Rache für Juana - Alfred Wallon - E-Book

Rache für Juana E-Book

Alfred Wallon

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Beschreibung

Rauchende Colts und echte Männer! Entdecken Sie jetzt die historische Western-Reihe „Das Gesetz des Westens“

Klappentext: Jordan Scott und seine Frau Juana, eine Aravaipa-Indianerin, wollten fernab von Hass ein neues Leben beginnen. Doch in McAlester sind Vorurteile und Gewalt allgegenwärtig. Als Juana brutal ermordet wird, hinterlässt sie Spuren, die den Täter verraten. Nun hat Scott nur ein Ziel: Rache an dem Mann, der seine Frau auf grausame Weise aus dem Leben riss. Wie weit wird er gehen, um Gerechtigkeit zu finden?

Über die Serie Das Gesetz des Westens: Freuen Sie sich regelmäßig auf die spannendsten Western-Abenteuer diesseits des Mississippi! EK-2 Publishing hat für „Das Gesetz des Westens“ die ganz großen Koryphäen des Western-Genres versammelt. Alfred Wallon, Peter Dubina und viele weitere Autoren katapultieren sie direkt ins Geschehen und bescheren Ihnen ein unvergessliches Leseerlebnis.

Laden Sie Ihren Revolver und satteln Sie Ihren Hengst, denn es geht auf eine spannende Reise in den rauen Wilden Westen!

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

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Veröffentlichungsjahr: 2025

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Alfred Wallon

 

 

 

 

Rache für Juana

Historische Western-Reihe „Das Gesetz des Westens“

 

EK-2 Militär

 

 

Ihre Zufriedenheit ist unser Ziel!

 

Liebe Leser, liebe Leserinnen,

 

zunächst möchten wir uns herzlich bei Ihnen dafür bedanken, dass Sie dieses Buch erworben haben. Wir sind ein Familienunternehmen aus Duisburg und jeder einzelne unserer Leser liegt uns am Herzen!

 

Mit unserem Verlag EK-2 Publishing möchten wir militärgeschichtliche und historische Themen sichtbarer machen und Leserinnen und Leser begeistern.

 

Vor allem aber möchten wir, dass jedes unserer Bücher Ihnen ein einzigartiges und erfreuliches Leseerlebnis bietet. Haben Sie Anmerkungen oder Kritik? Lassen Sie uns gerne wissen, was Ihnen besonders gefallen hat oder wo Sie sich Verbesserungen wünschen. Welche Bücher würden Sie gerne in unserem Katalog entdecken? Ihre Rückmeldung ist wertvoll für uns und unsere Autoren.

 

 

Schreiben Sie uns: [email protected]

 

Nun wünschen wir Ihnen ein angenehmes Leseerlebnis!

 

Ihr Team von EK-2 Publishing,

Ihr Verlag zum Anfassen

 

Rache für Juana

von Alfred Wallon

 

B

en Sherman wischte sich den Schweiß von der Stirn, als er sein Pferd zügelte und nach der bauchigen Canteenflasche am Sattelhorn griff. Er schraubte den Verschluss auf und ließ die brackige Flüssigkeit seine Kehle hinunterrinnen. Die Brühe schmeckte abgestanden und fade.

„Da unten muss der Bursche stecken, Ben“, sagte der Reiter neben ihm. Es war ein großer sehniger Mann mit pechschwarzem Haar und etwas schräg stehenden Augen. Er kam aus dem Land der aufgehenden Sonne – sein Name war Mato.

„Waco“, erwiderte Ben und hängte die Flasche wieder ans Sattelhorn. „Endlich haben wir’ s geschafft. Dieser verfluchte Cummings hat uns kreuz und quer durch Texas gehetzt. Aber diesmal werden wir ihn kriegen. Sein Pferd lahmt seit zwei Tagen, und er muss da unten stecken.“

„Reiten wir, Ben“, schlug Mato vor und gab seinem Pferd die Zügel frei. Er ritt los, und Ben folgte ihm. Der dritte im Gespann war ein großer Mischlingshund – Buster. Seit mehr als zwei Wochen verfolgten sie die Fährte des flüchtigen Dale Cummings. Der Bursche war ein Halbblut und hatte eine Bank in der Nähe von Fredericksburg ausgeraubt. Den Kassierer und einen unschuldigen Passanten hatte er mit seinen Schüssen niedergestreckt und war darin geflohen. Captain McNelly hatte Ben und Mato den Auftrag gegeben, Cummings zu stellen und einzufangen, und seit diesem Tag waren die Freunde auf der Spur des Mörders.

Die beiden Männer erreichten jetzt die ersten Häuser von Waco. Es war eine noch aufstrebende Stadt mit zahlreichen Häusern und Geschäften. Den Mittelpunkt der Stadt bildete ein großer Platz mit einer steinernen Kirche, die noch aus dem vergangenen Jahrhundert zu stammen schien.

Die Blicke der Menschen blieben auf Ben, Mato und vor allen Dingen auf Buster haften, als sie die Mainstreet entlang ritten, Es kam nicht alle Tage vor, dass sich ein wolfsähnlicher Hund in die Stadt traute, und die Männer, mit denen er kam, machten einen verwegenen Eindruck.

Das Sheriff´s Office befand sich wenige Yards von dem großen Platz entfernt. Direkt davor zügelten sie ihre Pferde und stiegen ab.

„Warte hier und pass auf Buster auf. Ich bin gleich wieder zurück.“

Mato nickte nur und ließ sich auf dem Korbstuhl vor der Tür des Office nieder. Buster kauerte vor seinen Stiefelsohlen, und die beiden genossen es, wie ihnen die Menschen auf der anderen Straßenseite neugierige Blicke zuwarfen.

Ben öffnete die Tür und trat ein. An einem massiven Schreibtisch hockte ein großer Mann, dessen Gesicht ein breiter Knebelbart zierte. Seine Augen hefteten sich auf den Besucher.

„Mein Name ist Ben Sherman“, stellte sich der Ranger vor und zog das Dienstabzeichen aus der Hemdtasche, „Mein Freund und ich suchen einen flüchtigen Bankräuber, dessen Spur genau in Ihre Stadt führt, Marshal.“

„Lonnigan, Ted Lonnigan“, erwiderte der Gesetzesbeamte, erhob sich und reichte Ben die Hand. „Wer ist der Bursche, Ranger? Wenn er noch hier ist, werde ich Sie selbstverständlich unterstützen.“

„Ist nicht notwendig, Marshal“, erwiderte Ben und winkte ab. „Ich brauche nur einen Hinweis, ob Ihnen was aufgefallen ist. Der Bursche, um den es geht, heißt Dale Cummings. Ist ein Aravaipa-Halbblut und sehr gefährlich. Hat über dem rechten Auge eine Narbe.“

„Der Mann ist hier!“, unterbrach ihn Ted Lonnigan. „Heute Morgen ritt er in die Stadt. Ich hab’ auf meiner Morgeninspektion gesehen, wie er zum Mietstall ritt und dort sein Pferd unterstellte. Dann marschierte er 'rüber zum Saloon und anschließend zu Joes Boardinghouse. Da steckt er wahrscheinlich jetzt noch, Ranger.“

„Wie komme ich da hin, Marshal? Ist das Haus von hier aus zu sehen?“

„Es ist hinter der nächsten Straßenecke. Der Kerl wird nichts merken, wenn Sie sich anschleichen“, erwiderte Lonnigan. „Der sah ganz so aus, als hätte er eine Mütze voll Schlaf nötig. Bestimmt denkt er, dass er Sie abgeschüttelt hat.“

„Bitte sorgen Sie dafür, dass kein Unschuldiger in der Nähe ist“, bat Ben den Marshal.

„Gehen wir!“, erwiderte Ted Lonnigan und griff nach seinem flachkronigen Hut. Er stülpte ihn auf das angegraute Haar und folgte dem Ranger hinaus ins Freie. Mato nickte er zu und registrierte mit erstauntem Blick den großen Hund, der mit hechelnder Zunge sich an Bens Beine schmiegte. Ein ungewöhnliches Gespann, dachte er.

Während Ben und Mato langsam die Straße hinuntergingen, marschierte Lonnigan hinüber zu den Leuten und sprach auf sie ein. Ben achtete nur flüchtig darauf, denn sein ganzes Interesse galt jetzt Dale Cummings.

 

*

 

Geschmeidig wie eine Katze drang Mato zur Hinterfront des Boardinghouse vor und öffnete geräuschlos die Tür, während sich Ben von der Vorderseite her näherte. Buster wartete auf davor ab. Stille herrschte im Haus.

Der Mann im Empfangsraum blickte erschrocken hoch und legte den Sears & Roebuck-Katalog beiseite, in dem er noch vor wenigen Sekunden gelesen hatte. Seine Augen waren groß vor Erstaunen. als er den ganz in schwarz gekleideten Mann mit der Waffe in der Hand erblickte. Ben gebot ihm zu schweigen und deutete auf das Rangerabzeichen, das sichtbar an seinem Hemd steckte. Der Mann begriff und widmete sich sofort wieder seinem Katalog. Er wollte damit nichts zu tun haben.

Ben sah, dass eine schmale Treppe hinauf ins Obergeschoss führte.

„Das Halbblut, das heute Morgen ankam!“, zischte er dem Mann zu. „Welche Zimmernummer? Na los, Mann!“

„Vierzehn“, gab der Mann leise zurück. „Oben am Ende des Ganges. Zerschießen Sie mir nicht alles, Ranger!“

Ben lag eine heftige Erwiderung auf der Zunge, aber er ließ es sein. Es war nicht die Zeit zum Reden, sondern zum Handeln. Lautlos stieg er die Treppenstufen hinauf und sah Mato schon am Ende des Ganges stehen, der von der anderen Seite gekommen war. Der Asiate warf Ben einen kurzen Blick zu, dann trat er die Tür zum Zimmer mit einem gewaltigen Tritt ein. Holz splitterte und krachte, als sich Mato vorwärtswarf. Im gleichen Augenblick bellte ein Schuss auf, und Mato schrie.

Ben hastete vorwärts, die Waffe in der Hand. Er duckte sich, als er mit einem Satz ins Zimmer hechtete. Die Waffe im Anschlag, starrte er ins Zimmer hinein, und dann entdeckte er Mato. Der Freund lag stöhnend am Boden und hielt sich den rechten Oberarm.

„Er hat uns kommen sehen, Ben!“, rief der Freund aufgeregt. „Nun lauf doch schon! Er ist aus dem Fenster raus. Kümmere dich nicht um mich. Du musst ihn erwischen!“

Ben eilte zum Fenster und blickte hinaus. Dann sah er Dale Cummings, Der Halunke rannte in langen Sätzen über die Straße. Ein Schuss bellte auf, als er Ben am Hotelzimmer entdeckte. Die Kugel schlug mit einem hässlichen Geräusch in den Fensterrahmen, und der Ranger zog den Kopf ein.

Dann erkannte er, wie das Halbblut auf einen der Passanten zu rannte. Es war eine junge Frau, die erschrocken aufschrie, als sie Dale Cummings hart am Oberarm packte und sich mit der Waffe in der Hand hinter ihr versteckte. Ted Lonnigan konnte das nicht mehr verhindern. Es kam alles zu schnell.

„Verdammt!“ Ben stieß einen Fluch aus. „Mato, der Kerl hat eine Geisel genommen! Ich muss runter. Bleib hier oben. Ich schicke dir gleich einen Doc.“

„Denke nicht an mich, sondern an Cummings!“, stöhnte der Freund. „Ich bin so schnell nicht unterzukriegen. Hole dir endlich den Hundesohn, bevor er noch mehr Unheil anrichtet.

Ben nickte hastig und eilte aus dem Zimmer. Er polterte die Treppenstufen hinunter und rannte an dem Portier vorbei hinaus ins Freie. Buster verharrte immer noch an derselben Stelle.

„Ich bringe die Frau hier um, wenn ihr mich nicht gehen lasst!“, schrie das Halbblut, und alle hörten es. Lonnigans Miene war wütend, als er sich Ben näherte.

„Was jetzt?“, fragte er den Ranger. „Annie McReynolds ist in Gefahr, Sherman. Ihr darf nichts geschehen.“

„Ich will freien Abzug, Marshal!“, schrie das Halbblut jetzt Lonnigan zu. „Sagen Sie dem Ranger und seinem Freund, dass Sie hier was zu sagen haben. Ich gehe jetzt rüber zum Mietstall, und keiner wird mich daran hindern. Ich schnappe mir mein Pferd und reite weg. Wenn mir jemand folgt, stirbt die Frau. Ich lasse sie wieder frei, aber jetzt kommt sie mit!“

„Gib doch auf, Cummings!“, rief Sherman dem Mörder zu. „Du kommst doch nicht weit. Lass die Frau frei, und ich verspreche dir, dass ein fairer Prozess auf dich wartet!“

„Für ein Halbblut gibt’ s keine Fairness!“, schrie Cummings zurück. „Ich hole mir von euch, was mir zusteht, und du hältst die Schnauze, Sherman. Ich haue ab von hier, und auch du wirst nichts dagegen tun, oder willst du das Leben der Frau auf dem Gewissen haben?“

Die blonde Frau, um deren Hals er seinen Arm geschlungen hatte, war wie gelähmt. Ihre Augen waren weit vor Entsetzen, als Cummings mit dem Colt vor ihrem Gesicht herumfuchtelte. Der Mann würde schießen, darin bestand kein Zweifel.

„Haut alle ab von der Straße!“, schrie der Bandit erneut „Nun los, macht schon!“

Ben Sherman ballte innerlich die Fäuste vor Wut. Dale Cummings war zu gerissen gewesen, und jetzt war das Chaos da. Er hatte sich eine Geisel genommen. Was sollte er jetzt tun? Abwartend musste er zusehen, wie das Halbblut sich mit der Frau dem Mietstall näherte und jetzt schon fast das Tor erreicht hatte.

 

*

 

Matt Preston war gerade dabei, seinen Rappen zu satteln, als draußen die Schüsse fielen. Der bärtige Rancher hielt inne und hastete nach vorne zum Tor des Mietstalles. Er sah, wie ein Mann aus einem Fenster von Joes Boardinghouse hechtete und mit langen Sätzen davonrannte. Ein zweiter Bursche tauchte oben am Fenster auf, und der Flüchtende schoss auf ihn.

Matt musste mitansehen, wie sich der Kerl eine Frau griff und sich hinter ihr versteckte. Annie McReynolds war es, die Tochter des Eisenwarenhändlers, bei der der Rancher eben noch eingekauft hatte. Und nun hatte er sie als Geisel. Matt hörte die Worte des Mannes, und er sah auch Ted Lonnigan. Der Ranger mit dem Wolf stand neben ihm. Sie mussten tatenlos mit zusehen, wie sich der Mann mit seiner Geisel dem Mietstall näherte.

Preston zögerte keine Sekunde mehr. Er war ein Mann, der die Fünfzig schon überschritten hatte, aber das Leben draußen in der Wildnis hatte ihn gestählt. Mit einem geschmeidigen Satz hastete er hinüber zu seinem gesattelten Pferd und zog die Winchester aus dem Scabbard. Er versteckte sich hinter einem Pfosten und wartete ab.

Jetzt tauchte der Mann im Toreingang auf. Matt sah sein vor Wut verzerrtes Gesicht. Der Bursche war ein Halbblut und zu allem entschlossen! Das Mädchen zog er mit sich zu den Boxen.

„Verhalte dich ruhig, verdammt!“, schrie er Annie an, dass diese noch mehr zusammenzuckte. „Ich will raus hier, und du wirst mir dabei helfen, klar?“

Seine Augen hefteten sich auf das gesattelte Pferd. Er riss Annie mit sich. In dem Moment, wo er nach den Zügeln greifen wollte, achtete er nicht mehr so sehr auf das Mädchen. Das war der Augenblick, in dem Matt Preston eingriff.

„Hier!“, rief er und riss die Winchester hoch. Er wartete, bis das Halbblut instinktiv herumfuhr, dann drückte er ab. Der Schuss peitschte auf und traf Dale Cummings hoch in die Brust. Der Mann wurde zurückgestoßen und fiel in eine, der leeren Boxen. Der Colt entglitt seinen kraftlosen Fingern.

Annie McReynolds lief aufschluchzend zu Matt, der seine Arme beruhigend um sie schloss.

„Es ist vorbei, Mädchen“, murmelte er leise. Es musste ein gewaltiger Schock für sie gewesen sein, der sie auch jetzt noch gefangen hielt.

Draußen vor dem Mietstall erklangen hastige Schritte. Ted Lonnigan und der Ranger stürmten mit vorgezogenen Waffen in den Stall hinein und sahen Matt, der das Mädchen in seinen Armen hielt. Der Ranger entdeckte den niedergeschossenen Banditen und beugte sich sofort über ihn.

„Sie haben ihn gut getroffen, Mister“, sagte er zu Matt „Er ist tot.“

„Wahrscheinlich kam ich gerade rechtzeitig“, erwiderte Ben. „Schließlich konnte ich doch nicht zulassen, dass der Kerl Annie was antut. Wollte gerade mein Pferd satteln und los reiten, als jemand zu schießen anfing. Den Rest kennt ihr.“

 

*

 

Sie saßen zu viert in Ted Lonnigans Office. Der Marshal, die beiden Ranger und Matt Preston. Buster irrte irgendwo draußen vor der Stadt herum. Wenn sie aufbrachen, dann würde er wieder zur Stelle sein, das wusste Ben Sherman.

Nachdem der Doc Matos Fleischwunde behandelt hatte und der tote Dale Cummings zum Coroner geschleift worden war, saßen die Männer nun im Office. Lonnigan nahm ein amtliches Protokoll auf, das auch der Rancher Preston unterschreiben musste. Während Ben Sherman Mato zum Doc gebracht hatte, hatte er einiges über den Rancher erfahren. Er hatte sich zusammen mit seinen Söhnen Clay und Bob eine große Rinderranch aufgebaut. In Waco und Umgebung kannte ihn jeder, und er wurde respektiert, das spürte Ben Sherman.

„Ich wollte mich nochmals bei Ihnen bedanken, dass Sie uns geholfen haben, Mr. Preston“, wandte sich Ben Sherman an den Rancher, während der Marshal nach einer bauchigen Flasche griff und eine Runde Whiskey spendierte. „Wenn Sie nicht eingegriffen hätten, dann wäre uns dieser Aravaipa-Mischling bestimmt wieder durch die Lappen gegangen.“

Matts Blick wurde auf einmal sehr nachdenklich.

„Aravaipa haben Sie gesagt, Ranger?“, fragte er dann und kratzte sich am grauen Bart. „Ich kannte mal eine Aravaipa-Frau.“

Ben Sherman wollte gerade zu einer grinsenden Bemerkung ansetzen, als der Rancher abwinkte und den Kopf schüttelte.

„Es ist nicht so, wie Sie denken, Sherman“, erwiderte er. „Diese Frau heiratete damals einen Weißen. Wäre sie jetzt noch am Leben, hätte sie Kinder. Mischlinge will aber keiner haben.“

„Es liegt doch an jedem selbst, was er aus seinem Leben macht“, warf der Ranger ein. „Cummings hätte bestimmt auch seine Chance nützen können, aber dazu war er zu schlecht und gemein.“

„Wissen Sie das wirklich?“, fragte ihn Matt. „Wenn Sie die Geschichte kennen würden, dann denken Sie vielleicht anders, Ranger. Sie sind noch jung, aber ich weiß, um was es geht. Wollen Sie die Geschichte hören?“

Ben blickte Mato an. Sie hatten beide noch Zeit. Ob sie jetzt gleich oder erst am Abend aufbrachen, war egal. Beide nickten und schauten den Rancher an.

„Marshal Lonnigan kennt die Geschichte schon“, begann Matt Preston. „Er weiß genau, was ich jetzt denke. Aber euch beiden will ich sie erzählen. Hinterher denkt ihr dann vielleicht anders über die Menschen. Das Rassenproblem gibt es wirklich, und es ist nach dem Bürgerkrieg sogar noch schlimmer geworden.“

Matt Preston setzte das Whiskeyglas an, nahm einen kräftigen Schluck und lehnte sich dann im Stuhl zurück. Seine Augen hefteten sich auf Ben und Mato.

„Als die Flammen des Indianeraufstandes 1871 den Südwesten Arizonas auflodern ließen, blieb auch Eskiminzin, der Häuptling der Aravaipas, nicht davon verschont. Sein Stamm lebte nördlich von Cochises Stützpunkt am Aravaipa Creek zwischen dem San Pedro River und den Galiuro Mountains.

Im Frühjahr dieses so blutigen und harten Jahres brach Eskiminzin nach Camp Grant, einem kleinen Posten am Zusammenfluss des Aravaipa Creek und des San Pedro auf. Er hatte gehört, dass Captain Royal E. Whitman ein vernünftiger Mann war, mit dem man reden konnte, und er beschloss, ihm seine Probleme vorzutragen. Nachdem sich Whitman Eskiminzins Worte angehört hatte, fragte er ihn, warum er nicht mit seinem Stamm in die White Mountains gehe, wo die Regierung ein Reservat eingerichtet habe.

„Das ist nicht unser Land!“, antwortete Eskiminzin mit bitterer Stimme. „Die Indianer, die dort leben, sind nicht unsere Leute. Wir leben in Frieden mit ihnen, haben uns aber nie mit ihnen vermischt. Von Mescal ernähren wir uns, und das gibt es in den White Mountains nicht. Wenn wir das aber nicht bekommen, werden wir sehr krank.“

Whitman erwiderte darauf, dass er nicht befugt sei, Entscheidungen zu treffen. Sein Stamm könne aber in der Nähe des Forts bleiben, wenn alle ihre Waffen abgeben würden. Der Häuptling stimmte zu, und die Aravaipa errichteten daraufhin flussaufwärts von Camp Grant ein kleines Dorf, wo sie in Frieden lebten. Whitman schrieb daraufhin seinen Vorgesetzten, dass es kein Indianerproblem mehr gebe.

Der Frieden währte jedoch nicht lange. Am 10. April des gleichen Jahres überfielen einige Apachen die kleine Stadt San Xavier und stahlen Pferde und Rinder. Nur wenige Tage später starben Weiße auf abgelegenen Farmen durch die Hand dieser Krieger. Diese verabscheuungswürdige Tat weckte den Hass der Weißen gegen die Indianer, und ihre Wut richtete sich gegen die friedliebenden Aravaipa, die in der Nähe von Camp Grant ihren Mescal anbauten.

In den letzten Aprilwochen rief ein Mann namens William S. Oury, der über große Erfahrung im Kampf gegen Indianer verfügte, zu einem Angriff gegen die unbewaffneten Aravaipa bei Camp Grant auf. Sechs Amerikaner und zweiundvierzig Mexikaner erklärten sich bereit, daran teilzunehmen. Doch Oury meinte, das seien nicht genug, um einen Erfolg zu garantieren. Bei den Papago-Indianern, die vor Jahren von spanischen Söldnern unterworfen und zum Christentum bekehrt worden waren, warb er zweiundneunzig Söldner an. Jetzt war der Trupp groß genug, um den endgültigen Vernichtungsschlag gegen die verhassten Rothäute zu führen. Mit dem Indianerhasser William S. Oury an der Spitze, brachen am 28. April 1871 über 140 schwerbewaffnete Männer nach Camp Grant auf, und der Tod ritt unsichtbar an ihrer Seite.“

Matt Preston brach für einen kurzen Augenblick ab und registrierte, dass Sherman und Mato ihm gespannt zuhörten. Er lächelte bitter, als die Vergangenheit vor seinen Augen wieder gegenwärtig wurde. Er sah das Gesicht seines Freundes Jordan Scott und Juana, der jungen Frau. Juana war tot, und Jordan Scott war verschwunden. Wo mochte der Mann heute nur stecken?

„Alles, was ich euch jetzt erzähle, ist wahr!“, setzte der Rancher seine Geschichte fort. „Einiges davon ist ziemlich unbequem, wenn man zum ersten Mal davon hört, dass es auch unter den Weißen Menschen gibt, die wie Tiere sind. Ja, Ranger, hören Sie nur gut zu, Ihr asiatischer Freund wird bestätigen, was ich Ihnen beiden zu sagen habe. Mato ist auch ein Mischling, und er hat bestimmt ähnliches mitgemacht.“

Sherman wusste nicht, was jetzt kam, aber er lauschte den Worten des Ranchers. Matt fuhr fort, zu erzählen. Er berichtete von dem Tag des grausamen Massakers am Aravaipa Creek, wo der Hass der Weißen übergeschwappt war und ihm unschuldige Menschen zum Opfer fielen. An diesem Tag hielt der Tod reichliche Ernte.

 

*

 

Weiße Nebelschleier hingen in den Niederungen des Aravaipa River und hüllten die zahlreichen Tipis aus Büffelhaut in einen milchigen Schleier. Zu dieser frühen Stunde bedeckte der Morgentau noch das Gras und würde erst in wenigen Stunden der Wärme des anbrechenden Tages weichen.

Von Osten her näherten sich Reiter dem Indianerdorf. Der Nebel verbarg die Männer, die lautlos von ihren Pferden stiegen und Stellung auf den Flussklippen und Sandwegen bezogen, die hinunter zum Aravaipa-Dorf führten.

Die Männer waren gekommen, um zu töten. Weiße Männer in langen Mänteln und dunkelhäutige Mexikaner in zerlumpten Hemden schlichen sich ungehört näher an die Tipis heran. Kein verdächtiger Laut durchbrach die Stille. Nervige Hände schlossen sich um die Stahlschäfte der Gewehre, die den Tod bringen sollten.

Der Mann, der auf einer Anhöhe schweigend verharrte, beobachtete das geschickte Vorgehen seiner Leute mit Genugtuung. Der Nebel war noch zu dicht, und falls diese roten Hundesöhne etwas merken sollten, dann war es bereits zu spät. William S. Oury hatte sämtliche Männer seiner Truppe mit Winchester-Gewehren ausgerüstet, und das würde jeden Widerstand brechen.

Drüben hinter den Tipis hatten die Aravaipa ihre Maisfelder angelegt, die bis in unmittelbare Nähe des Waldrandes verliefen. Dort hielten sich Ourys Männer ebenfalls versteckt und warteten auf das Signal ihres Anführers. Der Mann aus Tucson war ein erfahrener Indianerkämpfer, und er hatte lange auf diesen Tag warten müssen. Aber jetzt war es endlich soweit: Die Überfälle der Indianer auf abgelegene Farmen hatten in den letzten Wochen drastisch überhandgenommen, und ein guter Amerikaner war sich nicht mehr seines Lebens sicher, wenn er sich außerhalb größerer Ansiedlungen aufhielt.

Der hochgewachsene Mann im dunklen Mantel drehte sich um, als er hinter sich Schritte hörte. Oury wandte den Kopf und erblickte die Gestalt eines bulligen Revolvermanns namens Jack Mullin, den er in Tucson für wenig Geld angeheuert hatte.

„Es ist alles klar, Mr. Oury!“, sagte der Gunman mit krächzender Stimme. „Chavez und seine Papago-Bastarde haben sich drüben im Wäldchen postiert. Und Rick wartet mit den Jungs im Maisfeld.“

„Ich habe es schon gesehen, Mullin!“, erwiderte der Anführer der wilden Horde. „Du kannst den Männern sagen, dass wir gleich losschlagen werden!“

In den Augen des bulligen Killers leuchtete die Vorfreude über das Blutbad auf, das in wenigen Augenblicken seinen Anfang nehmen sollte. Mullin nickte stumm, als er Ourys Worte vernahm und schlich sich zu den anderen zurück. Zusammen mit fünf anderen Weißen, zweiundvierzig Mexikanern und zweiundneunzig Papagos sehnte er das entscheidende Signal herbei.

William S. Oury verharrte noch einen Moment auf der Anhöhe und blickte hinab in das friedliche grüne Tal. Die Nebelschleier lichteten sich nur zögernd, und es schien ganz so, als sollte es heute noch einen schönen und sonnigen Frühlingstag geben. Doch die tödlichen Waffen, die die zu allem entschlossenen Männer in ihren Fäusten hielten, sprachen eine andere Sprache. Der Tod sollte hier am Aravaipa-River reiche Ernte halten!

Der Mann aus Tucson hob die rechte Hand und ließ sie dann sinken. Das war das Zeichen zum Angriff. In den folgenden Stunden spielte sich an diesem nebligen Morgen des 28. April 1871 ein trauriges Kapitel der amerikanischen Geschichte ab. Eine vielfache Übermacht hatte das kleine Dorf des Aravaipa-Häuptlings Eskiminzin eingeschlossen. Die Indianer, die friedlich in ihrer Reservation leben wollten und den Weißen nicht feindlich gesinnt waren, mussten dafür herhalten, dass Krieger eines anderen Stammes Überfälle begangen hatten.

„Los, Männer!“, schrie Oury mit befehlsgewohnter Stimme. „Zeigt es diesen roten Hundesöhnen!“

Und dann stürmten die Männer los.

 

*

 

Irgendetwas schreckte Juana aus dem Schlaf hoch. Das junge Aravaipa-Mädchen schälte sich schlaftrunken aus ihren dünnen Decken und lauschte. In der Dämmerung des Tipis erkannte sie die noch schlafenden Gestalten ihres Vaters Two Bulls und ihrer Mutter Eagle Woman.

Von einer dumpfen Ahnung gepackt, kroch das zwanzigjährige Mädchen hinüber zum Eingang des Tipis. Sie wusste nicht, weshalb sie so plötzlich aus dem Schlaf gerissen worden war, sie glaubte jedoch zu spüren, dass an diesem Morgen irgendetwas von großer Bedeutung geschehen würde. Ihre Träume waren in den letzten Stunden dunkel gewesen. Sie erzählten von Trauer und Tod. Juana hatte im Traum den Ruf Bus, des Todesvogels gehört, und das bedeutete etwas.

Ohne die schlafenden Eltern zu wecken, schob das Mädchen die Decke, die den Eingang des Tipis verhüllte, zur Seite und spähte vorsichtig hinaus ins Freie.

Sie sah den Nebel, der über dem Fluss hing und die einsame Gestalt des Wächters, der die ganze Nacht über dem glimmenden Feuer gesessen hatte. Alles schien wie immer zu sein, und doch ahnte Juana, dass dieser Morgen ihr ganzes Leben verändern würde.

Und dann sah sie die Männer oben auf den Hügeln. Mit vor Angst weit aufgerissenen Augen starrte sie auf die Mexikaner und Papagos, die mit einem Mal von allen Seiten zu kommen schienen. Der erste Schuss und der gellende Warnruf des Mädchens fielen zur gleichen Zeit. Die Kugel aus der Waffe eines zerlumpten Mexikaners stieß den Wächter am Feuer zu Boden, bevor er noch einen Warnruf ausstoßen konnte. Und dann brach die Hölle los.

Vom Grauen gepackt, zuckte Juana zurück und blickte in die Gesichter des Vaters und der Mutter, die der Schrei der Tochter aus dem. Schlaf gerissen hatte. Two Bulls, der erfahrene Krieger, fragte nicht lange. Er griff nach seinen Waffen. Bevor er aus dem Zelt rannte, sah er noch einmal zu der Frau und dem Mädchen hinüber.

„Lauft!“, sagte er. „Geht weg, bevor sie euch töten …“

Dann stürmte er hinaus aus dem Zelt.

Die Männer des Indianerhassers Oury hatten unterdessen von den Wegen und Felsen das Feuer auf die Indianer eröffnet, die aus ihren Tipis gerannt kamen. Tödliches Gewehrfeuer von den Klippen mähte die Wehrlosen nieder. Manche hatten noch nicht einmal Zeit gehabt, sich anzuziehen. Das Inferno nahm seinen Anfang und schonte niemanden. Die schweren großkalibrigen Bleikugeln durchbrachen die Büffelhäute der Zelte wie Glas und töteten auch die, die sich im Schutz der Tipis in Sicherheit glaubten. Frauen, die schlafend neben den Heubündeln gelegen hatten, die sie am Abend zuvor eingesammelt hatten, hauchten ihr Leben nur wenige Schritte entfernt aus.

Mit einem hässlichen Geräusch durchbrach eine Kugel die Wand des kleinen Tipis und traf Eagle Woman, die ohne einen Laut zusammenbrach. Juana fuhr herum und starrte entsetzt auf die leblose Gestalt der Mutter und den Blutfleck auf ihrem Lederkleid, der rasch größer wurde.

Mit einem Mal erwachte das Aravaipa-Mädchen aus ihrem Schockzustand. Sie erkannte, dass ihr nur noch wenige Augenblicke zur Flucht blieben, und wenn sie diese Gelegenheit nicht nutzte, dann würde sie sterben.

Hastig griff sie nach einem großen Messer, mit dem sie noch am Abend zuvor Häute gegerbt hatte und schlitzte rasch die Rückwand des Tipis auf. Ohne zu zögern kroch sie hinaus ins Freie. Von allen Seiten erklangen Schüsse und Schreie. Grauen schüttelte Juana, als sie ein kleines Mädchen nur wenige Schritte von sich entfernt sterben sah. Der Papago-Mörder entdeckte Juana jedoch nicht, sondern widmete sich dem niedergeschossenen Kind.

Kugeln pfiffen gefährlich nahe an dem jungen Mädchen vorbei, aber Juana schaute weder nach links noch nach rechts. Im letzten Augenblick gelang es ihr, sich in die schützenden Büsche zu schlagen, wo sie für einen. Augenblick verharrte. Mit weit aufgerissenen Augen starrte sie auf das Gemetzel, das sich vor ihr abspielte, und sie konnte nichts dagegen tun.

Two Bulls, ihr Vater, kämpfte löwenhaft gegen zwei Mexikaner und einen Papago, bis ihn ein Weißauge von hinten niederschoss. Der Mann im langen Mantel, der dem Mädchen wie das Böse selbst vorkam, lachte kurz auf, als er den schweren Kolben seiner Waffe gegen den Schädel Two Bulls’ hieb und ihn zertrümmerte; Juana biss sich die Lippen blutig, um nicht laut aufzuschreien, als sie dieses Bild des Grauens mitansehen musste. Aber sie wusste, dass sie sich ruhig verhalten musste.

Und es schien, als habe der Große Geist heute Morgen sein Haupt verhüllt. Er stand seinen Kindern nicht bei und ließ sie sterben. Niemand hörte die Schreie der sterbenden Krieger und der Frauen, die von den Weißen erst vergewaltigt wurden, bevor sie bestialisch umgebracht wurden. Den Verletzten, die nicht mehr flüchten konnten, schlugen die weißen Mörder mit Steinen und Keulen die Schädel ein.

An diesem Morgen des Todes zerbrach etwas in dem jungen Mädchen; Sie wollte fort, nur fort von diesem Ort des Grauens, wo Weiße schlimmer als Tiere unter den Aravaipa wüteten. Gehetzt sah sich Juana um, aber niemand hatte sie entdeckt. Vorsichtig kroch sie weiter, das Massaker hinter sich lassend. Nur wenige Schritte von ihr entfernt schleppten einige Mexikaner Antelope Child mit sich. Das Mädchen war in Juanas Alter und wehrte sich verzweifelt gegen die rauen Fäuste der Männer, die ihr die Kleider vom Leib rissen.

Als Juana weiter schlich, hörte sie hinter sich mit einem Mal nur noch einen gurgelnden Laut, der wenig später von dem rauen und kehligen Lachen der Männer abgelöst wurde. Juana zweifelte nicht daran, dass auch Antelope Child auf grausame Weise gestorben war.

Flammen züngelten aus dem Maisfeld hervor. Die Tipis brannten und bildeten mit den sterbenden Aravaipa eine große Symphonie des Todes.

Von Panik ergriffen, rannte das zwanzigjährige Aravaipa-Mädchen durch das schützende Unterholz nach Norden davon. In ihrem Rücken hörte sie das Johlen der Weißaugen, die unter den Indianern wie Tiere wüteten. Tränen der Trauer und des Zornes liefen Juana über die Wangen, und ihr Körper wurde von Krämpfen geschüttelt. An diesem Morgen hatte man die friedliche Welt der Aravaipa mit einem Mal ausgelöscht.

Juana wusste nicht, dass die Weißen Eskiminzins Stamm dazu auserkoren hatten, um ihre Lust nach Rache zu stillen. Die rote Rasse war für die Weißen ein und dasselbe. Sie fragten nicht danach, ob die Aravaipa schuldig waren. Indianer mussten getötet werden.

Der schützende Wald nahm das Mädchen auf. Sie hielt für einen winzigen Augenblick an und schöpfte gierig nach Luft. Ihre Lungen arbeiteten wie ein Blasebalg, und ihr Gesicht war schweißnass von der Anstrengung.

Weit am Horizont stiegen dunkle Rauchwolken empor. Das Dorf der Aravaipas brannte lichterloh. Der friedliche Ort an dem kleinen Fluss war zu einer Stätte des Todes und des Grauens geworden. Die Weißen töteten wahllos, und Juana fragte sich, was mit Eskiminzin geschehen war. Hatte der Häuptling sich noch wehren können, oder hatten die Weißaugen ihn auch schon getötet?

Juana schüttelte die Gedanken ab und hastete weiter. Dornbüsche und Zweige hakten sich an ihrem Lederkleid fest und hinterließen lange blutige Streifen auf ihren ungeschützten Armen, doch das Mädchen spürte den Schmerz nicht. Sie wusste nur, wenn sie noch länger blieb, dann würden sie die Mörder finden und töten. Der Gedanke daran trieb sie an und verhalf ihr zu ungeahnten Kräften.

Juana wusste nicht, wie lange sie gelaufen war, als ihr Körper sich meldete und ihr signalisierte, dass sie am Ende ihrer Kräfte war, Erschöpft hielt das junge Aravaipa-Mädchen an und blickte gehetzt um sich, ihr Heimatdorf lag weit hinter den Hügeln drüben im Westen, und sie wusste jetzt, dass die Weißen sie nicht mehr einholen konnten.

Die Sonne stand mittlerweile schon hoch am Himmel, und Juana ahnte erst jetzt, was für einen weiten Weg sie in diesen Stunden der Angst und des Schreckens zurückgelegt hatte. Eine kleine Lichtung öffnete sich vor ihren Augen. Juana spürte die bleierne Schwere ihrer Beine und sehnte sich nach Ruhe.

Kurzentschlossen betrat sie die Lichtung und ließ sich in der Nähe eines Dogwoodstrauches nieder. Schon nach wenigen Minuten schloss sie die Augen. Das letzte, was sie noch sah, waren die Schreckensbilder des frühen Morgens, die sich in ihre Erinnerung unauslöschlich eingebrannt hatten.

 

*

 

Die Flucht eines Vogelschwarms weckte Juana aus dem tiefen und traumlosen Schlaf. Im ersten Augenblick glaubte sie sich noch inmitten des Grauens, das über die Aravaipas hereingebrochen war und den Stamm nahezu ausgerottet hatte. Doch als das Mädchen dann die noch schlaftrunkenen Augen aufriss, wusste sie, dass sie mit dem Leben davongekommen war.

Hoch über ihr stob der Vogelschwarm davon, den irgendetwas aus seiner Ruhe gerissen hatte. Gehetzt blickte Juana sich um. Sie kannte die Zeichen der Wildnis, und wusste, dass jemand in der Nähe war.

Den Mann, der drüben seelenruhig zwischen den Büschen stand, sah sie erst, als sie den Kopf wandte. Ihre Augen wurden größer vor Angst, als sie erkannte, dass der Mann ein Weißer war. Er war groß und kräftig und trug einen abgeschabten Armeemantel über dem schmutzigen flaschengrünen Hemd, das schon bessere Tage erlebt hatte. Um seine Hüften trug er einen schweren Waffengurt, der in krassem Gegensatz zu der schäbigen Kleidung des Mannes stand. Auf seinem Kopf saß eine alte Armeemütze, unter der schmieriges verfilztes Haar von undefinierbarer Farbe herausragte.

Der Mann grinste. Seine eisblauen Augen musterten Juana ohne jegliches

Gefühl.

„Sie hat Angst, Jake!“, sagte der Mann mit krächzender Stimme, und als Juana hinter sich ein schmutziges Lachen hörte, riss sie voller Panik den Kopf herum. Hinter ihr stand ein zweiter Mann, der ebenfalls in schmutzige Lumpen gehüllt war. Sein schwarzer Vollbart und seine stechenden Augen verhießen etwas Drohendes, und Juana ahnte, was jetzt geschehen würde.

Sie schüttelte hastig den Kopf, als sich der Mann mit dem Armeemantel ihr näherte, die rechte Hand ausgestreckt, die Augen gierig auf den Körper des Mädchens gerichtet.

„Na los, Mädchen!“, rief er mit heiserer Stimme und grinste über beide Ohren. „Mein Freund Jake und ich werden jetzt ein bisschen Spaß mit dir haben …“

Das Aravaipa-Mädchen wusste, was der Mann meinte. Sie kannte nur wenige Worte in der Sprache der Weißaugen, aber die Blicke, des Mannes waren eindeutig. Sie wollten über sie herfallen wie Tiere und sich nehmen, was sie ihnen verwehrte.

„Sie scheint Angst vor dir zu haben, Buck!“, sagte jetzt Jake zu seinem Kumpan, den nur noch wenige Schritte von Juana trennten. „Was ist, wer nimmt sie zuerst?“

Der Mann in dem Mantel, den sein Freund mit Buck angesprochen hatte, spuckte aus.

„Ich fange an!“, sagte er, und in seiner Stimme war deutlich zu hören, dass er seine Gier nur noch mit Mühe zurückhalten konnte. „Du kommst auch noch auf deine Kosten, Jake!“

Jake schien einverstanden zu sein, und Buck beugte sich daraufhin über Juana. Das Mädchen wehrte sich verzweifelt, aber trotzdem bereitete es Buck keine Mühe, einen Zipfel des Lederkleides zu erhaschen. Der Stoff riss mit einem hässlichen Geräusch, und der schmutzige Bandit blickte mit großen Augen auf den prachtvollen unverhüllten Körper der jungen Aravaipa-Squaw.

„Mann, Jake!“, krächzte er. „Da haben wir uns ja einen hübschen Vogel eingefangen …“

Und dann griffen seine schmierigen Hände nach Juana. In der jungen Aravaipa-Squaw zerriss etwas. Ein gellender Schrei entrang sich ihrer Kehle.

 

*

 

Der Reiter näherte sich von Süden her dem kleinen Wäldchen. Seit Stunden war er schon unterwegs. Der Mann ritt einen großen und starkknochigen Rappen, der ihm schon seit Jahren hindurch gute Dienste geleistet hatte.

Der Mann zügelte sein Pferd und griff nach der Canteenflasche, die an der rechten Seite des Sattels herabhing. Die Sonne stand schon hoch am Himmel, und es war eine Qual, bei dieser Mittagshitze ohne einen Tropfen Wasser weiter zu reiten. Der Mann schüttelte etwas von dem kostbaren Nass in seinen grauen flachkronigen Hut und ließ das Pferd trinken, dann erst stillte er seinen eigenen Durst.

Er war groß und schlank, und das auffälligste an ihm waren seine eisgrauen Haare, die in einem krassen Gegensatz zu dem sonnenverbrannten Gesicht standen. Der Mann sah älter aus als er tatsächlich war. Die harten Jahre während und auch nach dem Bürgerkrieg hatten ihm einen unsichtbaren Stempel aufgedrückt, und seitdem ritt er rastlos von einem Ort zum anderen, auf der Suche nach etwas, was er selbst nicht beschreiben konnte.

Sein Name war Jordan Scott, und er hatte seit wenigen Tagen die mexikanische Grenze hinter sich gelassen. Tief im Süden hatte er sich für Geld anheuern lassen, um die Truppen des Generals von eigenen Gnaden, Miguel Obregon, bei ihrer Revolution zu unterstützen. Doch die ganze Sache war fehlgeschlagen, und die Rurales hatten die Männer des Generals vernichtend geschlagen und in alle Winde zerstreut.

---ENDE DER LESEPROBE---