Die himmlische Begegnung - Nagib Machfus - E-Book

Die himmlische Begegnung E-Book

Nagib Machfus

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Beschreibung

Neben seinen großen Romanen hat Nagib Machfus zahlreiche Erzählungen geschaffen, in denen sich seine Kunst in höchster Konzentration entfaltet. Liebevoll und heiter rückt er Schwächen und Marotten, Sehnsüchten und Ängsten vor allem des kleinen Volkes zu Leibe und zeigt, dass unter Gottes weitem Mantel auch Platz für viele dunkle Leidenschaften ist. Dieser Band versammelt Kurzgeschichten und Novellen aus allen Schaffensphasen, die auf Deutsch nicht mehr greifbar oder gar nie in Buchform erschienen sind.

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Seitenzahl: 292

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Über dieses Buch

Neben seinen großen Romanen hat Nagib Machfus zahlreiche Erzählungen geschaffen, in denen sich seine Kunst in höchster Konzentration entfaltet. Liebevoll und heiter rückt er Schwächen und Marotten, Sehnsüchten und Ängsten vor allem des kleinen Volkes zu Leibe und zeigt, dass unter Gottes weitem Mantel auch Platz für viele dunkle Leidenschaften ist.

Zur Webseite mit allen Informationen zu diesem Buch.

Nagib Machfus (1911–2006) gehört zu den bedeutendsten Autoren der Gegenwart und gilt als der eigentliche »Vater des ägyptischen Romans«. Sein Lebenswerk umfasst mehr als vierzig Romane, Kurzgeschichten und Novellen. 1988 erhielt er als bisher einziger arabischer Autor den Nobelpreis für Literatur.

Zur Webseite von Nagib Machfus.

Dieses Buch gibt es in folgenden Ausgaben: Taschenbuch, E-Book (EPUB) – Ihre Ausgabe, E-Book (Apple-Geräte), E-Book (Kindle)

Mehr Informationen, Pressestimmen und Dokumente finden Sie auch im Anhang.

Nagib Machfus

Die himmlische Begegnung

Ausgewählte Erzählungen

Aus dem Arabischen von Susanne Enderwitz, Hartmut Fähndrich, Doris Kilias und Wiebke Walther

E-Book-Ausgabe

Unionsverlag

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Impressum

Dieses E-Book enthält als Bonusmaterial im Anhang 6 Dokumente

© by Nagib Machfus

© by Unionsverlag, Zürich 2022

Alle Rechte vorbehalten

Umschlag: Sean Randall

Umschlaggestaltung: Martina Heuer

ISBN 978-3-293-30575-5

Diese E-Book-Ausgabe ist optimiert für EPUB-Lesegeräte

Produziert mit der Software transpect (le-tex, Leipzig)

Version vom 24.11.2022, 00:04h

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Inhaltsverzeichnis

Cover

Über dieses Buch

Titelseite

Impressum

Unsere Angebote für Sie

Inhaltsverzeichnis

DIE HIMMLISCHE BEGEGNUNG

ZaabalawiGeldEin Haus mit schlechtem RufAngstDie EinödeUnter dem DachDie Kneipe Zur Schwarzen KatzeAnbar LuluDie himmlische BegegnungDas VerbrechenAuf FreiersfüßenDie segensreiche NachtDer GrabenDie norwegische RatteLange geplantWorterklärungenQuellenverzeichnis

Anmerkungen

Mehr über dieses Buch

Über Nagib Machfus

Nagib Machfus: Das Leben als höchstes Gut

Nagib Machfus: Rede zur Verleihung des Nobelpreises 1988

Tahar Ben Jelloun: Der Nobelpreis hat Nagib Machfus nicht verändert

Erdmute Heller: Nagib Machfus: Vater des ägyptischen Romans

Gamal al-Ghitani: Hommage für Nagib Machfus

Hartmut Fähndrich: Die Beunruhigung des Nobelpreisträgers

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Zaabalawi

Ich war überzeugt, dass ich Scheich Zaabalawi finden musste. Ich hatte seinen Namen zum ersten Mal in einem Lied gehört:

Was ist mit der Welt geschehen, Zaabalawi,

sie kehren das Unterste zuoberst und machen sie öd.

Damals, in meiner Kindheit, war das Lied sehr bekannt gewesen. Eines Tages kam mir der Gedanke, meinen Vater danach zu fragen, so wie Kinder eben nach allem fragen. Ich fragte ihn also: »Vater, wer ist Zaabalawi?«

Er blickte mich zögernd an, als zweifele er daran, dass ich die Antwort schon verstehen würde. Schließlich sagte er: »Möge er dich segnen, er ist ein wahrer Gesandter Gottes, er trägt alle Sorgen und Nöte. Hätte es ihn nicht gegeben, wäre ich elendig gestorben.«

In den folgenden Jahren hörte ich immer wieder, wie man diesen guten Heiligen und dessen Wundertaten pries. Die Jahre vergingen, ich wurde des Öfteren krank, aber für jede Krankheit gab es ohne große Mühe und Kosten geeignete Heilmittel. Aber dann befiel mich eine Krankheit, gegen die niemand ein Mittel wusste. Als ich keinen Ausweg mehr sah und völlig verzweifelte, fiel mir plötzlich ein, was ich in meiner Kindheit gehört hatte. Ich fragte mich: Warum gehe ich nicht zu Scheich Zaabalawi? Ich erinnerte mich, dass mein Vater mir gesagt hatte, er habe ihn in Scheich Kamars Haus im Chan Gafar kennengelernt. Kamar war einer der Scheichs, die an den religiösen Gerichtshöfen Recht sprachen. Ich wollte also sein Haus suchen, wollte feststellen, ob er noch immer dort lebte.

Gleich unten im Haus fragte ich einen Bohnenverkäufer. Er sah mich überrascht an. »Was, Scheich Kamar? Der ist schon lange fort von hier. Man sagt, er wohne jetzt in Garden City. Sein Büro soll am Azharplatz sein.«

Ich suchte die Adresse seines Büros im Telefonbuch und machte mich auf den Weg zum Gebäude der Handelskammer, in dem sich auch sein Büro befinden sollte. Ich meldete mich an und trat in sein Zimmer, aus dem gerade eine sehr hübsche Dame kam, die mich mit einem wunderbaren Parfüm einhüllte. Scheich Kamar empfing mich lächelnd und bat mich, Platz zu nehmen.

Ich setzte mich in einen eleganten Ledersessel. Trotz meiner groben Schuhe spürten meine Füße den weichen, kostbaren Teppich. Der Mann trug einen modernen Anzug und rauchte genüsslich eine Zigarre, zufrieden mit sich und seinem Besitz. Die freundliche Begrüßung ließ keinen Zweifel, dass er mich für einen Kunden hielt. Mir war es peinlich, dass ich seine teure Zeit in Anspruch nehmen wollte, denn er hatte sicherlich viel zu tun.

Er ermunterte mich zu sprechen und sagte: »Herzlich willkommen.«

Um die etwas missverständliche Situation zu klären, antwortete ich: »Ich bin der Sohn eines Ihrer alten Freunde, des Scheichs Ali al-Tatawi.«

Daraufhin blickte er schon viel gelangweilter, aber noch mit einem gewissen Interesse, denn er schien nicht alle Hoffnung verloren zu haben. »Gott sei ihm gnädig, er war ein guter Mensch«, antwortete er.

Ich fasste neuen Mut, angetrieben durch die unerträglichen Schmerzen, die mich hergebracht hatten. »Er hat mir einmal über einen sehr frommen Heiligen erzählt, der Zaabalawi hieß und den er im Haus Euer Gnaden getroffen hatte. Ich hoffe sehr, dass er noch lebt«, sagte ich.

Nun schaute er mich noch abweisender an. Es hätte mich nicht gewundert, wenn er mich mitsamt der Erinnerung an meinen Vater hinausgeworfen hätte. Als wolle er das Gespräch abschließen, sagte er: »Das ist schon sehr lange her, ich erinnere mich kaum noch …«

Zum Zeichen, dass ich ihn verlassen wolle, erhob ich mich. »War er wirklich ein Heiliger?« versuchte ich es noch einmal.

»Für uns war er ein Wundertäter.«

Um ihn noch mehr zu beruhigen, ging ich zur Tür. »Und wo könnte ich ihn heute finden?«

»Soviel ich weiß, wohnt er im Birgawi-Viertel in al-Azhar.« Er beugte sich demonstrativ über die Papiere, die auf seinem Schreibtisch lagen, als wolle er damit zeigen, dass er seinen Mund nicht noch einmal öffnen würde.

Ich dankte ihm mit einem Kopfnicken und entschuldigte mich für die Störung. Als ich das Büro verließ, brummte mir vor Scham der Kopf, und ich konnte kaum noch etwas hören.

Ich fuhr nach Birgawi, einem der übervölkerten Viertel in Kairo. Die Zeit hatte erbarmungslos an den Häusern gefressen. Nichts war übrig geblieben, abgesehen von den antiken Außenflächen und Höfen, die trotz aller Kontrollen als Misthaufen benutzt wurden. Ein überdachter Eingang diente als Laden, in dem alte Bücher über Theologie und Mystizismus verkauft wurden. Der Besitzer war klein und unscheinbar; es schien, als sei er überhaupt erst so etwas wie die Einleitung zu einem Mann. Als ich ihn nach Zaabalawi fragte, sah er mich mit seinen entzündeten und zusammengekniffenen Augen verwundert an. »Zaabalawi! Ach Gott, das ist schon ewig her. Er hat hier einmal gewohnt, als man hier noch wohnen konnte. Er hat sich oft zu mir gesetzt und mit mir über vergangene Zeiten gesprochen. Wäre er hier, wäre ich gesegnet. Aber wo ist Zaabalawi?« Bedauernd hob er die Schultern und wandte sich dienstfertig dem nächsten Kunden zu.

Ich ging, um mich bei den anderen Ladenbesitzern im Viertel zu erkundigen. Viele hatten noch nie etwas von Zaabalawi gehört, andere erinnerten sich an gemeinsam verbrachte schöne Tage, kannten aber nicht seinen jetzigen Wohnort. Aber es gab auch welche, die über ihn spotteten und ihn einen Scharlatan nannten. Sie rieten mir, einen Arzt aufzusuchen – als ob ich das nicht schon von allein getan hätte. Ich sah keinen anderen Ausweg, als nach Hause zurückzukehren.

Die Tage verflogen wie Staub in der Luft. Die Schmerzen nahmen zu. Mir war klar, dass ich es nicht mehr lange aushalten würde. Wieder begann ich, nach Zaabalawi zu fragen, und klammerte mich an die Hoffnung, die sein ehrwürdiger Name in mir weckte. Da fiel mir ein, dass ich doch den Scheich unseres Viertels nach ihm fragen könnte. Ich wunderte mich, weshalb ich nicht gleich auf diese Idee gekommen war.

Sein Büro war ein kleiner Laden. Außer einem Schreibtisch und einem Telefonapparat befand sich nichts darin. Er saß am Tisch, ein Jackett über einem langen gestreiften Gewand, und unterhielt sich mit einem Mann. Meine Anwesenheit störte ihn offenbar nicht, und so stand ich denn und wartete. Als der Gast ging, musterte mich der Scheich kühl, und mir wurde klar, dass ich ihn erst mit den üblichen Mitteln zugänglich machen musste. Alsbald lächelte er freundlich und forderte mich auf, Platz zu nehmen. Auf die Frage, was ich wünschte, antwortete ich: »Ich muss unbedingt Scheich Zaabalawi finden.«

Wie alle anderen vorher schaute auch er mich bestürzt an. Als er lächelte, sah ich seine Goldzähne. »Zuerst einmal: Er lebt. Er ist noch nicht gestorben. Aber er hat keinen festen Wohnsitz. Da haben Sie Pech. Vielleicht treffen Sie ihn ganz zufällig, wenn Sie aus der Haustür treten, aber genauso gut können Sie auch viele Tage, ja Monate ergebnislos nach ihm suchen. Vielleicht finden Sie ihn überhaupt nicht. Vielleicht werde auch ich ihn nicht mehr sehen. Er ist ein seltsamer Mensch, er verwirrt die Köpfe. Aber ich danke Gott, dass er noch lebt.« Er sah mich lange an. »Wie es scheint, ist Ihr Zustand ernst.«

»Sehr!«, sagte ich.

»Gott stehe Ihnen bei. Aber warum suchen Sie ihn nicht systematisch?« Er nahm ein Stück Papier vorn Schreibtisch und zeichnete unglaublich geschickt und schnell einen genauen Plan der Stadt, mit all den vielen Vierteln, Gassen, engen Durchgängen und Plätzen. Dann betrachtete er sein Werk voller Stolz und sagte: »Das sind Wohnhäuser, hier ist das Viertel der Gewürzkrämer, hier das der Kupferschmiede, hier das der Goldschmiede, dort die Polizeiinspektion und die Feuerwehr. Die Zeichnung ist ein guter Wegweiser. Beobachten Sie die Cafés, die Treffpunkte der Derwische und das Grüne Tor. Vielleicht verbirgt er sich unter den Bettlern und ist von ihnen nicht zu unterscheiden. Ich habe ihn seit Jahren nicht mehr gesehen, ich musste mich um meine eigenen Dinge kümmern. Aber als Sie nach ihm fragten, erinnerte ich mich wieder an die schöne Zeit unserer Jugend.«

Ich schaute verwirrt auf den Plan.

Das Telefon läutete, und bevor er den Hörer aufnahm, sagte er: »Da, nehmen Sie, ich stehe immer gern zu Ihren Diensten.«

Draußen faltete ich den Zettel zusammen. Ich durchstreifte das ganze Viertel, ging in jede Straße und durch jede Gasse. Ich fragte jeden, von dem ich vermutete, dass er Bescheid wissen könnte. Schließlich sagte mir ein Plättereibesitzer: »Geh zum Schreiber Hassanein in Umm al-Ghulam. Er war sein Freund.«

Ich ging nach Umm al-Ghulam und fand Amm Hassanein in einem engen, schlauchartigen Laden. Er arbeitete. Eine Unmenge Bilder und Farbbüchsen stand herum. Aus den Ecken wehte mich ein seltsamer Geruch an, der mich an Leim und Öl erinnerte. Amm Hassanein saß mit gekreuzten Beinen auf einem Stück Fell. Vor ihm, an der Wand, lehnte ein Bild, und er war gerade dabei, mit Silberfarbe den Namen Gottes auf die Mitte des Bildes zu schreiben. Er war so mit dem Ausschmücken der Buchstaben beschäftigt, dass man Ehrfurcht empfinden musste. Ich blieb hinter ihm stehen, denn ich hatte Angst, ihn zu stören und in der Ausübung seiner Kunst zu unterbrechen. So stand ich also und wartete verschüchtert. Ohne sich mir zuzuwenden, fragte er plötzlich einfach und freundlich: »Ja?«

Ich begriff, dass er mich doch bemerkt hatte, stellte mich ihm vor und sagte: »Ich habe gehört, dass Scheich Zaabalawi Ihr Freund ist. Ich suche ihn.«

Seine Hand hielt inne. Er sah mich forschend an und sagte seufzend: »Zaabalawi? Gott sei mit ihm!«

Ungeduldig fragte ich: »Er ist doch Ihr Freund. Oder nicht?«

»Er war, er war. Ein Mann voller Geheimnisse. Er nimmt sich deiner an, dass du denkst, du bist mit ihm verwandt. Dann verschwindet er, als ob es ihn nie gegeben hätte. Aber Heilige darf man nicht tadeln.«

Meine Hoffnung erlosch wie Lampen bei Stromsperre.

»Er war dauernd bei mir«, fuhr der Schreiber fort, »sodass ich schon dachte, er sei ein Teil dessen, was ich male. Aber wo mag er jetzt sein?«

»Vielleicht lebt er doch noch?«

»Natürlich lebt er, da gibt es keinen Zweifel … Er hatte einen wunderbaren Geschmack, niemand übertraf ihn darin. Als er noch da war, entstanden meine schönsten Bilder.«

Als ich wieder zu sprechen begann, war in meiner Stimme so wenig Hoffnung wie Feuer in der Asche. »Gott allein weiß, wie dringend ich ihn brauche! Sie kennen vielleicht die Leiden, derentwegen er aufgesucht wird.«

»Ja, ja. Möge Gott Ihnen helfen. Es ist wahr, er ist ein Mann … ach, und noch mehr.« Er lächelte strahlend. »Er hat so ein schönes, unvergessliches Gesicht. Aber wo mag er sein?«

Ich riss mich los, schüttelte ihm die Hand und ging. Ich streunte weiter im Viertel herum, fragte im Osten und im Westen, fragte jeden, der alt und erfahren aussah. Schließlich erzählte mir ein Lupinenverkäufer, dass er ihn unlängst im Hause des Scheichs Gad, des bekannten Komponisten, getroffen habe.

Ich ging zum Haus des Musikers in Tambakschiya und fand ihn selbst in einem geschmackvoll eingerichteten altarabischen Zimmer. Von allen Möbeln ging der Hauch des Historischen, des Ehrwürdigen aus. Er saß auf einem Sofa; seine berühmte Laute lag auf seinen Knien, und er spielte einige der schönsten Lieder unseres Jahrhunderts. Aus dem Hausinnern klang das Gestampfe eines Mörsers und Kindergeschrei.

Als ich ihn begrüßte und mich vorstellte, empfing er mich so herzlich und überschwänglich, dass ich mich gleich wie zu Hause fühlte. Mit keinem Wort, keiner Geste fragte er nach dem Grund meines Besuches. Mir war, als dächte er nicht einmal darüber nach, als spürte er keinerlei Neugier. Ich war erstaunt über so viel Freundlichkeit und menschliches Entgegenkommen und betrachtete dies als sehr verheißungsvoll.

»Scheich Gad«, sagte ich, »ich bin ein großer Verehrer Ihrer Kunst. Wie war ich begeistert, wenn ich Sie hörte.«

»Danke«, sagte er lächelnd.

Schüchtern fuhr ich fort: »Entschuldigen Sie bitte, wenn ich Sie damit belästige, aber mir wurde gesagt, dass Zaabalawi Ihr Freund sei. Ich brauche ihn dringend.«

Er runzelte bedeutungsvoll die Stirn. »Zaabalawi! Sie brauchen ihn? Gott mit Ihnen! Aber wer weiß, wo du bist, Zaabalawi?«

Besorgt fragte ich: »Besucht er Sie denn nicht?«

»Er war vor langer Zeit einmal bei mir. Vielleicht kommt er in diesem Augenblick, aber vielleicht sehe ich ihn bis zu meinem Tode nicht mehr.«

Mit kaum hörbarer Stimme seufzte ich: »Warum ist er so eigenartig?«

Er nahm die Laute und lachte. »So sind die Heiligen, sonst wären sie keine.«

»Deshalb müssen die, die sie brauchen, so leiden wie ich?«

»Das Leiden gehört zur Behandlung.« Er nahm das Blättchen, schlug eine Saite an und summte eine hübsche Melodie.

Ich hörte ihm gedankenlos zu und sagte dann wie zu mir selbst: »Dann war mein Besuch also vergeblich.«

Wieder lächelte er, lehnte seine Wange an die Laute und sagte: »Das verzeihe Ihnen Gott! Wie kann man so etwas über einen Besuch sagen, bei dem ich Sie und Sie mich kennenlernten?«

Ich war sehr beschämt und entschuldigte mich: »Verzeihen Sie, aber die Enttäuschung lässt mich alle guten Sitten vergessen.«

»Überlassen Sie sich nicht Ihrer Verzweiflung. Dieser seltsame Mann macht es allen, die ihn suchen, schwer. Früher einmal war es leicht mit ihm, als er noch einen festen Wohnsitz hatte. Aber heutzutage hat sich die Welt verändert. Als er berühmt wurde und dies den Regierenden nicht gefiel, verfolgte ihn die Polizei wegen Betrügerei. Dadurch ist es nicht so einfach, ihn zu erreichen. Aber gedulden Sie sich und seien Sie sicher: Sie werden ihn finden.« Er hob den Kopf und schlug mehrere Töne an, bis er eine Einleitung gefunden hatte. Dann sang er:

Üppiges Erinnern an die, die ich liebte

und bringt mir das Tadel.

Mit der Geliebten zu sprechen

ist wie des Weins Labe.

»Das habe ich«, erklärte er, »in einer einzigen Nacht komponiert. Es war, wenn ich mich recht erinnere, am Fest des Fastenbrechens. Zaabalawi war die ganze Nacht über mein Gast gewesen und hatte auch dieses Gedicht ausgewählt. Er saß, wie Sie jetzt, neben mir. Er spielte mit meinen Kindern, als sei er eines von ihnen. Wurde ich müde oder hatte ich keinen Einfall mehr, schlug er mir scherzend auf die Brust und lachte über mich. Mein Herz war voll von Musik, und ich suchte und fand schließlich das schönste Lied, das ich je komponiert und auf dem Papier festgehalten habe.«

Überrascht fragte ich: »Verstand er denn etwas von Musik?«

»Er selbst war Musik. Schon seine Stimme war wunderschön. Kaum hörtest du sie, bekamst du Lust zum Singen. Ein unvergessliches Glücksgefühl regte sich in dir.«

»Wie kommt es, dass er Leiden heilt, bei denen andere ratlos sind?«

»Das ist sein Geheimnis. Aber vielleicht erfahren Sie es, wenn Sie ihn treffen.«

Wann aber werde ich ihn treffen? Wir genossen das Schweigen. Der Lärm der Kinder drang bis in unser Zimmer. Der Mann begann wieder zu singen. Er wiederholte das Lied, sang es immer wieder auf andere Art und in anderen Variationen, sodass ich vor Begeisterung die Wände wie im Rausch tanzen sah. Ich sagte ihm, wie sehr mir das gefalle, und er dankte mir mit einem freundlichen Lächeln. Dann stand ich auf, und er begleitete mich bis an die Eingangstür. Als ich ihm die Hand reichte, sagte er: »Ich hörte übrigens, dass er in den letzten Tagen oft mit Hagg Wanas al-Damanhuri zusammengetroffen ist. Kennen Sie ihn?«

Ich verneinte, aber neue Hoffnung erfüllte mein Herz.

Er sprach weiter: »Hagg Wanas hat eine Erbschaft gemacht und besucht deshalb von Zeit zu Zeit Kairo. Er wohnt in irgendeinem Hotel, aber auf jeden Fall sitzt er jeden Abend in der Nagma-Bar in der Alfi-Straße.«

Ich wartete bis zum Abend, ging dann in die Nagma-Bar und fragte einen Kellner nach Hagg Wanas. Der Kellner wies in eine halb verdeckte Ecke. Hinter einer dicken, viereckigen, mit Spiegeln verkleideten Säule sah ich einen Mann, der ganz allein am Tisch saß. Vor ihm standen zwei Flaschen, die eine leer, die andere zu einem Drittel geleert. Außer ein paar Appetithäppchen war nichts auf dem Tisch. Ich war sicher, dass ich einem Trinker gegenüberstand.

Der Mann trug ein langes seidenes Kleid und einen sorgfältig gebundenen Turban. Er streckte seine Füße bis an den Säulensockel und betrachtete sich geruhsam und zufrieden im Spiegel. Sein rundes Gesicht, auf dem sich das Alter abzuzeichnen begann, sah noch gut aus und hatte die gleiche Farbe wie der Wein.

Ich näherte mich ihm rasch, blieb aber zwei Armlängen vor ihm stehen. Er drehte sich nicht zu mir um. Es schien, als habe er mich nicht bemerkt. Umso freundlicher sagte ich: »Guten Abend, Herr Wanas.«

Mit einem Ruck drehte er sich herum, offenbar hatte ich ihn aus der Lethargie geweckt. Voller Verachtung musterte er mich. Ich trat näher, um mich wegen der Störung zu entschuldigen, aber bevor ich noch den Mund öffnen konnte, sagte er halb befehlend, halb freundlich: »Erstens setzen Sie sich hin, und zweitens trinken Sie!«

Ich wollte mich entschuldigen, aber er steckte sich die Finger in die Ohren. »Kein Wort, wenn Sie nicht machen, was ich Ihnen sage!«

Nun wusste ich, dass ich einen launenhaften Trinker vor mir hatte. Ich wollte ihm wenigstens halbwegs erklären, weshalb ich gekommen war, setzte mich also und lächelte. »Würden Sie gestatten, dass ich eine einzige Frage …«

Er nahm die Finger nicht aus den Ohren, sondern wies nur mit den Augen auf die Flasche. »An so einem Abend wie diesem gestatte ich nicht, dass zwischen mir und einem anderen geredet wird, wenn er nicht genauso betrunken ist wie ich. Sonst ist der Abend sinnlos, und es fehlt das gemeinsame Verständnis.«

Ich gab ihm zu verstehen, dass ich nie zu trinken pflege. Er erwiderte gleichgültig: »Das ist Ihre Sache. Es war nur meine Bedingung.« Er füllte mir ein Glas.

Ich gab nach und trank. Kaum war das Zeug in meinem Magen, brannte es fürchterlich. Ich wartete eine Weile, bis ich mich daran gewöhnt hatte, dann sagte ich: »Das ist aber stark! Ich denke, dass ich Sie jetzt vielleicht fragen könnte …«

Aber wieder steckte er sich die Finger in die Ohren und sagte: »Ich werde nicht eher zuhören, bevor Sie nicht betrunken sind.« Er füllte das Glas zum zweiten Mal. Ich sah es zögernd an, überwand meinen Ekel und trank es auf einen Zug aus. Bevor ich erneut auf mein Anliegen zurückkommen konnte, hatte ich allen Willen verloren. Nach dem dritten Glas ließ mein Gedächtnis nach, nach dem vierten verschwand die Zukunft. Alles drehte sich, ich vergaß meine Umgebung und wusste schließlich nicht mehr, weshalb ich eigentlich gekommen war.

Der Mann beugte sich aufmerksam vor, aber ich konnte nur eine Farbfläche erkennen, deren Bedeutung mir unklar war. Genauso sah auch alles andere aus. Ich wusste nicht mehr, wie viel Zeit vergangen war, mein Kopf fiel auf die Stuhllehne, und ich begann zu schlafen. Ich träumte etwas Wunderschönes – noch nie im Leben hatte ich so etwas geträumt. Ich war in einem Garten ohne Zaun, der nur von vielen gewaltigen Bäumen begrenzt war. Der Himmel war nicht zu sehen, nur Sterne blitzten zwischen den sich umarmenden Ästen und Zweigen. Es war eine Stimmung wie bei Sonnenuntergang oder bei Nebel. Ich lag auf einem Berg von Jasminblüten, die wie Sprühregen vom Himmel fielen. Das klare Wasser einer Fontäne benetzte meinen Kopf und meine Stirn. Ich war zufrieden, ruhte voller Entzücken und Wohlbefinden aus. Ein ganzes Orchester sang, trillerte und gurrte in meinen Ohren, eine seltsame Harmonie erfüllte mich, meine Seele fühlte sich eins mit der Welt. Alles war, wie es sein musste: ohne Zwietracht, Leid und Hässlichkeit. Ich brauchte nichts zu sagen, mich nicht zu bewegen, ein Freudenrausch erfüllte den Raum. Leider dauerte dieser Zustand nicht lange an, denn bald darauf öffnete ich die Augen. Das volle Bewusstsein traf mich wie eine Verhaftung durch die Polizei. Ich erkannte Wanas al-Damanhuri, der mich mitleidig betrachtete. Bis auf ein paar Schlafende war die Bar leer.

»Sie haben tief geschlafen. Sicherlich brauchten Sie dringend ein bisschen Ruhe«, sagte der Mann.

Ich stützte meinen schweren Kopf in die Handflächen, aber schnell zog ich sie weg und sah überrascht auf, als ich Wassertropfen spürte. Empört sagte ich: »Mein Kopf ist ja nass!«

»Ja«, sagte er voller Ruhe, »mein Freund hat versucht, Sie wach zu machen.«

»Hat mich jemand in diesem Zustand gesehen?«

»Seien Sie unbesorgt, er ist ein guter Mensch. Haben Sie noch nie von Scheich Zaabalawi gehört?«

»Zaabalawi?«, schrie ich und sprang auf.

Erstaunt antwortete er: »Ja. Was ist los?«

»Wo ist er?«

»Ich weiß nicht, wo er jetzt ist. Er war hier, und dann ging er.«

Ich wollte weglaufen, aber ich war erschöpfter, als ich dachte. Voller Verzweiflung rief ich aus: »Ich bin nur gekommen, um ihn zu treffen! Helfen Sie mir, ihn zu finden! Schicken Sie jemanden, um nach ihm zu fragen!«

Der Mann rief einen Garnelenverkäufer und bat ihn, nach dem Scheich auszuschauen und ihn herzubitten. Dann wandte er sich mir zu und sagte: »Ich wusste nicht, dass Sie krank sind. Es tut mir sehr leid.«

Wütend sagte ich: »Sie ließen mich ja nicht zu Wort kommen!«

»Oh, wie schade. Auf diesem Stuhl hat er gesessen, direkt neben Ihnen. Er spielte während der ganzen Zeit mit einer Kette aus Jasminblüten, die um seinen Hals hing. Einer seiner Verehrer hatte sie ihm geschenkt. Er hatte großes Mitleid mit Ihnen und befeuchtete Ihren Kopf mit Wasser, damit Sie wieder klar werden.«

Ich ließ keinen Blick von der Tür, durch die der Garnelenverkäufer verschwunden war. »Trifft er Sie jeden Abend hier?«

»Heute Abend war er da, gestern und vorgestern auch. Aber vorher hatte ich ihn mindestens einen Monat lang überhaupt nicht gesehen.«

Ich seufzte und überlegte laut: »Vielleicht kommt er morgen?«

»Vielleicht. «

»Ich zahle ihm, was er will«, sagte ich.

Wanas erklärte mir freundschaftlich: »Das Seltsame ist, dass er keinerlei Versuchung unterliegt. Er wird Sie kostenlos heilen, wenn Sie ihn treffen.«

»Ohne Entgelt?«

»Ja«, erwiderte er. »Er braucht nur das Gefühl, dass Sie ihn lieben.«

Der Garnelenverkäufer kehrte erfolglos zurück. Ich nahm all meine Kraft zusammen und verließ, wenn auch taumelnd, die Bar. An jeder Ecke rief ich: »Zaabalawi!« Vielleicht gab es irgendwo eine Antwort. Aber alles Rufen war vergebens. Die Straßenjungen drehten sich nach mir um und blickten mir spöttisch nach. Schließlich rief ich das nächste Taxi herbei.

Den anderen Abend verbrachte ich bis zum Morgengrauen mit Wanas al-Damanhuri, aber der Scheich erschien nicht. Wanas erklärte mir, dass er wieder aufs Land fahren würde und erst zur Zeit des Baumwollverkaufs wieder nach Kairo käme. Ich sagte mir, dass ich warten musste. Auf jeden Fall hatte ich mich von der Existenz Zaabalawis überzeugt. Und nicht nur davon, sondern auch von der Tatsache, dass er sehr hilfsbereit war.

So manches Mal während der langen Wartezeit war ich nahe daran zu verzweifeln. Hoffnungslosigkeit überfiel mich. Ich versuchte, nicht mehr an ihn zu denken. Wie viele müde gewordene Menschen kennen ihn nicht oder halten ihn für eine Märchenfigur. Warum sollte ich meine arme Seele also quälen?

Aber kaum begannen die Schmerzen, da erinnerte ich mich wieder an ihn. Ich fragte mich, wann ich endlich Erfolg haben und ihn treffen würde. Nicht einmal die Tatsache, dass ich von Wanas nichts weiter hörte, als dass er ins Ausland gegangen war, entmutigte mich.

Schließlich war ich überzeugt, dass ich Scheich Zaabalawi finden musste.

Ja, ich musste Zaabalawi finden …!

Geld

Am Eingang des Gebäudes Nummer 115 in der Ramsesstraße drängten sich die Leute vor den Fahrstuhltüren. Dieser Eingang war immer voller Menschen, wie es in einem Hochhaus üblich ist, in dem sämtliche Räume an Unternehmen vermietet sind. Unter den Wartenden fanden sich drei, die etwa zur gleichen Zeit gekommen waren, zwei Männer und ein Mädchen, aber wie die meisten in dem Gedränge kannten sie einander nicht. Natürlich achtete niemand auf die beiden Männer, aber das Mädchen zog seiner Jugend, seiner Schönheit und seiner Eleganz wegen verstohlene, aufmerksame Blicke auf sich. Während der eine der beiden Männer ein erbittertes Selbstgespräch zu führen schien, er biss sich sogar von Zeit zu Zeit auf die Nägel, trat in die Augen des anderen ein verträumter, trauriger Blick. Wenn er zufällig das Mädchen ansah, leuchteten seine Augen auf.

Der Erste der drei begab sich zum Appartement Nummer 18 im dritten Stock. Er begrüßte die liebenswürdige Sekretärin und stellte sich in einer Mischung aus Freundlichkeit und Vertraulichkeit vor: »Mohammed Badran.«

Das Mädchen verschwand kurz hinter der Tür des Direktors, dann kam es zurück und sagte: »Bitte!«

Mohammed Badran betrat das Zimmer des Direktors. Der streckte ihm, ganz von einem Telefongespräch in Anspruch genommen, von seinem Schreibtisch aus die Hand entgegen und bedeutete ihm, er solle Platz nehmen.

Er versank in einem großen Ledersessel vor dem Schreibtisch. In zauberhafter Geschwindigkeit legte sich die klimatisierte Luft auf seine Haut und seine Nerven. Sie erfrischte ihn und wiegte ihn gleichsam ein. Sie trocknete seinen Schweiß und kühlte ihn nach der glühenden Hitze, die ihn unterwegs gepeinigt und ihm im Fahrstuhl die Luft genommen hatte. Schnell gab er sich das Versprechen, in seinem Arbeitszimmer eine Klimaanlage anzubringen, sobald sich seine Lage – so Allah wollte, bald – gebessert hatte, auch wenn er das Zimmer dann mit seinen Söhnen teilen musste, jedenfalls wenn sie lernten. Es wäre auch nicht schlecht, dann während der Hochsommermonate einen Teil des Raumes in eine Sitzecke für seine Frau umzuwandeln. Wie gewöhnlich überfielen ihn die Träume vom Reichtum ohne jede Zurückhaltung und vervollkommneten sein Leben mit dem Wohlstand, der ihm bisher fehlte. Eine neue Wohnung in einem modernen Viertel, natürlich weit entfernt vom Rod El-Farag, prachtvolle Möbel, eine amerikanische Küche, auch eine amerikanische Bar, ein Boiler, ein großer Kühlschrank, ein Auto, eine Zweitwohnung in Alexandria, damit er dort während der Sommermonate und der verschiedenen Feiertage des Jahres wohnen könnte. Aus irgendeinem Grunde fiel ihm dabei auch das hübsche Mädchen ein, das er am Eingang des Gebäudes vor dem Fahrstuhl gesehen hatte. Wie schön wäre es, eine Freundin wie sie zu »besitzen«. Sie war wirklich außerordentlich hübsch. Ihre Schönheit wirkte wundervoll anregend auf Jugendträume von Liebe und himmlischem Rausch. Erinnerte er sich denn immer noch an die Zeit der ersten Jugend mit ihren Träumen und ihren Idealen?

Plötzlich wurde er durch die Stimme des Direktors wachgerüttelt. Der fragte: »Wie geht es Ihnen, Ustas Mohammed?«

Er tauchte aus seinen Träumen auf und entgegnete: »Gut, solange es Ihnen gut geht, Herr Direktor.«

Sie lachten beide ohne ersichtlichen Grund, auch wenn ihn seine laute, schrille Stimme in Wut versetzte. Dann blickte er zu ihm auf, als wollte er sagen: »Ich stehe zu Diensten, mein Herr!«

»Wie gehts?«, fragte der Direktor, beide Ellbogen auf den Schreibtisch gestützt.

»Einigermaßen. Ich habe den Kopf voller Pläne.«

»Alles zu seiner Zeit. Ich wette, dass Sie Ihre Pläne verwirklichen werden. Meine Menschenkenntnis trügt mich nicht.«

Er lächelte und sagte: »Es gibt da einen Kollegen, vielleicht kennen Sie ihn. Wir haben vor drei Jahren zusammen für dreißig Pfund an derselben Zeitung gearbeitet. Glauben Sie, dass er heute dreihundert Pfund verdient?«

»Auch für Sie wird die Gelegenheit kommen«, dann lachend: »Was war ich denn vor fünf Jahren?«

»Aber Sie sind ein Mann der Tat!«

Ein weiteres Mal lachten beide. Dann wurde das Gesicht des Direktors wieder ernst, und er kam zum Thema: »Es gibt da einen Weg, der Ihnen viel Mühe ersparen wird.«

Mohammed blickte ihn unruhig an, als befürchte er, dass die Einsparung von Mühe Sparsamkeit beim Honorar zur Folge haben würde. Dann sagte er schnell: »Mir macht es nichts aus, einige Mühe auf mich zu nehmen. Nennen Sie mir die Punkte, um die es bei diesem Thema geht, und Sie werden einen Artikel bekommen, bei dessen Lektüre niemand zweifeln wird, dass er aus der Feder eines Fachmannes stammt!«

Es sah nicht so aus, als ob der Direktor etwas auf seinen Einwand gäbe. Er holte aus seiner Schreibtischschublade ein zweiseitiges Manuskript heraus.

Mohammed fragte etwas beunruhigt: »Haben Sie den Artikel etwa bereits fertig?«

»Es fehlt nur noch Ihre Unterschrift.«

Der andere nahm ihn matt entgegen und murmelte: »Aber …«

»Lesen Sie nur und fürchten Sie nichts!«, unterbrach er ihn mit fröhlichem Ton. »Wann haben Sie mich je geizig gefunden, Sie Ungläubiger?«

Er gewann etwas von seinem Selbstvertrauen zurück und spaßte, so als wollte er protestieren: »Aber Sie gewöhnen mich an Untätigkeit.«

Er begann zu lesen: »Lieber Leser! Was wissen Sie von dem neuen Medikament S.A.B.? Vielleicht hören Sie zum ersten Mal davon. Und Sie haben natürlich noch nichts von der wissenschaftlichen Revolution gehört, die es bei den Nationen des Nordens im Besonderen und auf dem europäischen Kontinent im Allgemeinen hervorgebracht hat. In den folgenden Zeilen werden Sie alles darüber erfahren, bekräftigt durch Aussagen einer Anzahl bedeutender Wissenschaftler. Da unsere Zeitschrift vor allem wissenschaftlichen Charakter trägt, so hoffen wir, dass keinen unserer Leser die Fantasie mit sich fortreißt. Wir glauben, dass keine Kraft imstande ist, die Jugend zurückzubringen, wenn sie einmal entschwunden ist, aber ein Medikament, das den Alterungsprozess um zehn oder fünfzehn Jahre aufschiebt, ist nicht zu verachten …«

Er las weiter, während der Direktor ihn aufmerksam und nicht ohne Spott beobachtete, bis er mit dem Artikel fertig war.

Sie tauschten schweigend einen kurzen Blick, dann fragte der Direktor: »Was meinen Sie?«

»Erstaunlich! Er enthält sprachliche oder grammatische Fehler, die natürlich korrigiert werden, aber es ist ein wichtiger und interessanter Artikel.«

»Er muss auf einer der ersten Seiten abgedruckt werden.«

Mohammed Badran sagte mit einem Anflug von Verschlagenheit: »Sie kennen mich seit Langem. Es sind hier Angaben enthalten, die vielleicht einer wissenschaftlichen Korrektur oder wenigstens einer Modifizierung bedürfen. Unsere Zeitschrift hat einen anerkannt wissenschaftlichen Charakter.«

Der Direktor entgegnete kühl: »Ich werde nicht um einen Millim über den vereinbarten Betrag hinausgehen.«

»Das will ich ja gar nicht …«

»Doch, Sie wollen es! Seien Sie nicht habgierig. Die Zeitschrift wird dafür den Betrag für eine erstklassige Annonce erhalten, und Sie werden Ihr Honorar bekommen, wie wir es vereinbart hatten. So besteht keinerlei Grund zum Streit!«

Mohammed verbarg seine leichte Niederlage hinter einem Lachen und sagte mit erkünsteltem Eifer: »Ich fürchte, die übermäßige Einnahme des Medikaments führt zu …«

»Dass Sie so humane Worte finden, ist großartig. Aber ich glaube, ich bin humaner als Sie. Mag dieses Medikament nichts nützen, zugegeben, schaden wird es jedoch auch nicht. Und letzten Endes nützt es doch, denn der Mensch lebt von Illusionen und wird durch sie glücklich.«

Er holte einen kleinen Umschlag aus seiner Tasche und legte ihn auf den Schreibtisch vor Ustas Mohammed. Der kannte dessen Inhalt, wie er das Gesicht seines Kindes kannte. Er nahm ihn an sich und sagte lächelnd: »Tausend Dank, Exzellenz. Ich hoffe, dass wir uns bald wiedersehen.«

»Das hoffe ich auch, Ustas Mohammed.«

Sie standen gleichzeitig auf und gaben einander die Hand. Dann ging er. Sein schnelles Weggehen glich einer Flucht. Aber das war seine Art zu gehen. Er musste sich jetzt unverzüglich zur Redaktion begeben und dachte zunächst nur daran, wie er mit dem Artikel vor Einbruch der Nacht zurande kommen würde. Erst lange danach kamen ihm Gedanken, die mit der Entgegennahme eines solchen Umschlags zusammenhingen. Wenigstens zog er voller Staunen einen Vergleich zwischen der Situation, in der er sich befand, als er gleich nach dem Studium, berauscht von hochfliegenden Hoffnungen, seine Arbeit aufnahm, und seiner jetzigen Lage, in der er nichts anderem mehr Wert beimaß als einem Auto, einer Klimaanlage und der Ausbildung seiner Kinder am amerikanischen College.