2,99 €
Rauchende Colts und echte Männer! Entdecken Sie jetzt die historische Western-Reihe „Das Gesetz des Westens“
Klappentext: Jim Donegan will seine Vergangenheit als Revolvermann begraben und auf der Ranch seines ermordeten Onkels neu beginnen. Doch alte Feinde und ein gefährlicher Krieg um die Weiden des Pine Countys zwingen ihn, erneut zur Waffe zu greifen. Wird er Frieden finden oder alles verlieren?
Über die Serie Das Gesetz des Westens: Freuen Sie sich regelmäßig auf die spannendsten Western-Abenteuer diesseits des Mississippi! EK-2 Publishing hat für „Das Gesetz des Westens“ die ganz großen Koryphäen des Western-Genres versammelt. Alfred Wallon, Peter Dubina und viele weitere Autoren katapultieren sie direkt ins Geschehen und bescheren Ihnen ein unvergessliches Leseerlebnis.
Laden Sie Ihren Revolver und satteln Sie Ihren Hengst, denn es geht auf eine spannende Reise in den rauen Wilden Westen!
Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:
Alfred Wallon
Kampf um die Longhorn-Ranch
Historische Western-Reihe „Das Gesetz des Westens“
EK-2 Militär
Liebe Leser, liebe Leserinnen,
zunächst möchten wir uns herzlich bei Ihnen dafür bedanken, dass Sie dieses Buch erworben haben. Wir sind ein kleines Familienunternehmen aus Duisburg und freuen uns riesig über jeden einzelnen Verkauf!
Mit unserem Label EK-2 Militär möchten wir militärische und militärgeschichtliche, sowie historische Themen sichtbarer machen und Leserinnen und Leser begeistern.
Vor allem aber möchten wir, dass jedes unserer Bücher Ihnen ein einzigartiges und erfreuliches Leseerlebnis bietet. Daher liegt uns Ihre Meinung ganz besonders am Herzen!
Wir freuen uns über Ihr Feedback zu unserem Buch. Haben Sie Anmerkungen? Kritik? Bitte lassen Sie es uns wissen. Ihre Rückmeldung ist wertvoll für uns, damit wir in Zukunft noch bessere Bücher für Sie machen können.
Schreiben Sie uns: [email protected]
Nun wünschen wir Ihnen ein angenehmes Leseerlebnis!
Ihr Team von EK-2 Publishing
Kampf um die Longhorn-Ranch
von Alfred Wallon
»Donegan!«
Die schrille, durchdringende Stimme unten auf der Straße reißt Jim Donegan aus dem unruhigen Schlaf. Jim öffnet die Augen und spürt von einer Sekunde zur anderen, dass es nun vorbei ist mit der Ruhe. Hastig löst er sich aus den Armen der schönen Mexikanerin und will aufstehen. Da schreckt das Mädchen ebenfalls aus dem Schlaf auf und blickt ihn verständnislos an.
»Jim, Querido, bleib doch«, flüstert sie und will ihn festhalten. Aber es bleibt bei dieser Absicht; denn da hört auch sie den Mann unten von der Straße her Jims Namen rufen.
»Jim Donegan! Wo steckst du räudiger Hundesohn? Komm und stell dich! Oder bist du vielleicht zu feige dazu?«
Jim schiebt die Gardine ein winziges Stück beiseite, um einen Blick aus dem Fenster werfen zu können. Wahrhaftig, es ist der junge Bursche, der mit Jim am Pokertisch gesessen und eine Menge Geld verloren hatte. Ein schlechter Verlierer, der wohl Revanche von Jim fordern will.
»Geh nicht, Jim!«, ruft die Mexikanerin und achtet nicht darauf, dass das Oberbett ein Stück nach unten rutscht und ihren prachtvoll geformten Körper Jims Blicken preisgibt »Er tötet dich und …«
»Ich muss gehen, Pilar«, sagt Jim nur.
Über Pilars Wangen rinnen Tränen. Das nimmt Jim aber schon gar nicht mehr wahr, denn seine ganze Aufmerksamkeit richtet sich auf den jungen Burschen, der mit jeder Sekunde nervöser zu werden scheint. Jim will ihn nicht unnötig warten lassen und verlässt deshalb das Gebäude aus Adobelehm.
Draußen trifft ihn die Hitze des Nachmittags wie ein Peitschenhieb. Im ersten Moment muss er blinzeln, um sich an das grelle Sonnenlicht zu gewöhnen. Die große Plaza wirkt wie ausgestorben. Jeder hat sich ein kühles Plätzchen gesucht, um Siesta zu halten. Nur dem hageren Burschen, der drüben vor einem Haus steht, scheint die Hitze nichts auszumachen.
»Da bist du ja endlich, verdammter Hundesohn!«, ruft er provozierend. »Wolltest wohl kneifen, was?«
»Junge, du gehst am besten wieder nach Hause«, erwidert Jim. »Du hast eine Menge getrunken und weißt nicht, wovon du redest …«
»Halt den Mund, Donegan!«, fährt ihm der andere zornig in die Parade. »Ich sage, was ich denke. Und für mich bist du nun mal ein verdammter Falschspieler, Arizona-Jim.«
Unwillkürlich trifft es Jim, als er seinen Namen hört. Ein Name, der zu ihm gehört wie der alte McClellan-Sattel. Der Junge will Jim herausfordern, ihn erschießen, um sich dann damit zu brüsten, den großen Arizona-Jim getötet zu haben. Jim sieht ihm das sofort an, denn er hat schon viele Männer getroffen, deren Blicke ihm das signalisierten.
»Junge, du hast getrunken«, versucht es Jim noch einmal, weil er spürt, dass der Bursche es nie im Leben versucht hätte, wenn er noch nüchtern gewesen wäre.
»Zieh endlich, sonst knalle ich dich ab wie einen tollen Hund!«, ruft der Junge, während seine Augen unstet zu flackern beginnen. Ein untrügliches Zeichen für Jim, dass es bald soweit sein wird. Es macht den Burschen fast verrückt, dass Jim immer noch ruhig und gelassen bleibt.
Die Sekunden verrinnen unglaublich zäh. Irgendwo drüben in der Nähe des Mietstalls kläfft ein Hund. Dann ist es soweit. Die rechte Hand des Jungen, von dem Jim noch nicht einmal den Namen kennt, zuckt nach unten, will die Waffe aus dem Halfter reißen. Da handelt auch Jim. Er hat solche Situationen schon unzählige Male durchmachen müssen und weiß daher, was zu tun ist.
Den Revolver in einer einzigen geschmeidigen Bewegung herausreißen, anlegen, zielen und abdrücken – das alles dauert nur Bruchteile von Sekunden. Jim zielt auf die rechte Schulter des Jungen. Aber der macht ausgerechnet in diesem Augenblick eine hastige Bewegung nach der rechten Seite, so dass ihn die Kugel mitten in die Brust trifft.
Der Junge kommt gar nicht mehr dazu, den Stecher seines alten Revolvers durchzuziehen. Ungläubiges Staunen zeichnet sich in seinem Gesicht ab, als die Waffe seinen schlaffen Fingern entgleitet. Auf dem verwaschenen Hemd erscheint ein dunkler Fleck, der rasch größer wird. Dann bricht der Junge zusammen und fällt in den Staub der Straße, wo er reglos liegen bleibt.
Jim lässt seinen Revolver sinken und geht auf den Jungen zu. Er sieht sofort, dass er tödlich getroffen hat;
»Verdammter Narr«, murmelt Jim, während ein bitteres Gefühl in ihm aufsteigt, weil der Bursche noch, so jung war. Sein ganzes Leben hätte er noch vor sich haben können, wenn er nicht zu viel getrunken und sich auf ein Pokerspiel eingelassen hätte, das eine Nummer zu groß für ihn war. Nun werden sie ihn drüben am Boot Hill verscharren wie all die anderen, die es gewagt haben, einen erfahrenen Revolvermann wie Arizona-Donegan herauszufordern. Nur um des krankhaften Ruhmes willen.
Dann registriert Jim, dass sich die Menschen aus den umliegenden Häusern ins Freie wagen und verängstigt auf die Straße blicken. Noch zögern sie, denn der Hauch des Todes hängt noch in der Luft. Er geht aus von dem großen blonden Mann – von Arizona-Jim Donegan, der nach Agua Prieta kam, um die Kämpfe vergessen zu können, die hinter ihm liegen. Aber Jim weiß nun, dass er nicht vergessen kann. Vielleicht nie.
»Bringt ihn rüber zum Coroner!«, ruft Jim zwei Männern zu, die im Eingang zur Pulqueria stehen. »Los, beeilt euch!«
Seine raue Stimme duldet keinen Widerspruch. Die Männer beeilen sich, seiner Aufforderung nachzukommen, denn der große Gringo ist gewiss nicht zum Spaßen aufgelegt. Jeder hat gesehen, wie schnell dieser Donegan mit seinem Eisen ist. Deshalb sputen sie sich, gehen hinüber zu dem Toten, heben ihn hastig auf und tragen ihn weg. Nur ein dunkler Fleck im Staub bleibt zurück.
Die Menschen weichen Jim aus, machen ihm Platz, als er zurück in die Pulqueria gehen will. Er nähert sich der Theke, und der alte Mexikaner wirft Jim einen ängstlichen Blick zu. Kein Zweifel, in Agua Prieta fürchtet ihn jeder, weil die Menschen gesehen haben, wie schnell Jim mit der Waffe ist.
»Gib mir eine Flasche Tequila!«, sagt Jim zu dem Barkeeper. »Und dann lässt du mich allein. Hast du verstanden?«
Der Keeper stellt die Flasche und ein Glas vor Jim hin und verzieht sich dann durch die Hintertür. Jim nimmt beides an sich und geht mit schweren Schritten zu einem der Tische, setzt sich hin. Dann gießt er sich ein Glas von der bernsteinfarbenen Flüssigkeit ein, kippt es mit einem einzigen Zug hinunter, und schüttelt sich, weil das Zeug bitter zu sein scheint.
Er weiß nicht, wie viel Zeit vergangen ist, als er den Kopf hebt und Pilar vor sich stehen sieht, die ihm die halbleere Flasche wegnehmen will.
»Lass sie doch stehen, Pilar«, murmelt Jim und will danach fassen. Aber Pilar war schneller als er. »Ich habe noch gewaltigen Durst.«
»Wenn du dich betrinkst, um zu vergessen, dann ist das der falsche Weg, Carino«, erwidert Pilar und setzt sich zu Jim. »Weshalb zerbrichst du dir den Kopf darüber? Dieser Kerl hat sein Schicksal selbst herausgefordert, denn er wollte doch …«
»Das verstehst du nicht, Pilar!«, unterbricht er sie rau. »Er war noch so jung und unerfahren. Verdammt, er hätte mein Bruder sein können. Warum, zum Teufel, hat er nur gezogen?«
Er schafft es, wieder die Flasche an sich zu nehmen. Er nimmt einen großen Schluck. Mit einem harten Ruck setzt er die Flasche ab und blickt das Mädchen lange an.
»Pilar, ich bin ein Killer«, sagt er grimmig, »Schau dich doch nur um, dann verstehst du, was ich meine. Angst haben sie vor mir – alle, die in diesem verdammten Kaff wohnen. Jeder weicht mir aus, dem großen Arizona-Jim. Ich wünschte, es wäre anders gekommen.«
»Was willst du damit sagen, Jim?«, fragt ihn Pilar, weil sie nämlich ehrliches Interesse an ihm hat und ihm nichts vorspielt. Der große Mann hat ihr Herz erobert. »Willst du mit mir darüber reden?«
»Warum nicht?«, entgegnet Jim achselzuckend. Wäre er nüchtern gewesen, so hätte er sicherlich geschwiegen. Nun aber muss er sich jemandem anvertrauen, weil ihm der Junge nicht aus dem Kopf geht. Es ist ein Gefühl, das ihn noch verrückt werden lässt.
»Weißt du, ich bin nicht immer der gewesen, den man Arizona-Jim nennt«, fährt er dann fort. »Ich hatte auch mal das, was man ein Zuhause nennt. Aber ich wollte immer unbedingt mit dem Kopf durch die Wand. Ist es ein Wunder, dass ich deswegen die Longhorn-Ranch verlassen habe?«
Wieder greift er nach der Flasche und will trinken, möchte seinen Kummer vergessen. Aber mittlerweile ist die Flasche leer. Jim lässt sie seufzend stehen und schaut Pilar an.
»Die Longhorn-Ranch, yeah«, sagt er gedankenverloren. »Sie liegt im Pine County und gehört meinem Onkel Gil Flasher. Es ist eine prächtige Ranch, für die sich mein Onkel krumm geschuftet hat. Ich hätte sie bestimmt eines Tages geerbt, wenn ich nicht beschlossen hätte, abzuhauen und mich auf eigene Füße zu stellen. Jetzt hast du ja selbst gesehen, was daraus geworden ist. Ein gefürchteter Revolvermann, dessen ständiger Begleiter der Tod ist.«
»Bist du denn jemals zurückgekehrt?«, fragt Pilar ihn.
»Nein, wozu auch?«, antwortet Jim. »Onkel Gil wäre entsetzt, wenn er wüsste, was aus seinem Neffen geworden ist.«
Die Mexikanerin ist eine erfahrene Frau, die genau weiß, wie sie mit Männern wie Donegan umgehen muss. Deshalb steht sie auf und greift nach Jims Arm.
»Komm. Ich glaube, du brauchst jetzt eine Menge Schlaf. Du bist fertig, Carino, du weißt es nur noch nicht. Ich bringe dich ins Bett.«
Sie sagt das mit einer Stimme, die andeutet, was Jim erwartet, wenn er seinen Ärger hinunterschluckt und mit ihr geht. Da nickt Jim, denn er weiß, dass Pilar recht hat. Was geschehen ist, kann er sowieso nicht mehr rückgängig machen.
Er fühlt sich unsicher auf den Beinen, als er aufsteht und mit Pilars Hilfe die Treppen ins obere Stockwerk bewältigt. Zusammen gehen sie in Pilars Zimmer, wo Jim dann im Bett des Mädchens landet. Er spürt noch, wie sie ihn auszieht und dann unter die Decke steckt. Automatisch tasten seine Hände nach ihrer weichen Haut, als sie sich zu ihm legt. Aber dann fordert der Alkohol seinen Tribut. Es vergehen nur wenige Sekunden, bis er einschläft. Aber wirre Träume spuken in seinem Kopf herum. Träume, die den heißen Nachmittag wieder gegenwärtig machen.
*
»Señor Jim!«
Jim steht vor. dem beschlagenen Spiegel und versucht sich zu rasieren, als er die heisere Stimme des Barkeepers draußen vor der Tür hört. Zuerst will er gar nicht aufmachen, denn Jim fühlt sich alles andere als wohl. Er hat einen schweren Kopf. Aber als der Barkeeper dann noch einmal heftig gegen die Tür klopft, überlegt Jim es sich doch anders.
»Ich komme!«, ruft er mit mürrischer Stimme, weil sein Schädel fast zu zerspringen droht. Das ist auch der Moment, wo Pilar wach wird. Sie schenkt Jim ein bezauberndes Lächeln, schlägt die Bettdecke beiseite und will zu Jim eilen. Erst dann sieht sie, dass er schon im Begriff ist, die Tür zu öffnen. Da überlegt es sich Pilar schnell anders, legt sich wieder ins Bett und zieht sich die Decke bis zum Kinn hoch.
»Ein Telegramm für Sie, Señor Jim«, sagt der Barkeeper und späht gierig an dem großen Gringo vorbei, in der Hoffnung, einen Blick auf Pilar erhaschen zu können. »Es kommt aus Hays City. Ist wohl sehr wichtig.«
Aus Hays City? denkt Jim erstaunt. Damit hat er nun wirklich nicht gerechnet. Schließlich gibt es nur einen Menschen, der weiß, dass Jim mal für wenige Wochen in der alten Rinderstadt Station gemacht hat: Hank Miller, sein alter Amigo, mit dem er lange Zeit geritten ist. Aber auch das ist eine halbe Ewigkeit her. Seitdem hat sich vieles verändert. Auch Jim Donegan!
»Gib schon her!«, sagt er ungeduldig zu dem Barkeeper und entreißt ihm das Telegramm. Jim drückt dem Mann eine Geldmünze in die Hand und schlägt ihm die Tür vor der Nase zu.
Jim bemerkt nicht, wie Pilar ihn fragend ansieht. Sein ganzes Interesse gilt dem Telegramm. Er überfliegt die wenigen Zeilen.
»Was hast du, Carino?«, fragt Pilar, als sie sieht, dass Jim auf einmal bleich wird. »Schlechte Nachrichten?«
Sie bekommt nicht gleich eine Antwort von dem großen Gringo, denn Jim muss das erst einmal verdauen, was er gerade gelesen hat. Nun hält es Pilar wirklich nicht mehr im Bett. Sie geht zu Jim, nackt wie sie ist. Normalerweise ein Anblick, der jeden Mann um den Verstand bringt. Aber Jim registriert das nur am Rande.
»By Gosh«, murmelt Jim gedankenverloren. »Noch gestern haben wir davon gesprochen und heute …« Er hält inne und schaut die verführerische Mexikanerin an. »Pilar, in dem Telegramm steht, dass mein Onkel gestorben ist. Nun bin ich der einzige noch lebende Verwandte. Man sucht mich schon seit Wochen.«
»Willst du jetzt ins Pine County reiten?«, fragt Pilar, da sie spürt, dass ihre gemeinsame Zeit ein Ende gefunden hat. »Du wirst doch das Erbe annehmen, oder?«
»Ich weiß es nicht«, entgegnet Jim achselzuckend, weil er sich darüber noch keine Gedanken gemacht hat. Er kann es nicht glauben, dass sein Onkel nicht mehr am Leben ist. Ausgerechnet ein Mann wie Gil Flasher, denkt er. Hank hat im Telegramm gar nichts davon erwähnt, wie das passiert ist. Jim kann sich nicht erklären, weshalb ihm auf einmal dieser Gedanke kommt. Aber er spürt instinktiv, dass es da noch etwas gibt, was sein Freund im Telegramm nicht erwähnt hat. Und das macht ihm Sorgen. Es ist der Instinkt des Kämpfers, der sich immer dann bei ihm meldet, wenn ihn etwas zur Vorsicht mahnt.
Er löst sich aus Pilars Armen, geht zum Bett, wo er seine wenigen Habseligkeiten deponiert hat, stopft alles in seine beiden Satteltaschen, während sich Pilars Blicke auf ihn richten. Klar, dass ihn die schöne Mexikanerin nicht gerne gehen lässt. Aber sie weiß, dass sie einen Mann wie Arizona-Jim nicht zurückhalten kann.
»Pilar, ich reite jetzt«, sagt Jim mit belegter Stimme, als er mit seinen Vorbereitungen fertig ist. »Ich …« Er fingert in der staubigen Jacke herum, bis er fündig geworden ist. Zwei zerknitterte Geldscheine sind es, die er Pilar in die Hand drückt und sie dabei anschaut. »Nimm es, als Dank für … für alles.«
Jim ist kein Mann großer Worte, wenn es darum geht, Abschied zu nehmen. Pilar schnürt es die Kehle zu. Er küsst sie noch einmal, bevor er seinen Hut nimmt und das kleine Zimmer verlässt.
Mit klopfendem Herzen eilt Pilar zum Fenster, schiebt die Gardine beiseite und sieht, wie Jim gerade die Pulqueria verlässt. Sein Ziel ist der Mietstall auf der gegenüberliegenden Straßenseite. Nur fünf Minuten später kommt er dann wieder von dort heraus, schwingt sich in den Sattel seines Morgan-Hengstes und prescht davon.
Pilar kann ihre Tränen nicht mehr zurückhalten.
*
Die Sonne versinkt als glühender Feuerball hinter den schneebedeckten Berggipfeln, als Jim sein Pferd in der Nähe einiger Büsche zügelt und absteigt. Es wird Zeit, eine Ruhepause einzulegen.
Jim bereitet sich eine karge Mahlzeit aus Bohnen und Speck und will sich gerade davon überzeugen, ob das Essen auch schon gar ist. Da hört er plötzlich Hufschläge. Sofort nimmt er eine Handvoll Erde, um die Flammen des Campfeuers zu löschen. Dann greift er nach seiner Winchester und schlägt sich in die Büsche. Dort wartet er gespannt ab, was weiter geschieht. Indes nähern sich die Hufschläge seinem nächtlichen Camp.
Minuten später kommt ein alter Kastenwagen auf den Platz zu gefahren. Auf dem Kutschbock sitzt ein hagerer Bursche, der die beiden Gespannpferde zügelt und sich neugierig umsieht.
»Keine Bewegung, Stranger!«, ruft Jim mit klirrender Stimme. »Ich habe dich genau im Visier.«
Der Mann zuckt zusammen und rührt sich nicht, weil er wohl an Jims Stimme bemerkt hat, dass eine falsche Bewegung sein Todesurteil bedeuten könnte.
»Ganz ruhig, Mister!«, hört Jim dann den Mann auf dem Kutschbock sagen. Er streckt beide Arme hoch. »Der alte Simms tut keiner Fliege etwas zuleide. Ich wollte hier nur mein Camp aufschlagen.«
Erst nachdem Jim ganz sicher ist, dass dieser komische Kauz allein gekommen ist, verlässt er seine Deckung, richtet aber nach wie vor seine Winchester auf den Mann.
»Mister, ich will nur meine Ruhe haben«, sagt der Alte, als Jim auf ihn zukommt. »Darf ich absteigen? Meine Knochen sind schon ganz steif von dem langen Trail.«
Jim erkennt, dass er offensichtlich einen dieser Burschen vor sich hat, die man als reisende Händler bezeichnet. Auf dem Kastenwagen befindet sich allerlei Krimskrams – Töpfe und Pfannen, Teller und Werkzeuge, Äxte und muffig riechende Kleidung.
»Hier riecht’ s nach Bohnen und Speck, Mister«, sagt der Mann und schaut hinüber zur Feuerstelle. »Mein Magen knurrt ganz gewaltig. Kann ich … Ich meine …“
»Kannst deine Arme runternehmen, Mann«, entscheidet Jim, als er merkt, dass dieser Simms ganz harmlos ist. »Wenn du mit kalten Bohnen zufrieden bist, kannst du mithalten. Deinetwegen habe ich das Feuer löschen müssen.«
Der Händler grinst breit.
»Danke, Mister«, krächzt er und hat es auf einmal sehr eilig, zum Camp zu kommen. »Wie gut das riecht«, sagt er schnuppernd.
»Wirst dich wohl noch einen Moment gedulden müssen«, sagt Jim und entfacht das Feuer wieder. Kurz darauf flackern die Flammen und erhellen das Gesicht des Alten.
»Nun greif schon zu, damit du mir nicht von den Knochen fällst«, sagt Jim, und der Mann nimmt ihn auch schon beim Wort. Der Händler hat einen Blechteller mitgebracht, auf den er sich gleich zwei Portionen aufhäuft und hastig isst, als sei es das letzte Mal.
»Mister, das sind die besten Bohnen, die ich je gegessen habe«, lobt ihn Simms schmatzend, als er fertig ist. »Darf ich noch mal?«
Jim nickt, und der Alte nimmt sich einen Nachschlag.
»Ich heiße Donegan«, stellt sich Jim vor und wartet gespannt ab, ob dieser Name bei Simms irgendeine Reaktion auslöst. Aber der dürre Händler nickt nur und schaufelt die Bohnen in sich hinein. »Wo kommst du her, Simms?«
»Ich hab’ einen langen Weg hinter nur«, antwortet der Alte und stellt den Teller beiseite. »Ich komme von Norden. War einige Tage in der Nähe vom Pine County. Dann habe ich es aber doch vorgezogen, dort meine Zelte abzubrechen. Die Luft dort riecht irgendwie nach Blei …«
Jim will sich gerade einen Becher Kaffee eingießen, lässt es aber bleiben, als er die Worte des Händlers vernimmt.
»Was meinst du damit?«, hakt er sofort nach und bemüht sich, ruhig zu bleiben
»Weiß der Teufel, was im Pine County los ist. Genau kann ich dir’ s nicht sagen, Donegan. Ich hab’ s auch nur von anderen gehört. Auf jeden Fall gärt es in Wilbur City und Umgebung. Hat wahrscheinlich mit dem Tod dieses Ranchers zu tun. Flasher hieß er, glaube ich. Irgendeiner hat ihn aus dem Hinterhalt erschossen.“
Die Kaffeetasse entgleitet Jims Fingern. Ein undeutlicher Fluch kommt über seine Lippen, was dem dürren Händler nicht entgeht. Wahrscheinlich denkt der sich seinen Teil, aber das ist Jim egal. Er muss erst einmal verdauen, was er schon zum zweiten Mal erfahren hat. Nur hört er jetzt, dass sein Onkel hinterrücks umgebracht worden ist. Warum?
»Habe ich was Falsches gesagt?«, fragt Simms. »Ich meine …«
»Nein, schon gut«, Jim winkt ab. »Ich habe den Rancher gekannt, das ist alles. Weiß man, wie es passiert ist?«
»Danach habe ich nicht gefragt«, antwortet Simms. »Wenn du was Näheres wissen willst, musst du schon selbst ins Pine County reiten. Ich an deiner Stelle würde mir das aber reiflich überlegen, Mister. Es sei denn, dass du einen triftigen Grund dafür hast.«
»Ja, den habe ich«, erwidert Jim.
*
Jim muss immer noch an die warnenden Worte des Händlers denken, als er zwei Tage später das Pine County erreicht. Wilbur City ist noch genau so, wie er es in Erinnerung behalten hat. Eine staubige Mainstreet und zu beiden Seiten stabile Holzhäuser. Das eine oder andere Gebäude mag vielleicht neu hinzugekommen sein, sonst ist aber alles beim Alten geblieben.
Und doch hat sich etwas verändert. Etwas, was man nicht auf den ersten Blick erkennt. Es ist nichts Greifbares, sondern vielmehr eine düstere Atmosphäre, die über der ganzen Town zu liegen scheint und sie zu erdrücken droht. Jim erkennt das in den Gesichtern der Menschen auf den Gehsteigen.
Niemand scheint ihn mehr zu erkennen, als er seinen Hengst die Mainstreet hinunter lenkt. Aber das ist auch kein Wunder, denn Jim hat einen dichten Bart, und seine Kleidung ist staubig von dem langen Ritt.
Und noch eins sieht Jim; Die Männer, die vor dem Crystal Palace Saloon auf der anderen Straßenseite herumlungern und ihn zu beobachten scheinen. Jemand wie Arizona-Jim kennt solche Typen. Zweibeinige Wölfe sind das, deren Halfter so tief geschnallt sind, dass man sie schon von weitem als Revolvermänner erkennen kann. Ein deutliches Zeichen dafür, dass der Händler mit seinen Warnungen recht hat.
Jim spürt die Blicke der Gunman in seinem Rücken, als er weiter reitet. Er weiß, dass ihn die Burschen genau taxiert haben. Er muss sich also in Acht nehmen.
Drüben beim Mietstall entdeckt Jim zwei Jungs, die miteinander raufen. Auf sie hält er zu. Die Jungs unterbrechen ihre Balgerei und blicken den großen blonden Mann erstaunt und ängstlich zugleich an.
»Ich suche einen Anwalt namens Fisher«, sagt Jim zu den beiden Jungs. »Ihr wisst doch bestimmt, wo der wohnt, oder?«
Es dauert einige Sekunden, bis sich einer von den beiden zu einer Antwort aufrafft. Er gerät ins Stottern, als er fast hypnotisch auf Jims Revolverhalfter starrt. Kein Zweifel, er hält Jim für einen dieser Gunmen, die überall herumlungern. Sein Blick ist eine Mischung aus Furcht und Respekt.
»Drüben die Straße runter. Das letzte Haus auf der linken Seite, Mister.«
Jim nickt den beiden Jungs freundlich zu, möchte damit ihre Furcht vertreiben. Aber das gelingt ihm nicht. Ein weiteres Zeichen dafür, dass sich in Wilbur City etwas verändert hat. Etwas Entscheidendes:
Vor dem Haus des Anwalts zügelt Jim seinen Hengst, steigt ab, bindet die Zügel um den Pfosten. Dann betritt Jim ein karg eingerichtetes Büro. Ein älterer Mann im dunklen Anzug mustert ihn misstrauisch von Kopf bis Fuß. Jim erkennt sofort an den Blicken des Mannes, dass er ihn für einen Revolverschwinger hält.
»Sind Sie Anwalt Fisher?«, fragt Jim freundlich.
Der Mann nickt und schaut Jim abwartend an.
»Mein Name ist Jim Donegan«, stellt sich Jim dann vor und zieht das Telegramm hervor, das er von Miller bekommen hat. »Mir wurde mitgeteilt, dass Sie nach mir suchen. Nun, hier bin ich.«
Zuerst zeichnet sich maßloses Erstaunen in der Miene des Anwalts ab. Er braucht einige Sekunden, um diese Überraschung zu verdauen. Dann geht er auf Jim zu, ergreift dessen, Hand und schüttelt sie.
»Jim Donegan! Ich hatte es schon aufgegeben, Sie zu finden. Wissen Sie eigentlich, was hier los ist?«
»Nichts Genaues«, erwidert Jim. »Aber ich habe schon erfahren, dass man meinen Onkel hinterrücks erschossen haben soll. Wie ist das passiert, Mr. Fisher?«
»Das weiß keiner«, entgegnet der Anwalt. »Man hat Gil Flasher eines Morgens auf der Westweide gefunden, mit einer Kugel im Rücken. Von dem Heckenschützen fehlt jede Spur. Donegan, Sie ahnen ja gar nicht, wie sehr ich auf Sie gewartet habe. Die Longhorn-Ranch ist drauf und dran, unter den Hammer zu kommen. Wenn das so weiter geht, dann …“
»Was?«, entfährt es Jim. »Onkel Gil hatte doch eine gutgehende Ranch, Mr. Fisher. Was ist geschehen, dass sich auf einmal alles geändert hat?«
»Mit dem Tod Ihres Onkels ging es bergab, Donegan«, berichtet der Anwalt. »Plötzlich wurden Longhorn-Rinder gestohlen, und die Cowboys waren machtlos. Zwar hat der Vormann Toddy Taylor versucht, diesen Rustlern auf die Schliche zu kommen, aber dabei hat es eine Schießerei und Tote gegeben. Seitdem haben einige der Cowboys die Ranch verlassen, weil sie Angst haben, umgebracht zu werden. Und mit den wenigen Männern, die dem Vormann noch geblieben sind, ist eine reibungslose Überwachung sämtlicher Rinder unmöglich.«
»Klingt nicht gerade erfreulich. Was hat denn der Sheriff unternommen?«
»Was draußen auf der Weide vorgeht, ist nicht sein Bier. Er hat hier in Wilbur City genug zu tun. Von offizieller Seite dürfen Sie keine Hilfe erwarten, Donegan. Aber ich denke, dass Sie das auch nicht nötig haben werden. Schließlich sind Sie doch …« Er bricht ab, als ihm bewusst wird, was er gerade sagen wollte.
»… Arizona-Jim, yeah«, vollendet. Jim die Gedankengänge des Anwalts. »Sie meinen, das reicht wohl aus, um hier für Ordnung zu sorgen? Dass ich eigentlich hierherkam, um Ruhe zu finden, auf diesen Gedanken sind Sie noch gar nicht gekommen, wie?«
Jim ist wütend, dass man ihn für einen Gunslinger hält, der alles schön regeln wird. Schließlich ist das nicht sein Kampf.
Fisher wendet sich ab und kramt in einer Schublade, nimmt ein Dokument heraus und zeigt es Jim.
»Lesen Sie sich das genau durch, ehe Sie unterschreiben«, erklärt Fisher. »Dann sind Sie der rechtmäßige Besitzer der Longhorn-Ranch.«
Während Jim den Text überfliegt, denkt er über alles Mögliche nach. Eigentlich ist er nach Wilbur City gekommen, um Frieden zu finden und die Vergangenheit zu vergessen. Aber so einfach, wie er sich das vorgestellt hat, ist das wohl nicht möglich. Was soll er nun tun? Auf alles verzichten und wieder auf den rauen Trail gehen? Oder hierbleiben und herausfinden, wer Gil Flasher auf dem Gewissen hat?
Du wärst ein Lump, wenn du das nicht tätest, Jim Donegan, meldet sich eine Stimme tief in seinem Innern. Das ist das mindeste, was du ihm schuldest.
Jim nickt schließlich und setzt seinen Namen unter das Papier. Er ahnt zu dieser Stunde noch nicht, was er mit dieser Unterschrift bewirkt hat.
»Mr. Donegan, damit sind Sie jetzt der rechtmäßige Besitzer der Longhorn-Ranch«, erklärt der Anwalt und gratuliert ihm.
*
Als Jim seinen Morgan-Hengst vor dem Crystal Palace zügelt und absteigt, sind diese verwahrlosten Burschen immer noch da. Das Einzige, was an ihnen einen gepflegten Eindruck macht, sind die tief geschnallten Revolverhalfter. Dass sich ihre Blicke auf Jim heften, ist ganz klar. Aber der große Mann macht sich nichts daraus. Er geht auf den Saloon zu, stößt die Schwingtüren beiseite und betritt das Etablissement. Auch hier hat sich nichts geändert. Die Einrichtung ist immer noch dieselbe geblieben. Nur hinter der Theke steht ein glatzköpfiger Bursche, den Jim noch nie zuvor gesehen hat. Der Kerl hat Jim entdeckt und legt sofort den schmutzigen Lappen beiseite, mit dem er eben noch über den Tresen gewischt hat. Neugierig mustert er den Ankömmling.
»Einen Whiskey«, sagt Jim, »einen doppelten!«
Der Glatzkopf nickt, greift hinter sich ins Regal und nimmt eine Flasche Bourbon heraus, gießt ein Glas voll und stellt es vor Jim hin. Der fingert in seiner Jackentasche nach einem Geldstück und legt es auf die polierte Theke. Dann hebt er das Glas und will gerade trinken, als sein Blick zufällig auf eine Tür fällt, die in die hinteren Räume des Saloons führt. Zwei Männer kommen gerade heraus, und einen von ihnen kennt Jim.
»Ward Curtin!«, ruft er mit ehrlicher Überraschung und erreicht dadurch, dass ihn auch der andere erblickt. Es ist ein gut gekleideter Mann mit dunklen Haaren und einem Oberlippenbart. Der Bursche, der sich in seiner Begleitung befindet, taxiert Jim misstrauisch.
»Ich glaube, ich träume«, sagt der Mann lächelnd. »Jim Donegan! Bist du es wirklich?«
Er geht auf Jim zu, streckt die Hand aus und drückt Jims Rechte. »Wir haben uns ja eine halbe Ewigkeit lang nicht mehr gesehen, Jim«, sagt Ward Curtin. »Zuletzt war das wohl bei Bull Run, oder?«
»Du hast recht, Ward«, antwortet Jim und erinnert sich an den furchtbaren Kanonendonner der Schlacht von Bull Run. Er und Ward Curtin haben damals auf der Seite der Konföderierten gekämpft und genauso wie viele andere erkennen müssen, dass dieser unsinnige Kampf nur Tausende von Menschenleben gekostet hat. Nach der Schlacht haben sie sich dann aus den Augen verloren. Und nun hat das Schicksal sie beide nach Wilbur City verschlagen. Ob das wirklich noch ein Zufall ist?
»Der Bourbon geht selbstverständlich auf meine Rechnung«, sagt Ward Curtin und signalisiert dem Kerl in seiner Begleitung, sich zu verziehen. Jim entgeht diese Geste natürlich nicht. »He, Fred!«, ruft Curtin dem Keeper zu. »Gieß mir auch einen doppelten Bourbon ein! Ich feiere Wiedersehen mit meinem alten Amigo Jim.«
Die Miene des Keepers bleibt ausdruckslos, als er ein Glas füllt und es vor Curtin abstellt. Der beachtet den Keeper gar nicht, sondern grinst Jim zu, als er sein Glas hebt.
»Trinken wir auf die alten Zeiten, Jim. Was wir damals alles durchgemacht haben …«
»Ja«, sagt Jim, stößt mit Curtin an und lässt den scharfen Alkohol die ausgetrocknete Kehle hinunter rinnen. Dann setzt er das Glas ab und schaut seinen alten Kampfgefährten an. Curtins Anzug muss eine Menge Geld gekostet haben.
»Nun sag mal, welcher Zufall dich nach Wilbur City verschlagen hat, Jim? Schließlich habe ich mit allem gerechnet, nur nicht mit dir.«
»Ich bin hier aufgewachsen«, erwidert Jim zu Curtins Überraschung. »Und du weißt doch, irgendwann kommt einmal der Moment, wo man wieder nach Hause will. Verstehst du?«
»Sicher, Jim«, erwidert Curtin und deutet dem Keeper an, die Gläser noch einmal zu füllen. »Ich bin’ s auch leid, von einem Ort zum anderen zu reisen. Deshalb will ich mich hier sesshaft machen. Und wenn du hier aufgewachsen bist, dann kennst du bestimmt die Cross-Ranch. Sie gehört jetzt mir.«
»Die Cross-Ranch?«, wiederholt Jim erstaunt. »Gehörte sie nicht dem alten Whitmore?«
»Das war mal, Jim«, klärt ihn Curtin auf. »Vor gut einem Jahr hat er sie mir verkauft, und nun bin ich Rancher geworden. Und das lohnt sich.«
»Dann sind wir ja gewissermaßen Nachbarn«, sagt Jim und nippt an seinem Glas, »Ich bin nämlich nach Wilbur City gekommen, um das Erbe meines Onkels Gil Flasher anzutreten.«
Curtin blickt Jim über den Rand seines Glases hinweg in einer Art an, als könne er nicht glauben, was er da gehört hat.
»Du bist Gil Flashers Neffe?«, fragt er, um sicher zu gehen.
»Ich kann mir vorstellen, wie überrascht du bist, Ward«, antwortet Jim. »Mir wurde telegrafiert, dass mein Onkel gestorben ist. Kurze Zeit später erfuhr ich dann, dass er erschossen wurde. Weißt du was darüber, Ward?«
»Ich weiß überhaupt nichts«, gibt Curtin mit leiser Stimme zurück, »Jim, dein Onkel und ich sind zwar Nachbarn gewesen, aber die besten Freunde waren wir nicht gerade. Du wirst es erfahren, wenn du länger hier bist. Ich denke nur, ich bin es dir der alten Freundschaft zuliebe schuldig, wenn du es aus meinem Mund erfährst, und nicht von anderen.«
Eben noch war Curtin froh, Jim wiederzusehen. Aber diese Freude hat sich seltsamerweise in eine eigenartige Reserviertheit verwandelt. Und das stimmt Jim sehr nachdenklich.
»Es wird Zeit für mich, zur Ranch zu reiten, Ward«, sagt Jim nach einer Weile; »Es gibt noch so viel zu tun. Sehen wir uns bald wieder?«
»An mir soll’ s nicht liegen«, erwidert Curtin, lässt aber in seiner Stimme anklingen, dass die Tatsache, Jim als Erben der Longhorn-Ranch zu sehen, eine Menge zwischen ihnen ändert. »Viel Glück, Jim«, fügt er hinzu. »Denk an Bull Run.«
Jim nickt, verabschiedet sich und geht quer durch den Saloon. In dem Moment, als er die Schwingtüren aufstoßen will, kommt ihm der junge Bursche entgegen, der mit Ward aus dem Hinterzimmer herauskam. Jim schätzt ihn sofort als Revolverschwinger ein, der ihm einen verächtlichen Blick zuwirft, wie einer, der einen Rivalen wittert und zum Kampf bereit ist.
»Geh mir aus dem Weg!«, sagt Jim mit einer Stimme, die keinen Widerspruch duldet. Der Junge, der herausfordernd vor Jim steht, macht unwillkürlich einen Schritt zur Seite, weil er einen Blick in Jims Augen geworfen hat. Und das, was er darin sah, mahnte ihn zur Vorsicht.
»Komm her, Durango!«, hört Jim Curtins Stimme hinter sich. »Lass ihn in Ruhe!«
Das wirkt. Der Bursche gibt den Weg frei. Die Mittagshitze lastet auf Wilbur City, als Jim zu seinem Pferd geht. Verfolgt von den Blicken der übrigen Männer, die wohl auf Curtins Lohnliste stehen. Auch wenn es Ward Curtin nicht direkt ausgesprochen hat, so ahnt Jim doch, dass sein alter Freund diese Kerle mit ins County gebracht hat. Für einen Job als Cowboy taugen sie wirklich nicht, diese Männer vom schnellen Eisen. Aber weshalb sind sie dann überhaupt hier?
Jim weiß, dass Curtin ihm diese Antwort noch schuldig ist, als er in den Sattel steigt und Wilbur City verlässt. Und die Gunmen vor dem Crystal Palace schauen ihm so lange nach, bis Jim am Horizont verschwunden ist.
*
Die Longhorn-Ranch liegt zehn Meilen westlich von Wilbur City. Jim braucht nicht lange zu suchen. Der alte Postkutschenweg, der früher westlich an der Town vorbeiführte, ist Jim noch in guter Erinnerung. Er braucht ihm nur zu folgen.
Je näher er der Ranch kommt, um so nervöser wird Jim. Schließlich ist er lange Jahre nicht mehr hier gewesen. Gibt es überhaupt noch jemanden, der ihn kennt? Vielleicht der Vormann Toddy Taylor, der zu Onkel Gils Lebzeiten die Geschicke der Ranch leitete. Ob außer ihm noch andere dort anzutreffen sind? Oder wird Jim nur fremden misstrauischen Gesichtern begegnen?
Jim lenkt den Morgan-Hengst eine kleine Anhöhe hinauf. Dahinter liegt die Longhorn-Ranch. Er pariert das Pferd, um seine Blicke über das kleine Tai schweifen zu lassen, in dessen Mitte sich die Ranch befindet!
Als er den Hengst wieder antreiben und in die Senke reiten will, fällt plötzlich ein Schuss. Unwillkürlich hebt Jim den Kopf, während er nach seinem Revolver tastet. Der Schuss ist unten von der Ranch gekommen. Offensichtlich hat man sein Kommen bemerkt.- Aber muss man deshalb gleich schießen?
Seine Vermutungen bestätigen sich, als er sich den Corrals nähert und erkennt, dass sich keine Menschenseele zeigt. Ein eindeutiges Alarmsignal, das Jim zur Vorsicht mahnt.
Noch ehe er diesen Gedanken zu Ende gebracht hat, ertönt plötzlich eine laute Stimme drüben vom Ranchhaus her.
»Das ist weit genug, Stranger! Bleib stehen und rühr dich nicht, sonst bekommst du heißes Blei zu schmecken.«
Diese Stimme würde Jim unter Tausenden erkennen. Sie gehört Toddy Taylor, dem dickköpfigen Vormann. Aber warum diese unmissverständliche Drohung? Was, um Himmels willen, mag nur passiert sein, dass sich die Bewohner dieser Ranch jedem Fremden so misstrauisch zeigen?
»Ich habe ihn genau im Visier, Toddy!«, ruft jemand neben den Stallungen. Aus den Augenwinkeln erkennt Jim einen Burschen mit einer Schrotflinte, die unmissverständlich auf seinen Magen zielt.
»Was willst du auf der Longhorn-Ranch, Stranger?«, will der Vormann wissen. Gleichzeitig beobachtet Jim, dass hinter Taylor die übrigen Cowboys das Bunkhouse verlassen. Jeder von ihnen hat einen Revolver in der Hand und ist entschlossen, davon auch Gebrauch zu machen, wenn es sein muss. '
Himmel und Hölle, die Ranch ist ja ein Pulverfass, denkt Jim.
»Bist du stumm, Mister?«, herrscht Taylor ihn ungeduldig an. »Ich hab’ dich was gefragt.«
»Toddy, habe ich mich so verändert, dass du mich nicht mehr erkennst?«, gibt Jim gelassen zurück. »Oder weißt du wirklich nicht mehr, wer ich bin?«
Der Vormann horcht auf, als er Jim reden hört. Ungläubiges Erstaunen huscht über das graubärtige Gesicht.
»Das kann doch nicht wahr sein«, sagt Taylor, und lässt den Lauf seiner Flinte sinken. »Jimmyboy! Bist du es wirklich?«
»Vom Scheitel bis zur Sohle, Toddy. Ich bin zurückgekommen, wie du siehst. Aber was in aller Welt ist denn hier los? Ich habe von Onkel Gils Tod in Agua Prieta erfahren und …«
»Nehmt die Gewehre herunter, Jungs!«, ruft Taylor den Cowboys zu. »Es ist tatsächlich Jim Donegan. Himmel, wie ich mich freue, dass du endlich da bist, Junge.«
Der graubärtige Vormann geht auf Jim zu, der vom Pferd gestiegen ist, und drückt ihn stürmisch an sich.