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Die Idee der sympathischen, lebensklugen Denise von Schoenecker sucht ihresgleichen. Sophienlust wurde gegründet, das Kinderheim der glücklichen Waisenkinder. Denise formt mit glücklicher Hand aus Sophienlust einen fast paradiesischen Ort der Idylle, aber immer wieder wird diese Heimat schenkende Einrichtung auf eine Zerreißprobe gestellt. Diese beliebte Romanserie der großartigen Schriftstellerin Patricia Vandenberg überzeugt durch ihr klares Konzept und seine beiden Identifikationsfiguren. Andrea von Lehn stand im Tierheim Waldi & Co. vor der Box der Schimpansen. Plötzlich hörte sie lautes Gebell. Es war unverkennbar Waldi, der bellte. Was mochte er wohl haben? Wahrscheinlich ärgerte er sich über irgendetwas, denn seine Stimme klang böse. Andrea fütterte weiter die Affen. Doch als Waldis Gebell immer energischer wurde, stellte sie den Topf mit der Tiernahrung beiseite, wischte sich die verklebten Finger an einem Handtuch ab und ging schnell zum Ausgang des Tierheims. Nun wurde das Bellen schwächer und schwächer. Das bedeutete, dass der Dackel sich entfernte. Jetzt erst wurde Andrea neugierig. Sie verließ das Tierheim und überquerte den Hof. Vor dem Wohnhaus blieb sie wie angewurzelt stehen. Der Platz unter der alten Eiche war leer. Aber dort musste doch der Kinderwagen mit Peterle stehen! Andrea fuhr sich rasch über die Augen und schaute danach noch einmal zu dem Platz hin. Doch der Kinderwagen blieb verschwunden. Andrea spürte, wie sich sämtliche Muskeln ihres Körpers verkrampften. »Betti!«, rief sie und rannte zum Haus. »Betti!« Ihre Stimme klang schrill. Erst als sie schon in der Küche stand, fiel ihr ein, dass sie das Hausmädchen weggeschickt hatte. Zum Einkaufen. Und sonst war niemand im Haus. Andrea stolperte wieder in den Garten zurück. Der Kinderwagen konnte doch nicht von selbst wegfahren. Aber Andrea wusste genau, dass sie Peterle unter den Baum vor dem Haus gestellt hatte. Also hatte jemand den Wagen weggefahren. Und zwar eine Person, die Waldi nicht kannte. Sonst hätte er nicht gebellt. Andrea begann zu zittern. Aber sie zwang sich zur Ruhe. Es
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Seitenzahl: 134
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Andrea von Lehn stand im Tierheim Waldi & Co. vor der Box der Schimpansen. Plötzlich hörte sie lautes Gebell. Es war unverkennbar Waldi, der bellte. Was mochte er wohl haben? Wahrscheinlich ärgerte er sich über irgendetwas, denn seine Stimme klang böse.
Andrea fütterte weiter die Affen. Doch als Waldis Gebell immer energischer wurde, stellte sie den Topf mit der Tiernahrung beiseite, wischte sich die verklebten Finger an einem Handtuch ab und ging schnell zum Ausgang des Tierheims.
Nun wurde das Bellen schwächer und schwächer. Das bedeutete, dass der Dackel sich entfernte. Jetzt erst wurde Andrea neugierig. Sie verließ das Tierheim und überquerte den Hof. Vor dem Wohnhaus blieb sie wie angewurzelt stehen. Der Platz unter der alten Eiche war leer. Aber dort musste doch der Kinderwagen mit Peterle stehen!
Andrea fuhr sich rasch über die Augen und schaute danach noch einmal zu dem Platz hin. Doch der Kinderwagen blieb verschwunden.
Andrea spürte, wie sich sämtliche Muskeln ihres Körpers verkrampften. »Betti!«, rief sie und rannte zum Haus. »Betti!« Ihre Stimme klang schrill. Erst als sie schon in der Küche stand, fiel ihr ein, dass sie das Hausmädchen weggeschickt hatte. Zum Einkaufen. Und sonst war niemand im Haus.
Andrea stolperte wieder in den Garten zurück. Der Kinderwagen konnte doch nicht von selbst wegfahren. Aber Andrea wusste genau, dass sie Peterle unter den Baum vor dem Haus gestellt hatte. Also hatte jemand den Wagen weggefahren. Und zwar eine Person, die Waldi nicht kannte. Sonst hätte er nicht gebellt.
Andrea begann zu zittern. Aber sie zwang sich zur Ruhe. Es konnte sich ja auch um einen Scherz handeln.
Systematisch begann Andrea nun den Garten zu durchsuchen. Zunächst suchte sie vor und hinter dem Haus, dann beim Tierheim. Zum Schluss ging sie in den hinteren Teil des Gartens, wo die Bäume und Sträucher wild wuchsen. Dort fand sie schließlich den Kinderwagen. Er stand hinter einem dichten Brombeergestrüpp.
Andrea blieb stehen und presste sekundenlang ihre Hand auf das pochende Herz. Dann war sie mit zwei langen Sätzen beim Wagen. »Peterle!«
Ein Schlag ins Gesicht hätte sie nicht härter treffen können als der Anblick des leeren Wagens. Also doch, dachte sie. Und jetzt konnte sie ihre Angst nicht mehr unterdrücken. Irgendjemand hatte ihr Baby davongetragen. Vermutlich entführt. An einen Scherz konnte sie plötzlich nicht mehr glauben.
Andrea durchsuchte auch noch den restlichen Teil des Gartens gründlich, jedoch vergeblich. Von dem Baby war keine Spur zu entdecken. Es gab auch keinen Hinweis darauf, was mit Peterle geschehen war.
Andrea rief laut nach Waldi. Aber auch der Dackel blieb verschwunden. Da nahm die junge Mutter den leeren Kinderwagen und fuhr ihn hastig zum Haus zurück.
Wenn wenigstens Hans-Joachim da wäre, dachte Andrea verzweifelt. Oder unser Tierpfleger. Oder wenigstens Betti. Einen Moment lang fühlte sie sich so hilflos wie noch nie in ihrem Leben.
Dann lief sie zum Telefon. Mit zitternden Fingern wählte sie die Nummer ihrer Stiefmutter. Doch auf Gut Schoeneich meldete sich niemand.
Andrea legte auf und begann die Nummer von Sophienlust zu wählen. Doch noch während sie das tat, überlegte sie es sich anders. Ich werde selbst zum Kinderheim fahren, beschloss sie, legte auf und eilte schon in die Garage. Dabei kann ich gleich die Umgebung absuchen, überlegte sie weiter. Vielleicht hat sich jemand einen bösen Scherz erlaubt und Peterle einfach irgendwohin gelegt, um mich zu erschrecken.
Der Wagen sprang an. Andrea fuhr ihn aus der Garage heraus. Sie verrichtete alle Handgriffe automatisch. Alle Gedanken waren bei ihrem Kind. Langsam fuhr sie dann die ruhige Villenstraße entlang. An einem kleinen Seitenweg stieg sie sogar aus. Sie rannte zu zwei versteckten Anlagebänken. Doch sie waren leer.
Auch auf dem weiteren Weg nach Sophienlust entdeckte Andrea nichts, was ihr Aufschluss über den Verbleib ihres kleinen Sohnes hätte geben können. Als sie beim Kinderheim ankam und den Wagen ihrer Stiefmutter vor der Freitreppe stehen sah, atmete sie erleichtert auf.
Gerade in diesem Augenblick trat Denise von Schoenecker aus dem Haus. Andrea stieg aus, lief zum Haus und fiel ihrer Stiefmutter in die Arme. »Mutti! Gott sei Dank!«
Dass ihr Tränen dabei in den Augen standen, merkte sie gar nicht.
Schützend legte Denise ihre Arme um Andrea. »Um Gottes willen, was ist denn passiert, Kind?« Denise wusste, dass Andrea normalerweise nicht hysterisch war. Noch nie hatte sie sie so aufgeregt gesehen.
»Peterle!« Andrea konnte nicht weitersprechen. Die Angst schnürte ihr die Kehle zu und stand ihr überdeutlich im Gesicht geschrieben.
»Was ist mit ihm?«, drängte Denise. »Bitte, beruhige dich. Aber sprich bitte.« Sie hatte plötzlich selbst Angst.
»Weg ist er! Verschwunden!« Andrea hatte sich soweit gefasst, dass sie nun der Reihe nach berichten konnte, was passiert war.
Inzwischen waren auch die Heimleiterin und die Kinderschwester aus dem Haus getreten. Sie hörten Andreas Bericht mit an.
»Mein Gott, wie ist so etwas nur möglich!«, rief Schwester Regine bestürzt aus.
Frau Rennert konnte nur den Kopf schütteln. »Vielleicht hat sich irgendjemand einen Scherz erlaubt«, meinte sie vage.
»Ein schlechter Scherz«, platzte Andrea heraus, und trotzdem gab ihr dieser Gedanke auch wieder ein klein wenig Mut. Lieber wollte sie einen Scherz in Kauf nehmen als etwas Ernsteres.
Denise pflichtete der Heimleiterin bei. »Ich glaube eigentlich auch nicht daran, dass Peterle entführt worden ist.« Sie griff tröstend nach Andreas Hand. »Trotzdem müssen wir diese Möglichkeit mit in Betracht ziehen. In einem solchen Fall kann man gar nicht vorsichtig genug sein. Ich fahre jetzt mit zu dir.«
Andrea atmete erleichtert auf. »Danke, Mutti. Wenn du bei mir bist, fühle ich mich schon wesentlich sicherer und ruhiger.« Sie schaute die drei Frauen der Reihe nach an. »Aber was sollen wir tun? Wir müssen doch etwas unternehmen.«
Else Rennert überlegte. Hier war guter Rat teuer. »Natürlich könnten wir mit den Kindern die Umgebung absuchen.«
Denise schüttelte den Kopf. »Dazu würde ich nicht raten.« Sie dachte daran, dass immerhin die Möglichkeit bestand, dass es sich wirklich um ein Verbrechen handelte. Und dann war es ratsamer, die Kinder aus dem Spiel zu lassen.
Else Rennert und Schwester Regine nickten. Sie verstanden Denises Gedankengang.
»Aber wir könnten doch wenigstens die Umgebung meines Hauses absuchen, Mutti.« Andrea presste die zitternden Handflächen aneinander. Es sah aus, als würde sie beten.
Ihre schönen blauen Augen hatten sich jetzt ganz verdunkelt.
»Das werden wir auf jeden Fall tun.« Denise legte ihren Arm um Andrea. Doch sie wollte das Mitleid, das sie empfand, nicht zeigen, um Andrea dadurch nicht noch unsicherer zu machen. »Komm, wir fahren jetzt«, schlug sie vor.
Andrea ging zu ihrem Wagen. Denise drehte sich noch einmal zu ihrer Heimleiterin um und sagte: »Sie wissen ja, wo Sie mich erreichen können, falls Sie irgendetwas erfahren.«
Else Rennert nickte. »Wir bleiben miteinander in Kontakt.« Dann schaute sie den beiden davonfahrenden Wagen nach. Gut, dass die Kinder gerade nicht hier sind, dachte sie. Andreas Baby ist für sie so etwas wie ein kleines Heiligtum. Wahrscheinlich hätte die Nachricht vom Verschwinden des Kindes Aufruhr ausgelöst. Und gerade das musste jetzt vermieden werden.
Die Gedanken der Kinderschwester gingen in die gleiche Richtung. »Die Kinder dürfen vorerst nichts davon erfahren«, sagte sie. »Ein paar Übereifrige würden bestimmt versuchen, den Schuldigen auf eigene Faust zu finden.«
*
Inzwischen folgte Denise Andrea in ihrem eigenen Wagen. Sie war froh, dass ihre Stieftochter langsam und vorsichtig fuhr.
Vielleicht ist der Kinderwagen mit dem Baby bereits wieder aufgetaucht, hoffte Andrea. Genauso unverhofft, wie er verschwunden ist. Vielleicht war alles nur ein böser Albtraum, und der Wagen steht jetzt wieder unter dem Baum, unter den ich ihn gestellt habe.
Als Andrea auf den Hof fuhr, schaute sie bewusst nicht zu dem Baum hin. Doch das hielt sie nur sekundenlang aus. Dann wandte sie schnell den Kopf. Aber sie sah nicht das, was sie sich erhofft hatte. Es stand kein Kinderwagen unter dem Baum.
Dafür kam das Hausmädchen Betti völlig aufgelöst aus dem Haus gerannt. »Haben Sie den Kinderwagen mitgenommen? Aber das tun Sie ja nie…« Sie brach ab und starrte in Andreas leeres Auto. »Peterle?«
Andrea schluckte und nickte. »Er ist verschwunden, Betti.«
»Verschwunden?«, wiederholte das Hausmädchen ungläubig. »So etwas gibt es doch gar nicht. Wie soll er denn verschwinden? Und wohin?« Mit hängenden Schultern stand Betti da und schaute zu, wie Andrea aus dem Auto ausstieg. Ich verstehe das nicht, dachte sie dabei. Dann begrüßte sie Denise. »Guten Tag, Frau von Schoenecker. Ist das… wirklich wahr?«
»Leider, Betti. Haben Sie hier irgendetwas Verdächtiges bemerkt, während Andrea bei mir war?«
Betti schüttelte den Kopf. »Das Haus war wie ausgestorben.«
»Komm bitte ins Haus, Mutti«, sagte Andrea. Und zu Betti: »Wenn Sie hier oder beim Tierheim etwas Verdächtiges bemerken, rufen Sie uns bitte sofort. Auch dann, wenn Waldi zurückkehren sollte. Er ist nämlich ebenfalls verschwunden.« Andrea seufzte: »Wenn wenigstens HansJoachim bald zurückkäme.«
Andrea ging in die Küche und brühte einen starken Kaffee. Dabei lauschte sie immer wieder zum Fenster hinaus. Doch es war nichts zu hören. »Und wenn wir einfach die Polizei anrufen, Mutti?«, fragte sie, als sie mit dem Kaffee ins Wohnzimmer kam.
Denises ebenmäßige Züge waren äußerst angespannt. »Daran denke ich auch schon die ganze Zeit. Aber ich schlage vor, wir warten damit bis zur Rückkehr deines Mannes.«
»Gut.« Andrea nickte und goss den Kaffee in die Tassen ein.
Schweigend tranken die beiden Frauen Kaffee. Jede war mit ihren eigenen Überlegungen beschäftigt, die aber doch sehr ähnlich waren.
Plötzlich sprang Andrea auf. »Willst du die Stelle sehen, an der ich den Kinderwagen gefunden habe, Mutti? Er ist immer noch dort. Ich habe ihn stehengelassen. Vielleicht hat der Dieb Peterle inzwischen wieder zurückgebracht und hineingelegt?« Andrea lief schon zur Tür. Denise folgte ihr, obwohl sie an diese Möglichkeit eigentlich nicht glaubte. Doch man musste ja alles in Betracht ziehen.
Die beiden Frauen hasteten durch den Garten. Andrea achtete nicht darauf, dass Zweige ihr Gesicht trafen. Sie lief Denise davon und erreichte den Kinderwagen als erste. Doch der Wagen war immer noch leer.
Mit hängenden Schultern blieb Andrea daneben stehen. »Leer, Mutti.«
»Komm, wir gehen zurück«, sagte Denise leise. Sie nahm ihre Stieftochter beim Arm. »Wenn Hans-Joachim in der nächsten halben Stunde nicht zurückkommt, rufe ich die Polizei an.«
Da blieb Andrea stehen und hob lauschend den Kopf. »Das ist sein Wagen. Er kommt.«
Als die beiden zur Villa kamen, trat Hans-Joachim gerade wieder aus dem Haus. Er hatte von Betti bereits alles erfahren. Wortlos schloss er seine Frau in die Arme. »Reg’ dich nicht auf, mein Liebes. Es wird sich alles aufklären. Wir dürfen jetzt nur nicht den Kopf verlieren. Bitte, kommt beide ins Haus.«
Im Wohnzimmer hielten sie dann Kriegsrat ab. Doch Andrea konnte nicht ruhig sitzen bleiben. Sie lief dauernd im Zimmer auf und ab.
Plötzlich blieb sie jedoch wie angewurzelt stehen. Vor dem Fenster. »Waldi!« Sie schnellte herum. »Waldi kommt!«
In der nächsten Sekunde standen Hans-Joachim und Denise neben ihr. Alle drei sahen, dass der Dackel langsam auf den Hof gelaufen kam. Ganz gegen seine sonstige Gewohnheit.
»Er trägt irgendetwas im Maul!«, rief Andrea. Sie drehte sich um und lief zur Tür.
Waldi saß im Korridor und wartete auf sein Frauchen. Er hatte schon Andreas Schritte gehört. Jetzt hob er den Kopf. Andrea sah, dass es ein Brief war, den er mitgebracht hatte. Mit zitternden Fingern löste sie die Schnur vom Halsband und griff danach. Doch dann reichte sie den Umschlag schnell ihrem Mann, als habe sie sich die Hände daran verbrannt.
Es war ein fleckiges weißes Kuvert. Hans-Joachim riss es auf und hielt einen halben Bogen kariertes Papier in der Hand. Darauf waren in ungelenker, großer Kinderschrift die Sätze hingekritzelt.
Wir haben das Baby und wollen 10.000 Euro dafür haben. Dann bringen wir das Kind zurück. Aber Sie dürfen der Polizei nichts sagen! las Hans-Joachim laut vor.
Andrea unterdrückte einen Schrei. Dann taumelte sie in die Arme ihres Mannes. »Oh, Hans-Joachim, unser Peterle«, schluchzte sie an seiner Brust. »Sie haben ihn entführt.«
Denise streichelte wortlos Andreas zuckenden Rücken. Hans-Joachim aber flüsterte: »Bitte, beruhige dich. Ich verspreche dir, dass ich dir unser Kind heil und gesund zurückbringen werde. Und wenn ich eine Großfahndung nach diesen Verbrechern einleiten müsste«, fügte er zähneknirschend hinzu.
»Nein!« Andreas Kopf schnellte erschrocken hoch. Angst hatte ihre hellblauen Augen dunkel gefärbt »Du hörst doch, was die Gangster verlangen. Dass wir die Polizei aus dem Spiel lassen.«
»Das verlangen solche Verbrecher immer. Sie wollen ja schließlich ungeschoren davonkommen. Das ist doch ganz klar.«
»Und ich will mein Kind gesund und lebendig zurückhaben!«
Andrea stampfte mit dem Fuß auf. Tränen liefen ihr über das Gesicht.
»Das will ich ja auch«, sagte HansJoachim sanft. »Oder glaubst du etwa, ich habe Peterle nicht lieb?« Er schob seine Hände unter Andreas Kinn und schaute ihr in die Augen.
Inzwischen hatte Denise den Dackel beobachtet. Mit einem leisen Laut lief Waldi ständig zur Tür und kam dann wieder zurück. »Ich glaube, er will uns irgendetwas zeigen«, sagte Denise.
»Vielleicht kann er uns zu dem Versteck der Entführer bringen.«
Hans-Joachim nickte dem Dackel aufmunternd zu. »Lauf, Waldi! Such, such!«
Das ließ sich der Hund nicht zweimal sagen. Mit einem Satz schoss er zur Haustür hinaus und lief schon über den Hof. Inzwischen blieb er immer wieder stehen und überzeugte sich, dass ihm die Erwachsenen auch folgten.
Hans-Joachim hatte Andrea bei der Hand genommen. Hinter den beiden kam Denise. In dem wild wachsenden Teil des Gartens schlugen allen die Zweige ins Gesicht. Und Andreas Rock blieb an einem Dornenbusch hängen. Doch sie achtete nicht darauf.
Der leere Kinderwagen stand noch immer an der gleichen Stelle. Andrea blieb stehen. »Von hier aus müssten sie Peterle weggetragen haben.« Sie schluckte. Wer weiß, wie grob sie mit dem Kleinen umgingen?
Andrea fand jedoch keine Zeit, darüber nachzudenken. Schon jagte Waldi weiter. Durch ein herausgebrochenes Brett im Zaun verließ er das Grundstück.
Andrea schaute dem Dackel nach. »Er läuft über den Wiesenweg weiter! Sie werden sich doch nicht irgendwo im Wald versteckt haben?«
Alle verließen nun das Grundstück und liefen in den Wald hinein.
»Jetzt weiß ich, wohin er läuft!«, rief Andrea nach zehn Minuten aus. Atemlos blieb sie stehen.
Auch Hans-Joachim und Denise brauchten eine Verschnaufpause. »Du meinst die alte Hütte im Wald?« Hans-Joachim schaute seine Frau fragend an.
»Ja. Du weißt doch, sie liegt direkt am Bach. Früher wurde sie ab und zu noch von den Wildhütern benutzt. Jetzt steht sie völlig leer.«
Hans-Joachim nickte. »Das könnte ihr Versteck sein.«
»Aber dann können wir doch nicht einfach so hingehen«, gab Denise zu bedenken. »Wir wissen ja nicht, was für Menschen das sind. Vielleicht sind sie bewaffnet.«
Andrea schaute Hans-Joachim an. »Mutti hat recht. Ich möchte auf keinen Fall irgendetwas tun, was Peterle in Gefahr bringen könnte. Vielleicht sollten wir lieber zurückgehen und das Geld bezahlen.«
Hans-Joachim zögerte. »Aber wenn wir das tun – wer garantiert dir, dass sie ihr Wort halten und uns das Baby wirklich unversehrt zurückbringen?«
Der junge Tierarzt sprach nicht weiter, denn schon wieder traten seiner Frau Tränen in die Augen. »Ihr zwei bleibt jetzt hier«, ordnete er an. »Ich schleiche zu der Hütte.« Abwehrend hob er die Hände, als Andrea erschrocken den Kopf schüttelte. »Keine Angst, ich betrete die Hütte nicht und lasse mich auch nicht sehen. Ich möchte nur wissen, ob überhaupt jemand drin ist. Bleibt auf jeden Fall hier. Und wartet, bis ich zurück bin.«
Er küsste seine Frau schnell. Dann schlich er davon. Fast so lautlos wie ein Indianer.
Doch schon nach fünf Minuten war er wieder da. »Die Hütte ist leer. Aber ich glaube, sie waren dort. Ich habe nämlich das dort gefunden.« Er zog aus seiner Jackentasche ein winziges Stück hellblaue Wolle.
Andrea griff danach. »Das ist aus Peterles Jäckchen.«
»Bist du sicher« fragte Denise.
»Ganz sicher.«
Hans-Joachim ging schon wieder in Richtung Hütte. Die anderen folgten ihm. »Es deuten noch ein paar andere Kleinigkeiten darauf hin, dass sich die Entführer vorübergehend in dieser einsamen Hütte aufgehalten haben.«
Nach einigen Minuten standen sie vor der verlassenen kleinen Waldhütte. Sie war aus Holz gebaut und wies schon überall Zeichen des Verfalls auf.
Hans-Joachim trat als erster ein. »Bitte, lasst die Tür offen. Elektrisches Licht gibt es hier nicht.«
»Was ist eigentlich mit Waldi los?«, fragte Denise, als sie den Dackel mutlos neben dem Holzhaus sitzen sah.