis 2009 nur in französischer Sprache. Weltenbürger, Romand und Deutschschweizer in einem: ein Autor mit Hang zum Kriminellen, aber auch zu Poetischem, Literarischem, Alltäglichem und Besonderem.
Mehr Infos unter: www.jeanpascalansermoz.ch
KAPITEL 1
KAPITEL 2
KAPITEL 3
KAPITEL 4
KAPITEL 5
KAPITEL 6
KAPITEL 7
KAPITEL 8
KAPITEL 9
KAPITEL 10
KAPITEL 11
KAPITEL 12
KAPITEL 13
KAPITEL 14
KAPITEL 15
KAPITEL 16
KAPITEL 17
KAPITEL 18
KAPITEL 19
KAPITEL 20
KAPITEL 21
KAPITEL 22
KAPITEL 23
KAPITEL 24
KAPITEL 25
KAPITEL 26
EPILOG
Es war ein trüber Montag im November und die Kirchglocken schlugen zehn Mal. Ich stand ganz allein auf dem Bürgersteig vor den geschlossenen Räumlichkeiten an der Hauptstraße 30, die vor einem Jahr noch eine Drogerie beherbergten. Obwohl die Schaufenster mit Pappkarton von innen zugedeckt worden waren, konnte ich durch einen Spalt einen Blick auf mein neues Glück erhaschen: Wände aus grauem Beton, der Boden übersät mit Pappschachteln, Steinen und anderem Gerümpel, eine Birne, die einsam im Raum hing. Dunkel kam es mir vor. Und ich konnte förmlich die schlechte Luft riechen, die sich angesammelt haben musste. War dieser Ort wirklich die Erfüllung meiner Träume? War es wirklich das, was ich wollte, nach allem, was ich durchgemacht hatte?
Manche Montage begannen dramatischer als andere.
Mir kamen Zweifel, zumal die Frau des Immobilienbüros bereits fünfzehn Minuten Verspätung hatte. Die Kälte dieses Novembertages kroch durch meinen Mantel in mich hinein, und ich war mir nicht sicher, ob ich sie je wieder loswerden würde. Ich konnte mich nicht erinnern, jemals so gefroren zu haben.
Das Dorf lag in dicken Nebel gebettet. Selbst das geschlossen wirkende Hotel, das ich bei meiner ersten Besichtigung auf der anderen Straßenseite entdeckt hatte, zeigte nur spärliche Konturen. Als wollte es nichts damit zu tun haben. Für den Abend waren zudem Wind und Schnee angesagt.
Auf der Hauptstraße vor mir, der Mitte meiner sichtbaren Welt, spuckte der Nebel immer wieder Autos aus und verschluckte sie wieder wie Schafe, die man zählt, in der Hoffnung einmal den Schlaf finden zu können. Die Straßen zeigten sich ansonsten fast menschenleer.
Ich blickte zum Himmel hoch, als ich die ersten Tropfen spürte.
Nicht dein Ernst, oder?
An einen Regenschirm hatte ich beim Verlassen meines überteuerten Zimmers natürlich nicht gedacht. Aber Regen macht ja bekanntlich schön.
Ich wollte nicht die wenigen Stufen zur Eingangstür hinaufgehen. Eine Frage der Ehre. Dort könnte ich mich zwar unter dem Vordach ins Trockene bringen, würde aber für jedermann sichtbar auf einem Podest stehen. Das wollte ich vermeiden. Es waren ja nur wenige Tropfen, versuchte ich, mich zu trösten. Wer wird sich denn da gleich Sorgen um seine Haare machen wollen?
Irgendwie hatte ich mir das aber anders vorgestellt. Um meine Pläne zu ändern war es jedenfalls zu spät. Zweihundertneunundzwanzig Komma acht Kilometer entfernt, in St.Gallen um genau zu sein, waren drei Männer dabei, all mein Hab und Gut in einen großen Lastwagen zu laden. Also, eher einen mittleren. Okay, ich gebe es zu, vielleicht reichte auch schon ein kleiner. Viel hatte ich ja nicht behalten. Es sollte ein neues Leben werden. Da nimmt man nicht zu viel Kram aus dem alten mit.
Nur das Nötigste.
Und die Bücher.
Und die Katze.
Ich durfte nicht vergessen, dass Hemingway bei meiner Mutter auf mich wartete. Dort war sie in Sicherheit, bis das Gröbste erledigt war. Ich machte mir deshalb trotzdem Sorgen. Meine Mutter besaß einen Hund, den sie nach ihrem verstorbenen Ehemann Ernst getauft hatte. Ich bin nicht wirklich ein Hundeliebhaber. Und Hemingway teilte diesen Charakterzug mit mir. Er wird mir wochenlang den Kopf waschen, wenn ich ihn nicht bald wieder aus den Fängen meiner Mutter befreite. Würde er zwar sowieso. Katzen strafen sofort und erklären nachher.
Wie das Leben.
Und an diesem Schuldgefühl konnten selbst die zahlreichen Bilder nichts ändern, die quasi im Stundentakt per WhatsApp einliefen. Er fehlte mir, ja. Selbst durch die Bilder konnte er mir ein schlechtes Gewissen einreden.
Meine Wohnungsschlüssel hatte ich letzten Freitag in Empfang nehmen wollen. Daraus wurde aber nichts. Die Vormieter waren noch nicht wirklich umgezogen. Kisten füllten den Eingangsbereich, als die Maklerin aufschloss. Der Mann hatte stirnrunzelnd auf die Kisten gestarrt und sich am Kopf gekratzt. Es hatte Verspätungen gegeben. Als ich mich umsah, kamen mir fast die Tränen. Abfallsäcke standen herum und Leitern und Werkzeuge und einige Möbelstücke auch noch. Drei Kinder jagten sich schreiend hinterher. Da musste alles noch geputzt und gestrichen werden. Die Maklerin schien zwar verlegen, zuckte dann aber mit den Schultern und empfahl mir mit einem Lächeln ein Hotel am Bahnhof.
Nun ja, das Zimmer gab mir genau die Möglichkeit, von der Tür zum einzigen Fenster zu gelangen. Viel Platz war da nicht übrig und auch wenn ich nicht wirklich schlank bin, dann bin ich auch nicht wirklich dick. Ich bin für mein Gewicht einfach zu klein. Natürlich fragte ich mich, wie andere damit klarkamen, sich im winzigen Badezimmer umzudrehen, ohne irgendwo anzustoßen. Am besten gleich rückwärts rein. Auch der Ausblick auf den leeren, trostlosen Parkplatz und das sich duckende Bahnhofsgebäude war natürlich im Preis mit inbegriffen. Frühstück kostete jedoch extra.
Sehr romantisch, das Ganze.
Bis Ende der kommenden Woche sei das Zimmer zu haben, hatte man mir erklärt und gleich nachgefragt, ob ich nicht schon am Dienstag abreisen könnte. Es würde den bereits erstellten Einsatzplan der Putzfrauen erheblich weniger belasten. Ich habe gelächelt und meine Kreditkarte gezückt. Das Wochenende bei meiner Mutter zu verbringen, kam sowieso nicht in Frage. Ein anderes Hotel zu suchen würde sich als schwierig erweisen, zumal ich nicht mit meinen Koffern quer durch das ganze Dorf spazieren wollte. Dementsprechend fügte ich mich meinem Schicksal.
Dass der letzte Zug vor meinem Fenster um ein Uhr in der Früh fährt und der erste Schnellzug bereits um fünf Uhr vorbeidonnert, musste ich selbst in Erfahrung bringen.
Aber ich hatte ja auch nicht danach gefragt.
Der Regen wurde mehr. Einzelne Tropfen hatten ihren Weg auf meine Kopfhaut gefunden und hinterließen kalte Eindrücke. Mir schauderte es.
Mittlerweile waren es zwanzig Minuten, die ich im leisen Regen mit Aussicht auf Nebel auf die Vermieterin des Lokals wartete: meine Unterlagen an die Brust gepresst, fragte ich mich, was ich eigentlich hier tat.
Schließlich hörte ich Schritte.
Energische Schritte.
Aus dem Nebel schälte sich eine Frau mit einem Schlüssel in der Hand. Sie trug einen klassischen Businessanzug, einen übergroßen schwarzen Regenschirm auf dem in gelber Schrift ›Quick‹ zu lesen war. Ihre unbeteiligte Miene verzog sich zum Ansatz eines Lächelns, als sie mich grüßte. Blaue Augen, dunkelblonde Haare, Sommersprossen um die Nase. Vom Alter her hätte sie meine Tochter sein können.
Eilig nahm sie die wenigen Stufen zur Eingangstür, schloss auf und ließ mir den Vortritt, den ich dankend annahm. Der Geruch war schlimmer, als ich ihn mir vorgestellt hatte.
Viel schlimmer.
Sie stellte den Regenschirm neben die Tür, wo er still und glücklich vor sich hin tropfte.
»So, da wären wir«, sagte sie, als würde sie mir den Zugang zur Honeymoon-Suite eines Fünf-Sterne-All-inclusive-Hotels gewähren.
Mit einer Hand hielt ich mein Halstuch vor Mund und Nase, nicht zuletzt auch, um meine schwindende Hoffnung nicht zu kommentieren.
»Was stinkt denn da so?«, nuschelte ich.
Sie blickte sich um, zuckte mit den Schultern.
»Das riecht wirklich nicht gut. Erinnert mich an den Geruch, den wir in unserem Keller hatten, bevor wir die tote Ratte fanden.«
Aha, dachte ich nur und sah mir den Müll an, der den Boden bedeckte. Mitten im Raum stand ein in sich zusammengefallener Schreibtisch. Ein Drehstuhl lag daneben, aus dessen Polster sich die Federn hochschraubten wie Unkraut durch Beton. Währenddessen versuchte die Vermieterin, Licht in die Dunkelheit zu bringen. Die Lampe blieb aus. Sie betätigte mehrmals den Lichtschalter, gab dann seufzend auf.
»Nun, machen Sie sich mal keine Sorgen. Wir wissen, dass Sie hier in drei Wochen Ihr Buchcafé eröffnen wollen. Die Räumungsarbeiten starten noch heute. Das geht schnell. Wir treffen uns morgen um dieselbe Zeit und dann sieht das alles schon ganz anders aus. Das Einzige, was wir noch gemeinsam besprechen müssen, ist das Ersetzen der Toilette.«
»Sie meinen, dass Sie all das in einem Tag noch hinbekommen?«
Ich blickte zweifelnd auf den Unrat. Sie lächelte mild.
»Da haben wir schon ganz anderes hingekriegt.«
Ich wollte ihr glauben.
»Kommen Sie, ich zeig Ihnen unser Toilettenproblem.«
Sie ging vor, über Zeitschriften und Gestein hinweg. Ich kam nicht umhin, die Art zu bewundern, mit der sie in ihren High Heels fast über dem Ganzen zu schweben schien, während ich selbst in Turnschuhen Mühe hatte, nicht zu stolpern.
Die Toilette, oder was noch davon übrig war, sah nicht mehr sehr frisch aus. Die Holztür war in der Mitte gespalten und mit allerlei Sprüchen übersät. Eine Brille gab es gar nicht mehr und das Porzellan wies einen Sprung auf, der vom Boden bis zur Sitzfläche reichte.
Sie folgte meinem Blick.
»Ich weiß, darüber haben wir noch nicht gesprochen. Wir werden das selbstverständlich ersetzen.«
Ich nickte schwach, während ich versuchte, das idealisierte Bild meines Buchcafés über die Trostlosigkeit des betretenen Ortes zu stülpen.
Es gelang mir nicht.
Die junge Frau hatte ihrer übergroßen Tasche einen Eckspanner entnommen, aus dem sie nun Papiere zum Vorschein brachte.
»Die gute Nachricht ist, ich habe die Kopie Ihres Vertrages dabei.«
Eigentlich hatte ich vor, meine Rückkehr so unauffällig wie möglich zu halten.
Als ich vor zwölf Jahren den Ort Hals über Kopf verließ, um mich in die Arme meines Nunmehr-Exmannes zu flüchten, hatte ich mir geschworen, nie mehr hierher zurückzukommen. Ich dachte, ich würde meinen Traum leben, in der Ostschweiz, fernab meiner Kindheit und meiner Mutter. Und nun stand ich vor der größten Herausforderung meines Lebens: einen zweiten Lebenstraum zu verwirklichen, während ich die Scherben des ersten im Rucksack mit mir zurückbrachte.
Waren es wirklich schon zwölf Jahre her?
Wir hatten einen Termin im Restaurant meines Hotels am Bahnhof ausgemacht, die Frau von der Bank und ich. Das Treffen hatte mir eine Deborah Stöcklin per Mail bestätigt. Es ging dabei um den Kredit, den ich für mein neues Leben unbedingt brauchte. Dementsprechend war ich aufgeregt. Nichts hätte mich aber mehr überraschen können als der Mann, der die Tür zum Restaurant aufstieß, und mir schief lächelnd entgegenkam.
Marco war älter geworden und Sport war wohl nicht mehr sein Hobby, wenn man seine Silhouette betrachtete. Die Haare hatten ihm eine große Stirn freigelegt und die Farbe seines Hemdes ließ ihn blass wirken.
Er blickte sich verstohlen um, als wäre ihm nicht sonderlich wohl hier zu sein. Als er näher kam, sah ich Schweißtropfen auf seiner Stirn.
»Hallo, Vivi«, sagte er. Erinnerungen überrollten mich wie die Brandung eines Ozeans eine leere Flasche. Mein Magen verkrampfte sich, und ich spürte, wie ich errötete. So hatte man mich seit Jahren nicht mehr genannt.
»Hast du schon etwas bestellt?«, fragte er vorsichtig und sah sich dabei unauffällig um. Außer mir saß nur ein anderer Mann im Lokal.
Marco lächelte verlegen. »Sonst kenne ich einen weitaus angenehmeren Ort.«
Ich blickte zum Mann hinüber, der so tat, als hätte er sich in die Zeitung vertieft, blickte kurz zur kaugummikauenden und gelangweilt wirkenden Bedienung hinüber, die auf ihrem Handy herumtippte. Nun ja, ich hatte zwar keine Ahnung, weshalb er so angespannt wirkte, nickte aber brav und stand auf. Marco hielt mir die Tür auf und wir verließen gemeinsam das Lokal. Ich sah, wie er aufatmete, als wir schließlich auf dem Gehsteig standen. Gleich gegenüber, auf der anderen Seite des Verkehrskreisels, befanden sich die Räume von Marcos Bank, und ich fragte mich, ob es nicht einfacher gewesen wäre, uns in seinem Büro zu treffen. Er musste meinem Blick gefolgt sein.
»Ich ... ist lange her.« Er musterte mich. Als ich ihm jedoch in die Augen blickte, sah er weg.
»Ja, zwölf Jahre.«
Er nickte. »Es gibt da ein kleines Café im Zentrum.«
»Klingt gut.«
Er führte mich durch den Nebel die Hauptstraße entlang in Richtung Kirche.
»Ich ...« Er nahm das Gespräch wieder auf, »freue mich, dass du wieder da bist.«
»Danke. Schön dich zu sehen. Wie geht es dir?«
Er schenkte mir ein Lächeln und versteckte seine Hände in den Hosentaschen seines Anzuges.
»Gut«, sagte er dann. Ich fragte mich, ob ich ihm glauben konnte. Sein ganzes Verhalten wirkte aufgesetzt und fremdartig. Aber vielleicht war es auch die Zeit, die er zwischen uns spürte. Zwölf Jahre, eine halbe Ewigkeit.
Ich blieb stehen. »Was ist los, Marco?«
Er hielt an, drehte sich zu mir um.
»Ich erklär dir alles bei einem Kaffee. Hier ist nicht der richtige Ort, um darüber zu sprechen.«
Ich kannte die Worte. Es waren in meiner Erinnerung dieselben, die er benutzt hatte, als ich noch verliebt und er es bereits nicht mehr gewesen war. Mein Magen verkrampfte sich erneut. Für einen kurzen Augenblick sah ich den Marco von dazumal.
»Ist etwas mit dem Kredit nicht in Ordnung? Ich habe die letzten Papiere doch eingereicht ...«
»Das ist es nicht. Komm.«
Entschieden nahm er mich beim Arm, den ich in einer ruckartigen Bewegung wieder befreite.
Das Ganze wurde immer seltsamer. Wir gingen an meinem zukünftigen Buchcafé vorbei, das im Nebel dunkler und verlassener wirkte denn je. Keine Spur von Räumungsarbeiten. Mir wurde es schwer ums Herz. Zum Glück war es nicht weit bis zu diesem neuen Einkaufszentrum, das vor zwölf Jahren noch nicht existiert hatte. Nachdem er uns an der Theke des kleinen Kiosk Kaffee besorgt hatte, setzte er sich mir gegenüber.
»Vi ... ich möchte mich bei dir entschuldigen.«
»Entschuldigen? Wofür denn?«
»Für damals.« Es fiel ihm sichtlich nicht leicht, diese Worte auszusprechen. Verdutzt wartete ich.
»Ich hätte dich damals nicht so sitzen lassen dürfen.«
Daher wehte also der Wind.
»Ich habe es jeden Tag bereut, weißt du.«
Nein, das wusste ich nicht. Seine unbeholfene Art wirkte fast komisch. Noch ein Satz und ich würde nach den versteckten Kameras suchen.
»Aber du bist verheiratet, oder nicht?« Ich deutete auf den Ring an seinem Finger. Er nickte.
»Ja. Verheiratet.«
»Kinder?«
Er lächelte matt, gab mir jedoch keine Antwort. Ich musste einen wunden Punkt erwischt haben. Etwas verloren blickte ich mich um. Der Kiosk war gut besucht. Aber zum Glück erkannte ich niemand anderen aus meinem ehemaligen Leben.
»Was willst du mir sagen?« Ich lehnte mich nach vorne, was zur Folge hatte, dass Marco zurückwich.
»Dass es mir leidtut ... nur das.«
»Das ist nett von dir. Danke. Ich weiß das zu schätzen.«
»Aber du hast dir dieses Treffen sicher anders vorgestellt.« Er rührte in seinem Kaffee herum.
»Ich wusste gar nicht, dass du es bist, den ich heute treffen werde. Eigentlich habe ich eine Frau Stöcklin erwartet.«
Er nickte. »Als ich deine Unterlagen sah, wollte ich mich selbst darum kümmern.«
»Gut. Wenn wir schon beim Thema sind. Wie steht es denn jetzt?«
Er seufzte, legte beide Arme auf den Tisch. Ich spürte die Unruhe, die von ihm ausging.
»Da gibt es ein kleines Problem ...«
Mir stockte das Herz.
»Was für ein Problem?«
»Ich habe alles noch einmal durchgerechnet und wir können dir den Kredit nicht geben.«
»Was?«
Ich starrte ihn mit großen Augen an. Das konnte nicht sein.
»Warum nicht?«
Er wich meinem Blick aus.
»Es gibt da interne Weisungen. Du verstehst das sicher. Du bist kürzlich geschieden worden, hast während den letzten Jahren nur Teilzeit gearbeitet ...«