Der Rausch - Nagib Machfus - E-Book

Der Rausch E-Book

Nagib Machfus

0,0
8,99 €

-100%
Sammeln Sie Punkte in unserem Gutscheinprogramm und kaufen Sie E-Books und Hörbücher mit bis zu 100% Rabatt.
Mehr erfahren.
Beschreibung

Omar al-Hamzawi ist erfolgreicher Anwalt in Kairo, fünfundvierzig, verheiratet und Vater von zwei Töchtern. Eines Tages wird ihm bewusst , dass er eingeschlossen ist in einem schalen Alltag voller Kompromisse, in dem die einst glühend verteidigten Ideale keinen Platz mehr haben. Da fasst Omar den Entschluss, sich von der Last des bürgerlichen Daseins zu befreien und seine Familie zu verlassen. Rücksichtslos und verzweifelt zugleich stürzt er sich in ein rauschhaftes Leben ohne Schranken, jenseits aller Konventionen und Tabus.

Das E-Book können Sie in Legimi-Apps oder einer beliebigen App lesen, die das folgende Format unterstützen:

EPUB
MOBI

Seitenzahl: 244

Bewertungen
0,0
0
0
0
0
0
Mehr Informationen
Mehr Informationen
Legimi prüft nicht, ob Rezensionen von Nutzern stammen, die den betreffenden Titel tatsächlich gekauft oder gelesen/gehört haben. Wir entfernen aber gefälschte Rezensionen.



Über dieses Buch

Omar al-Hamzawi ist erfolgreicher Anwalt in Kairo, fünfundvierzig, verheiratet und Vater von zwei Töchtern. Eines Tages wird ihm bewusst, dass er eingeschlossen ist in einem schalen Alltag voller Kompromisse. Er wirft das bürgerliche Leben ab und stürzt sich rücksichtslos in ein Leben ohne Schranken, jenseits aller Konventionen und Tabus.

Zur Webseite mit allen Informationen zu diesem Buch.

Nagib Machfus (1911–2006) gehört zu den bedeutendsten Autoren der Gegenwart und gilt als der eigentliche »Vater des ägyptischen Romans«. Sein Lebenswerk umfasst mehr als vierzig Romane, Kurzgeschichten und Novellen. 1988 erhielt er als bisher einziger arabischer Autor den Nobelpreis für Literatur.

Zur Webseite von Nagib Machfus.

Doris Kilias (1942–2008) arbeitete als Redakteurin beim arabischen Programm des Rundfunks Berlin (DDR). Nach der Promotion war sie als freie Übersetzerin tätig.

Zur Webseite von Doris Kilias.

Dieses Buch gibt es in folgenden Ausgaben: Taschenbuch, E-Book (EPUB) – Ihre Ausgabe, E-Book (Apple-Geräte), E-Book (Kindle)

Mehr Informationen, Pressestimmen und Dokumente finden Sie auch im Anhang.

Nagib Machfus

Der Rausch

Roman

Aus dem Arabischen von Doris Kilias

E-Book-Ausgabe

Unionsverlag

HINWEIS: Ihr Lesegerät arbeitet einer veralteten Software (MOBI). Die Darstellung dieses E-Books ist vermutlich an gewissen Stellen unvollkommen. Der Text des Buches ist davon nicht betroffen.

Impressum

Dieses E-Book enthält als Bonusmaterial im Anhang 6 Dokumente

Die Originalausgabe erschien 1965  unter dem Titel Al-Šhahhād in Kairo.

Originaltitel: Al-Shahhad (1965)

© by Nagib Machfus 1965

© by Unionsverlag, Zürich 2022

Alle Rechte vorbehalten

Umschlaggestaltung: Martina Heuer

ISBN 978-3-293-30574-8

Diese E-Book-Ausgabe ist optimiert für EPUB-Lesegeräte

Produziert mit der Software transpect (le-tex, Leipzig)

Version vom 27.06.2022, 19:25h

Transpect-Version: ()

DRM Information: Der Unionsverlag liefert alle E-Books mit Wasserzeichen aus, also ohne harten Kopierschutz. Damit möchten wir Ihnen das Lesen erleichtern. Es kann sein, dass der Händler, von dem Sie dieses E-Book erworben haben, es nachträglich mit hartem Kopierschutz versehen hat.

Bitte beachten Sie die Urheberrechte. Dadurch ermöglichen Sie den Autoren, Bücher zu schreiben, und den Verlagen, Bücher zu verlegen.

http://www.unionsverlag.com

[email protected]

E-Book Service: [email protected]

Unsere Angebote für Sie

Allzeit-Lese-Garantie

Falls Sie ein E-Book aus dem Unionsverlag gekauft haben und nicht mehr in der Lage sind, es zu lesen, ersetzen wir es Ihnen. Dies kann zum Beispiel geschehen, wenn Ihr E-Book-Shop schließt, wenn Sie von einem Anbieter zu einem anderen wechseln oder wenn Sie Ihr Lesegerät wechseln.

Bonus-Dokumente

Viele unserer E-Books enthalten zusätzliche informative Dokumente: Interviews mit den Autorinnen und Autoren, Artikel und Materialien. Dieses Bonus-Material wird laufend ergänzt und erweitert.

Regelmässig erneuert, verbessert, aktualisiert

Durch die datenbankgestütze Produktionweise werden unsere E-Books regelmäßig aktualisiert. Satzfehler (kommen leider vor) werden behoben, die Information zu Autor und Werk wird nachgeführt, Bonus-Dokumente werden erweitert, neue Lesegeräte werden unterstützt. Falls Ihr E-Book-Shop keine Möglichkeit anbietet, Ihr gekauftes E-Book zu aktualisieren, liefern wir es Ihnen direkt.

Wir machen das Beste aus Ihrem Lesegerät

Wir versuchen, das Bestmögliche aus Ihrem Lesegerät oder Ihrer Lese-App herauszuholen. Darum stellen wir jedes E-Book in drei optimierten Ausgaben her:

Standard EPUB: Für Reader von Sony, Tolino, Kobo etc.Kindle: Für Reader von Amazon (E-Ink-Geräte und Tablets)Apple: Für iPad, iPhone und Mac

Modernste Produktionstechnik kombiniert mit klassischer Sorgfalt

E-Books aus dem Unionsverlag werden mit Sorgfalt gestaltet und lebenslang weiter gepflegt. Wir geben uns Mühe, klassisches herstellerisches Handwerk mit modernsten Mitteln der digitalen Produktion zu verbinden.

Wir bitten um Ihre Mithilfe

Machen Sie Vorschläge, was wir verbessern können. Bitte melden Sie uns Satzfehler, Unschönheiten, Ärgernisse. Gerne bedanken wir uns mit einer kostenlosen e-Story Ihrer Wahl.

Informationen dazu auf der E-Book-Startseite des Unionsverlags

Inhaltsverzeichnis

Cover

Über dieses Buch

Titelseite

Impressum

Unsere Angebote für Sie

Inhaltsverzeichnis

DER RAUSCH

1 – Strahlend weiße Wolken schwebten am blauen Firmament …2 – Noch bevor sie seinen Gruß erwiderten, blickten ihn …3 – Von jetzt an bist du dein eigener Doktor …4 – Der kurze Anfall von Glücksempfinden legte sich rasch …5 – Im Licht der sinkenden Abendsonne sah Zainab gesetzt …6 – Ende August kehrte die Familie nach Kairo zurück …7 – »Je öfter ich dich seh, sehn ich mich8 – Der mächtige Schlag, den dir der Verrat dieser …9 – Es befremdete ihn, jeden Tag ins Büro zu …10 – Wie immer am Freitag, wenn keine Schule war …11 – Er küsste sie innig. »Ich weiß, was für …12 – Wardas Liebe zu Omar war einzigartig; sie grenzte …13 – Der Rausch der Liebe dauert nicht ewig …14 – Das Telefon klingelte, er wachte auf. Als er …15 – Er kehrte heim, auch wenn sich für ihn …16 – Es sollte ein Abend werden, an dem jeder …17 – Stumm bricht der Morgen an. Kein Laut ist …18 – Ist des Herzens Sehnsucht erfüllt, wirst du die …19 – Es war dunkel. Du lagst im Gras und …

Mehr über dieses Buch

Über Nagib Machfus

Nagib Machfus: Das Leben als höchstes Gut

Nagib Machfus: Rede zur Verleihung des Nobelpreises 1988

Tahar Ben Jelloun: Der Nobelpreis hat Nagib Machfus nicht verändert

Erdmute Heller: Nagib Machfus: Vater des ägyptischen Romans

Gamal al-Ghitani: Hommage für Nagib Machfus

Hartmut Fähndrich: Die Beunruhigung des Nobelpreisträgers

Über Doris Kilias

Andere Bücher, die Sie interessieren könnten

Bücher von Nagib Machfus

Zum Thema Ägypten

Zum Thema Arabien

Zum Thema Großstadt

1

Strahlend weiße Wolken schwebten am blauen Firmament, legten ihren Schatten auf das Grün der weiten Ebene. Kühe grasten bedächtig und friedvoll. Nichts deutete darauf hin, in welchem Land sich diese anmutige Szene abspielte. Im Vordergrund ein Kind auf einem Holzpferd, das Gesicht seitwärts gewendet. Es schaute hinauf zum Himmel, und in den Augen ruhte die Andeutung eines vagen, rätselhaften Lächelns. Wer mochte dieses Bild gemalt haben?

Er saß als Einziger im Wartezimmer, also würde er nicht lange warten müssen. Den Termin hatte er bereits vor zehn Tagen abgesprochen. Auf dem Tisch, der in der Mitte des Raums stand, lagen Zeitungen und Zeitschriften. Über der Kante hing eine aufgeschlagene Seite, ein Foto war zu sehen. Es zeigte eine Frau, die der Kindesentführung beschuldigt wurde. Er kehrte lieber zurück zu der Landschaft. Das Kind, die Kühe, der Himmel. Auch wenn es kein kostbares Bild war – das Teuerste war sicherlich der Goldrahmen mit den hervorstehenden Kügelchen –, er mochte dieses spielende Kind und die sorglos grasenden Kühe. Plötzlich spürte er, dass es ihm wieder schlechter ging; die Lider wurden schwer, das Herz schlug immer träger. Das Kind blickte zum Himmel, der der Erde sehr nahe war. Immer lastete er über der Erde, von welcher Richtung aus man auch schaute. Ein einziges, endloses Gefängnis! Was hatte es mit dem Holzpferd auf sich? Und warum starrten die Kühe so sorglos drein? Von draußen drang das Geräusch energischer Schritte herein. Gleich darauf ging die Tür auf, und der Arzthelfer sagte: »Bitte …«

Würde er sich nach all den vielen Jahren, einem Vierteljahrhundert, noch an ihn erinnern? Er betrat das Sprechzimmer: Da stand er, der angesehene Arzt – mittelgroß, schlank, mit dunkler Hautfarbe, sanft glänzenden Augen und kurzem, leicht ergrautem Haar. So viel anders als der Jugendliche vom Schulhof sah er eigentlich nicht aus; noch immer zog er den einen Mundwinkel spöttisch hinunter. Es erinnerte ihn an seine Witzigkeit, die mit glänzenden Erfolgen einhergegangen war.

»Herzlich willkommen, Omar! Du hast dich verändert, aber zum Besseren.«

»Ich hätte nicht gedacht, dass du mich erkennen würdest.«

Sie schüttelten sich freudig die Hände.

»Bist ja ein richtiger Riese geworden. Groß warst du schon immer, aber nun hast du noch zugelegt, also wirklich, ein Riese.« Er hielt den Kopf angehoben, während er mit ihm sprach.

»Dass du dich noch an mich erinnerst!«, erwiderte Omar aufgeregt.

»Ich vergesse keinen, wie sollte ich mich da nicht an dich erinnern?«

Was für eine warme Begrüßung, und das von diesem erfolgreichen Arzt, den Gott und die Welt kannten. Da konnte er selbst ein noch so erfolgreicher Anwalt sein, seinen Namen merkten sich nur die, die unmittelbar in einen Prozess verwickelt waren.

Der Freund aus alten Zeiten schaute ihn prüfend an und lachte. »Du bist wirklich ein Schwergewicht geworden. Siehst aus wie ein Firmenchef von früher, fehlt bloß noch die Zigarre.«

Über Omars längliches, volles Gesicht huschte ein Lächeln, und aus lauter Verlegenheit rückte er die Brille zurecht und zog die buschigen Augenbrauen in die Höhe. »Ich freu mich, dich zu sehen, Doktor.«

»Ich mich auch, obwohl es dafür ja meistens einen unangenehmen Grund gibt.« Er ging zum Schreibtisch, auf dem jede Menge Bücher, Papiere und teure Schreibutensilien lag, und bedeutete Omar mit einem Wink, Platz zu nehmen. »Verschieben wir die Erinnerungen auf später, wenn wir uns Klarheit über dein Befinden verschafft haben.« Er schlug die Patientenkartei auf und nahm einen Stift. »Name: Omar al-Hamzawi, Beruf: Rechtsanwalt, Alter …?« Er lachte laut los. »Hab keine Angst, wir werden alle älter.«

»Fünfundvierzig Jahre.«

»Als wir zur Schule gingen, da war ein Monat Altersunterschied ungeheuer groß, jetzt macht das keinem mehr das Herz schwer. Gibts in deiner Familie irgendwelche speziellen Krankheiten?«

»Nein, es sei denn, du hältst Bluthochdruck mit sechzig Jahren für eine Krankheit.«

Der Doktor verschränkte die Arme und sah ihn ernst an. »Nun leg mal los.«

Omar strich sich übers schwarze, volle Haar, in dem nur mit Mühe ein paar graue Härchen zu entdecken waren. »Ich bin mir nicht sicher, ob ich im herkömmlichen Sinn krank bin.«

Der Blick des Arztes wurde eindringlicher.

»Ich meine, ich hab keine Symptome, die auf eine Krankheit hinweisen.«

»So, so.«

»Ich fühle einfach nur eine seltsame Lustlosigkeit.«

»Ist das alles?«

»Glaub schon.«

»Vielleicht rührt das daher, dass du überlastet bist?«

»Möglich, aber das allein kanns nicht sein.«

»Sicher, sonst wärst du nicht hier.«

»Um ehrlich zu sein, hat diese Mattheit dazu geführt, dass ich überhaupt keine Lust mehr habe zu arbeiten …«

»Sprich weiter.«

»Es ist auch keine richtige Müdigkeit, ich habe durchaus das Gefühl, dass ich arbeiten könnte. Aber ich hab einfach keine Lust dazu, nicht die kleinste Spur. Ich habe alles meinem Assistenten überlassen, und meine alten Fälle schiebe ich seit einem Monat vor mir her.«

»Hast du mal dran gedacht, Urlaub zu machen?«

Omar ging auf die Frage nicht ein, er schien sie nicht gehört zu haben. »Oftmals bin ich aller Dinge überdrüssig, alles, das ganze Leben, die Leute, ja sogar die Familie, nichts macht mir mehr Freude. Allmählich kommt mir dieser Zustand zu ernst vor, um darüber länger zu schweigen.«

»Dann ist das Problem nicht …«

»Doch, es ist sehr gravierend. Ich will nicht mehr denken, nicht mehr fühlen, mich nicht mehr bewegen. Alles zerfällt, stirbt ab. Und nun hoffe ich, dass es vielleicht einen physischen Grund dafür gibt.«

Der Freund aus alten Zeiten lächelte. »Es wäre schön, wenn wir alle ernsten Probleme mit einer Tablette nach dem Essen oder einem Löffel Medizin vor dem Schlafengehen lösen könnten.«

Sie gingen in den Untersuchungsraum. Zuerst musste Omar eine Urinprobe abgeben, dann zog er sich aus, legte sich auf die Liege und befolgte brav alle Anweisungen. Nachdem er die Zunge herausgestreckt hatte, zog der Arzt die schweren Augenlider nach oben und schaute ihm eingehend in die Augen. Er maß den Blutdruck, klopfte mit seinen schlanken, eleganten Fingern Brust und Rücken ab und drückte mit beiden Händen auf dem Bauch herum. Als er das Stethoskop nahm, befahl er ihm zu husten, mal aus der Kehle, dann wieder tief aus dem Brustkorb heraus. Omar schaute verstohlen auf das Gesicht seines Freundes, aber es war ihm nichts anzusehen.

Die Untersuchung war beendet, und Omar zog sich an. Sie gingen zum Schreibtisch zurück. Der Arzt beschäftigte sich mit dem Ergebnis der Urinprobe, und als er dann aufschaute, rieb er sich die Hände und lächelte breit. »Mein lieber Herr Anwalt, da ist nichts, überhaupt nichts.«

Omars lange Nase zuckte, sein Gesicht färbte sich rot. »Nichts?«

»Gar nichts.«

»Dann fürchte ich, dass die Sache noch viel schlimmer ist«, bemerkte Omar leise.

Sein Gegenüber lachte. »Aber nicht so schlimm, dass die Rechnung doppelt hoch wird.«

Nun musste auch Omar lachen, erwartungsvoll sah er den Freund an.

»Also gut, organisch fehlt dir nichts, aber …«

»Heißt das etwa, dass ich jetzt in die Psychiatrie muss?«, fragte Omar verstört.

»Ach was, weder das, noch brauchst du irgendwelche Medikamente.«

»Wirklich?«

»Dein Problem ist das, was man heutzutage in den Zeitungen als Zivilisationskrankheit bezeichnet. Soll heißen, dass du im Augenblick zwar gesund bist, aber …«, er zögerte ein wenig, »zu erwarten ist, dass du für manche Krankheiten prädestiniert bist. Du kommst genau zur richtigen Zeit. Seit wann verspürst du diese Lustlosigkeit?«

»Seit zwei Monaten, vielleicht noch ein bisschen länger. Aber die letzten vier Wochen waren wirklich sehr quälend.«

»Lass mich dir dein Leben beschreiben, wie ich es auf Grund meiner Untersuchung sehe. Du hast Erfolg, bist wohlhabend, läufst so gut wie gar nicht zu Fuß, isst üppig und kannst dir die besten Weine leisten. Du arbeitest bis zur Erschöpfung, und dein Kopf ist ständig mit den Problemen deiner Klienten und deinem Vermögen beschäftigt. Du bist geradezu besessen von der Furcht, wie es in Zukunft um deine Arbeit und deine finanzielle Situation stehen wird.«

Omar lachte verlegen. »Im großen Ganzen stimmt das Bild, bloß dass mich im Augenblick überhaupt nichts mehr interessiert.«

»Wie gesagt, dir fehlt nichts, aber der Feind lauert bereits …«

»Ha, wie Israel, was?«

»Wenn man nicht aufpasst, bricht plötzlich die echte Gefahr über einen herein.«

»Nun wirds ernst.«

»Mäßige dich beim Essen, trink weniger Alkohol, gewöhn dir an, regelmäßig Sport zu treiben, zum Beispiel Laufen. Wenn du dich daran hältst, brauchst du nichts zu befürchten.«

Omar wartete nachdenklich ab, aber als sein Freund offenbar nichts mehr hinzuzufügen hatte, fragte er verdutzt: »Schreibst du mir nichts auf? Keine Medizin?«

»Nein. Du bist kein Dörfler, bei dem ich mich mit Medikamenten, die weder schaden noch nützen, wichtig machen kann. Die Medizin, die dir wirklich helfen kann, findest du ganz allein bei dir.«

»Und dann gehts mir so wie früher?«

»Noch viel besser. Ich hetze auch zwischen der Fakultät, dem Krankenhaus und der Praxis hin und her, aber ich laufe jeden Tag mindestens eine halbe Stunde und achte sehr darauf, was und wie viel ich esse.«

»Aber ich komme mir überhaupt nicht alt vor …«

»Das Alter ist wie eine Krankheit, du wirst es nicht spüren, solange du vernünftig lebst. Es gibt Leute, die mit über sechzig Jahren ungeheuer jung sind. Wichtig ist, dass wir uns unser Leben bewusst machen.«

»Bewusst machen?«

»Ich meine das nicht philosophisch …«

»Aber deine Behandlung gründet doch auf eine Philosophie. Hast du dich etwa noch nie gefragt, was dein Leben eigentlich für einen Sinn hat?«

Der Arzt schmunzelte. »Dafür hab ich keine Zeit. Solange ich jede Stunde Menschen helfe, die mich brauchen, stellt sich mir diese Frage nicht.« Freundlich und bestimmt fügte er hinzu: »Mach einfach mal Urlaub.«

»Mein Urlaub wird meistens so oft unterbrochen, dass er während der ganzen Sommermonate fast nur noch aus einem Wochenende besteht.«

»Nein, das meine ich nicht. Nimm mal eine richtig lange Auszeit und gewöhn dir eine neue Lebensweise an. Danach wirst du dich wie neugeboren fühlen.«

»Schon möglich.«

»Vertrau auf Gott. Die Natur hat dir ein warnendes Zeichen gegeben, also hör drauf. Du solltest zwanzig Kilo abnehmen, aber ganz langsam und nicht mit Gewalt.«

Omar schlug die Hände auf die Knie und beugte sich leicht vor – Zeichen dafür, dass er gehen wollte. Aber sein Freund hielt ihn mit den Worten zurück: »Halt, du bist heute mein letzter Patient, also lass uns noch ein wenig sitzen bleiben.«

Lächelnd richtete sich Omar auf. »Mein lieber Hamid Sabri, ich weiß, was du willst. Du willst die letzten fünfundzwanzig Jahre streichen und so wie früher aus tiefstem Herzen lachen.«

»Ach, war das damals schön!«

»Ehrlich gesagt war jede Zeit schön – bis auf das Heute.«

»Da hast du Recht. Die Erinnerung ist eine Sache, die Realität eine andere.«

»Alles verfliegt und wird bedeutungslos.«

»Aber wir lieben das Leben, und gerade darin liegt der Sinn.«

»In den letzten Tagen habe ich es nur noch gehasst.«

»Und bist nun auf der Suche nach dieser Liebe. Sag mal, kannst du dich noch an die Zeit erinnern, als wir über Politik diskutiert, gestreikt und uns unsere Traumstadt ausgemalt haben?«

»Na klar, aber diese schöne Zeit ist lange vorbei, und heutzutage redet man nur noch schlecht darüber.«

»Trotzdem hat sich ein großartiger Traum verwirklicht, der sozialistische Staat.«

»Hm …«

»Du warst damals ein Mann mit vielen Gesichtern – der radikale Sozialist, der bedeutende Anwalt, aber am stärksten habe ich dich wegen eines anderen Talents in Erinnerung – du, der Dichter.«

Omar, den leichter Unwillen überkam, lächelte nervös. »Schlimm genug.«

»Hast du das Dichten aufgegeben?«

»Na, sicher.«

»Aber wenn ich mich recht erinnere, war doch ein Lyrikband von dir erschienen?«

Den Blick starr auf den Boden gerichtet, damit ihm sein Unmut nicht anzusehen war, erwiderte er: »Kinderkram, nicht mehr und nicht weniger.«

»Einige Kollegen von mir, die Gedichte schreiben, haben um dieser Kunst willen die Medizin aufgegeben.«

Erinnerungen aus grauer Vorzeit, die einem wie ein drohendes Gewitter die Laune verderben konnten. Wann würde er endlich mit dem Gerede aufhören?

»Einer unserer alten Freunde, Mustafa al-Minjawi, hatte einen Spitznamen. Fällt der dir noch ein?«

»Kleiner Glatzkopf. Wir sind heute noch befreundet und sehen uns oft. Er ist ein sehr bekannter Journalist und arbeitet für Rundfunk und Fernsehen.«

»O ja, meine Frau ist ganz begeistert von ihm. Damals war er genauso fanatisch wie du, aber der Schärfste war zweifellos Osman Chalil.«

Unter der Wucht dieser Erinnerung, die ihm wie ein Schlag mit eiserner Faust vorkam, verdüsterte sich Omars Gesicht. »Er sitzt im Gefängnis«, murmelte er.

»Ich weiß, und zwar schon ziemlich lange. Wart ihr in der juristischen Fakultät nicht Kommilitonen?«

»Ja, wir haben alle, also Mustafa, Osman und ich, im gleichen Jahr den Abschluss gemacht. Offen gesagt denke ich nicht gern an die Vergangenheit zurück.«

»Gut, denk also an die Zukunft.« Er schaute auf seine Uhr. »Von jetzt an bist du dein eigener Doktor.«

Draußen im Warteraum betrachtete Omar noch einmal das Bild. Das Kind ritt immer noch auf dem Holzpferd, den Blick emporgerichtet. Galt das geheimnisvolle Lächeln, das in seinen Augen glänzte, dem Himmel? Er hielt die Erde gefangen. Was nahmen die Sterne während der Millionen Lichtjahre wahr? So viele Fragen gab es, auf die kein Doktor eine Antwort geben konnte.

Auf dem Sulaiman-Pascha-Platz parkte gleich vor dem Gebäude sein schwarzer Cadillac. Er stieg ein und schwebte davon, sanft gleitend wie das Schiff, das dem Nil das Brautopfer bringt.

2

Noch bevor sie seinen Gruß erwiderten, blickten ihn alle erwartungsvoll an. Warmherzige, aufrichtige Liebe schlug ihm entgegen, doch was konnte das schon gegen den quälenden Überdruss ausrichten? Die Bitterkeit war es, die alles noch verbliebene Empfinden verdarb. Da standen sie, mit dem Rücken zur Terrasse. Die Wohnung befand sich im vierten Stock, und von der Terrasse konnte man den Lauf des Nils bis in die Ferne mit den Augen verfolgen. Aber in diesem Moment ruhte sein Blick auf dem fleischigen Hals seiner Frau, der wie ein Stamm aus dem Kragen ihres weißen Kleids ragte. Und ihr Gesicht – die Wangen strotzten vor Fett. Wie eine gewaltige Statue stand Zainab da, in sich ruhend und prinzipienfest. Die grünen Augen, in Fettpolster eingebettet, waren kaum noch auszumachen, nur ihr Lächeln hatte sich noch die frühere unschuldige Reinheit und Herzlichkeit bewahrt. »Mein Herz sagt mir, dass alles gut ist.«

An ihrer Seite stand Mustafa al-Minjawi in seinem seidig schimmernden Anzug. Schlank, wie er war, nahm er sich neben der robusten Gattin geradezu mickrig aus. Das ovale Gesicht sah blass aus, der Blick trübe, aber dafür glänzte die Glatze, die schon fast legendär war. »Erzähl uns von unserem alten Schulkameraden, was hat er gesagt? Hat er dich erkannt?«

Busaina, die große Tochter, stützte sich mit dem Ellbogen auf die Schulter der bronzenen Frauenfigur, die in der Diele mit ausgebreiteten Armen die Gäste empfing. Busainas grüne Augen schauten ihn erwartungsvoll an. O ja, mit siebzehn Jahren war ihre Mutter genauso schlank gewesen, doch wie es schien, würde Busaina aufpassen, dass das Fett die mädchenhaften Formen nicht verunstaltete und sie sich nicht zu einer ebensolchen Riesin entwickelte. Es geschah oft, dass sie sich mit ihm ohne jedes Wort verständigte; ihr Blick sagte ihm, was sie im Innern bewegte.

Gamila, die kleine Tochter, war mit ihrem Teddy viel zu beschäftigt, um von ihm Notiz zu nehmen.

Kaum hatte man Platz genommen, sagte Omar betont ruhig: »Er hat nichts gefunden.«

»Gott sei Dank«, tönte Zainab, »ich hab ja schon lange gesagt, dass du dich einfach nur mal ausruhen musst.«

Die selbstgefällige, triumphierende Art, mit der sie das sagte, ärgerte ihn ungemein. Er drehte sich zu Mustafa um, wies mit dem Finger auf Zainab und erklärte: »Sie ganz allein ist schuld daran.« Er berichtete in aller Kürze, was der Arzt gesagt hatte, und wiederholte am Schluss noch einmal: »Und daran ist sie ganz allein schuld.«

Sichtlich amüsiert meinte Mustafa: »Komische Therapie, hört sich mehr nach Spielerei an.« Er seufzte. »Ausgerechnet beim Essen und Trinken geizen, verfluchte Ärzte.«

Wieso flucht der? Der ist doch gar nicht betroffen! Was soll denn erst der machen, der sich auf einer Reise befindet, von der er nicht weiß, wohin sie führt? Der sich hin- und hergerissen fühlt zwischen Sehnsucht und Überdruss? Der es nicht fertig bringt, mit sich selbst ins Reine zu kommen? »Der Doktor hat nach dem kleinen Glatzkopf gefragt …«

Lautes Gelächter brach aus, und als sich der Sturm etwas gelegt hatte, fügte Omar hinzu: »Glückwunsch, Hamids Frau ist eine Verehrerin von dir.«

Mustafas weiße Zähne blitzten, als er vor Freude wie ein glückliches Kind lächelte. »Dank Rundfunk und Fernsehen bin ich zu einer richtigen Plage geworden. Wer nicht aufpasst, den räum ich aus dem Weg.«

Omar musste an den Freund denken, der im Gefängnis saß, aber selbst solch eine empfindsame Regung wie Mitleid war noch von Verdruss getrübt. Als er sich in größter Gefahr befand, hatte ihn der Freund nicht verraten. Trotz aller Qualen hatte der Freund nichts gestanden. Dann war er in finsteren Niederungen verschwunden, als hätte es ihn nie gegeben. Und er? Krank vor lauter Fettlebe. Ausgestattet mit einer Frau, die zum lebenden Symbol von Küche und Geld geworden ist. Das musste doch selbst den Nil vor Ärger schäumen lassen.

»Fahren wir gleich los, Papa? Sollen wir packen?«

»Wir werden eine schöne Zeit haben. Ich bring deiner Schwester das Schwimmen bei, wie ich es bei dir gemacht habe.«

»O ja, und dann schwimmen wir bis zu den Tonnen!«

Da sitzt eine Tonne: deine Mutter. Und der Horizont sperrt uns ein, wie ein Gefängnis. Weit, weit dahinter muss irgendwo die Freiheit sein. Statt Hoffnung gibt es nur noch Gewissensbisse.

»Meine Frau will unbedingt nach Ras al-Bar, aber wenn einer wie ich einen ganzen Monat Urlaub bekommen will, muss er mindestens Krebs haben.«

Gamila ließ von ihrem Teddy ab und fragte: »Fahrn wir jetzt, Papa?«

Mustafa kam Omar wie ein Denkmal vor, das man Freundschaft, Liebe und Familiensinn gesetzt hatte. Er war alles in einem: Ratgeber, Helfer in Nöten, Zeuge. Jeden Tag bestätigte er seine Freundschaft zu Omar und seiner Familie aufs Neue. Er hatte noch nicht erfahren müssen, welche Strudel in der Tiefe des Flusses tobten, wie sie drohten, alles mit sich zu reißen. »Der Doktor hat mich übrigens an die Zeiten der Dichtkunst erinnert.«

Mustafa grinste. »Offenbar hat er nichts von meinem letzten dramatischen Meisterwerk mitbekommen.«

»Tut mir Leid, dass ich ihm nichts von deiner Kunst erzählt habe.«

»Meinst du, dass dieser große Medikus etwas von Kunst versteht?«

»Zumindest bewundert dich seine Frau, reicht dir das nicht?«

»Dann wird sie wahrscheinlich auch Popcorn und Melonenkerne mögen.«

Zainab, die die ganze Zeit über den Diener durch die offene Tür im Blick behalten hatte, sagte: »Zeit zum Abendessen!«

Omar erklärte, dass er lediglich ein Stückchen Hühnerbrust, etwas Obst und ein Glas Whisky zu sich nehmen wolle.

»Und der Kaviar? Soll ich den ganz allein essen?«, alberte Mustafa herum, bevor er ausführlich das Frühstück beschrieb, das Mister Churchill, gemäß dem Bericht einer Zeitung, während eines Besuchs in Zypern serviert worden war. Nicht lange, und Omar vergaß alles Zögern und aß und trank nach Herzenslust. Auch Zainab konnte der Verlockung nicht widerstehen – sie trank eine ganze Flasche Bier. Nur Busaina achtete auf Mäßigkeit, was in den Augen ihrer Mutter eine Art Taktlosigkeit war.

»Beim Essen offenbart sich die menschliche Natur deutlicher als beim Sex«, erklärte Mustafa, was Omar endlich seinen ganzen Kummer vergessen ließ.

»Dir ist wohl das Hühnerbein im Gehirn stecken geblieben!«, rief er ausgelassen.

Nach dem Essen blieb man noch für ein halbes Stündchen beisammen, bevor Gamila zu Bett ging und Busaina und ihre Mutter eine Nachbarin besuchten. Die beiden Männer setzten sich auf die Terrasse; der Glastisch mit einer Flasche Whisky und einem Eisbehälter stand zwischen ihnen. Kein Ast, kein Zweig rührte sich, und auf den Lampen lag eine feine Staubschicht. Durch die Baumkronen hindurch war der Nil zu sehen – ruhig, bleich und aller Heiterkeit beraubt, floss er träge dahin. Als Mustafa merkte, dass Omar nichts trank, knurrte er ungehalten: »Eine Hand allein kann nicht klatschen.«

Omar steckte sich eine Zigarette an. »Schreckliches Wetter. Überhaupt gefällt mir nichts mehr.«

Mustafa lachte. »Mich hast du eine Zeit lang auch nicht ausstehen können.«

Ohne darauf einzugehen, meinte Omar nachdenklich: »Ich fürchte, dass sich meine Haltung, was die Arbeit betrifft, nicht ändern wird.«

»Du solltest wirklich eine Diät machen und Sport treiben. Du willst doch Busaina nicht enttäuschen und an deiner Willensstärke zweifeln lassen.«

»Ach was, jetzt trink ich erst mal ein Glas.«

»Bitte, aber in Alexandria musst du mehr Willen zeigen.«

»Hast du gerade gesagt, dass ich dich eine Zeit lang nicht ausstehen konnte? Du bist genauso ein verlogener Kerl wie die meisten deiner Zunft.«

»Das war damals, als ich so verrückt nach Kunst war.«

»Da hatte ich mit mir selbst zu tun und steckte in einer ziemlichen Krise.«

»Genau. Du hast deine heimliche Liebe zur Lyrik mit aller Gewalt unterdrückt, und als ich mich dann so engagierte, hat das deinen Kummer nur noch größer gemacht.«

»Aber deshalb habe ich dich doch nicht gehasst. Du hast mir einfach nur ein schlechtes Gewissen gemacht.«

»Und ich, ich habe über deine Krise großzügig hinweggesehen, weil ich nämlich entschlossen war, weder dich noch die Kunst zu verlieren.« Er lachte. »Wahrscheinlich habe ich dich sehr glücklich gemacht, als ich auf einen Schlag den Entschluss fasste, von Kunst nichts mehr wissen zu wollen. Und nun verkaufe ich also dank Presse, Rundfunk und Fernsehen Futter an Popcorn- und Melonenkernfresser, während du es an die Spitze der spitzenmäßigen Anwälte am Azhar-Platz geschafft hast.«

Abgestandene Erinnerungen, faulig wie die Hitze und der Staub. Herumirren im geschlossenen Kreis. Das lächelnde Kind, das sich einbildet, auf einem richtigen Pferd zu sitzen. »Er war verdrossen, er ist verdrossen, sei verdrossen, also ist er verdrossen, ist sie verdrossen, alle sind verdrossen …«

»Mach eine Diät und treib Sport.«

»Du Komiker, du.«

»Mich zu amüsieren, ist zum Inhalt meines Lebens geworden. Früher besaß die Kunst noch eine Bedeutung, aber seit die Wissenschaft sie aus dem Weg geräumt hat, ist sie für mich ohne Sinn.«

»Für mich hat das mit Wissenschaft nichts zu tun.«

»Ja, aber warum hast du dann die Kunst aufgegeben?«

Mit seiner hinterhältigen Verbohrtheit geht er einem genauso auf den Geist wie die Hitze. Dieser Nacht fehlt tatsächlich jeglicher Reiz, nirgendwo Musik, nur Straßenlärm. Und obendrein stellt dieser Schlaukopf Fragen, auf die er die Antwort genau weiß. »Sag du mir, was du für den Grund hältst.«

»Damals hast du erklärt, dass du etwas vom Leben haben und erfolgreich werden willst.«

»Na bitte, warum fragst du dann?« Der Blick aus trüben Augen flackert unruhig; deutliches Zeichen dafür, dass er mir Recht geben muss. »Bei dir war es anders, du hast die Kunst tatsächlich wegen der Wissenschaft aufgegeben, aber aus einem ganz bestimmten Grund.«

»Das musst du mir erklären.«

»Du hast es nicht vermocht, der Kunst die gleiche Achtung entgegenzubringen wie der Wissenschaft.«

Berauscht vom Whisky, lachte Mustafa ausgelassen. »Jeder Flucht geht eine Niederlage voraus. Aber du kannst mir glauben, dass die Wissenschaft für die Kunst nichts mehr übrig gelassen hat. Die Wissenschaft bietet alles auf einmal – den verführerischen Reiz der Dichtkunst, die berauschende Verzückung der Religion und das ehrgeizige Streben nach Erkenntnis, das die Philosophie ausmacht. Da bleibt der Kunst nichts anderes als banales Amüsement. Irgendwann kommt der Tag, wo sie nicht mehr zu bieten hat als Tand für die Flitterwochen.«

»Na, wunderbar. Dir gehts nicht um die Liebe zur Wissenschaft, sondern einzig und allein darum, an der Kunst Rache zu nehmen.«

»Lies ein wissenschaftliches Buch, sei es über Astronomie, Physik oder sonst was, und wenn du dich dann an die Dramen oder Lyrikbände erinnerst, die du kennst, wirst du vor Scham versinken.«

»Dafür reicht mir, daran zu denken, wie die Rechtsprechung mit meinen Klienten umgeht.«

»Die größte Scham empfindet ein Künstler, wenn er erfahren muss, dass er nicht mehr in die Zeit passt.«

Omar gähnte. »Verflucht nochmal, irgendetwas liegt in der Luft. Ein inneres Gefühl sagt mir, dass das ganze Gefüge, das gerade noch völlig intakt war, in die Brüche gehen wird.«

Mustafa goss sich einen neuen Whisky ein. »Das werden wir nicht zulassen.«

Ernst und mit gerunzelter Stirn beugte sich Omar vor. »Was meinst du, was mit mir los ist?«

»Überanstrengung, Eintönigkeit, die Zeit.«

»Ob da Diät und Sport reichen?«

»Aber sicher, davon kannst du überzeugt sein.«

3

V