Die Forts am Bozeman Trail 06: Der Hayfield Kampf - Alfred Wallon - E-Book

Die Forts am Bozeman Trail 06: Der Hayfield Kampf E-Book

Alfred Wallon

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Beschreibung

Dies ist da sechste Buch in der Serie Die Forts am Bozeman Trail Nolan Dobbs und seine Kumpane sind nach Denver gekommen. Sie haben gehört, dass die Menschen im Colorado-Territorium Geld für jeden Skalp eines getöteten Sioux oder Cheyenne bezahlen. Dobbs verspricht den Leuten in Denver, dass er mit seinen Männern diesen blutigen Job gut und schnell erledigen wird. Sie töten bald darauf die ersten Indianer und erbeuten deren Skalpe. Aber schon bald werden sie entdeckt und fliehen nach Fort C. F. Smith. Jetzt glauben Dobbs und seine Kumpane, erst einmal in Sicherheit zu sein. Sie haben sich jedoch gründlich getäuscht. Denn nur wenige Tage später greifen die Cheyenne ein Camp in der Nähe des Forts an. Die Printausgabe umfasst 242 Buchseiten Eine Exklusive Sammlerausgabe des Titels als Taschenbuch können Sie nur direkt über den Versabdshop des Blitz-Verlages beziehen.

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Die Forts am Bozeman Trail

In dieser Reihe bisher erschienen

3201 Alfred Wallon Blaurock-Patrouille

3202 Alfred Wallon Der Sioux-Killer

3203 Alfred Wallon Gebrochene Verträge

3204 Alfred Wallon Das Fetterman-Massaker

3205 Alfred Wallon Fort Phil Kearny in Gefahr

3206 Alfred Wallon Der Hayfield Kampf

Alfred Wallon

Der Hayfield Kampf

Diese Reihe erscheint in der gedruckten Variante als limitierte und exklusive Sammler-Edition!Erhältlich nur beim BLITZ-Verlag in einer automatischen Belieferung ohne ­Versandkosten und einem Serien-Subskriptionsrabatt.Infos unter: www.BLITZ-Verlag.de© 2021 BLITZ-VerlagRedaktion: Jörg KaegelmannTitelbild: Rudolf Sieber-LonatiUmschlaggestaltung: Mario HeyerIllustrationen: Wiktoria Matynia/123RF.comSatz: Harald GehlenAlle Rechte vorbehaltenISBN 978-3-95719-336-0Dieser Roman ist als Taschenbuch in unserem Shop erhältlich!

Kapitel 1: Aufgebot des Bösen

29. Juni 1867

Denver, Colorado

Am späten Vormittag gegen 11:30 Uhr

„Wo willst du hin, Vater?“

Man konnte Mary Anne Perkins ansehen, dass sie sehr nervös war. Sie stellte sich ihrem Vater in den Weg, weil sie verhindern wollte, dass er an dieser Versammlung in der Town Hall von Denver teilnahm.

„Lass mich durch, Mary Anne!“, verlangte Luther Dawson mit gereizter Stimme. „Ich habe dem Bürgermeister und dem Stadtrat versprochen, dass ich daran teilnehmen werde. Schau mich nicht so erstaunt an – du weißt doch, dass das sein muss! Oder hast du vergessen, was letzten Winter geschehen ist?“

Mary Anne strich sich mit einer fahrigen Handbewegung eine widerspenstige schwarze Haarsträhne aus der Stirn.

„Glaubst du wirklich, ich hätte Ethan schon vergessen, Pa?“, fragte sie ihn. „Aber man kann Gewalt trotzdem nicht mit Gewalt beantworten. Überlasst es doch besser der Armee, das zu regeln.“

„Die Armee!“ Dawsons Stimme hatte einen verächt­lichen Tonfall angenommen. „Wenn wir uns darauf verlassen, dann werden diese roten Teufel weiter ungehindert morden. Das darf und wird niemand dulden. Es ist zu viel in den letzten beiden Monaten geschehen. Die Sioux und Cheyenne haben sogar abgelegene Farmen angegriffen, die sich im Colorado-Territorium befinden. Der Krieg geht schon lange nicht mehr nur um das Wegerecht am Bozeman Trail. Und wenn du nicht ganz blind und taub bist, dann müsstest du das eigentlich wissen.“

„Ihr plant, das Gesetz in eure eigenen Hände zu nehmen, Pa – und ihr wollt sogar Mörder anheuern, die für euch töten“, warf sie ihm stattdessen vor. „Ich habe dich bisher immer für einen gläubigen Menschen gehalten. Willst du so etwas wirklich unterstützen?“

Im ersten Moment wollte Luther Dawson seine Tochter einfach beiseitestoßen. Aber dann überlegte er es sich anders und sah sie sehr lange und nachdenklich an.

„Ich bin gespannt, was Ethan dazu gesagt hätte, wenn er jetzt noch am Leben wäre, Mary Anne“, sagte er. „Die roten Bastarde haben nicht nur ihn auf dem Gewissen, sondern viele andere Weiße ebenfalls. Es wird Zeit, dass ihnen jemand Einhalt gebietet. Und wenn die Armee dazu nicht in der Lage ist, dann müssen sich eben andere darum kümmern. Mit Methoden, die auch Erfolg versprechen. Und jetzt gib den Weg frei, sonst ...“

Er sprach diesen Satz bewusst nicht zu Ende. Aber man konnte ihm ansehen, dass er sich von nichts und niemandem aufhalten lassen würde. Auch nicht von seiner eigenen Tochter. Mary Anne musste das schließlich akzeptieren und gab ihrem Vater den Weg frei. Mit gemischten Gefühlen beobachtete sie anschließend vom Fenster aus, wie er die belebte Straße überquerte und dann zur Town Hall ging.

Zu dieser Vormittagsstunde herrschte schon ein geschäftiges Treiben in Denver. Die Stadt hatte große Ambitionen, Hauptstadt dieses Territoriums zu werden. Es gab jede Menge Geschäftsleute und einflussreiche Politiker, die diese Bestrebungen unterstützten und an dieser zukünftigen Entwicklung natürlich auch verdienen wollten.

Mary Anne hatte sich jedoch selbst nach einem halben Jahr immer noch nicht an diese Stadt gewöhnt. Sie fühlte sich heimatlos und verlassen. Ihre Gedanken kehrten öfters zurück zu dem Tag, an dem ihr Mann Ethan große Versprechungen gemacht und von einer goldenen Zukunft in Montana gesprochen hatte.

Dieser Traum hatte sich jedoch ganz schnell und auf sehr dramatische Weise zerschlagen. Auf dem Weg ins Goldland waren Mary Anne, Ethan und ihr Vater in einen Hinterhalt der Sioux geraten, und Ethan war durch einen Indianerpfeil so schwer verletzt worden, dass er nur einen Tag später auf der Horseshoe Station starb. Ohne jemals eine Chance auf professionelle ärztliche Hilfe gehabt zu haben.

Schweren Herzens hatten Mary Anne und ihr Vater Ethan dort begraben müssen und waren später unter dem Schutz der Armee nach Fort Laramie zurückgekehrt. Von dort aus waren sie weitergezogen bis nach Denver. Mit dem wenigen Geld, das ihr Vater noch besessen hatte, hatte er ein kleines Haus für sie beide gemietet. Er selbst hatte einen Job in der Stadtverwaltung bekommen – trotz seines Alters. Aber er hatte Erfahrung mit Zahlen und Kontenführung, so dass man ihn sofort genommen hatte.

Luther Dawson war schon immer ein Mann gewesen, der ganz schnell andere für sich vereinnahmen konnte. So war es ihm gelungen, sich in kürzester Zeit einen guten Freundeskreis aufzubauen. Man schätzte seine Ratschläge und lud ihn auch gerne zu offiziellen Veranstaltungen ein.

Als der Bürgermeister schließlich angesichts der bedrohlichen Lage durch marodierende Indianerbanden beschloss, Geld zu sammeln und Männer anzuheuern, die das Problem rasch beseitigen sollten, hatte Mary Annes Vater diesen Vorschlag sofort unterstützt und seine Ideen mit eingebracht. Das hatte schließlich dazu geführt, dass heute eine Entscheidung getroffen werden sollte.

Allein der Gedanke, dass ihr Vater seinen Teil dazu beitrug, dass gedungene Mörder schon bald auf Skalpjagd gehen würden, ließ sie kaum noch Schlaf finden. Immer wieder hatte sie auf ihn eingeredet und ihn inständig gebeten, sich nicht an diesem Mordaufruf zu beteiligen. Aber bisher war sie immer auf taube Ohren und völliges Unverständnis gestoßen – und nun wusste sie, dass die Dinge ohnehin schon ins Rollen gekommen waren. Denn heute früh waren sieben Männer in die Stadt gekommen. Männer, denen man sofort ansehen konnte, dass sie mit ihren Revolvern gut umgehen konnten und nicht an ehrlicher, harter Arbeit interessiert waren.

Sie zuckte zusammen, als sie bemerkte, wie eben diese Männer gerade aus dem Saloon kamen, sich kurz auf der Straße umschauten und dann ebenfalls hinüber zur Town Hall gingen. Was sie vorhatten, das ahnte Mary Anne.

„Gütiger Gott“, murmelte sie und faltete die Hände zu einem Gebet. „Lass es nicht zu, dass noch mehr Blut fließt ...“

Aber an diesem Vormittag schien Gott ihre Bitte nicht zu erhören. Eine Gänsehaut strich ihr über den Rücken, als einer der Männer zufällig hinüber zur anderen Straßenseite schaute, wo sie am Fenster stand. Mary Anne kam es so vor, als wenn er sie beobachtete. Deshalb zog sie instinktiv schnell den Vorhang zu. Zum Glück bemerkte sie nicht mehr das abfällige Grinsen des stoppelbärtigen Mannes, der die Bewegung am Fenster natürlich mitbekommen hatte. Sonst hätte sie nämlich erkennen können, dass es diesem Mann und seinen Kumpanen offensichtlich sehr gefiel, dass sich andere vor ihnen ängstigten.

Luther Dawson war einer der Letzten, die den großen Versammlungssaal in der Town Hall betraten. Er nickte einigen Geschäftsleuten freundlich zu und wählte einen Platz in der Nähe des Bürgermeisters, den er natürlich auch freundlich anlächelte und dann voller Spannung auf das wartete, was im Vorfeld bereits in der Öffentlichkeit durchgesickert war.

„Gentlemen, ich freue mich außerordentlich, dass Sie so zahlreich erschienen sind!“, begrüßte Bürgermeister ­Milton DeLano die Anwesenden. „Einige von Ihnen ­wissen es ja schon – deshalb denke ich, dass wir nicht lange brauchen werden, um einen entsprechenden Beschluss zu fassen und ihn dann auch zügig umzusetzen. Mister Todd“, wandte er sich an den Bankier der Stadt. „Wie hoch ist der Betrag, der mittlerweile gesammelt wurde?“

Lewis Todd erhob sich vom Stuhl, räusperte sich kurz und blickte dann in die Runde.

„Ich bin erleichtert, Ihnen allen mitteilen zu können, dass bereits 4.500 Dollar an Spenden eingegangen sind. Sowohl in kleineren als auch größeren Beträgen. Aber ich denke, 5.000 Dollar ist doch ein viel besserer Betrag. Wer von Ihnen ist gewillt, noch etwas beizutragen?“

Er blickte sich um und sah, dass einige Männer ihre rechte Hand hoben. Auch Luther Dawson gehörte zu ihnen.

„Zehn Personen also“, fuhr Todd fort. „Wären fünfzig Dollar für jeden machbar?“ Er wartete einen Moment, bis er eine entsprechende Zustimmung erkannte. „Vielen Dank. Das macht die ganze Sache leichter. Ich denke, wir können dann noch heute bereits die ersten konkreten Maßnahmen in die Wege leiten ...“

Der Bankier hielt einen kurzen Augenblick inne und gab einem seiner Angestellten ein Zeichen, zur Tür des Saals zu gehen. Während dies geschah, zog Todd wieder die Aufmerksamkeit auf sich, als er weitersprach.

„Sie alle haben von diesem entsetzlichen Massaker an Captain Fetterman und seinen Soldaten gehört, oder?“ Er bemerkte, wie alle Anwesenden das mit einem Nicken bestätigten. „Viele gute Männer sind von diesen roten Barbaren massakriert worden. Mütter haben ihre Söhne verloren. Und was unternimmt die Armee gegen diese unzumutbaren Zustände? Sie lässt sich von diesen Wilden in die Enge treiben und einschüchtern. Nein – so etwas darf kein Zustand sein, der von Dauer ist.“

Er hielt einen kurzen Moment inne und wartete ab, bis sein Mitarbeiter die Tür geöffnet hatte.

„Deshalb habe ich in enger Absprache mit dem Bürgermeister und dem Stadtrat beschlossen, diese Spende sinnvoll einzusetzen. Gentlemen, darf ich Ihnen Nolan Dobbs und seine Leute vorstellen? Sie sind heute früh zum Glück noch rechtzeitig angekommen, um an dieser Versammlung teilzunehmen. Treten Sie ruhig näher, Mister Dobbs!“

Luther Dawson hatte sich ebenfalls umgedreht und sah, wie die Männer jetzt den Raum betraten. Der Anführer war groß und hager. Seine Gesichtszüge wirkten bleich, und die ausgeprägten Wangenknochen und das spitze Kinn ließen ihn aussehen wie jemanden, der von einer Krankheit ausgezehrt wurde. Eisgraue Haare fielen ihm bis über den Kragen seines verwaschenen Hemdes und ließen ihn älter aussehen, als er vermutlich war.

Auch seine Begleiter – sechs an der Zahl – wirkten gefährlich und irgendwie einschüchternd. Sie sagten und taten gar nichts, sie kamen einfach nur in den Raum und ließen die anwesenden Stadtbewohner mit ihren Blicken spüren, dass man sich besser vor ihnen in Acht nahm, wenn man unnötigen Ärger vermeiden wollte.

„Mister Dobbs und seine Leute haben dem Stadtrat ihre Dienste angeboten“, ergriff nun Bürgermeister DeLano das Wort. „Sie haben uns im Vorfeld zugesagt, das Indianerproblem auf ihre Art zu lösen. Mister Dobbs, vielleicht wollen Sie an paar Worte an die anwesenden Bürger richten ...?“

Der Angesprochene trat einen Schritt nach vorn. Seine Augen blieben dabei völlig kalt.

„Sie machen sich Sorgen wegen dieser roten Teufel“, begann er seine Rede. „Nun, meine Leute und ich werden dafür sorgen, dass diese verfluchten Sioux und Cheyenne zukünftig einen weiten Bogen um die Region Denver machen werden ...“

Um seinen Worten einen nachhaltigen Ausdruck zu verleihen, zog er mit einer blitzschnellen Bewegung seinen Revolver aus dem Holster.

„Das ist die einzige Sprache, die diese Heiden überhaupt verstehen“, meinte er anschließend. „Wir werden für klare Verhältnisse sorgen – darauf gebe ich Ihnen mein Wort. Und damit Sie auch wissen, dass Ihr Geld gut angelegt ist, möchte ich Ihnen die Leute vorstellen, die für Sie die Kastanien aus dem Feuer holen ...“

Er winkte die Männer einen nach dem anderen nach vorn und stellte sie einzeln vor.

„Dieser blonde und kräftige Bursche ist mein Bruder Luke. Er hat einige Jahre als Scout für die Armee unten in Arizona gearbeitet. Dort hat er Tiburcio Vasquez kennengelernt – das ist der Mexikaner neben Luke. Täuschen Sie sich nicht in ihm. Er mag zwar noch verhältnismäßig jung sein, aber er hat schon seine Erfahrungen mit den Apachen gesammelt und kann mit dem Messer sehr gut umgehen. Neben ihm steht Otis Cannon, und der etwas kleinere Mann an seiner Seite ist sein Freund Danny Hutchins. Die beiden haben in der Alder Gulch in Montana gearbeitet und wissen, was es heißt, zu kämpfen, wenn man in einer rauen Umgebung überleben will. Und dann wären da noch Will Huber und Pete Boone. Jeder von ihnen kann verdammt gut schießen und weiß sich seiner Haut zu wehren. Wir alle werden unser Bestes tun, um die Roten das Fürchten zu lehren.“

Er hatte das mit solcher Überzeugung ausgesprochen, dass es keinen einzigen Menschen unter den anwesenden Stadtbewohnern gab, der an diesen Worten gezweifelt hätte. Auch Luther Dawson war felsenfest davon überzeugt, dass Bürgermeister DeLano, der Bankier Dobbs und die anderen Mitglieder des Stadtrates eine praktikable Lösung gefunden hatten.

„Solche Worte hören wir gern, Mister Dobbs“, sagte DeLano, trat einen Schritt auf Dobbs zu und schüttelte dessen Hand. So schnell, dass Dobbs diese spontane Geste nicht zurückweisen konnte. Aber Dawson bemerkte, dass Dobbs’ Miene kalt blieb. Für ihn war das nichts anderes als ein Geschäft – und keine spontane Verbrüderung mit Menschen, die er und seine Leute gar nicht kannten.

„Wir wollen die 5.000 Dollar vorab“, forderte Dobbs. „Und sollten es mehr Skalpe werden, dann verlangen wir für jeden Skalp mit Ohren fünfundzwanzig Dollar.“

Er sprach das so selbstverständlich aus, als ginge es hier nicht um das geplante Morden von Menschen, sondern lediglich um eine zusätzliche Prämie, die als Anreiz dienen sollte, damit sich der Job noch mehr auszahlte.

„Aber wie ... wie sollen wir das denn überprüfen, Mister Dobbs?“, gab der Bankier zu bedenken und schaute dabei zu Bürgermeister DeLano.

„Sie können das dann alles nachzählen“, erwiderte Dobbs. „Wir werden die Skalpe sammeln und sie mit zurück nach Denver bringen. Was Sie anschließend damit machen, ist Ihre Sache. Sonst noch Fragen?“

Er fragte das bewusst so provozierend, damit niemand von den anderen Stadtbewohnern wagte, irgendwelche Bedenken zu äußern. Er schaute während dieser Frage grinsend in die Runde und nickte schließlich zufrieden.

„Gut, dann haben wir ja alles besprochen, Mister DeLano“, meinte er abschließend. „Zahlen Sie uns den Betrag aus, und wir reiten noch heute in Richtung Bozeman Trail.“

„Mister Todd wird das übernehmen“, sagte der Bürgermeister. „Gehen Sie mit ihm zur Bank. Er wird Ihnen das Geld gegen eine Quittung mit Unterschrift auszahlen. Es soll ja auch alles seine Ordnung haben. Das verstehen Sie doch sicher, oder?“

„Natürlich“, erklärte Dobbs nickend. „Wenn Sie wollen, können wir auch einen schriftlichen Vertrag über unser Abkommen schließen. Das liegt ganz an Ihnen ...“

Der Bankier forderte Dobbs und seine Leute mit einer einladenden Geste auf, ihm zur Bank zu folgen, und das taten die Männer dann auch. Ihnen entgingen nicht die Blicke der anderen Stadtbewohner. Für viele von ihnen war das vermutlich die erste Begegnung mit Männern wie Nolan Dobbs. Denver war mittlerweile eine strategisch wichtige Ansiedlung im Colorado-Territorium geworden, und vieles sprach dafür, dass Denver bald zur Hauptstadt ernannt werden würde. Umso wichtiger war es deshalb, dass von dieser Stadt Impulse ausgingen, die für Recht und Ordnung sorgten. Und manchmal heiligte der Zweck die Mittel!

„Verdammt, warum dauert das denn so lange?“, brummte Luke Dobbs und schob sich seinen breitkrempigen Hut in den Nacken. „Mir gefällt es hier nicht. Diese Leute schauen uns an, als kämen wir aus einer völlig anderen Welt.“

„Lass sie doch, Luke“, meinte Tiburcio Vasquez abwinkend. „Geld stinkt nicht, Amigo. Nur darauf kommt es an. Für entsprechend viel Geld würde ich sogar an einem Bibelabend teilnehmen und ganz laut alle meine Sünden bereuen ...“

Er sagte das, weil er nur zwei Häuser weiter ein Schild mit dem Hinweis auf die wöchentliche Bibelstunde in der Methodistenkirche entdeckt hatte, zu der jeder herzlich eingeladen war. Der Gedanke daran, dass er wie ein Fremdkörper inmitten der gläubigen Gemeinde hocken und mit ihnen beten würde, entlockte ihm ein abfälliges Lächeln.

„Ich nicht“, sagte der aschblonde und breitschultrige Otis Cannon. „Mein Pa war Laienprediger drüben in Tennessee. Er hat mich jedes Mal verprügelt, wenn ich einen Bibelvers nicht schnell genug aufsagen konnte. Eines Tages habe ich ihm gezeigt, was ich davon halte, und ihm eins aufs Maul gegeben. Anschließend bin ich auf und davon.“

„Vielleicht predigt er heute auch noch“, meinte Danny Hutchins und erntete für diese Bemerkung einen kritischen Blick seines Kumpans.

„Das ist mir scheißegal, Danny“, brummte Cannon. „Ich habe ihn seitdem nicht mehr gesehen, und ich bin auch nicht scharf drauf, dass er mir noch einmal über den Weg läuft. Nachdem Ma schon vor mir abgehauen ist, war es auch Zeit für mich. Vielleicht ist er auch schon tot und begraben und ist jetzt bei den gütigen Engeln, von denen er immer gepredigt hat ...“

„Da kommt Nolan ja endlich!“, unterbrach der deutschstämmige Will Huber seine beiden Kumpane. „Dann können wir wenigstens bald losreiten ...“

Huber ließ mit seinen Blicken keinen Zweifel daran, wie unwohl er sich in dieser Stadt fühlte. Vor mehr als zehn Jahren war er aus Deutschland mit einer Gruppe Auswanderer nach Amerika gekommen und hatte versucht, sich als Schmied zu betätigen. Aber nach einigen unglücklichen Versuchen hatte er rasch erkennen müssen, dass es schnellere Wege gab, um an Geld zu kommen. Nachdem er durch Wegelagerei zu seinen ersten Dollars gekommen war, beschritt er diesen Weg konsequent weiter. Seit einem guten halben Jahr ritt er nun mit Nolan Dobbs und dessen Leuten. Und das hatte sich bis jetzt für ihn ausgezahlt. Grund genug also, sich keine Gedanken mehr darüber zu machen, inwieweit man Recht von Unrecht unterscheiden sollte.

„Alles erledigt, Männer!“, rief ihnen Dobbs zu, während er die Straße überquerte. „Wir decken uns da drüben im General Store noch mit Vorräten und Munition ein, und dann können wir endlich losreiten. Ich habe diesen Todd noch davon überzeugen können, dass unsere Einkäufe von der Denver City Bank übernommen werden. Also sollten wir das auch in Anspruch nehmen!“

„Die bist ein gewiefter Geschäftsmann, Nolan“, meinte Pete Boone, der Jüngste in Dobbs’ rauer Mannschaft. Boone hieß alles gut, was Dobbs plante und unternahm. Er war ihm dankbar dafür, dass ihn Dobbs vor einem halben Jahr vor dem Galgen gerettet und ihm eine Chance gegeben hatte. Seitdem ging Boone für ihn durchs Feuer und hielt ihm bei jeder Gelegenheit den Rücken frei. Er wusste zwar, dass sich die anderen Kumpane hin und wieder darüber lustig machten, aber das interessierte Pete Boone nicht. Nolan Dobbs war sein persönlicher Held – und ihm hatte er absolute Treue geschworen.

„Pass auf die Pferde auf, Pete“, sagte Dobbs zu ihm, während er den anderen ein Zeichen gab, ihm zu folgen. Er drehte sich zu Boone nicht mehr um, weil er wusste, dass der Junge jeden Befehl strikt ausführte und sich noch nie darüber beklagt hatte.

Wenige Augenblicke später betrat Dobbs als Erster den General Store. Hinter einer wuchtigen Ladentheke aus Eichenholz stand ein grauhaariger Mann, der gerade ein älteres Ehepaar bediente. Beim Eintreten der fremden Männer zuckte die Frau kurz zusammen und zog am Jackenärmel ihres Mannes. Ihre Blicke sprachen Bände.

„Mister Todd hat gesagt, dass wir Kredit in Ihrem Laden haben!“, wandte sich Dobbs an den Storebesitzer. „Wir brauchen einige Vorräte und Munition für unsere Gewehre und Revolver. Ausreichend Munition – damit das klar ist!“

„Einen Augenblick bitte“, sagte der Mann hinter der Theke. „Ich bin gleich fertig und komme dann sofort zu Ihnen.“

„Ich fürchte, Sie haben nicht ganz verstanden, was ich gerade gesagt habe!“, erwiderte Dobbs, und seine Stimme ließ einen verärgerten Tonfall anklingen. „Wir brauchen die Waren jetzt sofort. Wir haben es nämlich eilig. Also, was ist jetzt?“

Während er das sagte, näherte sich seine rechte Hand nicht ganz zufällig dem Revolver, und das hatte der Storebesitzer jetzt auch gesehen. Er sagte etwas zu dem älteren Ehepaar, was Dobbs nicht hören konnte – aber das spielte auch keine Rolle. Denn jetzt wurden er und seine Leute endlich bedient.

„Am besten kommen Sie in einer halben Stunde nochmal wieder hierher“, sagte er zu dem Mann und der Frau. „Dann haben Sie noch genügend Zeit für Ihre Einkäufe. Ich finde, das ist ein vernünftiger Vorschlag ...“

„Natürlich“, beeilte sich der Mann zu sagen und hatte es sichtlich eilig, zusammen mit seiner Frau den Laden zu verlassen. Tiburcio Vasquez zog sogar galant seinen Hut vor den beiden und lächelte so freundlich, wie er nur konnte. Aber das bemerkte das ältere Ehepaar nicht, denn Dobbs und seine Leute hatten die beiden total verängstigt.

„Ich habe hier eine Liste mit den wichtigsten Dingen“, richtete Dobbs das Wort an den Storebesitzer, während er ein Papier auf die Theke legte, welches die Unterschrift des Bankiers trug. „Wie Sie sehen, ist alles in Ordnung. Also beeilen Sie sich bitte und packen alles ein, was da draufsteht!“

Das war keine Bitte, sondern ein Befehl – und der Mann wusste das. Seine Hände zitterten ein wenig, als er die Liste kontrollierte und dann alles auf der Theke stapelte. In der Zwischenzeit hatte Pete Boone eine bunte Zuckerstange aus einem der zahlreichen Gläser geholt und lutschte daran. Der Storebesitzer runzelte kurz darüber die Stirn, sagte aber nichts.

Schließlich war alles erledigt und in entsprechenden Säcken verstaut worden. Dobbs befahl seinen Männern, alles mitzunehmen, tippte abschließend noch an seinen Hut und ging als Letzter aus dem Store.

„Der Alte hat sich aus lauter Angst in die Hose geschissen“, meinte Will Huber mit einem breiten Grinsen. „Was für ein Feigling!“

Sein Grinsen erstarb, als er bemerkte, dass keiner seiner Kumpane darauf etwas zu erwidern hatte. Jeder von ihnen war damit zugange, die Säcke am Sattel festzuzurren und dann aufzusitzen. Nolan Dobbs war als einer der Ersten damit fertig und hob die rechte Hand.

„Reiten wir!“, rief er den Männern zu. „Höchste Zeit, dass wir unseren Job antreten. Die Treibjagd ist hiermit eröffnet!“

Insbesondere den letzten Satz hatte er besonders laut gesprochen, so dass es einige der Menschen, die mit etwas Abstand auf der gegenüberliegenden Straßenseite verharrten, deutlich hören konnten. Das nahm er aber nur beiläufig wahr, während er seinem Pferd die Zügel freigab.

Die anderen Männer folgten ihm und machten daraus ein besonders wildes Szenario, indem sie schrille Schreie ausstießen und sogar zwei Schüsse abfeuerten. Wenige Augenblicke später hatten sie die letzten Häuser der Stadt erreicht und tauchten in der Wildnis unter.

Mary Anne Perkins stand in der Tür und blickte den davonpreschenden Reitern mit gemischten Gefühlen hinterher. Sie hatte die letzten Worte des hohlwangigen, grauhaarigen Mannes klar und deutlich gehört. Er hatte von einer Treibjagd gesprochen. Der Gedanke, was er damit meinte, ließ Mary Anne keine Ruhe mehr.

Deshalb war sie sehr erleichtert, als sie ihren Vater endlich auf der anderen Straßenseite entdeckte und ihm zuwinkte. Er schien das aber nicht bemerkt zu haben und unterhielt sich zunächst noch mit dem älteren Ehepaar, das sich eben noch im General Store aufgehalten hatte, bevor die sechs Männer hereingekommen waren.

Endlich hatte er sein Gespräch beendet, überquerte die Straße und kam zurück zu dem kleinen Haus, das er zusammen mit seiner Tochter bewohnte. Sein Gesichtsausdruck war ungewöhnlich ernst, als er an Mary Anne vorbeiging.

„Was sind das für Männer gewesen, Pa?“, wollte sie wissen. „Sie wirkten sehr brutal und gewalttätig.“

Anstatt direkt eine Antwort darauf zu geben, entschied sich Luther Dawson dafür, zur Anrichte zu gehen, um sich erst einmal ein kleines Glas mit Whiskey einzugießen. Er trank die bernsteinfarbene Flüssigkeit in einem Zug aus, aber er schien sich danach nicht besser zu fühlen.

„Pa, ich habe dich etwas gefragt!“, hakte Mary Anne nochmals nach. „Was ist da drüben in der Town Hall geschehen – und was hat das mit diesen Männern zu tun, die eben aus der Stadt geritten sind? Einer von ihnen hat gerufen, dass die Treibjagd eröffnet ist. Was meinte er damit?“

„Ich habe fünfzig Dollar gespendet, Mary Anne“, sagte ihr Vater und stellte das Glas rasch beiseite. „Jedes Mitglied aus dem Stadtrat hat das getan. So haben wir wenigstens noch eine Summe von 5.000 Dollar erreicht. Das ist der Lohn dafür, dass diese Männer ihren Job machen.“

„Was für einen Job?“

„Willst du das wirklich wissen?“, fragte Dawson und ärgerte sich insgeheim über die Neugier seiner Tochter. „Im Grunde genommen solltest du mir und den anderen Männern des Stadtrates dankbar dafür sein, dass wir zügig handeln. Ja, das tun wir wirklich – und das musst du mir auch glauben ...“ Er hielt einen Moment inne, holte noch einmal tief Atem und fuhr dann fort. „Dieses Geld ist eine Erfolgsprämie für Nolan Dobbs und seine Leute. Sie reiten ins Indianerland und töten diese rote Brut. Wir zahlen fünfundzwanzig Dollar für jeden Skalp. 5.000 Dollar haben wir ihnen bereits ausgezahlt. Den Rest bekommen sie nach getaner Arbeit.“

„Skalp-Prämien?“ Mary Annes Stimme kam einem Flüstern gleich. Was sie gerade gehört hatte, klang für sie so entsetzlich, dass sich ihre Gedanken allein bei der Vorstellung, was die Männer planten, förmlich überschlugen. „Du willst sagen, dass ihr diese Männer angeheuert habt, damit sie Morde begehen? Ich habe es geahnt, dass ihr so was vorhabt – aber ich kann und will es immer noch nicht glauben. Obwohl ich diese Kerle gesehen habe ...“

„Es reicht jetzt, Mary Anne!“, unterbrach sie ihr Vater und schlug mit der rechten Faust so hart auf den Tisch, dass das leere Glas umkippte und schließlich zu Boden fiel, wo es mit einem klirrenden Geräusch zerbrach. „Dein Mann Ethan ist von diesen roten Teufeln umgebracht worden – es wird höchste Zeit, dass sein Tod gerächt wird. Mehr habe ich dazu nicht zu sagen. Hast du mich verstanden, Mary Anne?“

„Mein ist die Rache, spricht der Herr!“, argumentierte seine Tochter. „Hast du mir das früher nicht immer gesagt? Und jetzt verstößt du selbst dagegen – und nicht nur du ...“

„Das verstehst du nicht“, winkte Dawson ab. „Es ist egal, wie du darüber denkst und ob du mich jetzt dafür verurteilst. Ich stehe zu dem, was ich beschlossen habe. Wenn du es nicht ertragen kannst, dann steht es dir frei, dieses Haus zu verlassen und dein eigenes Leben zu führen. Aber solange du hier bist, wirst du ...“

„Ich habe es verstanden!“, fiel ihm Mary Anne ins Wort, wandte sich ab und verließ das Haus innerhalb weniger Sekunden. Sie schlug die Tür so heftig hinter sich zu, dass das Klirren der Fensterscheibe deutlich zu hören war.

„Sie wird sich schon wieder beruhigen“, murmelte Luther Dawson und beschloss, sich nicht weiter den Kopf darüber zu zerbrechen. Für ihn war es die richtige Entscheidung gewesen – und davon war er felsenfest überzeugt.

Kapitel 2: Die Entscheidung der Häuptlinge

2. Juli 1867

In den Black Hills am Rosebud River

Um die Mittagszeit

Red Cloud verfolgte mit glänzenden Augen die Vorbereitungen, die von vielen Kriegern für den alljährlichen Sonnentanz getroffen wurden. Wiwang Wavipi – das waren bedeutende Worte, die in diesen Tagen in aller Munde waren. Denn jeder wusste, dass damit eine ­heilige Zeremonie gemeint war, die immer in den Sommermonaten abgehalten wurde. Alle Stämme der Plains und Prärie praktizierten dies, und für viele Menschen war es der spirituelle Höhepunkt des ganzen Jahres. Eine Zeit, in der die Waffen ruhten, viele Stämme miteinander feierten und zu den Göttern beteten. All dies beinhaltete Wiwang Wavipi.

Der Oglala-Häuptling erinnere sich daran, dass ihm schon seine Großeltern vieles über diese Zeremonie erzählt hatten. Eine dieser Legenden besagte, dass der Sonnentanz von der Weißen Büffelkalbfrau zu den Stämmen der Sioux gebracht worden war. Man nannte sie auch Whope, und sie war die Tochter der Sonne und gleichzeitig die Ehefrau des Südwindes. Sie war zu den Sioux-Völkern gekommen, um ihnen den Frieden und die Heilige Pfeife zu überbringen. Dazu gehörten auch sieben Riten, zu denen ebenfalls der Sonnentanz zählte. Zu den anderen Riten zählten auch die Schwitzhütte, die den Geist und den Körper der Menschen reinigen sollte, oder die Suche nach einer Vision, der sich jeder heranwachsende junge Krieger unterziehen musste.

All diese Sitten und Gebräuche waren den Völkern der Prärie heilig, und jeder Stamm richtete seitdem sein Leben danach. So hatten es die Ahnen vorgelebt, und die Jungen lernten es ebenso, damit sich dieser Kreis wieder schloss.

Red Clouds Gedanken brachen ab, als er Schritte hinter sich hörte. Er drehte sich um und erkannte seinen Stellvertreter Man-Afraid-of-His-Horses, der zusammen mit einem Krieger namens Crazy Horse zu ihm kam. Red Cloud war immer noch stolz auf Crazy Horse, denn im vergangenen Winter hatte er mutig gegen die Blaurock-Soldaten gekämpft und ihnen eine schwere Niederlage in unmittelbarer Nähe von Fort Phil Kearny zugefügt. Er war einer der tapfersten Männer des Stammes und würde auch in diesem Jahr wieder an der Zeremonie teilnehmen.

„Ich bin jetzt bereit“, sagte Crazy Horse zu Red Cloud und Man-Afraid-of-His-Horses. „Mein Geist und mein Körper sind gereinigt. Ich werde die Schmerzen ertragen und durch sie neue Kraft gewinnen.“

„Das sind gute Worte“, meinte Red Cloud mit einem anerkennenden Nicken. „Unsere guten Gedanken werden dich auf diesem Weg begleiten.“

Crazy Horse erwiderte nichts darauf, sondern zeigte den beiden Anführern seines Volkes, dass er deren Wünsche gehört hatte. Jetzt ging er hinüber zu der Stelle inmitten des Lagers, wo sich der Tanzplatz befand und in dessen Mitte ein Pappelbaum aufgerichtet worden war. Dies stellte das Zentrum des heiligen Tanzes dar. Hier würden diejenigen Krieger, die sich für diese Zeremonie entschieden hatten, vier Tage lang tanzen und singen. Ohne Essen oder Trinken – und ohne diesen Tanz zu unterbrechen. Egal wie heiß es war oder ob ihnen die Sonne die Haut verbrannte.

„Crazy Horse wird einmal ein wichtiger Anführer unseres Volkes werden“, sinnierte Man-Afraid-of-His-Horses, während er zuschaute, wie der mutige Krieger nun in den Kreis trat und sich bis auf seinen Lendenschurz entkleidete.

Mit Hilfe anderer älterer Krieger und Medizinmänner ließen sich die Tänzer die Haut durchstechen. Blut floss, aber keiner der Tänzer empfand jetzt Schmerzen. Auch nicht, als man ihnen kleine Hölzchen durch die offenen Wunden steckte und diese dann an Schnüren befestigte. Diese Schnüre wurden anschließend mit dem Baum verbunden – und danach begann der Tanz.

In den Augen von Man-Afraid-of-His-Horses leuchtete es auf, als er die Krieger bei ihrem Tanz beobachtete. Er erinnerte sich jetzt daran, wie er selbst einmal vor zwei Sommern an dieser Zeremonie teilgenommen hatte. Es war ein wichtiger Augenblick für ihn gewesen, und selbst jetzt spürte er noch einen Hauch von dem, was er damals in Körper und Geist erfahren hatte.

Beide beobachteten, wie sich Crazy Horse in den Takt der Tanzenden einreihte. Er bewegte sich mit geschlossenen Augen, hatte beide Hände zum Himmel erhoben und sang. Er achtete nicht mehr darauf, was um ihn herum geschah, sondern konzentrierte sich lediglich auf sich selbst.

„Er wird es schaffen“, sagte Man-Afraid-of-His-­Horses. „Er betet dafür, dass sich das erfüllt, was er sich erhofft.“

Red Cloud nickte. Auch er wünschte sich, dass Crazy Horses Träume und Visionen wahr wurden. In dieser Zeit brauchte sein Volk Ziele und Hoffnungen, denn die Gefahr durch die Weißen war sehr real. Den Winter über hatten die Stämme weitestgehend Ruhe gehabt. Aber nachdem der Schnee geschmolzen war und nach einem verhaltenen Frühling der Sommer kam, bemerkten die roten Völker, wie erneut einige Weiße ins Goldland nach Montana strömten. Sie missachteten völlig, dass dies ein unerlaubtes Eindringen war. Wenn jedoch die Oglala, Cheyenne und Minneconjou dagegen protestierten, dann eröffneten die verhassten Weißen sofort das Feuer auf sie. Es waren zwar weniger Weiße als im vergangenen Jahr, aber noch immer kamen sie hier vorbei und benahmen sich so, als seien sie die Herren dieses Landes.

Dieses Unrecht konnte nicht länger geduldet werden. Deshalb erwartete Red Cloud schon ungeduldig die Ankunft des Cheyenne-Häuptlings Dull Knife. Mit ihm wollte er sich weiter darüber beraten, wie man gemeinsam gegen die Blaurock-Soldaten kämpfen und sie endgültig vertreiben konnte. Das war umso wichtiger, weil die Blaurock-Soldaten nordwestlich von Fort Phil Kearney ein neues Fort errichtet hatten und dies somit einen weiteren Verstoß gegen alle Versprechungen darstellte, die man Red Cloud und einigen anderen Häuptlingen im vergangenen Sommer in Fort Laramie gegeben hatte.

Die Weißen hatten bisher alle Verträge und Versprechen gebrochen – ohne auch nur einen einzigen Moment darüber nachzudenken, dass sie im Unrecht handelten. Stattdessen setzten sie ihren Plan mit erbitterter Härte fort, alle Stämme in den Black Hills zu bekämpfen.