Die Forts am Bozeman Trail 05: Fort Phil Kearny in Gefahr - Alfred Wallon - E-Book

Die Forts am Bozeman Trail 05: Fort Phil Kearny in Gefahr E-Book

Alfred Wallon

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Beschreibung

Dies ist das fünfte Buch in der Serie Die Forts am Bozeman Trail Nach dem entsetzlichen Massaker am 21. Dezember 1866 beginnt eine Zeit der Ungewissheit für die Besatzung von Fort Phil Kearny. Alle Soldaten sind verzweifelt und haben Angst, dass die Sioux und Cheyenne das Fort angreifen. Die Lebensmittelvorräte gehen aus, das Brennholz wird knapp und der eisige Winter sorgt für zusätzliches Leid. Es ist ein psychischer Ausnahmezustand. Colonel Carrington beschließt deshalb, zwei Männer nach Fort Laramie zu schicken, die eine Botschaft mit der Bitte um zusätzliche Truppen überbringen sollen. John Portugee Phillips und Daniel Dixon nehmen dieses Wagnis auf sich – trotz eines einsetzenden Schneesturms und in dem Wissen, dass sie jederzeit von feindlichen Spähern entdeckt werden können. Es wird ein Ritt, der an ihre Grenzen geht. Die Printausgabe umfasst 248 Buchseiten Eine Exklusive Sammlerausgabe des Titels als Taschenbuch können Sie nur direkt über den Versabdshop des Blitz-Verlages beziehen.

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Die Forts am Bozeman Trail

In dieser Reihe bisher erschienen

3201 Alfred Wallon Blaurock-Patrouille

3202 Alfred Wallon Der Sioux-Killer

3203 Alfred Wallon Gebrochene Verträge

3204 Alfred Wallon Das Fetterman-Massaker

3205 Alfred Wallon Fort Phil Kearny in Gefahr

3206 Alfred Wallon Der Hayfield Kampf

Alfred Wallon

Fort Phil Kearnyin Gefahr

Diese Reihe erscheint in der gedruckten Variante als limitierte und exklusive Sammler-Edition!Erhältlich nur beim BLITZ-Verlag in einer automatischen Belieferung ohne ­Versandkosten und einem Serien-Subskriptionsrabatt.Infos unter: www.BLITZ-Verlag.de© 2021 BLITZ-VerlagRedaktion: Jörg KaegelmannTitelbild: Rudolf Sieber-LonatiUmschlaggestaltung: Mario HeyerLandkarte: Archiv Dietmar KueglerIllustrationen: Wiktoria Matynia/123RF.comSatz: Harald GehlenAlle Rechte vorbehaltenISBN 978-3-95719-335-5Dieser Roman ist als Taschenbuch in unserem Shop erhältlich!

Kapitel 1: Die Flucht der Mörder

21. Dezember 1866

Fort Phil Kearny

Gegen Mittag

Frances Grummond spürte eine eigenartige Unruhe tief in sich, die mit jeder weiteren Minute immer stärker wurde und ihre Gedanken beeinflusste. Genau wie Margaret Carrington hatte sie das Ausrücken von Captain Fettermans C-Kompanie beobachtet, aber im Gegensatz zur Frau des Fortkommandanten war ihre Angst real. Denn ihr Mann George war Teil dieser Truppe, die die von den Indianern bedrohten Männer des Holztransportes aus ihrer üblen Lage retten und sicher zurück zum Fort bringen sollten.

Es war ein riskanter Auftrag, den Fetterman auszuführen hatte. Frances Grummond war besorgt, weil Colonel Carrington ausgerechnet Fetterman befohlen hatte, diesen Trupp zu führen. Für sie war Fetterman ein Offizier, der viel zu überheblich und arrogant in manchen Situationen reagierte. Hätte sie zu entscheiden gehabt, dann wäre Captain Tendor Ten Eyck der bessere Offizier gewesen, um dieses Problem zu lösen. Aber Fetterman ...?

Seit dem Ausrücken der Soldaten hatte sich innerhalb des Forts eine geradezu bedrückende Stille verbreitet, die eine feinfühlige Frau wie Frances Grummond sofort spürte. Dieses schreckliche Warten darauf, dass ­irgend­etwas geschah ... aber nach wie vor ereignete sich überhaupt nichts.

Mittlerweile war fast eine halbe Stunde verstrichen, seit Captain Fetterman und seine Soldaten aufgebrochen waren. Eine Zeit, die Frances Grummond wie eine Ewigkeit erschien. Sie hielt es in der Einsamkeit ihres Quartiers einfach nicht mehr aus. Sie musste mit jemandem sprechen, der ihre Sorgen und Probleme verstand – und das war Margaret Carrington.

Sie streifte sich einen Mantel über, legte sich einen Schal um und verließ dann das Quartier, das sie mit ihrem Mann teilte. Sie bemühte sich, nach außen hin keine Nervosität zu zeigen. Aber wer die Frau des Lieutenants jetzt sah und beobachtete, wie hastig sie über den schnee­bedeckten Innenhof ging, der begriff schon, warum sie es so eilig hatte und immer wieder zum großen Tor blickte.

Sie zuckte zusammen, als sie plötzlich das rollende Echo von vielen Schüssen hörte, das der aufkommende Wind von jenseits der Hügel bis nach Fort Phil Kearny trug.

„Nein ...“, murmelte sie. „Um Gottes willen!“

Sie war nicht die Einzige, die die vielen Schüsse gehört hatte. Auch viele andere Soldaten – auch diejenigen, die nicht auf Posten waren – kamen aus ihren Quartieren und blickten besorgt drein. Währenddessen vervielfachte sich das Echo der Schüsse, und ab und zu vernahm Frances Grummond auch Geräusche, die sie als Kampfeslärm zu identifizieren glaubte. In ihren Augen glitzerte es feucht, weil sie um das Leben ihres Mannes fürchtete, der sich jetzt höchstwahrscheinlich in großer Gefahr befand.

Drüben kam Colonel Carrington aus seinem Quartier. Dicht gefolgt von seiner Frau, die nun auch Frances Grummond erblickt hatte. Während der Colonel sich beeilte, zum Palisadenzaun zu gehen, kam Margaret Carrington zu ihr.

„Sie haben es auch gehört, nicht wahr?“, fragte Frances mit zitternder Stimme. „Das ... das waren doch Schüsse. Das bedeutet doch bestimmt, dass ...“

Sie war so aufgeregt, dass sie ins Stottern geriet und gar nicht mehr wusste, wie sie ihre panischen Gedanken in Worte fassen sollte. Margaret Carrington bemerkte das und nahm sie kurz in den Arm. Aber das beruhigte die Frau des Lieutenants nur für einen kurzen Moment. Dann schaute sie schon wieder hinauf zum Palisadengang, wo der Colonel mit einem Fernrohr in die Richtung schaute, wo sich Captain Fetterman und die C-Kompanie befanden.

„Beruhigen Sie sich, Frances“, riet ihr die Frau des Colonels. „Es nutzt nichts, wenn Sie jetzt auch noch die Nerven verlieren. Wir können nichts tun, sondern nur beten und hoffen. Verstehen Sie?“

„Ja, natürlich“, erwiderte Frances. „Aber was ist, wenn ...?“

Margaret Carrington deutete ihr mit einer sehr klaren Geste an, jetzt besser zu schweigen. Sie wusste, was Frances Grummond alles durch den Kopf ging, und fühlte mir ihr. Und sie sorgte sich darum, ob die junge Frau eine eventuelle Hiobsbotschaft überhaupt verkraften würde. Aber diesen Gedanken behielt sie natürlich für sich.

„Was geschieht jetzt?“, fragte Frances ungeduldig. „Der Colonel muss doch etwas unternehmen!“

„Das wird er auch“, sagte Margaret Carrington. „Henry wird mit Sicherheit die richtige Entscheidung treffen. Er wird sie gleich verkünden.“

Während sie das sagte, hatte sie bereits bemerkt, wie ihr Mann das Fernrohr absetzte und seine Blicke nun in die Runde schweifen ließ.

„Captain Ten Eyck!“, rief er. „Zu mir – sofort!“

Als Frances Grummond hörte, wie der Colonel Ten Eyck zu sich kommen ließ, bildete sich ein winziger Funke Hoffnung in ihr. Hoffnung darauf, dass der Captain besonnen genug war, um die Situation dort draußen bei den Hügeln richtig einzuschätzen und entsprechend zu handeln. Selbst wenn es nur eine winzige Chance gab ...

Mittlerweile war Captain Ten Eyck herbeigeeilt und erwartete Carringtons Befehle. Die beiden Frauen standen nahe genug, um alles hören zu können, was Carrington zu dem Captain sagte.

„Captain Ten Eyck – stellen Sie unverzüglich einen Trupp von vierzig Soldaten zusammen und brechen Sie auf. Nehmen Sie auch zwei Wagen mit. Und einen Arzt. Sagen Sie Dr. Horton, dass er sich beeilen soll. Wir müssen rasch handeln!“

Der Captain nickte nur, grüßte Carrington kurz und führte dann dessen Befehl unverzüglich aus. Er schickte einen der Soldaten zum Lazarett, um Dr. Horton zu ­verständigen.

„Warum die beiden Wagen?“, murmelte Frances Grummond, weil sie sich natürlich denken konnte, was das bedeutete. Aber sie weigerte sich, diesen Gedanken zu Ende zu bringen, weil sie sonst vermutlich einen Nervenzusammenbruch bekommen hätte. Deshalb stellte sie sich einfach vor, dass einige ernsthaft verletzte Soldaten auf diese Weise schnell zurück zum Fort gebracht werden konnten, wo sie dann weiter ärztlich versorgt wurden.

„Wir müssen stark sein, Frances“, riss sie Margaret Carringtons Stimme aus ihrem Grübeln. „Versprechen Sie mir das.“

„Ich kann nichts versprechen, Margaret“, erwiderte sie. „Erst will ich Gewissheit haben. Hören Sie das? Es fallen keine Schüsse mehr. Da draußen ist alles so still. Was hat das zu bedeuten?“

„Wenn ich das wüsste?“, entgegnete die Frau des Colonels. „Wir müssen einfach abwarten, bis wir mehr erfahren. Kommen Sie am besten mit zu mir. Wir können ohnehin nichts tun. Ich verlasse mich jedenfalls ganz darauf, dass mein Mann genau das Richtige tut. Und Captain Ten Eyck ist ein zuverlässiger Mann.“

Frances Grummond erwiderte nichts darauf. Im Grunde genommen hatte Margaret Carrington ja recht mit dem, was sie sagte. Aber sie befand sich nicht in der gleichen Situation wie Frances, denn Colonel Carrington war in Sicherheit. Was man von den anderen Soldaten da draußen zwischen den Hügeln nicht sagen konnte!

„Bob!“, rief Scott O’Hara. „Komm her und schau dir das an!“

Bob Cameron hatte sich in die gegenüberliegende Ecke der fensterlosen Baracke verzogen, hockte ganz nahe beim Ofen und versuchte, so viel Wärme wie möglich abzubekommen. Er wirkte niedergeschlagen und müde und sah aus wie jemand, dem es bereits völlig egal war, was mit ihm geschah.

Als Scott O’Hara ihn rief, zuckte er zusammen. Wahrscheinlich war er in Gedanken wieder mal ganz woanders gewesen und versuchte auf diese Weise, mit der Realität irgendwie klarzukommen. Und die Realität bedeutete nichts anderes für Bob Cameron, als hier in dieser Baracke eingesperrt zu bleiben und darauf zu warten, bis der Colonel Zeit fand, über sein Schicksal und das seines Kumpans zu entscheiden. Eine Vorstellung, die seine Nerven sehr strapaziert hatte.

„Verdammt, jetzt komm schon!“, forderte ihn O’Hara nochmals auf. „Das musst du selbst ansehen!“

In O’Haras Stimme klang etwas an, das Cameron zur Vorsicht mahnte. Er wusste, dass O’Hara stinksauer darüber war, dass er sich so hatte gehen lassen. Aber irgendetwas war in Cameron zerbrochen und hatte ihn zu einem verängstigten Menschen gemacht. War es die Angst vor einem Prozess, der schließlich zu einer standrechtlichen Erschießung führen würde? Vieles sprach dafür, und der Gedanke an einen baldigen Tod beschäftigte Cameron mehr, als er jemals selbst zugegeben hätte.

Schließlich erhob er sich aber doch und tat das, was O’Hara ihm gesagt hatte.

„Der Colonel schickt einen zweiten Trupp los, Bob“, sagte O’Hara. „Das ist die Chance, auf die ich die ganze Zeit über gewartet habe.“

Er schaute Cameron dabei mit einem Grinsen an und erkannte gleichzeitig, dass Cameron seinen Gedanken nicht ganz folgen konnte.

„Herrgott, was bist du so schwer von Begriff, Bob!“, sagte er. „Es liegt doch auf der Hand, was das für uns bedeutet. Vor kurzem ist Captain Fetterman mit einer ganzen Kompanie losgeritten. Vermutlich, weil der Holzfällertrupp in Schwierigkeiten geraten ist. Und jetzt schickt er einen zweiten Trupp hinterher. Warum wohl?“

Cameron überlegte einen kurzen Moment, kratzte sich dabei nervös an der rechten Schläfe und nickte schließlich. „Weil Fetterman ebenfalls Probleme hat, Scott“, meinte er. „Aber das bedeutet ja dann auch, dass ...“

„Endlich!“, seufzte O’Hara mit sichtlicher Erleichterung. „Genau das bedeutet es – dass der größte Teil der Soldaten sich außerhalb von Fort Phil Kearny befindet. Einen besseren Zeitpunkt als jetzt wird es für uns beide nicht mehr geben. Und diese Chance müssen wir natürlich nutzen. Wir müssen weg von hier, Bob. Und zwar verdammt schnell!“

„Wie zum Teufel willst du das denn anstellen?“, fragte Cameron. „Wir haben weder Waffen noch Pferde – und wir sind hier immer noch hinter Schloss und Riegel, falls du das in deinem Eifer schon vergessen haben solltest.“

„Mit etwas Glück wird das nicht mehr lange so bleiben“, versicherte ihm sein Kumpan. „Du legst dich jetzt auf den Boden und jammerst vor dich hin – und zwar so laut, dass es hoffentlich einer der Soldaten hört. Es wird schon jemand kommen, um nach dem Rechten zu sehen. Wir überwältigen die beiden Wachposten und ziehen uns ihre Uniformen an. Dann müssen wir noch möglichst unauffällig an zwei Pferde rankommen und aus dem Fort verschwinden.“

„Das klappt doch nie“, gab Cameron zu bedenken. „Wir kommen noch nicht einmal in die Nähe des Tors.“

„Ich sehe das anders“, warf O’Hara ein. „Es ist die einzige Chance, die wir haben. Was ist besser? Hierbleiben und auf den Tod warten? Oder wenigstens versuchen, etwas daran zu ändern? Selbst wenn es riskant ist.“

„Na gut“, gab Cameron schließlich klein bei. „Ich reiße mich zusammen, Scott. Ich verspreche dir das. Verdammt, ich will noch nicht sterben ...“

„Dann hör endlich auf, dich wie ein erbärmlicher Feigling zu verhalten, Bob“, sagte Scott O’Hara. „Los, wir machen das jetzt. Leg dich auf den Boden und fang an. Man wird das schon hören ...“

Cameron ging zurück in die Nähe des Ofens, streckte sich auf dem Boden aus und presste beide Hände auf den Magen.

„Hilfe!“, rief er mit krächzender Stimme. „Mir ist schlecht! Ich brauche einen Arzt!“

„Sehr gut, Bob“, sagte O’Hara und deutete seinem Kumpan mit einer ermunternden Geste an, ­weiterzumachen. Er selbst lief jetzt zur Tür und schlug mit beiden Fäusten dagegen, um Aufmerksamkeit zu erregen.

„Verdammt, hört uns denn keiner?“, rief er nun ebenfalls. „Wir brauchen einen Arzt!“

Bange Augenblicke verstrichen, in denen überhaupt nichts geschah. Dann aber erklangen hastige Schritte an der Tür, und jemand machte sich an der Verriegelung zu schaffen.

Jetzt gilt es!, dachte O’Hara und begab sich rasch zur Tür. Gerade noch rechtzeitig, bevor sie einen Spalt geöffnet wurde und ein Soldat mir vorgehaltener Waffe eintrat. Er sah natürlich sofort den am Boden liegenden Cameron, der sich vor Schmerzen krümmte und eine schauspielerische Höchstleistung zum Besten gab.

O’Hara sah, wie der Soldat das Gewehr auf den vermeintlich Kranken richtete.

„Sie müssen ihm helfen, Soldat!“, redete O’Hara nun auf ihn ein. „Sonst stirbt er!“

Er sagte das mit solcher Dringlichkeit, dass der Soldat einen Augenblick lang vergaß, dass die beiden Gefangenen ausgekochte Halunken waren – und Mörder dazu. Er ging wieder einen Schritt nach vorn, auf den am Boden liegenden Cameron zu, der immer noch stöhnte. Dabei ließ er den Lauf seines Gewehrs einen kurzen Moment sinken.

Das war genau das, worauf O’Hara gewartet hatte. Er sprang den Soldaten an und riss ihn zu Boden. Das geschah so plötzlich, dass der Soldat gar nicht wusste, wie ihm geschah. Sekunden später versuchte er sich zu wehren, aber da hatte ihm O’Hara bereits das Gewehr aus den Händen gerissen. Bruchteile von Sekunden später verpasste er dem Uniformierten einen Schlag gegen den Kopf, der ihn nach hinten stieß. O’Hara ging kein unnötiges Risiko ein und setzte noch einmal nach. Ein weiterer Schlag schickte den Soldaten ins Reich der Träume. Er zuckte noch einmal kurz mit den Beinen, dann lag er still.

„Zieh dir die Uniform an, Bob!“, forderte O’Hara seinen Kumpan auf. „Los, beeil dich. Es kommt auf jede Minute an!“

Cameron war total aufgeregt, aber auch er hatte jetzt begriffen, dass sie vom Schicksal noch eine zweite Chance bekommen hatten – und die wollte er natürlich ebenfalls nutzen. Rasch erhob er sich, ging auf den bewusstlosen Soldaten zu und zog ihm die Uniform aus. Weil er nicht schnell genug war, half ihm O’Hara dabei.

Gerade als Cameron die Uniformjacke schließen wollte und sich noch das Käppi des niedergeschlagenen Soldaten aufsetzte, hörte O’Hara plötzlich weitere Schritte vor der Tür.

„Claus!“, rief jemand. „Claus, bist du da drin? Verdammt, komm endlich raus und sag, was los ist! Wie geht es dem Mann?“

„Hilf mir!“, erwiderte O’Hara kaltblütig. Er hielt seine Hand vor den Mund, um die Stimme etwas undeutlich klingen zu lassen. „Ich schaffe das nicht allein ...“

Gleichzeitig deutete er Cameron an, sich bereitzuhalten. Denn jetzt kam es einzig und allein auf schnelles Reagieren an. Bis jetzt hatte alles so funktioniert, wie es sich O’Hara erhofft hatte. Aber damit der restliche Teil des Plans funktionierte, war es von entscheidender Bedeutung, dass auch der zweite Soldat hereinkam. Wenn er draußen stehen blieb und bemerkte, dass etwas nicht stimmte, dann war alles umsonst gewesen!

„Knie dich hin und tu so, als wenn du nach jemandem schaust“, flüsterte O’Hara seinem Kumpan zu. „Er darf dich nicht von vorn sehen ...“

Diesmal hatte Cameron sehr schnell begriffen, was O’Hara von ihm erwartete. Der Funke der Hoffnung, dass es eine reelle Chance gab, aus diesem Gefängnis entkommen zu können, war jetzt greifbar nahe. Beide Männer dachten nicht daran, dass sie noch einige weitere Hindernisse überwinden mussten, bevor sie endlich fliehen konnten. Aber jetzt und hier zählte nur die Tatsache, dass der erste Schritt so gut wie gelungen war. Sie mussten nur noch den zweiten Soldaten überwältigen.

Der kam jetzt mit vorgehaltenem Gewehr zum Eingang. Er blieb misstrauisch und zögerte einige Sekunden.

„Komm schon!“, forderte ihn Cameron auf, der ihm den Rücken zugewendet und sich so postiert hatte, dass man nicht viel sehen konnte. „Der Kerl muss zum Lazarett. Hilf mir, ihn zu stützen ...“

Jetzt schien der zweite Soldat begriffen zu haben, dass rasche Hilfe angesagt war. Er kam herein und sah O’Hara nicht, der direkt neben der Tür stand und mit dem Gewehrkolben zu einem Schlag ausholte. Als der Soldat eine huschende Bewegung und einen verräterischen Laut hinter sich hörte, wollte er sich noch instinktiv ducken und das Gewehr herumreißen. Aber seine Reaktion kam zu spät. Der Gewehrkolben erwischte ihn an der rechten Schläfe. Ein unangenehm knackendes Geräusch erklang, als der Soldat zusammenbrach und sich nicht mehr rührte. Ein feines Blutrinnsal trat aus beiden Ohren hervor. Kein gutes Zeichen!

Daran verschwendete O’Hara jedoch kein Interesse. Er legte das Gewehr beiseite und zog dem zweiten Soldaten die Uniform aus. Nur wenige Augenblicke später hatte er sie sich übergestreift, knöpfte die Jacke zu und schaute Cameron an.

„Raus hier!“, sagte er mit ungeduldiger Stimme. „Aber wir verhalten uns ganz ruhig. Niemand darf bemerken, wie eilig wir es haben. Wir holen uns jetzt zwei Pferde.“

„Du bist verrückt, Scott“, gab Cameron zu bedenken. „Ich dachte, wir steigen an einer geeigneten Stelle über die Palisaden und sehen zu, dass wir so schnell wie möglich von hier verschwinden, und dann ...“

„... und dann haben sie uns schneller wieder eingefangen, als es uns lieb ist“, unterbrach ihn O’Hara. „Wir brauchen zwei Pferde. Sonst haben wir keine Chance. Wir schaffen das – wir müssen nur ruhig bleiben, Bob. Niemand wird damit rechnen, dass wir die Soldaten überrumpelt haben. Man muss immer das tun, womit der Gegner am wenigsten damit rechnet. Los jetzt – der Pferde­stall ist nicht weit. Ich möchte wetten, dass wir nicht auffallen ...“

Er tat so, als sei es das Selbstverständlichste auf der ganzen Welt, mit einer gestohlenen Uniform dieses behelfsmäßige Gefängnis zu verlassen. Cameron blieb nichts anderes übrig, als seinem Kumpan zu folgen. Trotzdem fühlte er sich in seiner Haut ziemlich unwohl, denn wenn dieses falsche Spiel aufflog und sie auf der Flucht erwischt wurden, dann würde Carrington ihnen sofort den Prozess machen und sie innerhalb kürzester Zeit hinrichten lassen. Zumal Cameron kurz in das Gesicht des zweiten Soldaten geblickt hatte. Und er hatte das Blut gesehen. Wahrscheinlich hatte O’Hara ihm den Schädel eingeschlagen – aber daran schien er nicht eine einzige Sekunde lang zu denken.

Jetzt begann der weitaus riskantere Teil des gesamten Plans. O’Hara und Cameron verließen die Baracke und verriegelten sie wieder ordnungsgemäß. O’Hara ging nun voraus in Richtung der Ställe, achtete aber genau darauf, ob die anderen Soldaten auf der Palisadenplattform oder in der Nähe irgendetwas bemerkten, was ihnen seltsam vorkam. Aber nichts von alledem geschah. O’Hara besaß sogar den Mut, einem Soldaten kurz zuzuwinken, der kurz in seine Richtung schaute. Cameron zuckte zusammen, als er das bemerkte, und wurde jetzt noch nervöser, als es ohnehin schon der Fall war. Aber der andere Soldat erwiderte diesen Gruß. Was nichts anderes hieß, als dass er gar nichts bemerkt hatte!

„Ich hab’s dir doch gesagt“, meinte O’Hara, als sie den Pferdestall schon fast erreicht hatten. „Keiner kommt auf die Idee, dass wir aus der Baracke entkommen sind. Und jetzt sehen wir zu, dass wir uns zwei Pferde holen.“

„Ich fasse es nicht“, murmelte Cameron, der immer noch erstaunt darüber war, dass alles so schnell vonstattenging. „Ich hätte nie gedacht, dass ...“

„Ich hab dir doch schon mal gesagt, dass du das Denken besser mir überlassen sollst, Bob“, wies ihn O’Hara zurecht. „Halte dein Gewehr bereit – nur für den Fall, dass jemand im Stall ist.“

Er öffnete das Tor des Pferdestalls. Wie er es vermutet hatte, befanden sich zehn Tiere in den Boxen. Einige von ihnen waren sogar gesattelt. Vermutlich hing es damit zusammen, dass der Colonel befohlen hatte, angesichts dieser angespannten Lage immer einige gesattelte Tiere bereitzuhalten, damit ein Trupp umso schneller zum Kampfeinsatz ausrücken konnte. O’Hara hatte das zwar nicht erwartet, aber als er das sah, grinste er umso mehr. Denn das verkürzte die ganze Sache deutlich.

„Die beiden Tiere da drüben links in den ersten beiden Boxen“, sagte O’Hara, nachdem er sich kurz umgesehen hatte. „Die sehen mir am kräftigsten aus. Wir nehmen sie. Auf geht’s ...“

Die Pferde schnaubten kurz, als O’Hara und Cameron sich ihnen näherten. Aber das legte sich rasch wieder. Die beiden Schotten führten die Tiere aus den Boxen. An einem Nagel an der Wand hingen mehrere Decken und zwei Uniformmäntel. Der Himmel mochte wissen, wer sie hier zurückgelassen hatte. Aber für O’Hara und Cameron kam das wie gerufen. Denn sie konnten sich auf diese Weise umso besser vor der Kälte des Winters schützen.

Sie zogen die Mäntel an, führten die Tiere aus dem Stall und saßen dann auf. Von hier bis zum großen Tor von Fort Phil Kearny waren es knapp hundert Meter – aber angesichts dieser angespannten Situation war das eine sehr gefährliche Distanz. Denn noch immer konnte irgendein dummer Zufall ihre Flucht von einer Sekunde zur anderen stoppen – und dann war alles vorbei!

Nach außen hin wirkte alles normal. Einige Soldaten blickten den beiden Reitern hinterher, hielten es aber für völlig normal. O’Haras Herz schlug bis zum Hals, als das Tor immer näher kam. Die beiden Posten, die neben dem Tor standen, bemerkten jetzt die beiden näherkommenden Reiter. Cameron sah das natürlich auch und wurde auf einmal ganz blass.

„Jetzt hilft nur noch Frechheit, Bob“, sagte O’Hara zu ihm. Dann hob er die rechte Hand, um erst recht auf sich aufmerksam zu machen.

„Öffnet das Tor!“, rief er. „Wir müssen zu Captain Ten Eyck aufschließen. Dringende Nachricht vom Colonel!“

„Bist du das, Claus?“, fragte einer der beiden Wachposten.

„Wer denn sonst?“, entgegnete O’Hara, hielt aber seinen Kopf so gesenkt, damit der Wachposten sein Gesicht nicht erkennen konnte. „Jetzt mach schon!“

Seine Stimme klang so überzeugend, dass der Soldat nichts bemerkte. Hinzu kam noch die Tatsache, dass der Wind wieder stärker wurde und O’Hara und Cameron dazu veranlasste, sich den Kragen ihrer Mäntel höherzuziehen. Angesichts dieses Wetters war das normal, und so konnten die beiden Soldaten im entscheidenden Moment ihre Gesichter nicht erkennen.

„Hoffentlich ist da draußen noch jemand am Leben“, sagte der Soldat, der rechts am Tor stand. „Ich habe kein gutes Gefühl.“

„Ich auch nicht“, fügte O’Hara hinzu, während die beiden Soldaten das Tor öffneten. „Aber wir werden es bald wissen ...“

„Viel Glück!“, rief der Soldat und winkte dem vermeintlichen Soldaten Claus sogar noch ermutigend zu. O’Hara hielt nach wie vor den Kopf gesenkt und ritt einfach weiter. Cameron folgte ihm. Gerade als dieser das Tor passiert hatte, rief ihnen der eine Soldat etwas hinterher.

„Halt!“, erklang seine wütende Stimme. „Du bist doch gar nicht Claus! Anhalten – aber sofort! Alarm!“

O’Hara gab seinem Pferd die Zügel frei und duckte sich im Sattel. Jetzt galt es! Er und Cameron mussten so schnell wie möglich den nahen Wald erreichen, bevor die Soldaten das Feuer eröffneten. Der Wachtposten schien wohl doch bemerkt zu haben, dass hier etwas faul war.

Das Aufbellen eines Schusses jagte O’Hara eine Gänsehaut über den Rücken. Aber die Kugel traf ihn nicht, sondern schlug in den Schnee direkt neben den Vorderhufen seines Pferdes ein. Das Tier brach erschrocken aus, aber O’Hara riss es an den Zügeln wieder herum und trieb es unbarmherzig an.

„Scott!“, hörte er Camerons panikerfüllte Stimme. „Scott, sie schießen auf uns!“

Was sollen sie denn sonst tun?, dachte O’Hara. Gleich sind wir bei den Bäumen – nur noch zwei oder drei Sekunden, und dann ...

Wieder fielen Schüsse, und O’Hara hörte seinen Kumpan plötzlich aufschreien. Sofort drehte er sich im Sattel um und sah, dass Cameron seine linke Hand auf den rechten Oberarm presste. Eine der Kugeln schien ihn getroffen zu haben, aber zum Glück ließ er in diesen entscheidenden Sekunden die Zügel nicht los. Selbst wenn er das womöglich getan hätte – O’Hara hätte ihm nicht helfen können. Denn jetzt dachte er nur noch daran, seine eigene Haut zu retten!

„Ich bin getroffen!“, rief Cameron. „Verdammte Scheiße!“

„Weiter!“, schrie O’Hara, der mit seinem Pferd als Erster das schützende Unterholz erreicht hatte. „Weiter, Bob!“

Es fielen noch immer Schüsse, aber keine der Kugeln konnte ihm und Cameron noch gefährlich werden. Auch sein Kumpan hatte jetzt das Gebüsch erreicht. Er verzog das Gesicht vor Schmerzen und schaute O’Hara hilflos an.

„Ist es schlimm?“, wollte O’Hara wissen.

„Das ... weiß ich nicht“, entgegnete Cameron. „Es tut jedenfalls höllisch weh!“

„Wir haben jetzt keine Zeit“, sagte O’Hara. „Schaffst du es?“

„Natürlich“, beeilte sich Cameron zu sagen, weil er in den Augen seines Kumpans plötzlich etwas zu ­erkennen glaubte, das ihm ganz und gar nicht gefiel und ihm zusätzliche Furcht einjagte.

„Dann komm!“, rief O’Hara und gab seinem Pferd die Zügel wieder frei. Das Tier preschte durch den Schnee, so schnell es eben ging – und Cameron blieb nichts anderes übrig, als das von O’Hara vorgegebene Tempo einzuhalten. Weil er wusste, dass O’Hara das von ihm erwartete.

Jim Bridger atmete spürbar auf, als er die Reiter in den blauen Uniformen erkannte, die von Fort Phil Kearny direkt auf den Holztransport zuhielten. Auch wenn er wusste, dass Colonel Carrington diese Männer losgeschickt hatte, um das Schlimmste zu verhindern, so ahnte er doch, dass diese Hilfe viel zu spät kam. Zwar wusste er nicht genau, welche Tragödie sich jenseits der Lodge Trail Ridge abgespielt hatte – aber der Kampfeslärm und die Todesschreie waren eindeutig gewesen. Wenn die Soldaten jetzt nicht aufpassten, dann würden sie auch in die gleiche Falle tappen, die bereits Fetterman und seine Soldaten das Leben gekostet hatte.

„Das ist Captain Ten Eyck!“, rief der Lieutenant, dem immer noch der Schrecken ins Gesicht geschrieben stand. „Dem Himmel sei Dank. Wir sind gerettet!“

Bridger verzog abfällig das Gesicht bei dieser Bemerkung. Der Lieutenant verhielt sich nicht gerade wie ein Offizier, der ein Vorbild für seine Soldaten sein sollte. Dabei waren er und seine Männer doch verhältnismäßig glimpflich davongekommen. Im Gegensatz zur ­C-Kompanie von Captain Fetterman! Aber auch wenn Bridger dem Lieutenant jetzt am liebsten sehr deutlich gesagt hätte, was er von dessen Verhalten hielt, so zwang er sich dennoch zur Ruhe und Gelassenheit.

Nur wenige Minuten später erreichte der Soldatentrupp unter Führung von Captain Ten Eyck die Holzfäller. Der Lieutenant grüßte den Captain vorschriftsmäßig und berichtete mit stockender Stimme, wie es zu dem Überfall gekommen war und was sich seiner Meinung nach auf der anderen Seite des Hügels – also jenseits der Lodge Trail Ridge – ereignet hatte.

„Ich fürchte, es sieht nicht gut aus, Sir“, schloss er seinen Bericht. „Wir hatten selbst alle Hände voll zu tun, um uns gegen die Angreifer zur Wehr zu setzen. Deshalb war es unmöglich ...“

„Danke, Lieutenant“, unterbrach ihn Captain Ten Eyck mit einer unmissverständlichen Geste. „Wie viele Verluste hatten Sie?“ Der Lieutenant sagte es ihm, und Ten Eyck nickte nur. Sein anschließender Blick richtete sich auf Bridger und Phillips.

„Wie ist Ihre Meinung dazu?“

„Ich würde es an Ihrer Stelle nicht riskieren, zur anderen Seite des Hügels zu reiten, Captain“, meinte Bridger und verzog dabei das Gesicht, weil er wieder den Schmerz im Bein spürte. „Die Sioux warten doch nur darauf. Wollen Sie so enden wie Fetterman?“

„Darüber haben wir noch keine Gewissheit, Mister Bridger“, erwiderte Ten Eyck. „Aber wir müssen uns davon überzeugen. Das sind wir unseren Kameraden schuldig. Wenn es noch Überlebende gibt, dann müssen wir dafür sorgen, dass sie wieder zurück nach Fort Phil Kearny gebracht werden.“

„Deshalb also die beiden Wagen“, mischte sich Phillips ein. „Ich glaube, Sie werden nur noch Leichen auf dem Schlachtfeld bergen können, Captain.“

In Ten Eycks Augen blitzte es kurz auf, weil er über Phillips Worte wütend war.

„Reiten Sie zurück ins Fort und berichten Sie schon einmal dem Colonel, was Sie erlebt haben“, richtete Ten Eyck schließlich das Wort an den Lieutenant, ohne noch auf die Bemerkung des Scouts einzugehen. „Und Sie sollten besser nach Ihrer Wunde sehen lassen, Mister Bridger. Nicht dass Sie noch Wundbrand bekommen ...“

Eigentlich hatte er noch etwas hinzufügen wollen, aber genau in diesem Moment hörte er plötzlich das rollende Echo von mehreren Schüssen. Ten Eyck zuckte zusammen.

„Was ... was ist das denn?“, murmelte der Lieutenant, der schon wieder um sein Leben fürchtete. „Das kam ja direkt aus dem Fort.“

„Keine Ahnung“, erwiderte John Portugee Phillips. „Aber wir werden es gleich erfahren.“

Während er das sagte, blickte er in die Richtung, aus der Captain Ten Eycks Truppe gekommen war. Auch Jed Beldens Miene wirkte sehr angespannt, und Phillips entging das nicht.

„Glauben Sie, die Indianer greifen jetzt auch das Fort an?“, wollte der besorgte Lieutenant wissen und erntete für seinen ängstlichen Gesichtsausdruck nur einen verächtlichen Blick von Captain Ten Eyck.

„Sie werden es bald wissen, Lieutenant“, sagte der ranghöhere Offizier. „Wir reiten weiter. Ich muss wissen, was mit Captain Fettermans Truppe geschehen ist.“

Er gab niemandem eine Chance, sich dazu zu äußern, sondern hob einfach die rechte Hand und gab damit seinen Soldaten das Zeichen, den Weg fortzusetzen. Als Bridger das sah, schüttelte er nur den Kopf. Denn er war sich sehr sicher, was Ten Eyck jenseits der Lodge Trail Ridge finden würde.

Kapitel 2: Spuren des Todes

21. Dezember 1866

Fort Phil Kearny

Gegen 14:00 Uhr

Colonel Carrington blickte auf den Soldaten, der aus dem Mund und den Ohren blutete und nur noch ganz flach atmete. Es stand nicht gut um ihn – das konnte man sofort erkennen. Sein Kamerad hatte mehr Glück gehabt. Außer einem gewaltigen Brummschädel hatte er nichts Ernsthaftes abbekommen.

Den schwerverletzten Soldaten hatte man zwischenzeitlich ins Lazarett gebracht und versuchte, ihn so gut wie möglich zu versorgen. Aber wie gravierend seine Schädelwunde war, konnte nur Dr. Horton beurteilen – und der war gerade mit Captain Ten Eyck und den Soldaten unterwegs zum Kampfort, weil seine Hilfe dort mit Sicherheit umso dringender benötigt wurde.

„Wie konnte das nur geschehen?“, fragte Carrington den zweiten Soldaten, dem es noch besser ging als seinem Kameraden. „Verdammt, reden Sie endlich, Soldat Warner!“

„Es ... es ging alles so schnell, Colonel, Sir!“, stieß der aufgeregte Soldat hervor. „Ich hatte doch keine Ahnung, dass diese Halunken uns austricksen wollten. Jemand schrie um Hilfe, und da habe ich einfach nachschauen wollen. Soldat Rogers ist zur Sicherheit mit vorgehaltener Waffe draußen geblieben. Ich wollte nachsehen, was mit dem Gefangenen los war. Wie hätte ich denn ahnen können, dass mich die Halunken innerhalb weniger Augenblicke überrumpeln konnten? Kaum war ich zur Tür herein, da stürzte sich schon der zweite Kerl auf mich. Er schlug mich nieder. Und als ich aufwachte, waren die beiden Halunken schon längst weg.“

„Dafür werden Sie mit disziplinarischen Maßnahmen rechnen, Soldat Warner!“, brummte Carrington. „Wer so einen Leichtsinnsfehler begeht, der muss dafür die Konsequenzen tragen. Und jetzt treten Sie mir aus den Augen – bevor ich noch etwas tue, was ich möglicherweise bereuen könnte. Gehen Sie – verdammt nochmal!“

Die letzten Worte hatte der Colonel doch etwas heftiger betont, als er es ursprünglich beabsichtigt hatte. Der Soldat zuckte zusammen, grüßte ihn aber dennoch ­vorschriftsmäßig und machte dann eine zackige Kehrtwendung.

„Kümmern Sie sich um den Verletzten“, wandte sich Carrington an den Sanitäter, der Dr. Horton unterstellt war. „Und erstatten Sie Bericht, wie es um seinen Zustand bestellt ist.“

„Natürlich, Sir“, beeilte sich der Soldat zu erwidern. „Ich tue, was ich kann ...“

Die letzten Worte hörte Carrington gar nicht mehr. Er verließ das Lazarett und blickte in Richtung Tor, als einer der Soldaten mit der Trompete ein Signal gab. Nur wenige Augenblicke später wurde das Tor geöffnet. Carrington atmete erleichtert auf, als er den Lieutenant und die Soldaten sah, die den Holztransport eskortierten. Noch war er zu weit entfernt, um weitere Einzelheiten erkennen zu können. Deshalb beschleunigte er nun seine Schritte und ging den Männern rasch entgegen. Währenddessen wurde das Tor rasch wieder geschlossen.

Auch hier erstattete der Lieutenant als erster wieder Bericht über die Lage. Carringtons Miene verdüsterte sich, als er von den Verlusten unter den zivilen Arbeitern erfuhr. Als er den verletzten Bridger auf dem Wagen entdeckte, ballte er wütend beide Fäuste.

„Ist es schlimm?“, wollte er von dem graubärtigen Scout wissen, während er den Soldaten ein kurzes Zeichen gab, die Toten von den Wagen zu nehmen und sich ebenfalls um die Verletzten zu kümmern. „Was ist mit Fetterman und seinen Leuten?“

„Unkraut vergeht nicht, Colonel“, erwiderte Bridger. Das war aber auch das Einzige, was er zu seiner eigenen Verletzung sagte. „Wenn Sie wissen wollen, was aus Captain Fettermans Kompanie geworden ist, sollten Sie Captain Ten Eyck fragen. Wir konnten von unserer Position aus keine Einzelheiten erkennen. Lediglich Kriegsschreie und Kampfeslärm.“

„Also hat er es doch gewagt?“, murmelte Carrington schockiert. „Er hat sich meinem Befehl widersetzt, nicht wahr?“