Demut steht dir gut, Schatz - Frederique La Rouge - E-Book

Demut steht dir gut, Schatz E-Book

Frederique La Rouge

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  • Herausgeber: Cruz Verlag
  • Kategorie: Erotik
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2023
Beschreibung

Demut steht dir gut, Schatz - Ein erotischer BDSM-Roman von Frederique La Rouge Linda Kempinski macht sich nichts vor. Natürlich; im Laufe einer Ehe reduzieren sich sexuelle Intimitäten nun mal ein wenig. Zumindest wird das landläufig behauptet, und es ist ja auch nicht das Ende der Welt, wenn sich ein Ehepaar nach vielen Jahren der Gemeinsamkeit nicht mehr wie die Karnickel benimmt. Aber gar kein Sex mehr? Nein! Das kann und will sie unmöglich hinnehmen. Es fehlt ihr einfach und hinterlässt ein Loch in ihrer Ehe, welches sich auch durch extremes Joggen oder andere schweißtreibende Tätigkeiten nicht füllen lässt. Linda beschließt der Sache auf den Grund zu gehen. Sie fordert von ihrem Mann eine Paartherapie. Erst als sie die Scheidung als Alternative bekanntgibt, lässt sich Dennis Kempinski schließlich erweichen und willigt ein. Denn das Letzte, was er will, ist Linda zu verlieren. Sie ist die attraktivste und wunderbarste Frau, die ihm jemals begegnet ist. Wenn er nur dieses brennende Verlangen in ihm kontrollieren könnte, dann wäre alles gut. Ein Verlangen, das seit vielem Jahren in ihm schwelt und Linda niemals erfahren darf. Sie würde ihn vermutlich dafür verachten und sich tatsächlich von ihm trennen… Wenn er nur nicht so unendlich feige wäre, und seiner Frau seine sexuellen Sehnsüchte schon vor langer Zeit gebeichtet hätte. Was wäre, wenn seine geliebte Linda wüsste, dass sie darin die Hauptrolle spielt, während er ihr demütig die Füße küsst? Aber dieses Geheimnis ist zu delikat und bizarr, um es auszusprechen. Er wäre doch kein echter Mann mehr, wenn ihr gegenüber zugibt, dass er sich in seinem Inneren nach ihrer Dominanz sehnt. Und Linda würde diese Art der sexuellen Lust nicht nachvollziehen können. Oder vielleicht doch….? Dieser erotisch-bizarre Roman ist eine dominant-erotische Aufforderung und Anleitung, zu den eigenen sexuellen Wünschen und Vorlieben zu stehen, und seien sie noch so mit Scham behaftet. #frederiquelarouge #erotisma #reinlesen #ab18 #bdsm

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Ein erotischer BDSM-Roman von Frederique La Rouge

Demut steht dir gut, Schatz

Jugendschutzhinweis: Im realen Leben dürfen Erotik und sexuelle Handlungen jeder Art ausschließlich zwischen gleichberechtigten Partnern im gegenseitigen Einvernehmen stattfinden. In diesem E-Book werden fiktive erotische Phantasien geschildert, die in einigen Fällen weder den allgemeinen Moralvorstellungen noch den Gesetzen der Realität folgen. Der Inhalt dieses E-Books ist daher für Minderjährige nicht geeignet und das Lesen nur gestattet, wenn Sie mindestens 18 Jahre alt sind.

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1. digitale Auflage

Copyright © 2023 by Cruz Verlag, Rudolstadt

Cover-Foto: Cruz Verlag

ISBN ePub 978-3-96193-300-6

www.cruzverlag.de

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Inhaltsverzeichnis
Demut steht dir gut, Schatz
Erstes Kapitel - Feierabendverkehr
Zweites Kapitel - Schocktherapie
Drittes Kapitel - Eine unverhoffte Zwischenmahlzeit
Viertes Kapitel - Vergebene Chance
Fünftes Kapitel - Der Mann – das gehorsame Wesen
Sechstes Kapitel - Wollust und Wut
Siebtes Kapitel - Eisige Erkenntnis
Achtes Kapitel - Lippenbekenntnisse
Neuntes Kapitel - Neue Perspektiven
Zehntes Kapitel - Zu Besuch
Elftes Kapitel - Dominakuss
Zwölftes Kapitel - Shopping
Dreizehntes Kapitel - Tease and denial
Vierzehntes Kapitel - Geschäftiges Treiben

Demut steht dir gut, Schatz

Erstes Kapitel - Feierabendverkehr

Ungeduldig trommelte Dennis Kempinski mit seiner mächtigen, stark behaarten Pranke auf das edle Lederlenkrad seines sündhaft teuren Mercedes Geländewagen. Die geräumige Edelkarosse war kaum ein paar Monate alt und hellte seine Laune noch immer regelmäßig merklich auf, sobald er seinen großgewachsenen, kräftigen Körper auf den Fahrersitz hievte und den Anlasser betätigte. Doch heute befand er sich abseits dieser Regelmäßigkeit. „Na los, ihr Schwachköpfe. Jetzt fahrt endlich!“, brummte er ungehalten mit dem sonoren Bass, den seine Stimme für gewöhnlich auszeichnete, doch es half nichts. Der allabendliche Bochumer Feierabendverkehr diktierte eisern das schneckenhafte Tempo und ließ sich auch von Kempinskis zunehmenden Missmut in keiner Weise beeindrucken. „Auch das noch!“, stöhnte er ungehalten, als sich erste, vereinzelte Schneeflocken lautlos auf der Windschutzscheibe niederließen, die Sicht beeinträchtigten. Schnee bedeutete ein noch langsameres Vorwärtskommen, und wie auf Kommando vermehrten sich die Flocken zusehends, animierten bald den Regensensor der Nobelkarosse. Pflichtbewusst pflügten die Scheibenwischer über die große Frontscheibe, befreiten sie ein ums andere Mal von den weißen Flocken, die nun immer dichter fielen, während die Räder hartnäckig stillstanden. Die wenigen Menschen, die nun noch auf dem Trottoir unterwegs waren, vermutlich waren sie auf dem Nachhauseweg von der Arbeit, klappten ihre Mantelkragen hoch und zogen die Köpfe ein, während sie sorgsam die paar Meter vor ihren Füßen anvisierten, um beim Gehen nicht auf dem mittlerweile eisglatten Untergrund auszurutschen. Hier und da wurde ein Schirm aufgespannt, die bereits nach kurzer Zeit eine Schneehaube aufwiesen. Auch gelegentliches Hupen von ungeduldigen Autofahrern, die mit der desolaten Verkehrssituation offenkundig unzufrieden waren, erklang bereits ein wenig gedämpfter in Kempinskis Ohren, was nicht ausschließlich der exzellenten Schallisolierung des Mercedes zuzuschreiben war, sondern ebenfalls eine Folge des immer dichter werdenden Schneetreibens sein dürfte. Der Januar hatte die Stadt fest in seinem winterlichen Griff und ließ bereits jetzt, um 16:30 Uhr, die Sonne hinter sich hoch auftürmenden, grauen Wolken nahezu gänzlich verschwinden und erzeugte ein gespenstisch anmutendes, trübes Licht. Vermutlich war es nicht mit ein paar Schneeflocken getan. Der Boden war vom andauernden Frost der letzten Tage hart gefroren. Der Schnee taute nicht, sondern blieb liegen. Auf den Autos, den Hausdächern, den wenigen unbelaubten Bäumen und natürlich auf Straße und Gehweg, lagen bereits feine, weiße Schneeschichten. Wenn es die Nacht über durchschneien würde, dann wäre das Verkehrschaos morgen früh perfekt. Eigentlich war es das schon jetzt. 

In etwa hundert Metern Entfernung regelte eine Ampel den abendlichen Verkehr. Dreimal hatte Kempinski innerhalb der letzten Minuten schon den Wechsel der leuchtenden Signalanlage von Grün auf Rot erlebt und war noch immer weit davon entfernt, die Kreuzung endlich überqueren zu können. Im Schneckentempo bewegte er den schweren Geländewagen in Richtung des, bereits wieder rot leuchtenden, Verkehrssignals. Entnervt hob er seine massige Hand, um dem leidgeplagten Lenkrad einen weiteren Hieb zu verpassen, überlegte es sich dann jedoch anders und kramte aus seiner Hemdtasche die Zigaretten heraus und öffnete das Fahrerfenster einen Spalt breit. Gerade so viel, dass es nicht hineinschneite. Den Rauch tief inhalierend zwang er sich mühsam zur Ruhe. Eigentlich hatte er vorgehabt, das Rauchen im neuen Auto zu unterlassen. Es ruinierte den faszinierenden Duft des Neufahrzeuges. Doch diesen Vorsatz hatte er bereits nach wenigen Tagen wieder aufgegeben. Es war ihm schlichtweg nicht gelungen, den Glimmstängeln nachhaltig Paroli zu bieten. Spätestens wenn er die Ruhe verlor, aus dem inneren Gleichgewicht geriet, dann benötigte er unbedingt eine Zigarette. Insgeheim ärgerte ihn sein Mangel an Selbstdisziplin maßlos, doch letztlich blieb ihm nichts anderes als sich einzugestehen, in dieser Hinsicht der Sucht zu unterliegen. Leider nicht die einzige Schwäche, die er sich erlaubte. Ein Blick auf das moderne, hell leuchtende Display verriet ihm; er war bereits zu spät. 12 Minuten! Wenn sich der Stau nicht ganz plötzlich in Luft auflöste, was keineswegs zu erwarten war, dann war es durchaus möglich, oder sogar wahrscheinlich, dass er den Termin komplett versäumte. Linda würde ihm die Hölle heißmachen, daran bestand kein Zweifel! Sie war zwar eine Seele von Mensch, doch selbst ihr Geduldsfaden riss irgendwann, wenn man ihn zu sehr beanspruchte, was er gelegentlich tat.

Im Autoradio erklangen gerade die lokalen Verkehrsnachrichten. Kempinski erhöhte die Lautstärke ein wenig und spitzte die Ohren. Verdammt, die halbe Innenstadt schien mittlerweile von den Staus und Verkehrsbeeinträchtigungen betroffen zu sein, und dann hatte es auch noch einen Unfall gegeben. Natürlich auf seiner Strecke! Einen Moment versuchte er sich einzureden, er müsse nur die Unfallstelle passieren, danach würde der Verkehr dann schon wieder flüssig laufen, ahnte jedoch das es nur eine flüchtige Illusion war. ein wacher Wunschtraum. Die blöde Langmann ist schuld, dachte er grimmig. Jedes Mal, wenn ich in ihrer Filiale bin, dauert der Termin eine gefühlte Ewigkeit. Ständig hat sie irgendetwas zu meckern, zu mäkeln oder zaubert einen weiteren ihrer unzähligen Verbesserungsvorschläge aus dem Hut, dessen Erörterung natürlich keinerlei Aufschub gestattet. Irgendwann schmeiße ich die aufgetakelte Tussie einfach raus.

Natürlich würde er Beatrice Langmann niemals entlassen, sie war quasi sein bestes Pferd im Stall, auch wenn der Vergleich eher unpassend war, doch er benötigte gerade ein Ventil für seinen aufgestauten Ärger, den auch die längst gerauchte und anschließend aus dem Fahrerfenster geschnippte Zigarette nicht hatte abhelfen können. Beatrice leitete erfolgreich eine seiner drei exquisiten, prächtig florierenden Modeboutiquen für Herren, und diese war mit Abstand die umsatzträchtigste. Frau Langmann verfügte über eine faszinierende, natürliche Autorität und zudem ein blendendes Aussehen. Diese bezaubernde Kombination erlaubte es ihr, den meist gutbetuchten Kunden, Anzug um Anzug zu verkaufen und neuerdings auch qualitativ hochwertige, italienische Schuhe, die Kempinski vor einiger Zeit ebenfalls erfolgreich ins Sortiment aufgenommen hatte. Sie war ein wahres Verkaufsgenie, ein Naturtalent. Schon deshalb würde er sie niemals entlassen. Seit über zehn Jahren war sie bereits seine Angestellte, so ganz genau wusste er das nicht aus dem Kopf heraus, aber eine Dekade war es auf jeden Fall, und Kempinski hatte sich schon des Öfteren gefragt, wer von ihnen beiden denn nun eigentlich der Chef war. In ihrer Gegenwart fühlte er sich häufig unsicher und verlor den Gesprächsfaden, wenn er mit ihr über die Gestaltung und Dekoration der Inneneinrichtung oder Schaufenster diskutierte, was ihr Lieblingsthema war. Mit beeindruckender Beständigkeit und Fachkenntnis setzte sie sich gegen ihn durch, und der Erfolg gab ihr Recht. Wenn sie beispielsweise von einem neuen Arrangement des Schaufensters überzeugt war, dann redete sie solange auf ihn ein, bis er schließlich klein beigab. In diesen Unterhaltungen, wenn man sie denn so nennen wollte, und die sie meist stehend in der Boutique führten, minimierte Langmann die körperliche Distanz zwischen ihm und ihr auf ein gefährliches Mindestmaß. Nein, eigentlich unterschritt sie es sogar. Nicht nur einmal, hatte er ihren Büstenhalter gespürt, der seinen Oberarm wie zufällig berührte, und ihm eine beträchtliche, wohlige Gänsehaut bescherte. Obwohl sie deutlich kleiner als er war, hatte er in diesen Unterredungen nicht selten das Gefühl, als blicke sie auf ihn herab, während ihre blauen Augen ihn eindringlich taxierten, ihre klare Stimme deutliche Worte formulierte und ihr warmer, nach Pfefferminzdragees duftender Atem sein Gesicht streifte. 

Mit erschreckender Deutlichkeit wurde ihm in solchen Situationen klar, wie nah sie ihm kam, und dass er sich nur ein wenig zu ihr herunterbeugen musste, um sie auf die knallrot leuchtenden Lippen zu küssen, die sich ihm verlockend präsentierten. Parallel verströmte ihre grazile Anmut eine nahezu herrische Autorität, die ihn unwillkürlich in seine Schranken verwies. Sein sonst so wacher Verstand, verschwand in einem Nebel erotischer Fantasien, der sich mit dem Duft ihres herben Parfüms vermischte, und am Ende ergab er sich ihren Forderungen willenlos und verspürte eine aufkeimende Erektion, der er sich nicht widersetzen konnte. Es war stets das Gleiche; Beatrice Langmann bekam ihren Willen und er beinahe einen Ständer, den seine elegante Kleidung glücklicherweise kaschierte. 

Bei all dem vermutete Kempinski stark, dass Beatrice nicht einmal wusste, welch verheerende Wirkung sie auf ihn ausübte, und vermutlich nicht nur auf ihn. Wahrscheinlich hatte sie tatsächlich keine Vorstellung darüber. Soweit Dennis wusste, verbrachte sie die Abende und Wochenenden allein mit ihren zwei Katzen. Schmusend und fernsehen schauend auf der Couch. Die Wahrscheinlichkeit, dass sie selbst dabei noch in Gedanken in der Boutique weilte und verkaufsfördernde Maßnahmen ersann, war beträchtlich. Doch vielleicht war dies ihr Erfolgsgeheimnis? Sie war wie eine unnahbare Sphinx und lebte ausschließlich für die Boutique, die sie leitete. Die begehrlichen Blicke der Männer prallten hartnäckig, und womöglich sogar unbemerkt an ihr ab, ließen die Kunden dennoch immer wieder kommen. Natürlich war dieser Umstand nicht ausschließlich Beatrice Langmann zu verdanken. Kempinski legte in all seinen Filialen stets höchsten Wert auf Kundenzufriedenheit und erstklassige Qualität. Das war schon seit der Gründung seiner ersten Filiale sein Credo. Nur ein wirklich zufriedener Kunde kommt regelmäßig wieder; war sein Motto. Doch Beatrice war zweifellos in der Lage, die Kunden nicht nur durch die Qualität der Ware, die sie anpries und verkaufte, an sich zu binden. 

Obwohl ihre erotisierende Ausstrahlung seine sexuellen Fantasien heftig reizte, hatte er niemals versucht, ihr privat näher zu kommen. Zum einen spürte er deutlich, dass dies ihrer beruflichen, sehr gut funktionierenden, wenn auch furchtbar anstrengenden Zusammenarbeit keineswegs zuträglich wäre, zum anderen schüchterte sie ihn durch ihre unglaubliche Autorität, die sie gelegentlich an den Tag legte, fast ein, und zum dritten hatte Linda ihn stets ganz besonders im Visier, wenn er auch nur beiläufig ihren Namen erwähnte. Mit zielsicherer, weiblicher Intuition hatte sie bereits bei ihrer ersten Begegnung die bedrohlichen Verlockungen erkannt, die Beatrice attraktiver Persönlichkeit mannigfaltig innewohnten. Es hatte Monate gedauert, bis sich Lindas Argwohn langsam legte, und sie in Beatrice Langmann keine Bedrohung für ihre Ehe mehr sah. Zumindest hatte Dennis den Eindruck, dass es so war. Ganz sicher war er sich jedoch nicht, was ihn weitestgehend dazu animierte die Filialleiterin so wenig wie nötig zu erwähnen, wenn er sich mit seiner Frau über geschäftliche Belange austauschte. Doch womöglich machte sie ja auch genau dieser Umstand erneut misstrauisch. Sie waren schließlich in einer kritischen Phase ihrer Beziehung, Linda würde es sicherlich eher als Krise bezeichnen, und da musste jedes Wort mit äußerstem Bedacht gewählt werden.

Ein eingehender Anruf riss Kempinski aus seinen Gedanken. Das große Display im Armaturenbrett des Geländewagens verriet wer anrief, doch ohne einen Blick darauf zu werfen, wusste er bereits, dass es Linda war. 

Der Klingelton, ahmte einen Song von Queen nach: „Flash“ und drängt die Stimme des Radiomoderators in den Hintergrund, bis sie nicht mehr zu vernehmen war. Zögernd nahm er den Anruf entgegen und entschuldigte sich sogleich reumütig für seine Verspätung: „Hallo Schatz. Es tut mir leid! Ich bin auf dem Weg, aber die ganze Stadt scheint ein einziger Stau zu sein. Ich fürchte, ich schaffe es nicht mehr rechtzeitig.“

„Natürlich nicht!“, erwiderte Linda spitz, die ihrerseits auf eine Begrüßung verzichtete. Ihre Enttäuschung, die vermutlich bald in Wut umschwenken würde, war deutlich herauszuhören. „Du bist ja auch bereits zu spät! Also, wann kannst du hier sein?“

Hilflos betrachtete er die schier endlose Schlange der Fahrzeuge vor ihm. Links neben ihm, auf der Abbiegespur verhielt es sich keineswegs besser. Er erspähte einen jungen Mann in Arbeitsklamotten. Der saß in einem alten, rostbraunen Audi neben ihm und wischte gelangweilt auf seinem Handy herum. Tatsächlich wirkte er aus Kempinskis Perspektive sogar relativ entspannt, was eigentlich doch gar nicht sein konnte. Aber wahrscheinlich stand die Ehe dieses Mannes nicht auf einem ebenso wackeligen Podest wie die seine, wenn er denn überhaupt eine führte. Der Ampel war er inzwischen nur unwesentlich nähergekommen. In der Ferne konnte er erkennen, dass sich die Autos auf der Kreuzung gegenseitig behinderten. Wahrscheinlich hatte sich noch jemand mit seiner Karosse hineingedrängt, als die Ampel bereits tiefgelb anzeigte, und nun ereiferten sich die anderen Verkehrsteilnehmer unter massiven Verwendung von Lichthupe und Hupe. Welche fluchenden Bemerkungen die Fahrer im Schutz eigenen Blechkleides abgaben, konnte er sich bestenfalls vorstellen. Es war aber auch ein verfluchtes Schneckentempo, mit dem er sich stadteinwärts bewegte. Wenn man hier überhaupt von Tempo reden konnte. Auf der entgegen kommender Spur lief es nur marginal flüssiger. Im beheizten Seitenspiegel, der tatsächlich auch bei dieser Witterung einen überraschend guten Überblick ermöglichte, Qualität zahlte sich eben aus, erspähte er in der Ferne einen orange leuchtenden Fleck, der sich zügig näherte. Langsam wurden die Konturen deutlicher. Ein Mountainbike Fahrer in seiner orange leuchtenden Warnweste zeichnete sich ab und schlängelte sich geschickt, aber auch ein wenig halsbrecherisch zwischen den Autos hindurch. Eigentlich war es ein Wunder, dass er auf dem glatten Untergrund nicht ins Straucheln kam oder sogar stürzte. Während er kräftig in die Pedalen tritt, glitten die Lenkerenden seines Fahrrades mit nahezu schlafwandlerischer Sicherheit, haarscharf an den herausstehenden Fahrzeugspiegeln der Vehikel vorbei, die er überholte. Wenn man beistehenden Autos überhaupt von Überholen reden konnte. Vermutlich fror er fürchterlich, auf seinem Fahrradhelm und den Schultern lagen bereits kleine weiße Schneehauben, es hielt ihn jedoch keineswegs von einem hämischen Blick ab, den er Kempinski in seiner Luxuskarosse im Vorbeifahren, durch das Fahrerfenster zuwarf. Dabei stieß er weiße Dampfwolken durch Mund und Nase aus, bevor er seinen Blick schnell wieder auf die Fahrbahn richtete, oder besser gesagt, auf den weißen Markierungsstreifen zwischen den beiden Fahrspuren, an dem er sich irgendwie zu orientieren schien. Dennis machte sich nichts vor; im Grunde bestand kaum eine reelle Chance, den Termin mit seiner Frau rechtzeitig einhalten zu können. Die geplante Stunde mit der Paartherapeutin wäre vorbei, bevor er überhaupt angekommen war. Ach was, bevor er nur in der Nähe der Adresse war. „Ich weiß nicht.. „, setzte er unbeholfen an. „Vermutlich schaffe ich es nicht mehr. In den Verkehrsnachrichten haben sie gesagt, da wäre ein Unfall passiert. Die halbe Stadt ist zu, und dann noch der Schnee… Es ist das reinste Chaos!“

„Ach Quatsch. Versuch dich nicht aus der Situation herauszureden!“ Lindas Stimme klang nun nicht mehr traurig. Sie war eindeutig ziemlich wütend auf ihn. „Wir machen das hier für uns! Verstehst du das eigentlich? Es geht um unsere Beziehung, und du bist wieder einmal zu spät. Nein, nicht einmal das; du bist gar nicht da und wahrscheinlich bist du sogar froh darüber!“

Kempinski verdrehte die Augen und setzte schon zu einer hilflosen Entgegnung an, die vermutlich alles sogar noch schlimmer gemacht hätte, als er eine weitere Stimme vernahm. Frau Karin Bitter-Mergentheim war offenkundig anwesend und mischte sich nun vernehmlich ein. Mit krisenerprobter Stimmlage versuchte sie zu intervenieren. Offenkundig hatte Linda das Telefonat auf Laut gestellt, und Bitter-Mergentheims Vorschlag richtete sich an sie beide: „Guten Tag Dennis.“, begrüßte sie ihn, und schaffte es irgendwie, dass ihre Stimme dabei noch zu lächeln schien. „Schade, dass sie es nicht rechtzeitig schaffen können, ich hatte für heute eine sehr interessante Sitzung geplant, aber vielleicht sollten wir einfach versuchen, nun das Beste aus der Situation zu machen. Was meinen Sie?“ 

Kempinski schwieg beharrlich. Er verabscheute diese Suggestivfragen. Sollte er etwa antworten, dass er dies absolut nicht meine und die Therapeutin ihm einmal gepflegt den Buckel herunterrutschen könne? 

Doch bevor eine peinliche Pause eintreten konnte, nahm sie den Faden wieder auf und sprach schon unbeirrt weiter: „Wir wollten doch sowieso Einzelgespräche führen. Sie erinnern sich bestimmt. Der Zeitpunkt ist ebenfalls passend. Wir machen Folgendes: ich unterhalte mich nun ein wenig allein mit Ihrer Frau, und wenn Sie hier eintreffen, dann führen wir beide ein Gespräch. Mein Zeitplan lässt dies glücklicherweise zu, und ihr Engagement wäre nicht umsonst. Was halten Sie davon, Dennis?“ 

Kempinski stöhnte innerlich auf, sah aber keine Möglichkeit Karin Bitter-Mergentheim zu widersprechen. Die Paartherapeutin, bei der sie bereits etliche Sitzungen gehabt hatten, die nebenbei sündhaft teuer war und Wert darauflegte, dass Sie sich siezten und parallel beim Vornamen nannten, um eine vertrauliche Atmosphäre zu schaffen, hatte leider eine entwaffnende Logik.

Er stimmte ihrem Vorschlag zu und versuchte, den Missmut, der er empfand, dabei aus seiner Stimme möglichst zu verbannen. Es gelang ihm sogar, sich für ihr Entgegenkommen zu bedanken, wobei er sich fast an den Worten verschluckt hätte. Dann war das Gespräch beendet. Die Ampel vor ihm zeigte schon wieder rot. Kempinski öffnete die Fahrertür und stieg aus. Zwischen den wartenden Autos stehend, schälte er sich aus seinem teuren Kamelhaarmantel und warf ihn achtlos auf den Rücksitz, bevor er sich wieder hinter sein Steuer klemmte, angespannt die Temperatur im Fahrgastraum neu justierte und auf die Ampel starrte, die nun endlich auf grün wechselte.

Zweites Kapitel - Schocktherapie

„Darf ich Ihnen eine Tasse grünen Tee anbieten?“, erkundigte sich Karin Bitter-Mergentheim zuvorkommend und lächelte Linda auf ihre sympathische Art an, während sie sich elegant aus ihrem zierlichen, skandinavischen Sessel erhob, um sich selbst noch eine Tasse einzuschenken.

Linda nickte zustimmend und lächelte dankbar, während sie Karin beobachtete, die sich nun über den kleinen, halbrunden Glastisch beugte, der sich zwischen ihnen befand und geschäftig mit dem Teegeschirr hantierte. Grünen Tee sagte man eine beruhigende Wirkung zu, und die war bitter nötig, zumindest was Linda betraf. Die Therapeutin servierte ihr die Tasse und lächelte aufmunternd. Vermutlich war sie aus chinesischen Porzellan. Hauchdünn schien das Material der Tasse zu sein und mahnte damit zur umsichtigen Handhabung. Winzige, bunte Vögel waren kunstvoll auf die Außenseite gezeichnet und eingebrannt, die munter davonzufliegen schienen. Selbst die Untertassen waren aufwendig verziert. Kleine Dampfwolken schwebten über den heißen Getränken, die erst ein wenig abkühlen mussten, wenn man nicht in winzigen Schlucken trank oder immer wieder abkühlend über den Tee blies, den sie beide ungesüßt zu trinken bevorzugten. 

Eine indirekte Beleuchtung, oberhalb an der Decke verbaut, erhellte den geschmackvoll eingerichteten Raum, den Karins Praxis beherbergte, und den sie als Therapiezimmer bezeichnete. Zwei prall gefüllte Bücherregale standen an gegenüberliegenden Wänden. Fachliteratur, vermutete Linda, die einen fachkundigen Eindruck hinterlassen sollten, was sie auch taten. Einige Topfpflanzen waren mit kundigen Verstand und ansprechend auf den Fensterbänken arrangiert. Da sie selber keineswegs über einen grünen Daumen verfügte, um den heimischen Garten kümmerte sich Dennis, die herunterhängende Gardine zudem ihre Sicht ein wenig behinderte, hätte sie nicht sagen können, um welche Pflanzenarten es sich handelte. Es reichte ihr jedoch vollkommen aus, dass sie vorhanden waren und der Therapeutin damit, in ihren Augen, einen Blick für wohnliche Details bescheinigte. Kopien berühmter Maler, die Linda ebenso namentlich bekannt waren, sie war auch diesbezüglich nicht sonderlich versiert, jedoch etwas in ihrer Erinnerung bewegten, hingen an den Wänden. Hauptsächlich farbenfrohe Aquarelle, die dem Raum zusätzlich eine angenehme Atmosphäre verliehen. Karin war eine schlanke, sehr attraktive Frau mit einem kecken Pagenschnitt, der ihren charmanten und dennoch zielstrebigen Charakter unterstrich. Sie mochte Anfang vierzig sein und trug einen fliederfarbenen Hosenanzug, der ihr ein geschäftsmäßiges Aussehen verlieh, ohne dabei übertrieben zu wirken, und ihrem schlanken Körper eher nebenbei betonte. So, als würde sie nicht wollen, dass sie oberflächlich auf ihre Attraktivität reduziert wird, die sie zweifelsfrei besaß. Die beiden Frauen hatten rasch eine gute, harmonisch-professionelle Verbindung zueinander gefunden, die Linda immens wichtig war. Sie und Dennis hatten in der Vergangenheit bereits bei drei Paartherapeutinnen Probesitzungen, bevor sie sich letztlich für Karin entschieden. Genauer gesagt, war es Linda gewesen, die sich entschieden hatte, und der es auch besonders wichtig war, sich mit einer Frau zu unterhalten die ihr Vertrauen genoss. Sie konnte sich nicht vorstellen, dieses überaus delikate Thema mit einem Mann zu erörtern, denn das war es in der Tat; delikat. Dennis hatte sich widerspruchslos ihren Entschlüssen gefügt, was wieder einmal typisch für ihn war. Dass er sich von ihr überhaupt überreden lassen hatte, eine Paartherapie anzugehen, war ein blankes Wunder, und er machte keinen Hehl daraus, dass ihm die ganze Angelegenheit ziemlich suspekt war, er sie so schnell als möglich hinter sich bringen wollte. Der Stau war ihm vermutlich gerade recht gekommen, aber nun würde er sich sogar noch alleine mit Karin unterhalten müssen. Geschieht dir recht, dachte Linda und lächelte schadenfroh in sich hinein, während sie es sich in ihrem kleinen Sessel gemütlich machte, sanft über den grünen Tee blies und über den Tassenrand erwartungsvoll zu Karin blickte.

„Wollen wir beginnen?“, erkundigte sich die Therapeutin und schenkte ihr ein warmes, aufmunterndes Lächeln aus ihren rehbraunen Augen. Karin registrierte ein leichtes Nicken und nahm nun ebenfalls wieder Platz. Sie strich ihre Hosenbeine glatt, schwieg einen Moment, sah Linda tief in die Augen und sagte mit leiser, aber gut vernehmlicher Stimme: „Ich habe noch einmal über Ihr Problem nachgedacht, Linda. Ein Problem, dass übrigens gar nicht so selten ist, wie man vielleicht meinen könnte. Tatsächlich ergeht es vielen Frauen ähnlich wie ihnen. Natürlich, manche leiden mehr darunter und manche weniger, das hängt von ganz unterschiedlichen Faktoren ab. Doch wenn es ihre Partnerschaft beeinträchtigt, dann sollte man keineswegs darüber hinwegsehen. Im Gegenteil, in meinen Augen ist es sogar zwingend notwendig die Schwierigkeiten zu analysieren, sie beim Namen zu nennen, wie man so schön sagt. Sie haben also gut daran getan, diesen Missstand zu thematisieren, und ich glaube, ich kann ihnen helfen. Ich habe da so eine ganz bestimmte Therapie im Sinn, auch wenn sie ihnen auf den ersten Blick vielleicht ein wenig, sagen wir mal, unorthodox vorkommen mag. Was sie hoffentlich nicht abschrecken wird. Doch vorher möchte ich noch etwas von Ihnen erfahren, Linda. Es ist wichtig nur eine Kleinigkeit, aber nichtsdestotrotz von Wichtigkeit. Also denken Sie bitte genau nach, bevor Sie mir antworten.“ Karin machte eine bedeutsame Pause und sah ihre Klientin forschend an. Linda erwiderte den Blick, schaute ihrer Therapeutin hoffnungsvoll in die Augen und nickte ernsthaft: „In Ordnung.“

„Sehr gut. Dann sagen Sie mir ehrlich, Linda, wie fühlen sie sich gerade? Dennis hat uns versetzt! Nein! Eigentlich hat er sie versetzt! Vielleicht liegt es wirklich am Verkehr, und er kann nichts dafür, dass er sich verspätet, wer weiß. Ich meine, draußen schneit es und wir haben gerade Rush Hour. Möglicherweise hat sich ihr Mann auch genau diesen Umstand zunutze gemacht, um sich bewusst zu verspäten. Aber unabhängig davon; wie fühlen sie sich? Sehen sie es ihm nach? Sind sie traurig oder vielleicht sogar ein wenig zornig auf ihren Mann?“

Karin beobachtete die Mimik ihrer Klientin, so nannte sie Ihre Kundschaft im Allgemeinen, genau. Eigentlich war es völlig abwegig, dass Dennis seine Frau derart vernachlässigte. Und doch tat er es, oder um es präziser ausdrücken: Dennis Kempinski tat „Es“ eben viel zu selten. Aus irgendeinem Grunde war das Sexualleben des Paares quasi zum Erliegen gekommen, obwohl sie sich noch immer liebten, was beide glaubhaft beteuerten und durchaus ersichtlich war, wenn man die beiden beobachtete. Sie strahlten noch immer eine tief verwurzelte Verbundenheit aus und gingen sehr achtsam miteinander um, wenn sie gerade einmal nicht stritten, was sie in der letzten Zeit immer häufiger taten. Aber selbst das ist für ein Paar, welches bereits vielen Jahren zusammen ist nicht unüblich, wusste die Therapeutin. Nach eigener Aussage war das Paar inzwischen gerade noch alle sechs Monate intim miteinander. Linda war diejenige, die ernsthaft darunter litt, während ihr Ehemann diesen Mangel an lustvoller Vereinigung, der für eine gesunde Ehe mindestens genauso wichtig war wie anregende Kommunikation oder gemeinsame Freizeitaktivitäten, zumindest entsprach dies Karins fester Überzeugung und wohl auch der ihrer Klientin, sonst wäre sie ja sicherlich nicht bei ihr, keineswegs als Mangel zu empfinden schien. Also hatte Linda, nach zahlreichen, aber leider ergebnislosen Gesprächen, die bestenfalls nur kurzfristige Verbesserungen herbeiführten, die Paartherapie angestrebt und durchgesetzt. Dennis hatte sich natürlich nach Kräften dagegen gewehrt, was keine gute Basis für eine erfolgreich verlaufende Therapie war. Beide Eheleute sollten der festen Überzeugung sein, professionelle Hilfe wäre eine geeignete Maßnahme, um ihrer Beziehung wieder auf die Beine zu helfen. Allerdings hegte der kräftig gebaute Geschäftsmann nicht das geringste Bedürfnis, seine Männlichkeit, oder besser gesagt, was davon übriggeblieben war, mit einer wildfremden Therapeutin zu erörtern. Schließlich hatte Linda ihm wohl das Messer auf die Brust gesetzt und sogar mit Trennung gedroht. Erst dann hatte Dennis endlich eingelenkt und ihrem Vorschlag mürrisch zugestimmt. Dabei war Linda eine wahre Schönheit! Sicherlich betrachteten sie viele Männer mit begehrlichen Blicken. Im Grunde grenzte es beinahe an ein Wunder, dass sie den empfundenen Mangel nicht bereits außerehelich ausgeglichen hatte. Sie musste ihren Mann wahrhaftig lieben, denn an fehlenden Avancen, ihre Libido zu befriedigen, konnte es kaum scheitern. Schulterlanges blondes, leicht gelocktes Haar umrahmte die schmalen Schultern der siebenunddreißigjährigen, schlanken, ja geradezu zierlichen Frau. Wache, blaue Augen, die in Streitgesprächen angriffslustig Blitze verschleudern konnten, sahen Karin Bitter-Mergentheim an, während Linda über ihre Frage nachdachte. Das schlanke Becken zeugte von der Kinderlosigkeit des Ehepaares, und mit ihren knapp 176 cm, war sie für eine Frau recht hochgewachsen, was ihre langen Beine noch betonte, die in leicht verwaschenen Blue Jeans steckten und ihren Hintern vorteilhaft zur Geltung brachten. Unter Ihrem Blazer blitzte eine weiße Seidenbluse, deren drei oberste Knöpfe geöffnet waren und einen verheißungsvollen Blick auf ihr üppiges Dekolleté offenbarten, sobald sie sich in ihrem Sessel ein wenig vorbeugte. Dennis war ebenfalls ein prächtig gebauter Mann. Breitschultrig, maskulin und kraftvoll wirkte er, ohne dabei übertrieben muskulös zu sein. Sein markantes Kinn säumte ein gepflegter Dreitagebart, und sein dichtes, braun gelocktes Haar trug er mit einem adretten Seitenscheitel. Die ersten grauen Strähnchen waren kein Makel, im Gegenteil; sie ließen ihn interessant erscheinen. Vermutlich würde er frühzeitig vollständig ergrauen. Vielleicht schon innerhalb der nächsten fünf Jahre, und möglicherweise, nein ziemlich sicher sogar, würde dies seine Attraktivität noch steigern. Volles graues Haar konnte äußerst ansprechend erscheinen, wenn die Gesichtszüge und Form dies unterstrichen, und das würden sie tun. Man konnte mit Recht behaupten; die beiden waren ein auffallend hübsches Paar mit einem nicht zu übersehenden Hang zu modischer Kleidung. Kein Wunder; schließlich besaßen sie drei florierende Herrenboutiquen, die Karin insgeheim dazu animierten, ihre Rechnung nicht ganz so kleinlich ausfallen zu lassen, die sie dem Paar nach abgeschlossener Therapie zu stellen gedachte. 

„Ich bin enttäuscht von Dennis.“, antwortete Linda schließlich leise.

Karin Bitter-Mergentheim hatte sie nicht aus den Augen gelassen. Nun bedachte sie Linda Kempinski weiterhin abwartend und mit einem neugierigen, aufmunternden Blick und schwieg beharrlich. Sie spürte die Gemütswallungen ihrer Klientin, die sie für gewöhnlich geschickt verborgen hielt. Lass es heraus, dachte sie. Sag was du denkst. Ich weiß doch, dass es in dir brodelt.

Sekundenlang blickten sich die beiden Frauen nur an, bis Linda schließlich fortfuhr. Nun schien ihre Stimme leicht zu beben: „Und wütend! Fuchsteufelswütend! Dennis wollte die Therapie gar nicht. Ich war und bin unglücklich mit unserem Sexualleben. Ach was, es ist ja gerade so, als ob wir gar keines hätten. Ihm scheint es nichts auszumachen, und wie es mir dabei geht, ist ihm völlig gleichgültig. Und jetzt torpediert er sogar noch diesen letzten verzweifelten Versuch. Dabei haben wir es früher als die Karnickel getrieben!“ Linda zeigte einen kleinen Ansatz erfrischender Verlegenheit bei ihrer Wortwahl, der ihrem hübschen Gesicht etwas Farbe verlieh. Jedoch war es nur ein kurzes Aufblitzen. Sie hatte sich nun in Rage geredet. „Ich weiß nicht, genau was passiert ist, es ging alles so langsam, dass ich es anfangs kaum bemerkt habe. Ganz schleichend. Mit der Zeit verschwand die Leidenschaft.“, erklärte sie mit dumpfer Stimme und ballte die Fäuste. „Nein, eigentlich ich bin nicht nur ein wenig enttäuscht über seine Unpünktlichkeit zu diesem Termin. Ich bin viel mehr wütend auf ihn. Am liebsten würde ich ihm eine schallende Ohrfeige verpassen! Er hat gar nicht vor, etwas zu verändern!“ Nach diesen Worten hielt sie sich erschrocken die Hand vor den Mund, als hätte sie gerade etwas Ungeheuerliches gesagt. 

Karin sah sie noch immer aufmerksam an, nickte verständnisvoll mit dem Kopf, nahm ihre Tasse, trank einen kleinen Schluck von dem grünen Tee, der nun nicht mehr so heiß war und lächelte ein wenig durchtrieben. „Haben sie es denn schon einmal getan?“, erkundigte sie sich nach einer Weile.

„Was getan?“, fragte Linda, die in ihrer Wut nun ein wenig verwirrt war. 

„Na, ihrem Mann eine Ohrfeige verpasst?“, präzisierte Karin.

„Wo denken sie hin? Natürlich nicht!“, echauffierte sich die junge Frau.

„Aber…“ Bitter-Mergentheim macht eine Pause, nahm noch einen Schluck und stellte die Tasse dann wieder auf dem Glastisch ab. Während sie sich zurücklehnte, sah sie Linda noch ein wenig eindringlicher an. „Jetzt gerade könnten sie es, nicht wahr?“

Frau Kempinski schien ein wenig mit ihrem Sessel zu verschmelzen, so als wolle sie empört den Rückzug antreten und hob dann abwehrend die Hände: „Das war doch nur so dahingesagt. Ich würde Dennis doch nicht schlagen. Wir lösen unsere Konflikte verbal.“, antwortete sie, während ihr hübsches Gesicht erneut an Farbe gewann, was Bitter-Mergentheim keineswegs entging. „Außerdem, er ist mir physisch doch weit überlegen.“, setzte sie nach und merkte, dass es ein wenig nach einer Entschuldigung klang. 

Die Therapeutin setzte ein schelmisches Lächeln auf, als sie die Reaktion ihrer Klientin beobachtete, ohne sie jedoch zu kommentieren. Darauf würde sie später noch eingehen. Sie nahm ihre Tasse wieder in die Hand und nippte erneut an ihrem Tee. Dann, über den Rand ihrer Tasse blickend, erkundigte sie sich scheinbar beiläufig: „Welche Art von Sexualität bevorzugen Sie persönlich, Linda?“

Ob des plötzlichen und erwarteten Themenwechsels war diese nun völlig perplex: „Ich.. Also ich weiß nicht.“, stammelte sie und hätte beinahe, in einer ablehnenden Geste ihre Arme vor der Brust verschränkt, was sie dann aber doch nicht tat. 

Bitter-Mergentheim lehnte sich in ihrem Sessel vor, stellte sanft ihre Teetasse ab, die nun beinahe geleert war, beugte sich noch ein wenig weiter vor, dass sie über den kleinen Glastisch hinweg fassen konnte und legte ihre schmale Hand vertraulich auf Frau Kempinskis Oberschenkel, ohne sie dabei aus den Augen zu lassen. Äußerst zufrieden registrierte sie, dass es ihre Klientin zuließ. „Vergessen sie nicht, warum sie hier sind, Linda. Es geht um ihre Ehe. Alles, was sie mir anvertrauen, bleibt unter uns beiden. Ich möchte ihnen helfen und bin mir sicher, dass ich es kann. Aber dafür brauche ich ihre Mithilfe Linda. Also raus damit: welche Art von Sex bevorzugen sie?“ Sie lehnte sich wieder zurück, legte die Hände auf die seitlichen Armlehnen des Sessels und sah ihre Klientin offen und aufmunternd an. In ihrer Professionalität ließ sie Linda die Zeit, die sie benötigte, um sich zu sammeln, ihre Gedanken zu ordnen. „Also gut.“, sagte sie schließlich. „Wenn wir schon dabei sind. Vermutlich haben sie recht.“ Ihre schien nun mit jedem Wort ein wenig an Festigkeit zu gewinnen und es gelang ihr sogar, sich ein zaghaftes Lächeln abzuringen: „Ich mag es, wenn er mich verwöhnt. Also oral, meine ich.“

„Sie lassen sich also gerne von Dennis lecken. Wollten sie das sagen?“, erkundigte sich die Therapeutin mit blitzenden Augen.

„Wenn sie es unbedingt so nennen wollen, ja.“ 

„Das tue ich.“, provozierte sie munter weiter. „Und es besteht nicht der geringste Anlass, sich deswegen zu schämen, Linda. Im Gegenteil. Ich werde ihnen ein pikantes Geheimnis anvertrauen, auch wenn ich das in meiner Funktion als Paartherapeutin wohl eigentlich nicht sollte, zumindest wenn ich mich an die gelehrten Weisheiten meines Studiums erinnere, aber ich glaube wir können da mal eine Ausnahme machen. Also, wenn ich mit meinem Mann intim bin und Lust darauf verspüre, dann bitte ich ihn keineswegs, mich ein wenig oral zu befriedigen. Ich sage ihm klipp und klar, dass er verdammt noch mal, meine geile, feuchte Muschi lecken soll!“

„Oh.“, entgegnete Linda mit offenem Mund und sah ihr Gegenüber aus großen, blauen Augen an. Sie war sichtlich schockiert. Doch gleichzeitig schien auch ihre Neugierde geweckt. Fast vorsichtig erkundigte sie sich: „Und das funktioniert?“

„Das will ich ihm geraten haben, dass er dann funktioniert!“, lachte sie freudig und verdrehte dabei die Augen, als stelle sie sich die Situation gerade lebhaft vor. „Also weg von diesen schönen, klinisch und formal einwandfreien Formulierungen. Sagen sie Dennis, was sie wollen, und zwar so deutlich, dass selbst er es verstehen muss. Seien sie mutig! Und sonst Linda? Was mögen sie noch? Lecken kann doch unmöglich alles sein!“

Es schien, als hätte sie das richtige Knöpfchen gedrückt, denn ganz allmählich offenbarte sich Linda Kempinski. Anfangs zurückhaltend und durchaus noch verlegen, doch auch dieses Mal gewann ihre Stimme schnell an Festigkeit und ihr schlanker Körper spannte sich an, was ein gutes Zeichen war. „Naja, ich mag es massiert zu werden. Ich meine, wer mag das nicht? Es ist ein nettes Vorspiel. Vielleicht sogar noch vor dem Vorspiel. Ich bin da nicht so versiert. Auch die Füße. Die Füße massiert zu bekommen ist richtig scharf. Und danach dann lecken.“, erklärte sie und realisierte gleichzeitig, dass sie zärtliche Küsse vergessen hatte zu erwähnen. Aber hatte sie das tatsächlich? Zärtliche Küsse waren zweifellos etwas, wonach sie sich sehnte, aber konnten sie Teil von wildem, animalischen Sex sein, der ihr so fehlte. Vermutlich nicht, aber ganz festlegen wollte sie sich ebenfalls nicht. 

„Lecken! So lange, bis sie vor Wollust quieken, oder vielleicht sogar zuckend vor Erregung zum Orgasmus kommen?“. Karin lächelte wissend.

„Jaa!“, bestätigte Linda mit glänzenden Augen und rutschte sofort ein wenig verlegen in ihrem Sessel herum, als würde sie sich für den Gedanken schämen.

„Schön! Das gefällt mir! Aber was ist nun mit der Ohrfeige?“, erinnerte die Therapeutin fragend. Sie zog die Augenbrauen hoch und fokussierte ihre Klientin streng.

Nach kurzem Zögern antwortete diese grinsend: „Wenn es der Sache dienlich ist, warum eigentlich nicht.“

Bitter-Mergentheim klatschte voller Begeisterung in die Hände. Das Geräusch hallte in dem kleinen Besprechungszimmer trotz der Bücherregale überraschend laut nach. „Prima! Ich glaube, wir kommen der Lösung allmählich näher.“, verriet sie geheimnisvoll, ohne dabei ihre eigentlichen Gedanken zu offenbaren. „Wissen Sie Linda, wir Frauen haben eine enorme Macht über die Männer. Lassen sie uns diese nutzen. Wir müssen nur auf die richtigen Knöpfchen drücken, dann wird ihnen ihr Dennis aus der Hand fressen, glauben sie mir. Er wird ständig erregt sein und ihnen genau das geben, wonach sie sich sehnen. Sie beide sind doch so ein hübsches und wundervolles Paar. Es wäre wirklich eine Schande. Sie beide werden es schaffen, glauben sie mir. Schon bald wird er ihnen die Füße massieren!“

„Ich weiß nicht… Wie können sie da so sicher sein?“, erkundigte sich ihre Klientin zweifelnd.

Bitter-Mergentheim setzte wieder dieses wissende Lächeln auf. „Vertrauen Sie mir. Ich werde gleich mit Dennis alleine reden. Dies ist übrigens ein sehr guter Zeitpunkt, da ich nun weiß, was sie möchten. Oder zumindest weiß ich es nun ein wenig besser. Wer weiß, vielleicht war es sogar eine glückliche Fügung des Schicksals, dass ihr Mann sich verspätet hat. Wie gesagt, ich habe da eine ganz besondere Lösung für ihr kleines Problem im Sinn. Sie werden überrascht sein und vielleicht auch ein kleines bisschen schockiert, doch wenn sie sich darauf einlassen können, dann wird Dennis zukünftig alles daransetzen, um ihnen zu gefallen und sie zufrieden zu stellen. Doch zuvor muss ich mich mit ihrem Mann alleine unterhalten. Ist das für sie in Ordnung?“

Linda stimmte nickend zu. Sie wusste auch nicht, was sie sonst tun sollte. Im Grunde war ihr das alles ein wenig suspekt, aber sie wollte sich ebenso wenig nachsagen lassen, sie hätte nicht alles getan, um ihre Ehe zu retten, und die Therapeutin vermittelte ihr einen unglaublich optimistischen Eindruck, während sie selbst schon beinahe die Flinte ins Korn geworfen hatte. 

„Sehr gut! Eines noch. Ich weiß, es ist sehr ungewöhnlich, aber hätten Sie heute Abend vielleicht noch eine Stunde Zeit für mich? Also nach dem Gespräch mit ihrem Mann. Je nachdem wie es verläuft, ist es möglicherweise recht wichtig, dass zuerst wir beide uns noch einmal unterhalten, bevor sie mit ihrem Mann wieder zusammentreffen.“

Die junge Frau runzelte die Stirn. Das war in der Tat alles sehr ungewöhnlich und sie wusste nicht, ob sie sich Sorgen machen musste.

„Bitte, Linda. Ich würde nicht fragen, wenn es nicht von Bedeutung wäre. Um die Ecke ist ein wirklich nettes Café. Vielleicht könnten sie dort die Zeit überbrücken. Draußen ist es im Moment ja wirklich nicht gerade einladend. Es herrscht ja ein wahrer Schneesturm.“, insistierte Bitter-Mergentheim. 

„Also gut.“, willigte sie ein.

„Wunderbar. Dann um 20:00 Uhr wieder hier bei mir. Ich erwarte sie!“, sagte Bitter-Mergentheim eindringlich und entließ eine ziemlich ratlose Linda Kempinski aus ihrem Besprechungszimmer. Die ging nachdenklich die Stufen des weiß getünchten Treppenhauses hinunter und fand sich auf dem bereits völlig verschneiten Bürgersteig wieder, der vor dem modernen Mietshaus lag, welches Bitter-Mergentheims Therapieräume beherbergte. Die sündhaft teure Lage in der Innenstadt, war mit ein auschlaggebender Punkt gewesen, warum sie letztlich diese Paartherapeutin gewählt hatten. Die exponierte Lage verkündete von Erfolg, so wähnte das Ehepaar Kempinski. Linda spannte ihren Schirm auf, denn noch immer fielen dicke, weiße Flocken vom Himmel und bedeckten die Stadt mit ihrem weißen Hauch. Es sah nicht danach aus, als wenn es bald aufhören würde zu schneien. Der Himmel war wolkenverhangen. Sie knöpfte sorgsam ihren taillierten, schwarzen Mantel zu. Dennoch kroch ihr die Kälte sofort in die Glieder. Bereits nach ihrer letzten Sitzung hatte sie ein Café erspäht. Karin hatte sicherlich dieses gemeint. Sie zog die Schultern hoch und ging mit vorsichtigen Schritten in die vermeintliche Richtung, um dort die Zeit zu überbrücken. Ihre Pumps klackerten dabei gedämpft durch den Schnee. Mancherorts hatten pflichtbewusste Anwohner bereits den Schnee von den Bordsteinen gefegt. Es dauerte jedoch nicht lange, bis die Schneedecke den Trottoir wieder bedeckte. Hier und da hatte jemand wohl auch Salz gestreut, was eigentlich verboten war, meinte sie sich zu erinnern. Wie auch immer; bei dieser Witterung waren ihre Pumps eindeutig das verkehrte Schuhwerk, dachte sie und schimpfte sich insgeheim dafür, als die Kälte bereits durch die Sohlen in ihre kleinen Füßchen zu kriechen begann. Unwillkürlich kam ihr das Gespräch von eben in den Sinn und der Gedanke an eine Fußmassage. Da kann ich wohl lange drauf warten, dachte sie skeptisch, mit zusammengekniffenen Lippen und hoffte, wenigstens das Café würde noch geöffnet haben. Bald erkannte sie jedoch den freundlich erleuchteten Innenraum durch eine großzügige Fensterfront und atmete erleichtert auf, als sie endlich das Café betrat. Drinnen war es gemütlich und angenehm warm, hier konnte sie bequem warten. Außerdem empfing sie ein wunderbarer Duft nach frischem Backwerk, wie es nur Cafés und Bäckereien zustande brachte, die noch selber buken. Linda schaute sich kurz um und entschied sich dann für einen kleinen, freien Tisch am Fenster. Die Heizung blubberte wohlig unter dem Fenstersims und verströmte ihre angenehme Wärme, die selbst ihre Füße rasch wieder auf Temperatur bringen würden. Der stete, leise Geräuschpegel, sich unterhaltender Gäste lullte sie rasch ein. Hier und da war ein Lachen zu hören, von einem Tisch im hinteren Bereich, zu dem ihr jedoch die Sicht durch die große Kuchentheke versperrt war. Ein junges Mädchen, die Kellnerin, kam lächelnd herangeeilt und erkundigte sich freundlich nach ihren Wünschen. Linda bestellte eine heiße Schokolade mit Sahne, und wenig später wärmte sie ihre klammen Finger an der dampfenden Tasse. Zurückgelehnt in ihrem Stuhl sitzend, blickte sie versonnen aus dem Fenster, beobachtete das noch immer dichte Schneetreiben und die wenigen, vorbeieilenden Passanten. Aus dieser Perspektive konnte sie dem Ganzen allmählich etwas abgewinnen, dachte sie. Allerdings beschäftigte sie die Aussage der Therapeutin. Sie werden überrascht sein und vielleicht auch ein kleines bisschen schockiert, doch wenn sie sich darauf einlassen können, dann wird Dennis zukünftig alles daransetzen, um ihnen zu gefallen und sie zufrieden zu stellen, hatte sie gesagt. Wie konnte sie sich da nur so sicher sein, und was beabsichtigte sie zu unternehmen, dass sie vielleicht schockieren würde? Ihr wollte beim besten Willen nichts darauf einfallen. 

Während ihr schlanker Körper ganz allmählich wieder auftaute und das Zittern ihrer Hände merklich nachließ, obwohl sie eigentlich nicht lange durch die eisige Kälte gelaufen war, wurde die Eingangstür energisch geöffnet und animierte die Türglocke zu einem schrillen, kaskadierenden Klingeln. Mehrere Kunden blickten sich um, als nun eine junge Frau das Café betrat, sie schloss eilig die Tür hinter sich, um die Kälte auszusperren, blieb dann kurz stehen, um sich geräuschvoll und energisch den Schnee von ihrem eleganten Mantel zu klopfen, der extrem tailliert war und ihre schlanke Figur eher unterstrich als kaschierte, was vielleicht auch beabsichtigt war. Zu ihren Füßen, sie trug knielange schwarze Stiefel mit hohen Absätzen, lag der heruntergefallene Schnee und begann sofort zu tauen. Die Dame ging einen Schritt zur Seite, wahrscheinlich um nicht in der Pfütze zu stehen, die sich gerade zu bilden begann und für die sie verantwortlich war, was eine gewisse Unhöflichkeit darstellte. Diese Tatsache ignorierend bestellte sie mit lauter, fester, aber nicht unangenehmer Stimme: „Einen Kaffee und ein Stück Schwarzwälder-Kirschtorte!“ Dabei verzichtete sie auf das Bitte und ignorierte die beiden Männer, die vor ihr an der Reihe waren, komplett. Merkwürdigerweise blieb die eigentlich zu erwartende Entrüstung der Herren aus. „Puh, was für ein Wetter. Aber irgendwie auch ziemlich geil! Oder nicht?“, erklärte sie ungefragt und an Linda gerichtet, offensichtlich ohne eine Antwort zu erwarten, während sie sich graziös aus ihrem Mantel schälte und diesen an die Garderobe hängte, die sich an der Wand neben Lindas Tisch befand. „Darf ich?“, erkundigte sie sich und setzte sich lächelnd zu ihr. Die Frage war anscheinend ebenfalls rhetorischer Natur gewesen, und Linda klappte fast der Unterkiefer herunter, als sich die extravagante Dame, ihr fiel auf den ersten Blick kein anderer Begriff ein, nun gemütlich auf dem Stuhl neben ihr räkelte. Ihr entströmte der Duft eines teuren Parfüms, dessen Name Linda gerade entfallen war, und ein unglaubliches Selbstbewusstsein, welches Linda, gegen ihren Willen, mit einer ordentlichen Portion Neid erfüllte. „Ja natürlich. Nur zu.“, erklärte sie, viel zu spät und noch immer überrumpelt. Sie schätzte ihre Tischnachbarin auf Mitte vierzig ein. Ihr dichtes Haar war pechschwarz und zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden. In den langen schwarzen Stiefeln steckten enganliegende Bluejeans, dass hatte sie noch bemerken können, bevor sie sich ungefragt an ihren Tisch gesetzt hatte. Darüber trug sie eine weiße Bluse mit Rüschen, die bei schnellen Bewegungen anmutig flatterten. Aber das eigentlich Beeindruckende war ihr Gesicht: schlanke Wangenknochen, die nur ein wenig Rouge aufwiesen und ihr ebenmäßiges Gesicht strahlen ließen. Die grünen Augen funkelten jedoch wie geschliffene Smaragde und zogen einen sofort in ihren Bann. Jetzt gerade lächelten sie Linda freundlich an, und als die Bestellung eintraf, entfuhr der Unbekannten ein seliges Jauchzen vor Begeisterung. „Ich weiß,“ meinte sie entschuldigend, „Es ist eigentlich schon ein wenig spät für eine derartige Kaloriensünde, wenn es dafür überhaupt eine gute Uhrzeit gibt. Aber was soll ich machen? Die Schwarzwälder Kirschtorte hier ist ein Traum. Ich konnte einfach nicht am Café vorbeigehen! Vielen Dank noch einmal, dass ich an ihrem Tisch sitzen und ihre Bekanntschaft machen darf. Ich heiße übrigens Julia….“ 

Karin Bitter-Mergentheim verfügte ihrerseits nicht über die Muße für eine Tasse heiße Schokolade, wie sie ihre Klientin gerade genoss. Sie wusste nicht, wieviel Zeit ihr blieb, wie zügig Kempinski es durch das Verkehrschaos schaffen würde und mahnte sich deshalb zur Eile. Die Therapeutin verließ ihre Praxis und stieg im Treppenhaus eine Etage höher. Dort befand sich ihre Privatwohnung. Ein Umstand, den sie nun ausgiebig begrüßte. Sie schloss die Wohnungstür hinter sich und eilte durch den Flur in ihr Schlafzimmer. Die Therapeutin verspürte eine gewisse, prickelnde Anspannung, die jedoch nicht unangenehm anfühlte. Obwohl sie das vielleicht sollte, bei dem, was sie beabsichtigte zu tun. „Ich bin wirklich gespannt, wie du reagieren wirst, Dennis!“, murmelte sie vor sich hin, schob den Gedanken beiseite und traf die notwendigen Vorbereitungen. 

Drittes Kapitel - Eine unverhoffte Zwischenmahlzeit