Wein, Schein und Vergissmeinnicht - Jean-Pascal Ansermoz - E-Book

Wein, Schein und Vergissmeinnicht E-Book

Jean-Pascal Ansermoz

0,0

Beschreibung

Eingegraben in eine Felswand, hoch über dem Schiffenenstausee, in Räsch bei Düdingen, liegt die Magdalena-Einsiedelei und ihr zu Füssen der tote Weinhändler Patrick Baldewein. Das ist an sich tragisch, aber für die Polizei nichts Neues, hätte Bärbel den Mann nicht Stunden zuvor in seinem Kellergeschoss liegen sehen. Oder war er es doch nicht? Als Valerie und Daniela nach einem Mordmotiv zu suchen beginnen, stolpern sie über unehrliche Geschäftspartner, gefeuerte Mitarbeiter und Ehegeheimnisse. Und dann beginnt plötzlich auch Donnie, sich verdächtig zu benehmen ...

Sie lesen das E-Book in den Legimi-Apps auf:

Android
iOS
von Legimi
zertifizierten E-Readern
Kindle™-E-Readern
(für ausgewählte Pakete)

Seitenzahl: 107

Das E-Book (TTS) können Sie hören im Abo „Legimi Premium” in Legimi-Apps auf:

Android
iOS
Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Zum Buch

Eingegraben in eine Felswand, hoch über dem Schiffenenstausee, in Räsch bei Düdingen, liegt die Magdalena-Einsiedelei und ihr zu Füßen der tote Weinhändler Patrick Baldewein. Das ist an sich tragisch, aber für die Polizei nichts Neues, hätte Bärbel den Mann nicht Stunden zuvor in seinem Kellergeschoss liegen sehen. Oder war er es doch nicht?

Als Valerie und Daniela nach einem Mordmotiv zu suchen beginnen, stolpern sie über unehrliche Geschäftspartner, gefeuerte Mitarbeiter und Ehegeheimnisse. Und dann beginnt plötzlich auch Donnie, sich verdächtig zu benehmen ...

Zum Autor

Jean-Pascal Ansermoz wurde als Schweizer im September des Jahres 1974 in Dakar (Senegal) geboren. Er ist einer, der mit Leichtigkeit über den Röschtigraben springt, schrieb er doch bis 2009 nur in französischer Sprache. Weltenbürger, Romand und Deutschschweizer in einem: ein Autor mit Hang zum Kriminellen, aber auch zu Poetischem, Literarischem, Alltäglichem und Besonderem.

Mehr Infos unter: www.jeanpascalansermoz.ch

Inhaltsverzeichnis

KAPITEL 1

KAPITEL 2

KAPITEL 3

KAPITEL 4

KAPITEL 5

KAPITEL 6

KAPITEL 7

KAPITEL 8

KAPITEL 9

KAPITEL 10

KAPITEL 11

KAPITEL 12

KAPITEL 13

KAPITEL 14

KAPITEL 15

KAPITEL 16

KAPITEL 17

KAPITEL 18

KAPITEL 19

KAPITEL 20

KAPITEL 21

KAPITEL 22

KAPITEL 23

KAPITEL 24

KAPITEL 25

KAPITEL 26

KAPITEL 27

KAPITEL 28

EPILOG

KAPITEL 1

Die ältesten Spuren menschlichen Lebens in der Gemeinde Düdingen stammen aus der mittleren Steinzeit. Teile von Jagdwerkzeugen bezeugen das Leben, bevor sich um 5000 v. Chr. in diesem ländlichen Gebiet die ersten Bauern niederließen. Was genau gejagt wurde, weiß man nicht.

Allerdings kannten sie ja auch nicht meine Mutter.

Das Bild von der in Fell gekleideten Bärbel, die vor mit Speeren bewaffneten Steinzeitlern am Saane-Ufer entlang flüchtete, ließ mich innerlich grinsen. Meine Vision hielt der Realität jedoch nicht lange stand.

»... und dann sagte sie mir, ihr wäret händchenhaltend in den Sonnenuntergang davongeschlendert.« Sie sah mich verschmitzt an.

»Es hat geregnet.«

»Ach was, versuch nicht, mich abzulenken. Also?« Sie sah mich abwartend an. Ich seufzte.

Das ging nun schon Tage und Wochen so. Um genau zu sein, seit wir von Beats Beerdigung zurückgekommen waren. Ich war immer noch nicht bereit, diesen neuen, vielversprechenden kleinen Garten anderen zugänglich zu machen. Mein Gefühl war noch zu fragil, als dass ich die Erwartungen und Meinungen anderer verkraften könnte. Ich möchte den Zauber dieses Anfangs für mich haben. War das zu viel verlangt?

»Also was? Was willst du wissen?«

»Jetzt hab dich nicht so! Ich will doch nur alles über meinen zukünftigen Schwiegersohn wissen.«

»Schwiegersohn?« Ich schüttelte den Kopf. »Mutter, ich weiß nicht einmal, ob daraus etwas wird.«

»Aha.« Sie war sichtlich enttäuscht.

»Komm mir nicht mit dieser Nummer. Akzeptier doch einfach, dass ich das noch für mich behalten möchte. Nur noch ein ganz klein wenig.«

»Wie wenig?«

»So wenig wie nötig.«

Sie schnitt mir eine Grimasse. »Was werden denn die anderen denken, wenn ich nicht einmal über das Leben meiner eigenen Tochter Bescheid weiß.«

»Es geht also wieder einmal gar nicht um mich. Was dich interessiert, ist, wie andere dich sehen.«

»Ist denn daran etwas falsch?«

Ich verdrehte die Augen. »Mach dich nützlich, anstatt herumzusitzen. Ich habe noch eine Lieferung, die gemacht werden sollte.«

»Und wo ist der Prinz in seinem Gewand, wenn man ihn braucht?«

»Der reitet das weiße Pferd aus, weil die Prinzessin eine Buchhandlung führen muss.«

Bärbel seufzte und erhob sich schwerfällig von ihrem Hocker. »Gut. Was soll ich tun?«

Ich stellte eine Einkaufstüte Bücher auf den Tresen und suchte im Büchlein der Bestellungen nach dem Post-it mit der Lieferadresse.

Bärbel griff nach der Tasche. »Hoffe doch, die bezahlen dich anständig dafür.«

»Das tun sie, keine Angst.« Ich streckte ihr den gelben Zettel hin.

»Soll ich klingeln?«

»Dir wird schon etwas einfallen.«

Sie grinste wie ein frisch lackiertes Hutschpferd. »Mir fällt immer etwas ein.«

»Das ist ja das Verwunderliche.«

Die Türglocke unterbrach uns. Herr Biady stand etwas verlegen in der Tür.

»Störe ich?«, fragte er und blickte abwechselnd von mir zu Bärbel und zurück. »Sonst kann ich ...«

»Aber keineswegs«, beruhigte ich ihn. »Meine Mutter wollte eh gerade gehen.«

Bärbel warf mir einen Blick zu, der nur durch schmale Augenschlitze den Weg zu mir fand.

»Wir sind noch nicht fertig.«

»Das habe ich befürchtet.«

Biady hielt ihr die Tür auf, während ich im Abholfach unter dem Tresen seine Bestellung hervorholte.

»Ist Herr O’Sullivan hier?«, fragte er. Er klang schüchtern.

Ich war drauf und dran ihm zu antworten, dass Herr O’Sullivan mein weißes Pferd ausritt, ließ es aber dann bleiben.

»Leider nicht. Darf ich ihm etwas ausrichten?«, fragte ich freundlich. Biady entspannte sich ein wenig. Noch einmal blickte er zur Eingangstür, die sich mittlerweile geschlossen hatte, dann zückte er seine Brieftasche.

»Nein, nein. Ich komme einfach wieder, wenn er da ist.«

»Darf ich die Bücher in eine Tüte packen?«, fragte ich.

»Das wäre hilfreich.«

KAPITEL 2

Bärbel Zumstein schnaufte wie eine Dampflokomotive, als sie auf dem Hügel ankam. Das Haus war kein Haus. Es war eine Villa. Völlig alleinstehend. Mal abgesehen von dem alten Bauernhof nebenan. Wie konnte man nur so abseits wohnen? Hier musste der Wind doch ständig an den Fenstern rütteln. Bärbel drehte sich zu den weiten Feldern um. Die Aussicht war grandios, das musste sie schon zugeben. Rechts fielen die Felder zum Moos des Naturschutzgebietes ab. Am Horizont meinte sie den Weiler Räsch zu erkennen. Ansonsten war da einfach Weite. Sie atmete tief durch und drehte sich wieder dem Anwesen zu. Die Zuglinie musste ihren Schätzungen nach direkt durch den Garten führen. Man konnte ja nicht alles haben. Den Spruch musste sie sich merken. Schadenfreude ist eben auch eine Freude.

Beeindruckend war das Anwesen trotzdem.

Eine breite Steinzufahrt führte zu einem weißen Doppelgaragentor. Das einstöckige Gebäude war symmetrisch gebaut. Links die Garage und rechts musste der Wohnbereich sein. Der mittlere Teil stand hervor, als müsste er den Rest beschützen. Als sie die Auffahrt hochging, bewunderte sie die große Fläche, die durch eine natürliche grüne Begrenzung den Landsitz umgab. Wer hier lebte, musste Geld haben. Sehr viel Geld.

Plötzlich hielt sie inne. Konnte sie sich denn überhaupt so präsentieren?

Bevor sie klingelte, stellte sie die Büchertüte auf den Boden. Aus ihrer Handtasche kramte sie den Taschenspiegel hervor. Hätte sie das gewusst, hätte sie sich anders gekleidet.

Ein Blick in den Spiegel genügte, um ihre Befürchtungen wahr werden zu lassen. Sie angelte sich ihren Lippenstift und zeichnete die Lippen nach. Beim Versuch, den Schminkstift einhändig wieder zu schließen, fiel er ihr aus der Hand und rollte zur Seite.

Na toll! Hoffentlich hatte sie niemand beobachtet. Hastig glitt ihr Blick über die Fenster. Bärbel beruhigte sich, als sie keine Bewegung ausmachen konnte.

Schnell kontrollierte sie ihre Haare.

Dann ließ sie den Spiegel wieder verschwinden. Wo war denn nun ihr Lippenstift? Ihre Augen suchten den Boden ab. Ein Schritt nach dem anderen entfernte sie sich so von der Haustür.

Dann sah sie ihn.

Beim Aufheben wurde ihr Blick von einem Fenster angezogen, durch das man in das Untergeschoss sehen konnte. Mitten in der Bewegung hielt sie inne.

Das durfte doch nicht wahr sein!

Bärbel lehnte sich nach vorn, um besser zu sehen. Da lag jemand auf dem Boden. Sie lehnte sich weiter vor. Blut. Da war Blut um den Körper herum. Bärbel sah sich hastig um, versuchte dann, noch ein wenig näher ans Fenster zu kommen. Dabei verlor sie das Gleichgewicht und purzelte ins Rosenbeet, das mit frischem Pferdedünger aufzuwarten wusste.

Sie schrie kurz auf, um sich dann erschrocken mit der Hand den Mund zuzuhalten. Ihr Herz raste. Als niemand erschien, rappelte sie sich umständlich hoch und verließ das Grundstück, als wäre der Teufel selbst hinter ihr her. Sie rannte ohne sich umzusehen und merkte erst als sie auf der kleinen Brücke, die über die Gleise führte, vor ein Auto lief, dass sie in der falschen Richtung unterwegs war. Der Autofahrer brachte seinen Wagen mit quietschenden Reifen zum Stehen. Zwischen Bärbels Knien, die unter ihr nachgaben, und der Motorhaube blieb kaum Platz für eine Kofferbreite.

Sie stützte sich unbeholfen auf der Motorhaube ab, schnappte nach Luft.

»Alles in Ordnung?« Der Fahrer hatte den Kopf aus dem Fenster gestreckt. Auf seiner Stirn war eine Sorgenfalte erschienen. Er stellte den Motor ab und stieg aus.

»Was ist geschehen?«, fragte er, blieb aber auf Abstand.

»Zur Buchhandlung«, krächzte Bärbel.

»Was?« Er kam näher.

»Buchhandlung ...«, wiederholte Bärbel.

»Eine Buchhandlung?« Der Mann schien nicht zu begreifen.

»Fahren Sie mich zur ... zur ... Buchhandlung ... Hauptstraße ... schnell.«

Einen kurzen Augenblick sah er sie an, als hätte sie eine ansteckende Krankheit. Dann nickte er.

»Steigen Sie ein.«

Minuten später hielt er in der Hauptstraße. Bärbel murmelte einen Dank, zeigte dem hupenden Wagen hinter ihnen, ihren schönsten Mittelfinger und stürzte Hals über Kopf in den Laden.

»Valerie ...«

»Was ist denn mit dir passiert?« Ich blickte von meinem Bildschirm hoch, auf dem ich Neuheiten bestellte. Bärbel sah verstört aus. Und was roch da so komisch?

»Du siehst aus, als ...«

»Er ist tot.«

»Wer ist tot?«

»Er!« Wild gestikulierend zeigte sie mit dem Finger nach draußen.

»Ich verstehe nicht.«

»Na der ... der ...«

»Jetzt beruhig dich einmal und setz dich.« Ich holte ihr ein Glas Wasser, das sie hinunterkippte.

»Was riecht denn da?«, fragte ich.

»Das sind die Rosen«, sagte sie und stellte das Glas auf den Tresen.

»Die Rosen?«

»Also eigentlich der Kuhmist dazwischen.«

»Aber ...«

»Er ist tot. Dein Kunde ist tot.«

»Was?«

»Ich habe ihn gesehen. Er lag im Untergeschoss seiner Villa. Und da war überall Blut.«

Plötzlich wurde mir mulmig ums Herz. »Hast du die Polizei gerufen?«

»Die was ...?« Sie sah mich an, als wäre ihr der Gedanke befremdlich.

»Na, die Polizei eben.«

»Genau ... die Polizei. Du musst die Polizei rufen.«

Ich sah sie einen kurzen Moment an, als wollte ich mich vergewissern, dass sie es ernst meinte. Aber so verstört hatte ich sie selten erlebt. Und so griff ich zum Telefon und wählte Danielas Nummer. In kurzen Worten erörterte ich, was ich verstanden hatte.

Sie versprach vorbeizukommen.

»Und nun nochmals von vorn. Was ist genau passiert?«

Ich legte das Telefon neben das Glas, während meine Mutter mir die Einzelheiten ihres Ausflugs zum Besten gab.

KAPITEL 3

Als sie damit fertig war, stand Daniela auch schon im Eingang. Sie war in Uniform. Ein Kollege saß im Streifenwagen vor der Tür.

»Wo ist denn der Tote?« Sie sah sich um.

»Der ist bei sich zu Hause.«

Daniela sah Bärbel verwirrt an. »Und wo ist das?«

»Ich ...« Meine Mutter schlotterte am ganzen Körper und ich machte mir Vorwürfe, sie überhaupt für den Lieferdienst eingespannt zu haben. In knappen Sätzen erörterte ich Daniela die Lage.

»Hast du die Adresse?«

Ich sah Bärbel an.

»In meiner Tasche«, sagte sie. Dann machte sie große Augen. »Meine Tasche!«

»Was ist mit ihr?«

»Ich habe sie dort liegen gelassen.«

»In den Rosen?«

»Im Kuhmist.«

»Mutter man verwendet Pferdemist für Rosen.«

»Ach, das riecht hier so.« Daniela konnte man eben nicht so schnell aus der Ruhe bringen.

Ich schnitt ihr eine Grimasse. »Manche Bücher muss man eben zuerst verdauen.«

Sie schmunzelte. Meine Mutter blickte zu Boden. »Ich komme mit dir. Dann zeig ich euch, wo.«

»Gut, gehen wir.«

Bärbel sah noch einmal zu mir herüber, bevor sie auf dem Rücksitz Platz nahm. Der Wagen setzte sich in Bewegung, nahm den Kreisel bei der Post und fuhr dann Richtung Kirche weiter.

Daniela stellte eine Frage nach der anderen, wollte jedes Detail wissen. In wenigen Minuten erreichten wir den Zelgmoosweg.

Danielas Kollege lenkte die Streife direkt in die Einfahrt. Das Namensschild verriet seinen Namen: Thalmann.

Einen Augenblick blieben sie im Wagen sitzen.

»Schaffst du das?«, fragte Daniela. Bärbel blickte zum Anwesen hinüber und schluckte leer. Sie hatte das Bild immer noch vor Augen. Dann nickte sie stumm.

Die Beamten stiegen aus.

»Hier war es.« Bärbel deutete auf das Rosenbeet, in dem immer noch ihre Tasche lag.

»Und das ist das Fenster?«, fragte Daniela. Bärbel nickte, wollte aber nicht näher gehen als nötig. Daniela ging in die Hocke, runzelte die Stirn, stand wieder auf und wechselte einen Blick mit Thalmann.

»Da ist niemand.«

Bärbel starrte sie mit offenem Mund an. »Da unten lag er.«

»Aber ich sehe niemanden.«

Entgeistert stapfte Bärbel zum Fenster. Im Untergeschoss brannte kein Licht. Aber auch so konnte sie erkennen, dass da kein Toter lag.

»Aber ... aber«, stotterte sie.

»Und du bist sicher, dass du ihn gesehen hast? Und das Blut?«

»Ich schwöre … im Ernst!«

Daniela tauschte einen Blick mit ihrem Kollegen, während sich Bärbel ihrer Tasche aus den Rosen angelte.

»Gut. Dann wollen wir das mal klären.«

Thalmann klingelte. Zunächst geschah überhaupt nichts. Beim zweiten Mal hörte man schlürfende Schritte im Flur.

»Komm ja schon, komm ja schon.«