Die Forts am Bozeman Trail 08: Rückzug der Blauröcke - Alfred Wallon - E-Book

Die Forts am Bozeman Trail 08: Rückzug der Blauröcke E-Book

Alfred Wallon

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Beschreibung

Dies ist das achte und letzte Buch in der Serie Die Forts am Bozeman TrailNach den dramatischen Kämpfen des 1. und 2. August 1867 bleibt die Situation am Bozeman Trail angespannt. Um einen möglichst dauerhaften Frieden zu erreichen, beschließt man in Washington, mit den Häuptlingen der Powder-River-Region weitere Friedensverhandlungen zu führen. General William T. Sherman will diesen Frieden notfalls mit Gewalt durchsetzen. Aber Red Cloud lehnt sämtliche Friedensangebote ab und führt mit seinem Stamm weiter Krieg gegen jeden, der sein Land durchquert. Dies betrifft auch einen Wagenzug mit Abenteurern, die trotz der Gefahren Virginia City erreichen wollen. Sie werden von den Sioux angegriffen. Zum Glück können Jed Belden, Captain Frank North und seine Pawnee-Scouts das Schlimmste verhindern, aber eine Weiterreise nach Montana ist nicht mehr möglich. Die Menschen sind gezwungen, erst einmal in Fort Laramie zu bleiben. Dies sorgt für Spannungen unter den Reisenden.Die Printausgabe umfasst 246 BuchseitenEine Exklusive Sammlerausgabe des Titels als Taschenbuch können Sie nur direkt über den Versabdshop des Blitz-Verlages beziehen.

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Die Forts am Bozeman Trail

In dieser Reihe bisher erschienen

3201 Alfred Wallon Blaurock-Patrouille

3202 Alfred Wallon Der Sioux-Killer

3203 Alfred Wallon Gebrochene Verträge

3204 Alfred Wallon Das Fetterman-Massaker

3205 Alfred Wallon Fort Phil Kearny in Gefahr

3206 Alfred Wallon Der Hayfield Kampf

3207 Alfred Wallon Die Wagenkastenschlacht

3208 Alfred Wallon Rückzug der Blauröcke

Alfred Wallon

Rückzug der Blauröcke

Diese Reihe erscheint als limitierte und exklusive Sammler-Edition!Erhältlich nur beim BLITZ-Verlag in einer automatischen Belieferung ohne ­Versandkosten und einem Serien-Subskriptionsrabatt.Infos unter: www.BLITZ-Verlag.de© 2021 BLITZ-Verlag, Hurster Straße 2a, 51570 WindeckRedaktion: Jörg KaegelmannTitelbild: Rudolf Sieber-LonatiUmschlaggestaltung: Mario HeyerIllustrationen: Wiktoria Matynia/123RF.comSatz: Harald GehlenAlle Rechte vorbehaltenISBN 978-3-95719-338-4Dieser Roman ist als Taschenbuch in unserem Shop erhältlich!

Prolog

28. August 1867

Im Lager der Brulé-Sioux

Am späten Nachmittag gegen 17:00 Uhr

Spotted Tail hörte Hufschläge, die sich dem Dorf näherten. Augenblicke später sah er eine kleine Gruppe von Reitern, die vom nördlichen Ufer des Platte River kamen und genau auf das Dorf zuhielten. Auch wenn er einige aufgeregte Stimmen von Frauen und Kindern hinter sich hörte, so wusste er doch, dass diese Reiter keine Gefahr bedeuteten. Sonst hätten die Späher längst das Dorf gewarnt. Also blieb er ganz ruhig vor seinem Tipi stehen und wartete ab, was weiter geschah.

Wenige Augenblicke später wusste er, um wen es sich bei den ankommenden Reitern handelte. Big Mouth führte die Gruppe an. Bei ihm befanden sich auch Big Ribs, Eagle Foot, Whirlwind und Little Crow. Diese Indianer waren auch unter dem Namen Laramie-­Bummler bekannt. Es waren gerissene Händler, die mit den Blaurock-­Soldaten und anderen Weißen Handel trieben und daraus ihre eigenen Vorteile zogen.

Spotted Tail blieb argwöhnisch, als Big Mouth sein Pferd unweit von Spotted Tail zügelte und ihn mit erhobener Hand grüßte. Er lächelte freundlich, aber Spotted Tail erwiderte dieses Lächeln nicht. Er wusste, dass die Laramie-Bummler dann in Erscheinung traten, wenn sie dies ohne großen Aufwand für sich nutzen konnten. Also wollte Spotted Tail erst einmal abwarten, was Big Mouth zu sagen hatte, und dann konnte er immer noch eine Entscheidung für sich und seinen Stamm treffen.

„Ich grüße dich, Spotted Tail!“, sagte Big Mouth so laut, dass es jeder der Umstehenden hören konnte. „Ich habe eine wichtige Botschaft für dich und dein Volk zu überbringen.“

Der Brulé-Häuptling runzelte die Stirn, als Big Mouth nicht abwartete, bis man ihm die Erlaubnis erteilt hatte, abzusteigen. Der Laramie-Bummler bemerkte das natürlich und lächelte jetzt noch eine Spur intensiver, bevor er wieder das Wort ergriff.

„Es wird bald einen dauerhaften Frieden geben, Spotted Tail“, sagte er. „Der neue Kommissar Nathaniel Taylor lädt alle Häuptlinge zu neuen Verhandlungen ein. Jeder, der einen dauerhaften Frieden will, wird von den Weißen genügend Munition bekommen.“

„Wenn die Weißen von Frieden sprechen, handelt es sich meist um Lügen“, erwiderte Spotted Tail. „Wie soll denn dieser Frieden aussehen, Big Mouth? Sind es wieder nur Geschenke, mit denen sie uns ruhigstellen wollen?“

„Du hast doch auch ihre Geschenke genommen und dich gegen Red Cloud gestellt“, erinnerte ihn Big Mouth. „Oder hast du das schon vergessen?“

„Damals habe ich wirklich an einen dauerhaften Frieden geglaubt und wollte das den Blaurock-Soldaten auch zeigen“, erwiderte Spotted Tail. Seine Miene verdüsterte sich, als er sich daran erinnerte, wie er und große Teile seines Volkes zu den Friedensverhandlungen ­aufgebrochen waren und seine Tochter Fleet Foot unterwegs gestorben war. Es war ein grausamer Winter, den er nie mehr vergessen würde. „Aber ich weiß, dass sich vieles seitdem verändert hat, Big Mouth. Red Cloud wird keinen Frieden mehr wollen. Nicht nach dem, was jetzt geschehen ist.“

„Ich weiß, was du meinst“, erwiderte Big Mouth mit einer vielsagenden Geste. „Viele Krieger sind gestorben. Es ist schwer, über Frieden zu sprechen, wenn man sich an diese beiden blutigen Tage erinnert.“

„Es gab einmal eine Zeit, als ich den Weißen geglaubt habe, Big Mouth“, meinte Spotted Tail. „Aber mein Herz ist immer noch dunkel. Sag, was du zu sagen hast, und dann reite wieder.“

Der Brulé-Häuptling bemerkte natürlich, dass seine Worte Big Mouth und den anderen Laramie-­Bummlern nicht gefielen. Aber noch gab sich Big Mouth nicht zufrieden, sondern sprach einfach weiter.

„Der neue Indianerkommissar Nathaniel Taylor verspricht ehrliche Verhandlungen. Er sagt, ihr sollt alle zu dem Ort kommen, wo die Spur des Eisernen Pferdes endet. Du kennst diesen Ort?“

„Ich kenne ihn“, antwortete Spotted Tail mit einem verächtlichen Blick. „Dieses Eiserne Pferd ist schon viel zu nahe an unser Land herangekommen. Ich glaube, dass die Weißen unser Land stehlen wollen, um den Weg des Eisernen Pferdes fortzusetzen. Niemand von uns wird das wollen, Big Mouth – und das weißt du genau!“

„Es geht nicht um das Eiserne Pferd, Spotted Tail“, gab Big Mouth zu bedenken. „Taylor will mit allen Häuptlingen über den Frieden sprechen und euch zusichern, dass ihr euer Land behalten könnt. Niemand soll mehr von dort vertrieben werden.“

Er wartete einen kurzen Augenblick ab, um zu sehen, welche Wirkung seine Worte bei Spotted Tail auslösten. Da der Brulé-Häuptling nach wie vor eine ablehnende Haltung zeigte, sprach er rasch weiter.

„Great Warrior Sherman und weitere Boten aus Washington werden kommen, um mit euch zu verhandeln. Du kennst Sherman?“

„Ich habe seinen Namen schon einmal gehört“, meinte Spotted Tail. „Er hat gegen sein eigenes Volk gekämpft ...“

Damit meinte der Brulé-Häuptling den verheerenden Krieg zwischen Nord und Süd, von dem die Stämme der Plains-Indianer natürlich erfahren hatten. Aber niemand hatte verstanden, warum sich die Weißen gegenseitig bis aufs Blut bekämpft und ganze Landstriche verwüstet hatten. Für Spotted Tail und viele andere Häuptlinge war dieser Krieg nur insofern wichtig gewesen, weil er das Vordringen der Weißen deutlich verzögert hatte. Aber seit der Krieg vor zwei Sommern ein Ende gefunden hatte, kamen immer mehr Weiße zum Bozeman Trail. Red Cloud hatte deshalb allen Weißen den Krieg erklärt, und er würde gewiss keinen Frieden mehr wollen. Zu oft waren er und andere Häuptlinge von den Weißen betrogen worden.

An all dies erinnerte sich Spotted Tail, während er weiter Big Mouths vollmundige Ankündigungen vernahm.

„Es wird eine neue Zeit für alle Stämme anbrechen“, beendete der Laramie-Bummler seine verheißungsvolle Ansprache. „Wenn dieser Frieden ausgehandelt ist, wird kein Blut mehr fließen.“

„Und wie sieht dieser Frieden für dich aus, Big Mouth?“, wollte Spotted Tail wissen und schaute auch die anderen Laramie-Bummler an. „Ihr habt doch bestimmt schon mit den Soldaten Verhandlungen geführt, oder?“

„Ich kann verstehen, dass du zweifelst, Spotted Tail“, ergriff nun Eagle Foot das Wort. „In deinem Herzen herrscht immer noch Trauer, und ich weiß, was das bedeutet. Aber wir können auf Dauer gegen die Weißen nicht bestehen. Ich habe viel von den großen Dörfern im Osten gehört. Viele Weiße leben schon dort, und eines Tages werden sie auch hier sein. Was willst du dann tun? Die Weißen sind so zahlreich wie die Blätter an den Bäumen. Ich habe das verstanden und werde versuchen, damit zu leben. Oder möchtest du, dass die Frauen, Alten und Kranken deines Volkes weiter darunter leiden müssen? Wenn du und die anderen Häuptlinge zu diesen Verhandlungen kommt, wird keiner von euch mehr Hunger leiden müssen. Ihr bekommt so viel Munition, dass ihr immer jagen könnt ...“

Spotted Tail überlegte einen kurzen Augenblick, bevor er eine Entscheidung traf.

„Ich werde darüber nachdenken“, sagte er. „Und ich werde auch einen Boten zu Red Cloud schicken. Aber ich weiß nicht, wie er sich entscheidet.“

„Kommst du zu den Verhandlungen?“, fragte Eagle Foot. „Es wird dir und deinem Stamm helfen.“

„Ich höre bis jetzt nur Versprechungen“, erwiderte Spotted Tail ausweichend. „Ich werde wohl noch warten müssen, bis sich diese erfüllen.“

„Du wirst es sehen – und du wirst froh darüber sein, zu den Friedensverhandlungen zu kommen. Great Warrior Sherman und Kommissar Taylor werden sich an diejenigen erinnern, die den Frieden wollen.“

Mit diesen Worten schaute er zu Big Mouth. Aber dieser schwieg. Es war alles gesagt.

„Wir reiten weiter“, meinte er schließlich. „Es gibt noch viele andere Häuptlinge, mit denen wir sprechen müssen.“

Mit diesen Worten gab er den anderen Indianern ein kurzes Zeichen. Die wendeten daraufhin ihre Pferde und ritten los. Big Mouth folgte ihnen wenige Augenblicke später. Zurück blieb ein sehr nachdenklicher Spotted Tail, der immer noch nicht wusste, ob er den Worten der Laramie-Bummler Glauben schenken sollte. Er wusste aber auch, dass bald wieder der Winter kommen würde – und auch die kalte Zeit, in der sein Volk oft hungerte. Mit der Munition, die man ihnen jetzt versprochen hatte, würde sich dies vielleicht zum Guten wenden. Es war eine Chance, die man seinem Volk jetzt geboten hatte. Aber ob sich all dies jemals bewahrheiten würde?

Kapitel 1: Ankunft in Platte City

19. September 1867

Zehn Meilen vor Platte City / Nebraska

Gegen 13:00 Uhr am frühen Nachmittag

„Mir erscheinen alle bisherigen Lösungen als äußerst fragwürdig, General“, meinte William Tecumseh Sherman zu General Alfred Terry und blickte gelangweilt aus dem Fenster des Waggons. Sein Gesicht spiegelte die Gefühle wider, die ihn angesichts dieser Mission beschäftigten. Manchmal gab es Angelegenheiten, die man nur noch mit gebotener militärischer Härte umsetzen konnte. Sherman wusste, was das bedeutete und was man tun musste, um solche Ziele in die Tat umzusetzen. Auf seinem Marsch durch Georgia während des blutigen Bürgerkrieges hatte er die dort lebenden Menschen in Angst und Schrecken versetzt. Als er mit seinen Truppen fast ungehindert in Richtung Atlanta gezogen war, hatte er nichts als verbrannte Erde hinterlassen, war aber dabei auch sehr erfolgreich gewesen.

Er bemerkte den ebenfalls sehr skeptischen Blick von General Terry, der in seiner Funktion als militärischer Berater zusammen mit den eigentlichen zivilen Unterhändlern mit den Häuptlingen der verschiedenen Plains-Stämme einen Friedensvertrag aushandeln sollte. Dieser Blick galt Nathaniel Taylor und den anderen Zivilisten, die ihn begleiteten. Männer wie John Henderson, Samuel Tappen sowie die beiden sehr puritanisch wirkenden Mitarbeiter des Innenministeriums, Harney und Sanborn, waren noch niemals Indianern begegnet. Alles, was sie wussten, hatten sie aus Zeitungen und den Berichten erfahren, die das Militärkommando von Fort Laramie nach Washington geschickt hatte.

„Ich denke, wir sollten uns gegenüber diesen Leuten durchsetzen und unsere Positionen klar und deutlich vertreten, General“, meinte Sherman und schaute kurz abfällig zu Taylor und seinen Kollegen, die zwei Reihen schräg gegenüber im Waggon saßen.

„Vergessen Sie nicht, dass Taylor offiziell diese Verhandlungen leiten soll“, gab Terry zu bedenken. „Auf jeden Fall hat er entsprechende Rückendeckung aus Washington. Das sollten Sie nicht vergessen ...“

„Zum Teufel damit!“, entfuhr es Sherman etwas heftiger, als er es zunächst eigentlich geplant hatte. Er bemerkte, dass Taylor und Sanborn kurz zu ihm herüberschauten. Aber als Sherman den beiden Unterhändlern signalisierte, dass alles in Ordnung war, entspannten sie sich wieder und setzten ihre Gespräche fort.

„Ich weiß, dass Sie Ihre eigenen Ansichten gerne klar und deutlich vertreten“, sagte General Terry zu Sherman. „Aber in diesem Fall wäre etwas mehr Diplomatie angebracht. Sie verstehen, was ich damit sagen will?“

„Oh ja“, murmelte Sherman mit einem Gesichtsausdruck, der seine Gedanken zu diesem Vorschlag mehr als deutlich widerspiegelte. „Ich bin mir aber nicht sicher, ob solche Männer wie Harney und Sanborn überhaupt begreifen können, welche Mentalität die Indianer haben. Schauen Sie sich Taylors Kollegen doch einmal an. Für sie ist die Reise nach Platte City so etwas wie ein Aufbruch in ein unbekanntes Territorium. Die meisten haben die Ostküste noch nie zuvor verlassen und kennen den Westen überhaupt nicht. Solche Männer mit diesen wichtigen Verhandlungen zu betrauen, halte ich für einen großen Fehler.“

„Es muss ja nicht zu einem solchen Fehler kommen“, sagte Terry. „Deswegen sind wir ja ein Teil dieser Kommission. Im Übrigen kann ich Ihre Sicht der Dinge klar und deutlich verstehen und unterstütze das auch. Selbst wenn Sie bisher noch nicht den Eindruck gehabt haben sollten, dass ich auf Ihrer Seite stehe.“

„Das freut mich zu hören“, sagte Sherman, dem die Erleichterung ins Gesicht geschrieben stand. Wenn er solch einen verdienten Offizier wie General Alfred Terry auf seiner Seite hatte, dann würde er sicher Einfluss auf die bevorstehenden Friedensverhandlungen nehmen können.

„Was glauben Sie?“, riss ihn Terrys Stimme aus seinen Gedanken. „Glauben Sie, dass Red Cloud wirklich kommen wird, um an den Verhandlungen teilzunehmen?“

„Wenn es nach Taylor und den anderen Abgesandten geht, dann sind sie absolut überzeugt davon“, meinte Sherman. „Ich denke das aber nicht. Dieser gerissene Fuchs wird erst einmal abwarten, was dabei herauskommt. Vermutlich wird er einen Stellvertreter schicken. Ich glaube, es wird wieder Man-Afraid-of-His-Horses sein.“

„Wenn dem so sein sollte, wird das Taylor nicht gefallen“, fügte Terry hinzu.

„Es gibt einen guten Grund dafür, warum Red Cloud bis jetzt nicht in die Knie gezwungen werden konnte“, sagte Sherman. „Obwohl ich nach wie vor der Meinung bin, dass ein entschlossenes militärisches Vorgehen einiges von dem, was in den letzten Wochen geschehen ist, hätte verhindern können.“

„Sie meinen die Ereignisse am 1. und 2. August?“

„Ja“, sagte Sherman mit gepresster Stimme. „Die Kommandanten von Fort C.F. Smith und Fort Phil Kearny haben sich von den Indianern einfach in die Enge treiben lassen, General. Hätte ich hier zu entscheiden gehabt, dann wäre eine Strafexpedition längst fällig gewesen. Mit einem Resultat, das keine weiteren Fragen mehr offenlässt.“

„Das hätte aber unter Umständen im Osten für einigen Aufruhr gesorgt“, gab Terry zu bedenken.

„Glauben Sie wirklich, das würde mich interessieren?“, hielt Sherman dagegen. „Lassen Sie Taylor und die anderen Abgesandten den offiziellen Teil der Friedensverhandlungen führen. Sobald ich merke, dass sich die Sache verzögert oder gar aus dem Ruder gerät, werde ich mich einmischen. Und zwar so, dass klare Verhältnisse herrschen. Ich habe dazu Unterstützung vom Präsidenten persönlich bekommen ...“

Jetzt war es Terry, der sein Erstaunen nicht mehr zurückhalten konnte. Bevor er jedoch darauf einging, schaute er noch einmal kurz zu Taylor und den anderen Unterhändlern. Aber die waren mit sich selbst beschäftigt und hörten nicht zu, worüber Sherman und Terry genau sprachen.

„Ich bin überrascht, das zu hören“, sagte er. „Ich hatte eigentlich gedacht, dass das Innenministerium federführend bei diesen Verhandlungen ist.“

„Offiziell schon“, erwiderte Sherman. „Aber Sie kennen doch auch die politischen Ansichten von Präsident Andrew Johnson, oder?“ Er sah, wie Terry dies mit einem kurzen Nicken bestätigte, und fuhr deshalb rasch fort. „Diese unsägliche Gleichmacherei in unserem Land wird bald ein Ende finden, General. Unser Präsident ist jedenfalls der Meinung, dass die Indianer die Vergangenheit dieses Landes darstellen. Aber uns gehört die Zukunft. Um diesen Plan auch langfristig umzusetzen, gilt es, diese Wilden davon zu überzeugen, dass sie keine Chance haben, uns loszuwerden. Die Siedler, Farmer und Rancher sind in den Westen gekommen, um sich dort eine neue Zukunft aufzubauen und zu bleiben. Der Bau der Eisenbahn wird diese Entwicklung noch um ein Viel­faches beschleunigen. Gleichzeitig glauben die Roten noch daran, dass die Eisenbahn so etwas wie ein furchtbarer Dämon aus der Hölle ist, der ihnen eine Heidenangst einjagt. Mit solchen primitiven Menschen kann man einfach nicht auf einer Stufe stehen.“

„Wenn Sie das so deutlich zur Sprache bringen, könnte man Sie unter Umständen für einen Rassisten halten“, sagte Terry seufzend. „Vergessen Sie das nicht – sonst könnten Sie Schwierigkeiten bekommen.“

„Ich bin während des Bürgerkrieges mit ganz anderen Problemen fertig geworden, und keiner hat sich darüber beklagt, welche Maßnahmen ich dafür getroffen habe“, lautete Shermans Antwort. „Der Zweck heiligt manchmal die Mittel, und so war es auch in Atlanta. Auf mensch­liche Einzelschicksale kann man da keine Rücksicht nehmen, wenn man das große Ganze vor Augen hat. Finden Sie nicht auch?“

Auf diese Suggestivfrage konnte Terry nichts anderes erwidern, als ihm zuzustimmen. Das stellte Sherman sichtlich zufrieden und ließ ihn lächeln.

„Sehen Sie?“, sprach er dann weiter. „Ich bin mir dieser Verantwortung sehr deutlich bewusst, und genauso schätze ich auch Sie ein, General. Also dann bleibt es dabei. Wir werden erst einmal beobachten, wie sich die Verhandlungen entwickeln, und wenn es nötig ist, dann werde ich ganz sicher eingreifen. Hoffentlich auch mit Ihrer Unterstützung.“

Terry gab ihm mit einem kurzen Nicken zu verstehen, dass er einverstanden war. Mehr hatte Sherman nicht erreichen wollen. Es war immer gut, wenn er auf jemanden zurückgreifen konnte, wenn sich die Verhandlungen zuspitzten. Mochten die Indianer ruhig denken, dass diese Verhandlungen endlich den lang ersehnten Frieden brachten. Aber jeder Frieden hatte auch seinen Preis, und in dem Fall würden ihn die Stämme der Plains bezahlen müssen!

Seine Gedanken brachen ab, als sich die Tür des Waggons öffnete und ein grauhaariger Bahnbediensteter herein­kam.

„Wir erreichen in einer knappen Viertelstunde Platte City, Gentlemen!“, rief er so laut, dass es jeder der Fahrgäste hören konnte.

„Das wurde aber auch Zeit“, sagte der blasse Unterhändler Harney und bekam sofort Unterstützung von seinem Kollegen Sanborn, der sich mit einem einstmals weißen Taschentuch demonstrativ einige Schweißtropfen von der Stirn wischte.

„Das hier ist nicht die Ostküste“, lautete die Antwort des Union-Pacific-Angestellten. „Je früher Sie das verstehen, umso weniger Schwierigkeiten werden Sie hier haben.“

„Also das ist doch ...“, murmelte Harney kopfschüttelnd. „Guter Mann, was erlauben Sie sich eigentlich? Wissen Sie nicht, wen Sie hier vor sich haben? Mein Name ist Harney, und ich bin ...“

Selbst wenn es der Bahnbedienstete gewusst hätte, so schien ihn das nicht im Geringsten zu interessieren. Er kehrte Harney demonstrativ den Rücken zu und verließ den Waggon wieder genauso schnell, wie er ihn betreten hatte.

„Rüdes Personal ist das!“, schnaufte Sanborn. „Die Bahngesellschaft sollte diesen unfähigen Mann sofort entlassen!“

„Immer mit der Ruhe, Mister Sanborn“, mischte sich nun auch Sherman ein. „Er hat es bestimmt nicht so gemeint. Reißen Sie sich bitte am Riemen, wir sind bald am Ziel unserer Reise. Und da gibt es Wichtigeres, als sich über solche Nebensächlichkeiten stundenlang aufzuregen.“

Der Unterhändler wurde angesichts dieser deutlichen Kritik noch etwas blasser, als er es ohnehin schon war. Aber er verkniff sich eine entsprechende Bemerkung, und das wusste Sherman.

„Ich sehe schon das Ende der Bahnstrecke und die ersten Häuser“, meinte General Terry, als er einen Blick aus dem Fenster geworfen hatte und am Ende der Ebene tatsächlich einige Häuser entdeckte. „Gott sei Dank – es wird Zeit, dass wir diese Sache zu einem vernünftigen Ende bringen.“

„Das werden wir, General“, versprach ihm Sherman mit einem wissenden Lächeln. „Ganz sicher sogar.“

19. September 1867

Platte City / Nebraska

Am Ende des Schienenstrangs der Union Pacific

Gegen 14:00 Uhr

Man-Afraid-of-His-Horses mochte diesen Ort nicht. Er lag weit entfernt von seiner Heimat Paha Sapa, den heiligen Bergen der Sioux-Stämme. Hier war alles nur staubig und trocken und kalt dazu. Der Wind, der von der Ebene den Staub bis an den Rand der ersten Häuser wehte, schien die Landschaft ständig zu verändern. Dennoch schien die Stadt, die die Weißen Platte City nannten, große Bedeutung zu haben. Denn sonst hätte man diesen verlassenen und armselig wirkenden Ort niemals für solch wichtige Friedensverhandlungen ausgewählt. Zumindest hatten die Boten davon gesprochen, dass es wichtige Verhandlungen waren. Ob dies wirklich den Tatsachen entsprach, würde sich erst noch herausstellen müssen.

Er hatte trotz aller Beteuerungen der Laramie-Bummler Zweifel daran, dass diese Verhandlungen ein für beide Seiten zufriedenstellendes Ergebnis bringen würden. Die Gesandten des Großen Vaters aus Washington hatten immer wohlwollende Reden gehalten und alle möglichen Versprechungen gegeben, aber kaum etwas davon gehalten.

„Achte sehr auf ihre Augen“, hatte Red Cloud zu seinem Stellvertreter gesagt. „In ihren Augen erkennst du die Wahrheit. Oft ist es nicht das, wovon sie sprechen.“

An diese Worte erinnerte sich Man-Afraid-of-His-­Horses jetzt wieder. Seine Blicke schweiften umher. Direkt zu der Spur aus Stahl, die zwar hier endete, aber bis weit nach Osten führte, dort wo sich die großen Städte der Weißen befanden. Der Sioux-Unterhäuptling wusste zwar nicht genau, auf welche Weise das Eiserne Pferd überhaupt vorankam. Aber er ahnte, dass dies nichts mit Geistern oder Dämonen zu tun hatte – sondern vielmehr mit einem Wissen, das die Stämme der Plains nicht besaßen. Die Weißen dagegen schon, und das machte sie sehr gefährlich.

Nicht nur Man-Afraid-of-His-Horses war zu diesen Verhandlungen gekommen, sondern auch andere ­Anführer wie Pawnee Killer oder Turkey Leg. Auch Swift Bear, Standing Elk und andere Brulé-Häuptlinge wie Spotted Tail standen einige Schritte entfernt und schauten zum Horizont. Von dort sollte das eiserne Pferd kommen, hatte man ihnen gesagt.

Auch Big Mouth und seine Laramie-Bummler waren gekommen, und sie grinsten, als sie bemerkten, wie einige der Häuptlinge allmählich ungeduldig wurden. Vielleicht hatte dies auch etwas mit der Anwesenheit einiger Weißer und vielen Soldaten zu tun. Es herrschte eine gespannte Atmosphäre in dieser merkwürdigen Stadt. Mehr als einmal hatte Man-Afraid-of-His-Horses immer wieder um sich geblickt, weil er befürchtete, dass dies eine Falle war. Aber bis jetzt hatte er keine Hinweise darauf entdecken können, die diese Vermutung untermauerten. Trotzdem blieb ein mulmiges Gefühl, das einfach nicht weichen wollte. Als ob er schon ahnte, dass die Verhandlungen zu keinem Ergebnis führen würden.

In der Ferne zeichnete sich auf einmal eine schwarze Rauchwolke ab. Wenige Augenblicke später erkannte Man-Afraid-of-His-Horses in der Ferne das Eiserne Pferd, das sich jetzt dem Ende der Stahlspur näherte. Der schwarze Rauch wurde immer dichter, und auf einmal erklang ein lautes Pfeifen, das einige der Brulé-­Häuptlinge zusammenzucken ließ. Einige von ihnen hatten das Eiserne Pferd noch niemals zuvor erblickt, und Man-Afraid-of-His-Horses konnte sich gut vorstellen, welche Gedanken ihnen jetzt durch den Kopf gehen mochten. Er selbst dagegen verhielt sich still und ­abwartend, hatte beide Arme vor der Brust verschränkt und sah zu, wie sich das Eiserne Pferd immer weiter näherte, aber auch gleichzeitig immer langsamer wurde.

Wieder ertönte das laute Pfeifen, gefolgt von einem schrillen Quietschen, das in seinen Ohren schmerzte. Als das Eiserne Pferd schließlich zum Stehen kam, quoll weißer Rauch unter den Rädern hervor und vernebelte für kurze Zeit die Sicht zur anderen Seite. Zwischenzeitlich hatten einige bewaffnete Soldaten Aufstellung genommen, während die anderen Weißen sich zurückhielten und nur beobachteten, was jetzt geschah.

Gespannt sah Man-Afraid-of-His-Horses zu, was nun weiter geschah. Einige Männer stiegen aus und näherten sich nun ihm und den anderen Häuptlingen. Er kannte einen der Weißen. Sein Name war Taylor, und er hatte schon einmal solche Verhandlungen geführt. Die anderen Männer kannte Man-Afraid-of-His-Horses nicht, aber sie schienen sich für sehr wichtig zu halten. Sie benahmen sich jetzt schon so, als würden sie die hier versammelten Häuptlinge sehr verachten.

Natürlich hatte der Oglala-Unterhäuptling mit so etwas gerechnet. Das aber war es nicht, was ihn beunruhigte. Es waren vielmehr die beiden Männer in den blauen Uniformen, die offensichtlich zu den anderen Männern gehörten. Einer von ihnen hatte stechende Augen, und Man-Afraid-of-His-Horses spürte instinktiv, dass er besonders auf diesen Soldatenhäuptling achten musste.

Einige lange Sekunden vergingen, in denen Schweigen herrschte. Der Unterhändler namens Taylor trat nun einen Schritt nach vorn, räusperte sich kurz und richtete dann das Wort durch einen Übersetzer an die versammelten Häuptlinge.

„Wir sind von weither gekommen, um mit euch zu sprechen“, begann er seine Rede. „Wir wollen aus eurem Mund selbst eure Beschwerden hören. Damit wir euch umso besser verstehen können. Meine Freunde, sprecht ganz offen und frei, was euch bedrückt und was wir für euch tun können. Zwischen uns sollen nur wahre Worte gesprochen werden. Krieg ist immer schlecht, nur der Frieden kann helfen, damit wir uns gegenseitig besser verstehen. Deshalb müssen wir uns für das Gute entscheiden und nicht für das Schlechte. Was habt ihr uns zu sagen? Wir hören euch jetzt zu.“

„Wir werden reden“, ergriff nun Man-Afraid-of-His-Horses als Erster das Wort und kam damit Spotted Tail zuvor. „Aber nicht hier vor dem Eisernen Pferd. Unser Lager ist draußen vor der Stadt. Dort werden wir reden.“

Sein Wort galt noch einiges unter den Häuptlingen. Er brauchte aber nur kurz in die Gesichter der Brulé und der Laramie-Bummler zu schauen, um sofort zu erkennen, dass es ihnen nicht schnell genug ging, die Gespräche zu beginnen. Wahrscheinlich, weil sie es kaum abwarten konnten, die versprochene Munition in Empfang zu nehmen. Hatten diese Krieger denn überhaupt keinen Stolz mehr? Man-Afraid-of-His-Horses empfand nichts als Verachtung für dieses Verhalten. Er war nicht als Bittsteller an diesen Ort gekommen, sondern als jemand, der auf gleicher Augenhöhe mit den weißen Unterhändlern sprechen wollte.

Sein zunächst ablehnend wirkendes Verhalten schien den beiden Blaurock-Soldatenhäuptlingen nicht zu gefallen. Er bemerkte, wie die beiden Männer kurz miteinander redeten und immer wieder in seine Richtung schauten. Aber Man-Afraid-of-His-Horses war zu weit entfernt, um irgendetwas verstehen zu können.

Eine gute halbe Stunde später hatten sich alle an diesen Verhandlungen beteiligten Männer vor der Stadt versammelt. Einige der Weißen schienen verunsichert zu sein, als sie auf einigen Decken Platz nehmen mussten. Man-Afraid-of-His-Horses amüsierte sich im Stillen darüber, weil ihm dies erneut zeigte, dass diese Männer nichts über sein Volk wussten – und so benahmen sie sich auch. Er beschloss aber, sich jetzt erst einmal im Hintergrund zu halten, und überließ es Spotted Tail, nun das Wort an die Unterhändler zu richten. Der Brulé-Häuptling trat einen Schritt nach vorn und schaute die Weißen lange und zugleich flehend an. Er schien seinen Stolz und seine Würde tatsächlich vergessen zu haben.

„Der Große Weiße Vater hat Straßen bauen lassen, die sich nach Osten und Westen erstrecken“, begann er seine Rede und zeigte mit der rechten Hand in die betreffenden Richtungen. „Diese Straßen sind es, die uns viele Sorgen bereiten. Denn das Land, in dem wir schon sehr lange leben, wird von den Weißen überschwemmt. All unser Wild ist verschwunden. Das macht uns große Sorgen ...“

Er hielt einen Moment inne, um zu sehen, welche Wirkung seine Worte ausgelöst hatten. Aber die weißen Unterhändler ließen sich nicht anmerken, was sie davon hielten. Deshalb sprach Spotted Tail weiter.

„Ihr wisst, dass ich und mein Stamm Freunde der Weißen sind. Wir sind es immer noch. Deshalb bitte ich euch, damit aufzuhören, solche Straßen zu bauen und das Eiserne Pferd in unser Land zu bringen. Erst wenn all dies aufhört, wird auch das Wild wiederkommen. Das Land am Powder River gehört allen Sioux-Völkern. Ihr könnt und dürft es uns nicht wegnehmen. Meine Freunde, habt Erbarmen mit uns!“

Man-Afraid-of-His-Horses konnte nicht verstehen, wie sich ein Häuptling wie Spotted Tail so sehr erniedrigen konnte. Vielleicht lag es immer noch daran, dass der Verlust seiner Tochter ihn hatte bitter werden lassen.

Auch einige der anderen Häuptlinge ergriffen nun das Wort und sprachen in dieser Art und Weise weiter. Obwohl nur wenige Indianer das Land direkt am Powder River als ihre Heimat betrachteten – sie lebten stattdessen in den Prärien von Kansas und Nebraska – taten sie dennoch so, als ginge es auch um ihre Heimat. Sie sprachen ebenfalls von dem verschwundenen Wild und dass sie dadurch Hunger leiden müssten. Das könne man nur wieder ausgleichen, wenn man den Bau sämtlicher Straßen sofort stoppen würde.

„Wo ist denn der Große Weiße Vater?“, fragte Pawnee Killer voller Verwunderung und blickte sich suchend um. „Sagt ihr nicht immer, dass er auch für alle seine Kinder da ist? Seid ihr deswegen gekommen, damit ihr uns in unserem Unglück helft und alles dafür tut, dass es keine neuen Straßen mehr gibt?“ Er hob beide Hände wie zu einem Gebet, als er weitersprach. „Ich verspreche euch, dass die Weißen ungehindert mit dem Eisernen Pferd reisen können, wenn die Blaurock-Soldaten und die anderen Weißen aus unserem Land verschwinden und der Bau der Straße aufhört.“

Die Miene von Man-Afraid-of-His-Horses verdüsterte sich bei diesen Worten. Pawnee Killer hatte gar keine Entscheidungsgewalt darüber, für alle Sioux-Stämme zu besprechen. Die bisherige Entwicklung der Verhandlungen gefiel ihm überhaupt nicht. Die weißen Unterhändler hatten sich bis jetzt weitestgehend zurückgehalten und erst einmal die Häuptlinge sprechen lassen. Aber sie ließen sich nicht anmerken, was sie davon hielten.

Erneut beobachtete er die beiden Soldatenhäuptlinge. Einer von ihnen erhob sich jetzt und sprach mit dem Anführer der Unterhändler. Der blickte zunächst sehr erstaunt drein, schien sich aber schließlich einverstanden zu erklären. Er hob dann ebenfalls die rechte Hand zum Zeichen, dass er sprechen wollte.

„Wir verstehen, was ihr uns sagen wollt“, meinte Taylor. „Deshalb wollen wir nicht voreilig entscheiden, sondern uns sorgfältig beraten. Lasst uns morgen früh wieder an diesen Ort kommen und weitersprechen. Jeder soll gehört werden. Es ist kein Aufschub, sondern nur Zeit, die wir brauchen, um wirklich alles zu besprechen.“

Wieder lächelte Taylor bei diesen Worten, aber Man-Afraid-of-His-Horses erinnerte sich wieder daran, was Red Cloud gesagt hatte. Und er musste feststellen, dass dies stimmte. Denn Taylors Augen blieben kalt und berechnend – genau wie die Blicke der beiden Soldatenhäuptlinge. Das gefiel ihm gar nicht. Trotzdem wollte er noch den morgigen Tag abwarten, um zu sehen, zu welchen Ergebnissen die Unterhändler gekommen waren. Dann konnte er immer noch eine Entscheidung treffen. Hoffentlich nicht nur für seinen eigenen Stamm!

19. September 1867

Im Plainsmen Hotel von Platte City

Gegen 20:00 Uhr

„Das sind alles Hungerleider“, meinte Sanborn zu seinem Kollegen Harney, während er mit sichtlichem Widerwillen versuchte, das Stew, das man den Unterhändlern vorgesetzt hatte, als genießbar zu betrachten. „Mein Gott, was für ein schrecklicher Ort. Ich könnte mir nicht vorstellen, auch nur einen einzigen Tag in dieser Einöde zu leben. Ich hoffe doch sehr, dass morgen die Verhandlungen ein rasches Ende finden. Ich kann es kaum abwarten, endlich wieder in Washington zu sein.“

„Mir geht es genauso“, pflichtete John Henderson den beiden Männern bei. „Diese Heiden haben doch nicht die geringste Ahnung, wie unser System funktioniert. Stattdessen betteln sie wegen völlig unwichtiger Dinge und lassen die eigentlichen Themen völlig außer Acht. Was für ein Glück, dass unsere Zivilisation dieses Problem hoffentlich bald regelt. Ich komme mir vor, als würde ich Menschen begegnen, die in der Steinzeit leben.“

„Mäßigen Sie sich bitte, Henderson!“, kritisierte ihn Nathaniel Taylor mit einem Stirnrunzeln. „Es hängt sehr viel davon ab, dass wir zu einer Einigung kommen. Selbst wenn Ihnen das alles nicht gefällt, so erwarte ich von Ihnen, dass Sie sich kooperativ zeigen. Das sehen Sie doch auch so, General, oder?“

Die Frage war an William T. Sherman gerichtet, der mit General Alfred Terry an einem Nachbartisch saß und das Abendessen zu sich nahm, ohne sich über die Genießbarkeit zu beklagen. Während des Bürgerkrieges hatte er schon ganz andere Mahlzeiten essen müssen – und nicht immer war das angenehm gewesen.

„Durchaus“, beeilte sich dieser zu erwidern, während Terry ebenfalls mit einer kurzen Geste zu verstehen gab, dass er diese Ansichten teilte. „Mister Taylor, Sie werden morgen die Verhandlungen führen – und von den anderen erwarte ich, dass Sie Unterstützung und Verständnis zeigen. Haben wir uns verstanden, ­Gentlemen?“

Sanborn und Harney blickten jetzt überrascht drein und beschlossen, lieber den Mund zu halten. Sie kannten den Ruf des Generals und wussten, dass sie gegen sein Durchsetzungsvermögen nicht ankamen. Sherman bemerkte das und lächelte zufrieden. Er atmete auf, als die Unterhändler als Erste den Speiseraum verließen und sich auf ihre Zimmer zurückzogen. Er selbst zog es vor, mit Terry noch eine Weile sitzen zu bleiben und die ­Strategie für morgen nochmals im Detail zu erörtern.

„Es könnte sein, dass Man-Afraid-of-His-Horses Schwierigkeiten macht“, meinte Sherman. „Haben Sie ihn beobachtet und gesehen, wie verächtlich seine Blicke waren, als Spotted Tail mit seiner Rede begann? Förmlich gebettelt hat er ...“

„Sehen Sie das wirklich so krass?“, fragte Terry.

„Wie denn sonst?“, entgegnete Sherman. „Spotted Tail war mal ein einflussreicher Häuptling und ein gefähr­licher Krieger, wie man mir sagte. Was ich jedoch jetzt gesehen habe, erscheint mir eher wie ein armseliger Jammer­lappen. Von dem geht ganz sicher keine Gefahr mehr aus. Den kriegen wir zuerst rum. Und bestimmt auch den einen oder anderen Häuptling. Bei Man-Afraid-of-His-Horses habe ich jedoch meine berechtigten Zweifel.“

„Glauben Sie, er ist nur gekommen, um zu spionieren, was sich hier ereignet?“, meinte Terry. „Damit Red Cloud vorgewarnt ist?“

„Darauf würde ich den Sold eines halben Jahres wetten, General“, antwortete Sherman und trank einen Schluck Brandy, den er sich bestellt hatte. Er war zwar von minderer Qualität, aber er trank ihn trotzdem. Von lieb gewonnenen Gewohnheiten sollte man sich eben niemals trennen!

„Was schlagen Sie vor? Wollen Sie mehr Druck ausüben, wenn sich die Roten nicht kooperativ zeigen?“

„Aber ja“, bestätigte das Sherman mit einem Nicken. „Manchmal schadet es nicht, schon frühzeitig auf die Ausweglosigkeit einer bestimmten Denkweise hinzuweisen. Dieses Land muss erschlossen und urbar gemacht werden – und es braucht vernünftige Straßen und Schienen, damit alle Güter auch bis in den Westen vordringen können. Mit den Straßen und den Transporten durch Frachtwagen beginnt es. Aber die Eisenbahn sorgt für eine gute wirtschaftliche Entwicklung. Und diesen Fortschritt wird kein Indianerstamm aufhalten. Selbst dieser Schurke Red Cloud nicht!“