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Nach der Schlacht am Antietam Creek spitzen sich die Ereignisse in dem grausamen Bürgerkrieg zwischen Nord und Süd weiter zu. General Major Ulysses S. Grant, der neue Oberkommandierende der Unionsarmee, will die Konföderation strategisch weiter schwächen. Der Mississippi, die Lebensader des Südens, ist das nächste Ziel.
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Seitenzahl: 304
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Civil War Chronicles
Buch Zwei
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© 2024 BLITZ-Verlag, Hurster Straße 2a, 51570 Windeck
Redaktion: Alfred Wallon, Jörg Kaegelmann
Titelbild: Mario Heyer
Umschlaggestaltung: Mario Heyer
Satz: Torsten Kohlwey
Alle Rechte vorbehalten
ISBN: 978-3-7579-4838-2
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In geheimer Mission
Kriegsvorbereitungen
Die ersten Kämpfe
Durchbruch nach Grand Gulf
Bittere Niederlage
Ein neuer Auftrag
Die Plünderer
Kampf um Jackson
Dramatische Stunden
Schlacht am Champion Hill
Angriff auf Vicksburg
Der letzte Befehl
Anmerkungen
Über den Autor
In geheimer Mission
Sergeant Sean McCafferty murmelte einen leisen Fluch, als am fernen Horizont erneut graue Wolken aufzogen. Das trübe Wetter verdichtete sich zusehends und erschwerte das Vorwärtskommen. Der Big Black River war durch die Regenflut der letzten Tage zu einem reißenden Fluss geworden, und ihn zu durchqueren, stellte ein Risiko dar, das die Männer jetzt besser nicht eingehen wollten.
„Hört das denn gar nicht mehr auf?“, beklagte sich McCafferty, als der Wind ihm die ersten Regentropfen ins Gesicht blies. „Mein Gott, wie lange dauert das denn noch? In dieser feuchten Luft ist das ja kaum zum Aushalten.“
Damit sprach er genau das aus, was auch seine Kameraden dachten. Seit sie vor knapp drei Wochen Richmond verlassen hatten und einen großen Teil des Weges mit der Mississippi Central Railroad zurückgelegt hatten, war viel geschehen. Die Fahrt in einem mit konföderierten Truppen voll besetzten Zug war harmlos im Vergleich zu dem gewesen, was die Männer jetzt durchmachen mussten.
Das feuchtheiße Klima, das in diesen Landstrichen vorherrschte, setzte ihnen arg zu. Ganz zu schweigen von den permanenten Regengüssen, die die Gegend in eine gigantische Sumpflandschaft verwandelt hatten. Zahlreiche Flüsse waren über die Ufer getreten und hatten teilweise sogar die Bahngleise überspült und das Gleisbett an mehreren Stellen zerstört.
„Denk einfach, du wärst in der Wüste, Mac“, konnte sich Lieutenant Jay Durango einen ironischen Kommentar nicht verkneifen. „Dann empfindest du den Regen sogar noch als Wohltat.“
Die Soldaten Tom Higgins, Neil Vance, Frank Porter und Ben Fisher grinsten, als sie die Worte des Lieutenants hörten. Ein Scherz in dieser ungemütlichen Umgebung war genau richtig, um die schlechte Laune zu vertreiben. Denn seit sie die Eisenbahnlinie nördlich des Big Black River verlassen hatten, war ihnen mit jedem weiteren Tag immer deutlicher bewusst geworden, was es bedeutete, während der großen Frühjahrsstürme in Mississippi unterwegs zu sein.
„Ich bin ja schon still“, brummte McCafferty und zog sich den Kragen seines Mantels etwas höher. Aber das half auch nicht viel, denn der Mantel war noch feucht vom letzten Regenguss, der die Soldaten heute Morgen heimgesucht hatte. Und jetzt regnete es schon wieder, nein, es goss wie aus Kübeln.
„Da drüben!“, rief Lieutenant Durango und zeigte auf eine Gruppe besonders dicht wachsender Bäume. „Wir warten dort ab, bis der Regen nachlässt!“
Die Soldaten lenkten ihre Pferde in die betreffende Richtung. Aber bevor sie die schützenden Wipfel der Bäume erreichen konnten, hatte der Wolkenbruch schon eingesetzt und durchnässte die Männer im Nu bis auf die Haut. Trotzdem atmeten sie erleichtert auf, als das Prasseln des Regens wenigstens zum Teil von den dichten Baumkronen abgehalten wurde. Das bedeutete Zeit zum Aufatmen, und das hatte jeder von ihnen dringend nötig.
„Ich weiß schon, weshalb ich niemals zum Mississippi wollte“, meinte Vance und wischte sich einige Regentropfen aus dem Gesicht. „Wenn Gott gewollt hätte, dass ich hier leben soll, dann hätte er mir Schwimmhäute verpasst.“
„Du siehst doch sowieso schon schlimm genug aus“, meinte Higgins und erntete dafür einen wütenden Blick seines Kameraden. „Schon gut, Neil“, fügte er deshalb rasch hinzu. „Sollte nur ein kleiner Scherz sein. Ist mir aber wohl nicht so gut gelungen, wie?“
„Ich habe schon bessere Witze gehört“, kommentierte Vance diese flapsige Bemerkung und schaute hinauf zu den dichten Baumkronen der großen Bäume, die an zahlreichen Stellen mit Moos und Flechten bewachsen waren. Ein deutliches Zeichen dafür, dass die Gegend zwischen dem Yazoo River, dem Big Black River und dem Mississippi angesichts dieses feuchtheißen Klimas eine ganz eigene Vegetation entwickelt hatte. Wer das nicht gewohnt war und nicht ständig hier lebte, der konnte sich vorkommen wie in einem gigantischen Treibhaus, in dem die Luft ständig so feucht und schwül war, dass einem sofort der Schweiß aus allen Poren ausbrach.
„Jetzt beruhigt euch endlich mal wieder“, wies Lieutenant Durango seine Männer zurecht, während er mit dem rechten Stiefel versehentlich in eine mit Wasser und Schlamm gefüllte Pfütze trat, die er zu spät bemerkt hatte. Als er mit einem leisen Fluch wieder den Fuß herauszog, machte sich der Sumpf mit einem unangenehmen Geräusch bemerkbar. „Wir schaffen das schon. Hauptsache, der Regen lässt bald wieder nach.“
„Und wie lange brauchen wir noch bis nach Vicksburg?“, wollte Fisher wissen, der sich nervös am Kinn kratzte, wo ihn eine Mücke Sekunden zuvor gestochen hatte. In diesem Klima waren lästige Insekten ihre ständigen Begleiter.
„Ich hatte eigentlich gehofft, dass wir bis morgen Mittag dort sein würden“, erwiderte Durango. „Aber jetzt wage ich das zu bezweifeln. Der heftige Regen hat viele Flüsse so stark anschwellen lassen, dass das Wasser bis weit über die Ufer getreten ist. Wir müssen also einen größeren Bogen einschlagen, als ich ursprünglich geplant hatte.“
„Und was heißt das genau, Lieutenant?“, wollte nun auch Porter wissen.
„Mindestens zwei Tage, vielleicht sogar drei“, kam sofort die Antwort. „Und das nur, wenn wir unterwegs auf keine weiteren Hindernisse stoßen. Vergesst nicht, dass die Yankees auf dem Weg nach Vicksburg sind. Grants Truppen werden uns schon früher über den Weg laufen, als uns lieb ist, Männer.“
„Na und?“, erwiderte Vance. „Sehen wir etwa aus wie Soldaten? Keiner von uns trägt eine graue Uniform. Wenn wir auf eine Patrouille stoßen, dann sagen wir ihnen einfach, dass wir Farmer aus der Gegend von Vicksburg sind und unsere Verwandten in Grand Gulf besucht haben.“
„Glaubst du, damit kommst du durch?“, meinte McCafferty. „Täusch dich mal nicht, die Yankees sind äußerst misstrauisch nach Antietam geworden. Sie haben mit uns noch eine Rechnung offen.“
Vance erwiderte nichts darauf, sondern atmete erleichtert auf, als das heftige Prasseln des Regens endlich nachließ. Gerade einmal eine knappe Dreiviertelstunde war vergangen, seit die trüben Wolken ihre Schleusen geöffnet hatten. Der Boden war in dieser kurzen Zeit noch mehr aufgeweicht. In den Vertiefungen hatten sich große Wasserpfützen gebildet, über denen Insekten tanzten.
„Reiten wir weiter“, entschied Durango und griff als Erster nach den Zügeln seines Pferdes. „Mac, du und Higgins reitet schon mal voraus und erkundet das Gelände. Haltet euch in der Nähe des Flusses und entfernt euch nicht weiter als zwei Meilen. Habt ihr verstanden?“
„Wir passen schon auf, dass uns die Yankees nicht erwischen, Lieutenant“, versicherte ihm McCafferty. „Du weißt ja, dass sich die Kerle gewaltig anstrengen müssen, um mich zu erwischen. Es wäre nicht das erste Mal, dass ich ihnen entkomme.“
„Das habe ich nicht vergessen. Passt aber trotzdem auf euch auf“, fügte Durango hinzu.
Der Sergeant versprach, darauf zu achten, stieg in den Sattel und nickte Higgins zu, ihm zu folgen. Die beiden Männer ritten in südwestlicher Richtung davon und waren schon wenige Minuten später zwischen den Büschen und wuchernden Farnen verschwunden. Auch Durango, Vance, Porter und Fisher ritten los.
Während sich die Pferde mühsam einen Weg durch das schlammige Gelände bahnten, kehrten Durangos Gedanken zu dem Tag zurück, an dem General Lee ihn mit dieser heiklen Mission beauftragt hatte.
* * *
Richmond/Virginia, 26. Dezember 1862
Die Sonne stand schon weit im Westen, als Jay Durango die Stufen zur Veranda des Hauses betrat, in dem General Robert E. Lee sein militärisches Hauptquartier errichtet hatte, wenn er in der Hauptstadt der Konföderation weilte. Das Gebäude war außen eher schlicht gehalten und wirkte nicht sonderlich auffällig. Dass der Garten schon einige Monate lang nicht mehr gepflegt und bearbeitet worden war, konnte man sofort erkennen. Aber wer hatte in diesen unruhigen Jahren schon Zeit, sich um Haus und Garten zu kümmern? Viel zu viel war seit der Beschießung von Fort Sumter geschehen, und die letzten zwei Jahre hatten das ganze Land verändert.
Er ist nicht mehr oft hier, dachte Durango. Wahrscheinlich nutzt er diese kurze Pause, um neue Kraft zu schöpfen. Wer weiß, was in den nächsten Wochen noch geschieht?
Als Durango und seine Männer die Order erhalten hatten, unverzüglich nach Richmond zu kommen, waren sie 200 Meilen weiter südwestlich gewesen, in einem hastig errichteten Militärcamp, zusammen mit tausend anderen konföderierten Soldaten unter dem Kommando von General Joseph E. Johnston. Jetzt hatten sie einen harten Ritt hinter sich, und seine Männer waren am Ende ihrer Kräfte. Sie waren in einem der Soldatenlager untergekommen, die die Armee rund um die Stadt errichtet hatte, und gönnten sich etwas Ruhe.
Es war ein Weihnachtsfest der stillen und auch sehr nachdenklichen Art, das die Soldaten im Camp feierten. Im Gegensatz zu vielen anderen Soldaten, deren Einsätze außerhalb von Richmond und Virginia weitergingen, hatten sie Glück und konnten sich wenigstens daran erinnern, dass es einmal eine Zeit gegeben hatte, in der man sich noch auf diese Tage freuen konnte.
Das galt jedoch nicht für den schwarzhaarigen Lieutenant. Sein Befehl war eindeutig. Lee erwartete ihn so rasch wie möglich im Hauptquartier, und das hatte er jetzt erreicht. Er blickte einen der Wachposten an, die vor dem Haus standen, nannte seinen Namen und verlangte, den General zu sprechen.
„Warten Sie bitte einen Moment, Sir“, erwiderte der Posten und verschwand im Inneren des Hauses. Durango blickte die Straße hinunter und sah mehrere Soldatentrupps die Straße entlangkommen. Die laute Stimme eines Offiziers erklang, und die Soldaten blickten teilweise wehmütig zurück. Ihre Uniformen saßen noch tadellos und wirkten nicht alt oder zerschlissen. Einige der Gesichter waren noch sehr jung. In den Augen der Soldaten war noch der unbändige Wille zu erkennen, den Süden und die Konföderation mit Leib und Leben zu verteidigen und sich nicht das wirtschaftliche und politische System der Yankees auferlegen zu lassen.
Sie werden bald erkennen, dass der Krieg nichts mit Trompeten, Trommeln und Jubelrufen zu tun hat, sinnierte Durango, während er darauf wartete, dass man ihn zu General Lee vorließ. Dieser unsinnige Bruderkrieg ist zu einem schmutzigen Geschäft geworden, bei dem fast alle vergessen haben, dass wir trotzdem noch dieselbe Sprache sprechen.
„Sie können passieren, Lieutenant“, riss ihn die Stimme des Wachpostens aus seinen Gedanken. „Der General wartet auf Sie im ersten Zimmer links.“
Durango nickte und betrat das Haus. Augenblicke später stand er dem Mann gegenüber, auf den die Konföderation so große Hoffnungen setzte: Robert E. Lee. Er trug seine graue Offiziersuniform und hatte vom Fenster aus auch offensichtlich den Abmarsch der Soldaten beobachtet. Als Durango das Zimmer betrat, drehte er sich zu dem Lieutenant um.
„Ich bin froh, dass Sie gekommen sind, Lieutenant Durango“, begrüßte er ihn mit einem Lächeln. „Treten Sie näher und setzen Sie sich. Wie geht es Ihnen und Ihren Leuten?“
„Wir leben noch“, konnte sich Durango eine sarkastische Bemerkung nicht verkneifen und bemerkte dann erst, was er gerade gesagt hatte. „Entschuldigen Sie bitte meine Manieren, General“, fügte er dann rasch hinzu, als er den erstaunten Blick Lees sah. „Die letzten Wochen waren alles andere als einfach für uns. Seit Antietam sind wir kaum zur Ruhe gekommen.“ Er kam der Aufforderung des Generals nach und setzte sich.
„Das geht jedem von uns so, Lieutenant“, erwiderte Lee und trat zu einer Anrichte, auf der eine Karaffe mit bernsteinfarbener Flüssigkeit stand. Er goss zwei Gläser voll und reichte eins davon Durango.
„Das ist echter Kentucky Bourbon“, sagte er. „Wer weiß, wie lange wir ihn noch genießen können.“ Er trank einen Schluck, bevor er seinen Blick wieder auf den Lieutenant richtete. „Ich habe Sie zu mir beordert, weil ich weiß, dass Sie und Ihre Männer in den letzten beiden Jahren immer dann zur Stelle waren, wenn es brenzlig wurde.“
„Wir haben unsere Pflicht getan, Sir“, erwiderte Durango, bemerkte aber, dass Lee abwinkte.
„Lassen Sie diese offiziellen Sprüche, Lieutenant“, kritisierte ihn Lee. „Wir sind hier unter uns, und Sie brauchen nicht so förmlich zu sein. Ich weiß längst, dass Sie ein guter und tapferer Offizier sind. Ohne Ihre Aktionen am Antietam Creek hätte unsere Lage ganz anders ausgesehen. Ihnen haben wir auch zu verdanken, dass dieser Verräter entlarvt wurde.“
„Wir hatten Glück, General“, antwortete Durango. „Es hätte auch ganz anders ausgehen können. Trotzdem sind viel zu viele gute Männer bei dieser Schlacht gestorben.“
„Ich weiß“, murmelte Lee. „Die Männer, die wir jetzt in den Kampf schicken, werden immer jünger. Einige von ihnen sind noch halbe Kinder, aber sie wollen unbedingt ihr Land und ihre Ansichten verteidigen. Sollte ich es ihnen verbieten?“
„Nein, Sir. Jeder muss das tun, wozu er sich freiwillig entscheidet. Weshalb haben Sie mich nach Richmond kommen lassen?“
„Weil ich einen neuen Auftrag für Sie habe. Einen Auftrag, der noch heikler ist als alles, was Sie und Ihre Männer bisher getan haben, Lieutenant“, rückte Lee nun mit seinem Anliegen heraus. „Was wissen Sie über Vicksburg?“
„Eine Stadt am Mississippi“, erwiderte Durango. „Mit einem großen Hafen und einer strategisch wichtigen Position, die sicher dem Norden zwischenzeitlich nicht entgangen sein dürfte. Wir haben Gerüchte gehört, dass die Stadt belagert werden soll.“
„Es sind nicht nur Gerüchte, sondern beängstigende Tatsachen“, fiel ihm Lee ins Wort. „Meine Nachrichtenoffiziere wissen zwischenzeitlich, dass General Grant große Truppenbewegungen in Richtung Südwesten vollzogen hat. Sie können sich denken, was das bedeutet, Lieutenant. Wenn es den Unionstruppen gelingen sollte, Vicksburg zu belagern und uns auf diese Weise von der weiteren Versorgung abzuschneiden, dann ist das eine Niederlage, von der wir uns nie mehr erholen werden. Vicksburg ist nicht nur ein größerer Hafen und Umschlagplatz. Wenn der Norden hier die militärische Kontrolle ausübt, kann er Texas und Arkansas von der Konföderation trennen. Schauen Sie sich das an, Lieutenant“, forderte Lee ihn auf und deutete zur Wand, an der eine große Karte hing.
Durango erhob sich, betrachtete sich die Karte und registrierte auch die Stellungen der konföderierten Truppen, die dort vermerkt waren, ebenso wie die Positionen des Feindes, sofern sie bekannt waren.
„Sehen Sie den Punkt bei Jackson, wo sich die Schienen der Mississippi Central und der Southern Mississippi Central Railroad kreuzen?“, fragte Lee und zeigte auf die betreffende Stelle. „Dort hat es bereits die ersten Auseinandersetzungen gegeben. Aber auch nördlich von Vicksburg sind bereits schon die ersten Kanonenboote der Union gesichtet worden. Aber zum Glück konnte unsere Arkansas ein weiteres Vordringen stoppen. Haben Sie davon schon gehört?“
Durango verneinte mit einem kurzen Kopfschütteln.
„Die Arkansas war eines unserer ersten gepanzerten Schiffe“, klärte ihn Lee auf. „Sie erlebte vor wenigen Wochen ihre Feuertaufe unter sehr dramatischen Umständen. Ein Konvoi mehrerer Unionsschiffe war bis nach Milliken’s Bend vorgedrungen und gerade damit zugange, Truppen an Land gehen zu lassen. Die Arkansas und ihre tapfere Besatzung konnten das noch im letzten Moment verhindern. Die Unionsschiffe gerieten unter solch starken Beschuss, dass sie beidrehen und sich zurückziehen mussten. Aber jetzt haben sie auch gepanzerte Schiffe, zu viele, als dass wir ihren Vormarsch sofort stoppen können. Wir müssen deshalb Zeit gewinnen und alle zur Verfügung stehenden Truppen mobilisieren, Lieutenant.“
„Glauben Sie, dass Vicksburg zu einem zweiten Antietam wird?“, fragte Durango mit besorgter Stimme.
„Die jetzige Entwicklung lässt solche Gedanken durchaus zu“, fuhr Lee fort. „Vicksburg ist eine Stadt von hohem strategischem Wert. Dieser alte Fuchs Grant hat das sofort erkannt, und wie ich ihn kenne, wird er seine diesbezüglichen Pläne schnell in die Tat umsetzen. In dieser Stunde werden weitere Truppen mobilisiert. Ich werde General Johnston das Kommando über diese Streitmacht geben. Sie kennen ihn ja.“
„Zweifellos ein erfahrener Stratege“, meinte Durango. „Was werden Sie selbst unternehmen, Sir?“
„Ich kann nicht selbst vor Ort sein, weil ich diese Region hier auch mit Soldaten stärken muss. Aber es fällt mir leichter zu wissen, dass ich eine Truppe vor Ort im Einsatz habe, deren Anführer genau weiß, was er zu tun hat, wenn es brenzlig wird. Lieutenant, ich möchte, dass Sie und Ihre Männer nach Vicksburg gehen und die Lage sondieren. Sie müssen so viel wie möglich über die feindlichen Truppenbewegungen herausfinden, damit General Johnston entsprechend reagieren kann. Sie wissen selbst, wie lange es dauert, bis eine größere Zahl Soldaten aufbrechen kann. So lange kann ich aber nicht warten. Sie und Ihre Truppe sind meine Speerspitze, Lieutenant.“
„Ich weiß Ihr Vertrauen zu schätzen, General“, antwortete Durango. „Wir werden gleich morgen früh aufbrechen. Gestatten Sie mir und meinen Männern noch diese eine Nacht im Quartier. Ich vermute, dass wir die nächsten Tage und Wochen ohnehin nicht mehr an Ruhe zu denken brauchen.“
„Wahrscheinlich“, pflichtete ihm Lee bei. „Männer wie Sie braucht die Konföderation, Lieutenant. Ich hoffe, dass alles gut geht und dass ich Sie gesund wiedersehe. Viel Glück bei Ihrer Mission, und möge Gott Sie schützen.“
„Danke, Sir“, erwiderte Durango und ergriff die ausgestreckte Hand des graubärtigen Generals. Ein kurzer, aber kräftiger Händedruck, dann verabschiedete sich Durango vom Kommandanten der konföderierten Streitkräfte.
Mit schnellen Schritten verließ er das Haus. Zwischenzeitlich war die Sonne als glühender Feuerball hinter den Wäldern versunken, und die Abenddämmerung breitete sich über Richmond aus. Nur in wenigen Häusern brannten noch Lichter, als sich Durango auf den Rückweg zu seinen Kameraden begab. Die Menschen hatten sich in ihre Häuser zurückgezogen. Auf der Straße waren nur noch grau uniformierte Soldaten zu sehen.
Meine Männer werden nicht begeistert sein, dass ich ihnen wieder einen gefährlichen Job präsentiere, dachte Durango. Aber ich weiß, dass ich trotzdem auf jeden von ihnen zählen kann. Selbst wenn uns der General in die Hölle schicken sollte.
Zu diesem Zeitpunkt ahnte Durango allerdings nicht, dass die sprichwörtliche Hölle bald einen Namen bekommen sollte, nämlich Vicksburg.
* * *
Schlamm spritzte unter den Hufen des Pferdes auf, als Durango es weiter durch den Wald trieb. Immer wieder mussten die Männer durch große Pfützen reiten. Der Regen hatte zwar mittlerweile aufgehört, aber die trüben Wolken am Himmel waren ein nicht zu übersehendes Zeichen dafür, dass dies nicht der letzte Regenschauer war, den die Männer würden erdulden müssen.
Sie folgten dem schlammigen Pfad und versuchten, den größten Hindernissen so gut wie möglich auszuweichen. Allerdings machte dies das Vorwärtskommen auch nicht leichter. Durango und seine Leute fühlten sich unwohl in der feuchten Kleidung, die sie trugen. Vance war schon etwas blass im Gesicht und begann, öfters zu husten. Das war kein gutes Zeichen. Nicht, dass er noch krank wurde!
Mir wird nichts anderes übrig bleiben, als nach einer geschützten Stelle zu suchen, damit wir unsere Kleider trocknen können, dachte Durango. Auf jeden Fall heute noch.
Seine Gedanken brachen ab, als er plötzlich Hufschläge hörte. Sie kamen aus der Richtung, die McCafferty und Higgins vor etwas mehr als einer Stunde eingeschlagen hatten.
„In die Büsche!“, rief Durango seinen Kameraden zu und dirigierte sein Pferd sofort von der schlammigen Straße. Die anderen Soldaten taten es ihm gleich und trieben ihre Pferde tiefer ins Unterholz. Gleichzeitig zogen sie alle ihre Waffen und warteten nervös ab, was weiter geschah.
Erst dann erkannten sie, dass es McCafferty und Higgins waren, die zu ihren Kameraden zurückkamen. Durango und seine Leute ritten wieder aus den Büschen heraus, zeigten sich und winkten ihnen zu.
„Wir haben was entdeckt“, berichtete der irische Sergeant. „Aber ich kann mir darauf noch keinen richtigen Reim machen.“
„Was willst du damit sagen, Mac?“, fragte Durango. „Du musst schon ein wenig deutlicher werden.“
„Ich glaube, es ist besser, wenn du dir das selbst anschaust, Lieutenant“, antwortete McCafferty. „Drei Meilen entfernt von hier sind Yankees zugange. Sie legen einen tiefen Graben an, zumindest sieht das so aus. Dutzende von ihnen sind mit Hacken und Schaufeln zugange. Für mich ergibt das keinen Sinn. Warum sollten sie ausgerechnet hier ein Bollwerk errichten?“
„Warte mal einen Augenblick“, sagte Durango. Er öffnete seinen Mantel, griff in eine seiner Uniformtaschen und holte ein zusammengefaltetes Papier heraus, das an einigen Stellen feucht war. Er öffnete es, warf einen Blick darauf und kratzte sich dann nervös an der rechten Schläfe. „Wo genau habt ihr die Yankees gesehen, Mac?“
„Wie ich schon sagte, drei Meilen von hier entfernt“, wiederholte McCafferty. „In einer großen Senke. Das Gelände ist sehr feucht. Befindet sich hier vielleicht noch ein anderer Fluss in der Nähe, der über die Ufer getreten sein könnte?“
„Gut möglich“, erwiderte Durango und winkte den Iren zu sich. Der trieb sein Pferd hinüber und warf nun auch einen Blick auf die Karte, die Durango geöffnet hatte. „Hier sind wir“, fuhr Durango fort und zeigte auf einen bestimmten Punkt nordwestlich des Mississippi. „Und da unten liegt Vicksburg. Also noch ein gutes Stück entfernt von unserem jetzigen Aufenthaltsort. Aber wir sind in der Nähe vom nördlichsten Punkt des Lake Providence. Das ist hier.“
McCaffertys Blicke richteten sich auf die Stelle der Karte, die ihm Durango gezeigt hatte. Er brauchte nur wenige Sekunden, um zu begreifen, was sein Lieutenant ihm damit andeuten wollte.
„Aber das ist doch ...“, stotterte er verwirrt. „Nein, das glaube ich nicht. So verrückt können die Yankees doch nicht sein!“
„Wer weiß?“, entgegnete Durango. „Im Krieg sind alle Mittel erlaubt, Mac. Zutrauen würde ich denen das schon.“
„Könnt ihr uns auch mal sagen, um was es hier überhaupt geht?“, ergriff nun der blonde Tom Higgins das Wort. „Oder soll das Rätselraten noch weitergehen?“
„Sorry, Tom“, erwiderte Durango. „Aber Mac und ich vermuten, dass die Yankees, die ihr gesehen habt, keine Festung oder Schanzen errichten, sondern stattdessen eine Verbindung vom Lake Providence zum Mississippi schaffen wollen.“
„Du meinst einen Kanal?“, fragte Higgins und war jetzt genauso erstaunt wie die anderen Soldaten. „Das ist doch unmöglich. Dafür würden sie viele Wochen, ja sogar Monate brauchen, bis sie damit fertig sind.“
„Stimmt“, meldete sich nun auch Vance zu Wort. „Im Frühjahr verwandeln sich die Bayous in einen einzigen Sumpf. Das schaffen die nie!“
„Dann sollten wir uns am besten selbst mal ein Bild von der Lage machen“, schlug Durango vor. „Wir reiten dorthin und schauen uns das an. Wie viele Wachposten habt ihr gesehen, Mac?“
„Nicht viele“, entgegnete der Sergeant. „Die glauben wohl, dass General Pemberton und seine Truppen nichts davon mitbekommen und sich stattdessen auf den Mississippi konzentrieren, weil sie vermuten, dass die Yankees den ersten Angriff vom Fluss aus starten.“
„Was ja nicht ganz von der Hand zu weisen ist“, stimmte ihm Durango zu. „Los, kommt mit!“
Der Lieutenant und seine Soldaten ritten los. McCafferty und Higgins übernahmen die Führung. Auf verschlungenen Pfaden erreichten sie schließlich einen bewaldeten Hügel. Das Gelände stieg hier stark an, und es wuchsen zahlreiche Büsche und Farne, die ein Vorwärtskommen für die Pferde erschwerten. Deshalb stiegen die Männer aus den Sätteln. Fisher und Porter blieben bei den Tieren zurück, während die anderen ihren Weg zu Fuß fortsetzten.
„Ab hier müssen wir vorsichtig sein“, sagte McCafferty. „Auf der anderen Seite des Hügels haben die Yankees ihre Wachposten stehen.“
Durango nickte. Vorsichtig pirschten sie sich durch das Unterholz weiter den Hügel hinauf und bemühten sich, so leise wie möglich zu sein. Jeder der Männer hatte seinen Revolver griffbereit und würde ihn auch einsetzen, wenn es die Situation erforderte.
McCafferty erreichte als Erster den Hügel, gefolgt von Durango, Higgins und Vance. Sofort duckten sich die Männer wieder, weil sich das Gebüsch wenige Yards weiter vorn wieder zu lichten begann. Auf allen vieren robbten sie weiter, bis sie schließlich einen Punkt erreichten, an dem sich das unter ihnen liegende Gelände ihren Blicken erschloss.
Unterhalb von ihrem Standort breitete sich eine sumpfähnliche Landschaft aus. Am Rande erhoben sich große Zypressenbäume mit weitverzweigten Ästen, die teilweise tief herabhingen. Aber nicht der Sumpf und die bizarre Flora waren es, denen das Interesse des Lieutenants und seiner Männer galt, sondern vielmehr den Soldaten in den blauen Uniformen, die dort unten emsig zugange waren.
„Das gibt’s doch nicht“, murmelte Vance völlig verwirrt, weil er gar nicht glauben wollte, was er dort gerade sah. „Verdammt, was machen die denn dort? Lieutenant, die graben ja schlimmer als Wühlmäuse.“
„Das sehe ich selbst, Neil“, brummte Durango und griff nach seinem Fernrohr, das er in weiser Voraussicht schon vorher aus der Satteltasche geholt und mitgenommen hatte. Er setzte es ans rechte Auge und spähte hindurch. Jetzt konnte er weitere Einzelheiten des geschäftigen Treibens erkennen, das unten in der sumpfigen Senke stattfand.
So viele blau uniformierte Soldaten waren dort beschäftigt, dass Durango schon nach wenigen Sekunden aufgab, diese zu zählen. Große Erdwälle waren zu beiden Seiten des neuen Flussbettes aufgetürmt, das die Männer gegraben hatten. Einige von ihnen standen schon bis zu den Knien im Wasser, das sich vom Lake Providence aus jetzt einen zusätzlichen Weg bahnte.
Der See befand sich am anderen Ende der Senke und war ringsum von Zypressenbäumen und hohen Farnen umgeben. An einer Stelle hatten die Soldaten zahlreiche Bäume gefällt und das Unterholz gerodet. Dann hatten sie begonnen, einen tiefen Graben zu ziehen und diesen von den Stümpfen der gefällten Bäume zu säubern. Was dies für eine harte Arbeit war, lag auf der Hand. Denn das sofort nachsetzende Wasser aus dem See verhinderte ein trockenes Arbeiten.
„Schau dir das mal an, Mac“, meinte Durango zu dem Iren und reichte ihm das Fernglas. „Da drüben an der linken Seite des Grabens. Kannst du erkennen, was die Soldaten dort machen? Was hältst du davon?“
McCafferty nahm wortlos das Fernrohr entgegen und riskierte jetzt auch einen Blick. Er stieß einen leisen Pfiff aus, als er erkannte, was Durango angedeutet hatte, und beobachtete kurz weiter, was dort geschah. Anschließend reichte er das Fernrohr an Higgins und Vance weiter, damit die beiden Kameraden auch beobachten konnten, um was es hier ging.
„Wenn ich das jetzt nicht mit eigenen Augen gesehen hätte, dann würde ich das nicht glauben, Lieutenant“, sagte der Sergeant immer noch kopfschüttelnd. „So was habe ich noch niemals zuvor gesehen. Eine Säge, mit der man unter Wasser arbeiten kann.“
Wieder hielt er sich vor Augen, was Durango vor wenigen Minuten entdeckt hatte. Zehn Soldaten hielten sich auf einem Floß auf und hantierten dort mit etwas, was sich erst bei genauem Hinsehen als eine große Säge entpuppte, die auf einem beweglichen Podest montiert war. Dieses Podest wurde dann zu Wasser gelassen und umgedreht, sodass man mit der Säge die halb im Wasser befindlichen Baumstümpfe absägen konnte.
„Warum tun sie das?“, fragte Higgins, der sich keinen Reim darauf machen konnte.
„Das neue Flussbett muss tief sein“, erwiderte Durango, der sich in der Zwischenzeit schon seine eigenen Gedanken gemacht hatte. „Es darf dort keine unerwarteten Hindernisse geben.“
„Du glaubst doch nicht etwa, dass die Yankees von hier aus mit Schiffen zum Mississippi durchbrechen wollen?“
Higgins’ Stimme klang immer noch ungläubig, während unten von der riesigen Baustelle zahlreiche Geräusche zu ihnen empordrangen. Man hörte Hämmern, Sägen, das Fluchen und das Schimpfen der Männer, die dort zugange waren.
„Was denn sonst?“, antwortete Durango. „Grant ist ein schlauer Bursche. Der General weiß genau, was er tut. Leute, wir haben da etwas entdeckt, was noch weitreichende Folgen haben wird. Wir müssen zusehen, dass wir so schnell wie möglich nach Vicksburg kommen und General Pemberton berichten, was wir gesehen haben. Ich möchte wetten, dass niemand von unseren Leuten weiß, was hier hinter ihrem Rücken geplant wird.“
McCafferty wollte gerade etwas erwidern, als plötzlich zwei Schüsse fielen. Sie kamen von der Stelle, wo Porter und Fisher zurückgeblieben waren und auf die Pferde aufpassten.
„Verdammt!“, entfuhr es McCafferty, der sich sofort umdrehte. Aber die Farne und das Gestrüpp verhinderten den Blick zurück.
„Kommt mit!“, entschied Durango, ohne zu zögern. „Porter und Fisher, wir müssen ihnen helfen.“
Auch unten in der Senke hatte man zwischenzeitlich das Echo der Schüsse vernommen und gehandelt. Mehrere Soldaten kamen mit vorgehaltenen Waffen den Hügel heraufgestürmt. In wenigen Minuten würden sie die Stelle erreicht haben, von wo aus Durango und seine Leute die Arbeiten beobachtet hatten.
* * *
„Diese ewige Nässe geht mir auf den Geist“, murmelte Ben Fisher und unterdrückte einen kurzen Hustenreiz. Genau wie sein Kamerad Frank Porter spürte auch er die bleierne Müdigkeit, die allmählich von seinem Körper Besitz ergriff. Auch wenn er sich schon oft dagegen gewehrt hatte, so forderte sie doch irgendwann einen Tribut von ihm. Und dieser Zeitpunkt war jetzt gekommen.
„Du siehst müde aus, Ben“, sagte Porter. „Wenn du einen Moment schlafen willst, dann tu das. Keine Sorge, der Lieutenant wird nichts davon erfahren. Versprochen.“
„Du bist ein wahrer Freund“, erwiderte Fisher, der sich gegen einen Baumstamm gelehnt hatte und jetzt dankbar dafür war, dass er sich hinhocken und ein wenig entspannen konnte. „Ich mache das wieder gut, das schwöre ich!“
Porter winkte nur ab. Für ihn war das selbstverständlich, einem Kameraden zu helfen, wenn dieser einen schwachen Moment hatte. Vielleicht würde auch Porter irgendwann einen solchen Tiefpunkt haben, und dann war es gut zu wissen, dass es einen Kameraden gab, der dafür Verständnis hatte und ihm helfen würde.
Nur wenige Minuten später vernahm Porter die ruhigen und gleichmäßigen Atemzüge Fishers. Er war bereits eingeschlafen, und Porter beneidete ihn darum. Ein kurzer Blick hinauf zu der Kuppe des Hügels, wo der Lieutenant, McCafferty und Vance vor einer knappen Viertelstunde ihren Blicken entschwunden waren, brachte keine neuen Resultate. Wahrscheinlich schauten sie sich dort oben in aller Ruhe um und verschafften sich ein Bild von der momentanen Lage, die sich mit jedem weiteren Tag immer mehr zuspitzte.
Porter wusste, dass die Yankees Vicksburg unbedingt belagern und einnehmen wollten. Dadurch würden sie der Konföderation eine herbe Niederlage bereiten. Dass es erst gar nicht dazu kam, war ein Teil der Aufgabe, die Durango und seine Leute erfüllen mussten.
Wieder mal ein Todeskommando, dachte Porter. Und wer weiß, was für einen Preis wir diesmal dafür zahlen müssen, dass uns Lee an diesen Ort geschickt hat. Diese sumpfigen Bayous sind für mich der Vorhof zu Hölle.
Seine Gedanken brachen ab, als er plötzlich Geräusche hörte. Sofort spähte er in die betreffende Richtung und wurde blass, als er zwischen den Bäumen Männer in blauen Uniformen entdeckte. Es waren zehn Unionssoldaten, die die Büsche durchkämmten. Eine Patrouille, die mit ihrer ständigen Präsenz sicherstellen wollte, dass keine Feinde in der Nähe waren und etwas von dem mitbekamen, was die Yankees hier planten.
Ganz ruhig bleiben, entschied sich Porter für die sicherste Lösung. Vielleicht kommen sie ja nicht näher und verschwinden wieder.
Sein frommer Wunsch erfüllte sich jedoch nicht. Die Soldaten kamen genau in seine Richtung. Sie alle trugen Gewehre in den Händen, langläufige Burnside-Breech-Karabiner. Einer von ihnen hielt jetzt inne, bückte sich und untersuchte den Boden. Er war jetzt noch etwa fünfzig Yards von der Stelle entfernt, wo sich Porter und Fisher versteckt hielten.
„Hier ist was!“, hörte Porter den Yankee rufen. „Sergeant, da sind Hufspuren im Schlamm!“
Augenblicke später trat ein Yankee-Sergeant nach vorn, beugte sich ebenfalls herab und machte sich ein Bild von der Lage. Was er und der Soldat dann sprachen, konnte Porter nicht mehr verstehen. Aber als die Soldaten sich in zwei Gruppen aufteilten und beide immer näher herankamen, wurde Porter klar, dass sein Schicksal und das seines schlafenden Kameraden auf Messers Schneide standen.
Ausgerechnet in diesem Augenblick öffnete Fisher die Augen, weil ihn ein Niesreiz gepackt hatte. Bruchteile von Sekunden später verschaffte er sich eine spürbare Erleichterung und nieste, was das Zeug hielt.
„Du Idiot!“, fuhr ihn Porter an und riss sofort seinen Sharps-&-Hankins-Karabiner hoch. Er zielte auf einen der Soldaten, die das verräterische Geräusch ebenfalls gehört hatten, und drückte ab.
Der Schuss beendete die quälende Ungewissheit und markierte den Beginn einer brandgefährlichen Situation. Der Yankee, den Porter anvisiert hatte, brach zusammen und stöhnte laut.
„Alarm!“, gellte die Stimme des Sergeants. Er schrie seinen Männern zu, in Deckung zu gehen und das Feuer zu erwidern. In der Zwischenzeit war nun auch Fisher bewusst, was hier geschah. Er nahm sein Gewehr, zielte ebenfalls in Richtung der Yankees und eröffnete das Feuer auf seine Gegner. Auch ihm gelang es, einen Gegner zu treffen und auszuschalten, bevor dieser sich in Deckung bringen konnte.
„Verdammter Mist!“, fuhr ihn Porter an, während er sein Gewehr nachlud. „Warum musstest du denn ausgerechnet jetzt niesen?“
„Herrgott, was kann ich denn dafür?“, erwiderte Fisher mit hochrotem Kopf, während er Mühe hatte, die gefährlichen Ereignisse zu begreifen, die er fast noch verschlafen hätte. Er lud rasch sein Gewehr nach und schoss erneut auf die Unionssoldaten. Diese aber hatten zwischenzeitlich Deckung hinter den Zypressenbäumen gesucht und veranstalteten von dort aus ein Sperrfeuer auf Fisher und Porter.
Die Pferde hinter den beiden konföderierten Soldaten wieherten nervös und bäumten sich auf. Es war nur noch eine Frage der Zeit, bis sie sich losreißen und in Panik davongaloppieren würden. So weit durfte es aber nicht kommen, denn dann saßen nicht nur Fisher und Porter in der Klemme, sondern auch Lieutenant Durango, Sergeant McCafferty und Vance.
Porter fluchte und drehte sich kurz um. Hilfe suchend schaute er hinauf zum Hügel.
„Die müssen doch gehört haben, was los ist“, murmelte er vor sich hin. „Lange können wir uns hier nicht halten.“
Noch bevor er diesen Gedanken zu Ende gebracht hatte, fielen weitere Schüsse, allerdings aus einer ganz anderen Richtung, als die beiden verzweifelten Soldaten angenommen hatten. Zwei Yankees, die sich rechts in den Büschen verkrochen hatten, gerieten auf einmal in große Bedrängnis, als sie unter Beschuss genommen wurden. Einer von ihnen brach im Kugelhagel zusammen, der andere suchte sein Heil in der Flucht, kam aber nur wenige Schritte weit, bis auch er niedergestreckt wurde.
„Gebt es ihnen!“, erklang auf einmal eine raue Stimme, die Fisher und Porter sofort wiedererkannten. Sie gehörte Sergeant McCafferty!
Erneut fielen Schüsse, und die übrigen Unionssoldaten gerieten jetzt ebenfalls in arge Schwierigkeiten und mussten sich zurückziehen. Ein weiterer gezielter Schuss setzte den Sergeant außer Gefecht, der die Patrouille angeführt hatte, und das versetzte die übrigen Soldaten in solche Panik, dass sie jetzt klein beigaben und ihr Heil in einem halbwegs geordneten Rückzug suchten.
McCafferty stürmte aus den Büschen, in der Hand einen Navy-Revolver, mit dem er seine Gegner eingeschüchtert hatte. Auch Lieutenant Durango und Vance waren jetzt zur Stelle und zeigten ihren Feinden, dass es besser war, sich jetzt und hier nicht mit ihnen anzulegen.
„Dem Himmel sei Dank!“, rief der besorgte Fisher. „Wir dachten schon, dass ihr ...“
„Holt die Pferde und dann weg von hier!“, fiel ihm der Lieutenant ins Wort. „Von der anderen Seite kommen weitere Yankees. Sie werden gleich hier sein, also höchste Zeit für uns.“
Fisher und Porter begriffen, dass jetzt keine Zeit für lange Diskussionen war. Gemeinsam mit ihren Kameraden eilten sie zu den Pferden, banden sie los und saßen auf.
„Halt!“, erklang auf einmal eine laute Stimme über ihnen. „Stehenbleiben!“
Durango drehte sich im Sattel um und gab einen Schuss in die Richtung ab, aus der er die Stimme vernommen hatte. Dann gab er seinem Pferd die Zügel frei, duckte sich tief über den Hals seines Tieres und war froh, als es losspurtete. Auch McCafferty und die anderen Kameraden folgten ihm, so schnell sie konnten.
Gerade noch rechtzeitig! Denn in diesem Moment waren die anderen gegnerischen Soldaten zur Stelle und schossen auf die Flüchtenden. Aber Durangos Truppe besaß auch diesmal das Glück der Tapferen. Die Kugeln der Yankees pfiffen zwar gefährlich nahe an ihnen vorbei, richteten aber ansonsten keinen Schaden mehr an, und nur das zählte!
Sie trieben die Pferde hart an und drosselten erst das Tempo, als sie sicher waren, genügend Distanz zwischen sich und ihre Gegner gebracht zu haben. McCafferty und Vance bildeten die Absicherung nach hinten und behielten das Gelände noch im Auge. Sicher fühlen konnten sie sich alle erst dann, wenn sie in Vicksburg waren.
„Das war aber wirklich knapp“, seufzte Higgins, als eine weitere halbe Stunde vergangen war und sie nun sicher sein konnten, dass sich keine Verfolger auf ihre Fährte gesetzt hatten. „Wie konnte das denn nur passieren?“
Er schaute zu Fisher und Porter und bemerkte, dass Fisher beschämt zu Boden blickte. Das entging natürlich auch nicht McCafferty, der sofort Lunte roch und aus dem Verhalten Fishers die richtigen Schlüsse zog. Entsprechend grimmig war seine Miene.
„Tut mir leid, Sergeant“, sagte Fisher deshalb rasch. „Es war meine Schuld. Ich bin kurz eingenickt, und als ich aufwachte, musste ich plötzlich niesen.“
„Darüber reden wir später, Fisher“, sagte der Sergeant und schaute dabei kurz zu Durango. „Jetzt sehen wir erst mal zu, dass wir mehr Land gewinnen. Deine Standpauke bekommst du noch von mir, verlass dich drauf. Und zwar eine, die du so schnell nicht mehr vergisst!“
Kriegsvorbereitungen