Das Juwel von Tanara - Marlies Lüer - E-Book

Das Juwel von Tanara E-Book

Marlies Lüer

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Beschreibung

TEIL 1 von 5 ***Wenn die Heimat zur tödlichen Gefahr wird, bleibt nur die Flucht***

Sie könnten unterschiedlicher nicht sein – und doch sind sie in einem gleich: Sie sind auf der Flucht!

Das feinfühlige Mädchen Dara vor ihrem Vater, dem Clanhüter mit dem dunklen Geheimnis.
Gunno, der Totenbeschwörer, flieht vor der Hexe Zyperra.
Shondra, der Nachtwolf-Jäger, ist beim Erzzauberer in Ungnade gefallen.

Gemeinsam kämpfen sie um ihre Freiheit und ihr Lebensglück – bis einer von ihnen zum Verräter wird.

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Inhaltsverzeichnis

Das Juwel von Tanara

Impressum

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Das Juwel von Tanara

Dara (Folge 1)

5-teilige Fantasy-Serie

©2022 Marlies Lüer

Cover: Renee Rott, Dream Design

Impressum

Marlies Lüer , 29225 Celle, Fuhrberger Str. 95

Kontakt: [email protected]

-1-

Es stank zum Himmel. Im Schankraum vermischten sich Alkoholdunst, billiges Parfüm, saurer Männerschweiß und vergorener Pfeifentabak, der Spezialität dieser heruntergekommenen, sogenannten Hafenkneipe. Die junge Person im Gewand eines Tempel-Gelehrten zweiten Grades lauschte hochkonzentriert und mit leuchtenden Augen den Erzählungen eines alten Seemanns, der ihr am Tisch gegenübersaß. Dieser hatte einen eisgrauen, langen Bart, in dem kleine Muscheln und gedörrte Seesterne ungeschickt eingeflochten waren, auch verkrustete Essensreste hingen darin. Wenn nicht das schummrige Licht im Raum täuschte, war da sogar etwas grünlicher Schimmel zu sehen. Aber es mochten auch kleine Algen sein. Wie auch immer, es war besser, sich auf seine schönen, meerblauen Augen zu konzentrieren und die Falten im Gesicht zu betrachten, als wären sie eine Landkarte, die von einem langen, harten Leben auf See Kunde gab.

„Die Seeschlangen sind das Fürchterlichste, was das Tanara-Meer beherbergt! Sie hassen uns Menschen. Niemand weiß, warum. Es gibt wohl keinen Seemann, der sie nicht fürchtet. Selten nur kommt einer der Dhrak – so werden die Biester genannt – an Land. Einen Tag und eine Nacht liegen sie am Strand und zittern, stöhnen, ringen nach Luft, schlagen mit ihrem langen, zackenbewehrten Schwanz, sie krümmen sich vor Schmerz. Wenn die erste Lichtschenkerin wieder am Horizont erscheint, können sie endlich unsere Luft leicht atmen. Dann erhebt sich das Ungeheuer zu seiner ganzen Größe, breitet seine Flügel aus, legt den Kopf in den Nacken und … nein, es brüllt nicht, wie du vielleicht denken magst, es will auch nicht angreifen … es fängt an zu singen. Ja! Es singt wie einer der Heiligen aus dem Tempel der Barmherzigen. So etwas Schönes hast du noch nicht gehört, mein großzügiger Spender.“

Bedeutungsvoll nickte der Alte in Richtung Theke und wackelt mit seinem fast leeren Humpen.

„Noch eine Runde!“, rief der bartlose Gelehrte mit mädchenhafter Stimme.

Der Seemann verzog für einen winzigen Moment spöttisch die Lippen. Dafür, dass sein Gegenüber studiert hatte, war der junge Bursche erstaunlich gutgläubig. Ihm sollte es recht sein, benetzte doch dessen Unerfahrenheit seine Kehle und füllte seinen leeren Magen. „Also, ich sage dir Grünschnabel jetzt, warum du dir absolut sicher sein kannst, dass du nie etwas Schöneres im Leben gehört hast. Denn wäre es so, wärest du jetzt tot. Jawoll! Alle, die einen Dhrak haben singen hören, bringen sich danach um, aus Trauer darüber, dass sie nie wieder im Leben etwas derart Wundervolles hören werden. Alle, bis auf einen. Mich! Sieh her!“ Der Alte zog seinen schmuddeligen Kragen vom Hals weg und präsentierte eine wulstige Narbe am Hals, die von einem schnöden Unfall in der Takelage herrührte. „Ich hatte mir die Kehle schon halb durchgeschnitten! Da fiel mir ein, dass es für mich doch etwas gab, was noch schöner ist als Dhrakgesang.“

„Was mag das nur sein?“, wisperte der Jüngling ergriffen.

Diese Frage provozierte raues Gelächter am Nebentisch. „Der Klang deiner Münzen, die du auf die Theke wirfst, Dummkopf! Denn unser alter Borra liebt nichts mehr als seinen Schnaps und das Bier.“

Plötzlich ruhte schwer eine breite, warme Hand auf der Schulter des spendablen Zuhörers, der sich erschrocken die Kapuze tiefer ins Gesicht zog.

„Du kommst jetzt mit“, sagte der Mann leise. „Wusste ich‘s doch, dass du dich hier herumtreibst. Mach keine Zicken. Wenn doch, werfe ich dich wie einen Sack Salzkorngras über meine Schulter.“

„Aber meine Geschichte ist noch nicht …“, empörte sich Borra.

„Verzeiht, Seemann“, unterbrach der Eindringling. „Bindet einem anderen eure Fantasien auf die Nase. Dieser junge Herr muss jetzt gehen.“

Borra zuckte leicht zusammen, weil der Oberste Wächter des Clanhüters ihn direkt ansprach und mit einem harten Blick bedachte. Irritiert schaute er den jungen Gelehrten an. Was mochte dieses Milchgesicht schon verbrochen haben können, was Angelegenheit des Kellantha-Clans war? Doch dieser Gedanke verflüchtigte sich augenblicklich, denn die dralle Schankmaid mit den verfilzten Haaren hatte soeben einen doppelten Branntwein für ihn auf den Tisch neben seinen Bierhumpen gestellt. Leider für heute die letzte Gabe des edlen Spenders. Borra zuckte mit den Schultern und nahm genussvoll mit geschlossenen Augen einen Schluck. Und so sah er nicht, dass eben in diesem Moment schon die Tür zufiel. Der Stuhl ihm gegenüber war wieder frei.

Vor dem Gebäude schob der Wächter grimmig seinen Gefangenen vor sich her.

„Ich hätte nicht gedacht, dass du dermaßen dreist bist, Kellaritochter. Wie oft habe ich dir schon gesagt, dass du ein Vorbild sein musst? Eine Hafenkneipe! Und auch noch Tanaras Stolz, die dreckigste Trinkhalle am Fluss mit den fragwürdigsten Gästen. Schämst du dich nicht?“

Der Wächter war froh, dass er das Mädchen Dara nicht, wie angedroht, in die Mutterhütte tragen musste; sie ging schleppend, aber folgsam, an seiner Seite.

„Warum bist du nicht etwas später gekommen, Wächter Frell? Der Alte war noch nicht fertig. Jetzt weiß ich immer noch nicht alles über die Seeschlangen.“

Genervt stöhnte Frell auf. „Die singenden Dhrak sind ein Mythos! Nichts weiter! Seemannsgarn, und nicht mal besonders gutes. Und wo hast du nur den Umhang eines Gelehrten her? Die kann man nicht auf dem Markt kaufen. Hast du den gestohlen?“

„Nein, den hat mir Rosalla …“

Im selben Moment stockte das Mädchen. Hätte sie doch nur nicht den Namen der Wirtin des anrüchigen Blumenhauses ausgesprochen! Sie war im Clan nicht gerade beliebt, um es vorsichtig auszudrücken.

Unvermittelt blieb der Wächter stehen und starrte das Mädchen an seiner Seite entgeistert an. Wenn der Clan das erführe, wäre er nicht nur seine Sonderstellung los, sondern auch sein Leben.

„Woher kennst du die Blumenmutter? Du hast doch nicht etwa … aus Neugier …?“

„Bei der Göttin, nein! Wofür hältst du mich, Frell? Ich bin eine echte Clantochter, Flussmänner interessieren mich nicht. Rosalla war mir noch etwas schuldig.“ Mutwillig grinste sie ihn frech an. „Weißt du was? Dafür, dass du mein Kindermädchen bist, kennst du mich aber schlecht.“

„Ich bin nicht dein …“. Frell brach ab. Doch. Er war in der Tat ihr Kindermädchen. Nur, dass er ein Kerl war. Und auch der Oberste Wächter des Kellantha-Clans. Welche der beiden Aufgaben ist wohl die schwerere, sinnierte er spöttisch. Zweifellos das Hüten dieses widerspenstigen Mädchens! „Hör zu. Wir beide werden über den heutigen Abend schweigen. Einverstanden? Von mir wird niemand erfahren, wo du warst und welche zweifelhaften Verbindungen du pflegst. Dafür versprichst du mir, dich nie mehr davonzuschleichen. Wirklich nie mehr! Bleib in Kellas Namen auf unserer Insel!“

Dara dachte kurz nach und ein triumphierendes Lächeln schlich sich auf ihre Lippen. „Ich kann abends einen kleinen Eimer mit rohen Gemüseresten an deine Tür stellen. Sie müsste doch bald Junge werfen?“

Frell schnappte nach Luft. „Woher weißt du …?“, rief er empört. „Spionierst du etwa in meiner Hütte?“

Dara ergötzte sich an seinem Entsetzen. Gut für ihn, dass sie ihr „Kindermädchen“ von Herzen gernhatte. Es war purer Zufall gewesen, dass sie ihn neulich sah, als er in dem Rotthaufen am Rande des Frauendorfes nach Gemüseresten wühlte. Aber, das musste er ja nicht wissen. Sollte er ruhig glauben, dass sie überall Augen und Ohren hätte. Meeris, die perfekten Kuscheltiere zu halten, insbesondere trächtige Tiere, galt im Clan als unmännlich. Fürsorge war alleinige Sache der Frauen. „Das habe ich gar nicht nötig, mein Großer. Ich weiß eben Dinge …“, raunte sie.

Frell ergab sich in sein Schicksal. Das Mädchen war ihm einfach über. Wie immer konnte er ihr nicht lange böse sein, er hatte die Sechzehnjährige im Lauf der letzten Jahre ins Herz geschlossen. Er räusperte sich und sagte: „Wenn es dich wieder nach neuem Wissen und Abenteuern dürstet, werde ich dich fortan begleiten. Ohne, dass der Hüter und Mali davon erfahren. Keine Widerrede! Du bist einfach zu wertvoll. Es darf dir, ebenso wie deiner Schwester, nichts geschehen. Und ja, es wäre schön, wenn du Gemüsereste zurückhältst, bevor sie auf dem Rottplatz landen.“

„Ach, ich bin doch nur die zweite Tochter. Mali als die Ältere ist diejenige, die bald die neue Clanmutter und Kellari sein wird. Ich bin ihm nicht wichtig.“

„Natürlich bist du ihm wichtig. Hätte er dir sonst seinen besten Mann zum Wächter gegeben?“

Dara grinste ihn unverschämt an. „Den besten? Und warum entwische ich dir immer wieder?“

Frell seufzte gewollt theatralisch und legte kurz seine schwieligen Handflächen auf die Augen. „Weil auch ich nur ein Mensch bin? Und du die unvernünftigste Weibliche aller Zeiten?“ Er sah sie nun streng an und zog sie am Arm etwas beiseite, um einem Karren mit Handelsware auszuweichen, der zur Siedlung am Fluss unterwegs war. „Dara, es ist mir ernst. Werde endlich erwachsen. Lerne, Verantwortung zu tragen. Was, wenn Mali, möge es die Göttin Kella verhindern, etwas zustößt? Dann wirst du die nächste Clanmutter aller Kellantha sein. Und du weißt, welch vielfältige Aufgaben die Hohe Frau unseres Clans hat. Du musst Vorbild sein. Stark, gerecht, mitfühlend, weise und gleichzeitig die Füße auf der Erde und deinen Geist in den Wolken haben. Du bist dann die Verbindung zwischen Oben und Unten. Du führst das Volk durch die Zeiten, ob gute oder schlechte. Du bist es, die die Aussaat und Ernte segnet, oder die Herstellung und Verteilung von Heilmitteln überwacht. Frauen sind dafür geschaffen. Ihr gebärt und erhaltet das Leben, seid unsere Lehrerinnen; wir Männer schützen euch und arbeiten, mehr nicht.“

„Ja doch, ich weiß! Ich, ich und nochmals ich muss dann all das tun und machen und überhaupt ...“, sagte sie patzig. „Aber nur vielleicht! Mali ist die Bessere und Klügere von uns beiden. Sie ist kerngesund, abgesehen von ihrem Bein. Die wird uralt. Die Göttin liebt sie. Das Volk liebt sie. Nur mich hassen alle.“

Ein empörter, bitterböser Blick Frells ließ sie ihren Satz ergänzen. „… abgesehen von dir. Du bist der Einzige im Clan, der es mit mir aushält.“

Und dich liebt, auch wenn er nicht sollte, dachte Frell bekümmert. Ihm war nicht entgangen, dass aus dem knabenhaften Wildfang von damals eine schöne junge Frau mit runden Hüften und Brüsten geworden war.

„Und Mali auch!“, hielt er entgegen. „Deine Schwester liebt dich und erträgt deinen unangebrachten Freiheitsdrang.

---ENDE DER LESEPROBE---