Karnak-Café - Nagib Machfus - E-Book

Karnak-Café E-Book

Nagib Machfus

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Beschreibung

Alt und Jung, Arm und Reich, Männer und selbst einzelne Frauen treffen sich im Karnak-Café, angelockt vom guten Kaffee und der schillernden Kurunfula, einer ehemaligen Tänzerin und Besitzerin des Cafés. Sie erzählen aus ihrem Leben, teilen Freude und Leid und manch müßiggängerische Stunde. Als drei junge Stammgäste plötzlich verschwinden und später verstört zurückkehren, ist es vorbei mit der heiteren Kaffeehausatmosphäre. Aus der einstigen Oase der Kameradschaft wird ein Ort des Argwohns, an dem sich die alte Vertrautheit zwischen den Menschen nur schwer behaupten kann. Entstanden kurz nach dem Sechstagekrieg 1967, ist Karnak-Café ein wichtiges Zeitdokument, das bis heute von beklemmender Aktualität bleibt.

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Seitenzahl: 180

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Über dieses Buch

Alt und Jung, Arm und Reich treffen sich im Karnak-Café. Sie erzählen aus ihrem Leben, teilen Freude und Leid und manch müßiggängerische Stunde. Als drei junge Stammgäste plötzlich verschwinden, ist es vorbei mit der heiteren Kaffeehausatmosphäre. Aus der einstigen Oase der Kameradschaft wird ein Ort des Argwohns.

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Nagib Machfus (1911–2006) gehört zu den bedeutendsten Autoren der Gegenwart und gilt als der eigentliche »Vater des ägyptischen Romans«. Sein Lebenswerk umfasst mehr als vierzig Romane, Kurzgeschichten und Novellen. 1988 erhielt er als bisher einziger arabischer Autor den Nobelpreis für Literatur.

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Doris Kilias (1942–2008) arbeitete als Redakteurin beim arabischen Programm des Rundfunks Berlin (DDR). Nach der Promotion war sie als freie Übersetzerin tätig.

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Dieses Buch gibt es in folgenden Ausgaben: Taschenbuch, E-Book (EPUB) – Ihre Ausgabe, E-Book (Apple-Geräte), E-Book (Kindle)

Mehr Informationen, Pressestimmen und Dokumente finden Sie auch im Anhang.

Nagib Machfus

Karnak-Café

Roman

Aus dem Arabischen von Doris Kilias Mit einem Nachwort von Roger Allen

E-Book-Ausgabe

Unionsverlag

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Impressum

Dieses E-Book enthält als Bonusmaterial im Anhang 6 Dokumente

Die Originalausgabe erschien 1974 unter dem Titel al-Karnak in Kairo.

Originaltitel: al-Karnak (1974)

© by Nagib Machfus 1974

© by Unionsverlag, Zürich 2022

Alle Rechte vorbehalten

Umschlag: Alex Bischoff

Umschlaggestaltung: Martina Heuer

ISBN 978-3-293-30584-7

Diese E-Book-Ausgabe ist optimiert für EPUB-Lesegeräte

Produziert mit der Software transpect (le-tex, Leipzig)

Version vom 27.06.2022, 17:41h

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Inhaltsverzeichnis

Cover

Über dieses Buch

Titelseite

Impressum

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Inhaltsverzeichnis

KARNAK-CAFÉ

KurunfulaIsmail asch-ScheichZainab DijabChalid SafwanWorterklärungenRoger Allen — Das Bild einer aufgewühlten Welt

Mehr über dieses Buch

Über Nagib Machfus

Nagib Machfus: Das Leben als höchstes Gut

Nagib Machfus: Rede zur Verleihung des Nobelpreises 1988

Tahar Ben Jelloun: Der Nobelpreis hat Nagib Machfus nicht verändert

Erdmute Heller: Nagib Machfus: Vater des ägyptischen Romans

Gamal al-Ghitani: Hommage für Nagib Machfus

Hartmut Fähndrich: Die Beunruhigung des Nobelpreisträgers

Über Doris Kilias

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Kurunfula

Es war reiner Zufall, dass ich das Karnak-Café entdeckte. Eines Tages wollte ich in der Mahdi-Straße meine Uhr reparieren lassen. Der Uhrmacher sagte, dass er ein paar Stunden brauchen würde. Um mir die Zeit zu vertreiben, beschloss ich, mir in den Schaufenstern, die beide Seiten der Straße säumten, Uhren, Schmuck und andere Kostbarkeiten anzusehen. So kam es, dass mein Blick zufällig auf das Café fiel, obwohl es abseits der Hauptstraße lag. Es sah winzig aus, und um ehrlich zu sein, zögerte ich kurz vor dem Eingang. Trotzdem sollte es von jenem Tag an mein Lieblingscafé werden.

Dass ich mein Zögern schnell überwand, lag daran, dass auf dem Stuhl an der Kasse, dem Platz des Geschäftsführers, eine Frau saß. Sie war schon etwas älter, trotzdem hatten sich die Spuren ihrer früheren Schönheit erhalten. Die feinen, klar geschnittenen Gesichtszüge zogen mich in einen Bann, und plötzlich brach eine ganze Flut von Erinnerungen über mich herein. Ich hörte eine Laute spielen, begleitet von Trommeln. Die Luft war von Weihrauchduft erfüllt. Ich sah, wie sich ein Körper im Tanz wiegte – der Stern des Imad ad-Din. Und nun saß sie dort, auf diesem Stuhl – die Tänzerin Kurunfula, der rosarote Traum der Vierzigerjahre.

Wie von einem verborgenen Zauber angezogen, betrat ich mit klopfendem Herzen das Café. Ich tat es in der Erinnerung an ein Wesen, dem ich nie aufgefallen war. Wir hatten in keinerlei Beziehung gestanden, weder privat noch geschäftlich, ja nicht einmal Höflichkeitsfloskeln hatten wir ausgetauscht. Sie war ein Stern und ich ein ganz normaler Zeitgenosse. Meine bewundernden Blicke hatten auf ihrem geschmeidigen Körper nicht die geringste Spur hinterlassen. Mir hatte es nicht einmal zugestanden, ihr einen flüchtigen Gruß zuzuwerfen.

Ich setzte mich hin und ließ den Blick schweifen. Der Raum, der eher an ein Wohnzimmer erinnerte, war höchst geschmackvoll eingerichtet – tapezierte Wände, neue Tische und Stühle, blitzblanke Gläser und Teller, bunte Lampen und viele Spiegel. Alles in allem strahlte das Café einen Reiz aus, dem man nicht widerstehen konnte. Wann immer sich die Gelegenheit bot, Kurunfula unauffällig anzusehen, tat ich es. Der Zauber üppiger Weiblichkeit war geschwunden, der Glanz jugendlicher Frische erloschen. Dafür umgab die Erscheinung eine Aura von geheimnisvoller Schönheit und anrührender Schwermut. Sie war immer noch schlank, und ihr Körper strahlte Energie und Vitalität aus. Die ganze Haltung sprach von einem Selbstbewusstsein, das von Lebenserfahrung und Arbeit geprägt war. Die heitere Gelassenheit, die der Glanz ihrer Augen verriet, war ungemein sympathisch. Auf geradezu liebenswürdige Art behielt sie alles im Blick – den Barkeeper, Kellner und Putzmann ebenso wie die wenigen Gäste. Als beherberge der kleine Raum eine Familie, ruhten ihre Augen voller freundlicher Vertrautheit auf den Anwesenden. Es gab drei ältere Herren, die nach Pensionären aussahen, einen Mann mittleren Alters und ein paar Jugendliche, die sich um ein hübsches Mädchen scharten.

Ich kam mir wie ein Eindringling vor, trotzdem fühlte ich mich wohl. Ja, das war ein guter Ort. Der Kaffee war köstlich, das Wasser klar und frisch, Tassen und Gläser strahlten vor Sauberkeit. Ganz zu schweigen von Kurunfulas Anmut, der Würde der alten Herren, der Frische der jungen Männer und der Schönheit des Mädchens. Mitten in der Stadt gelegen, bot das Café einem Spaziergänger wie mir einen wunderbaren Platz zum Ausruhen. Was aber diesen Ort zu etwas ganz Besonderem machte, war die innige Verknüpfung von Vergangenheit und Gegenwart, von wehmütiger Erinnerung an schöne Zeiten und dem Stolz auf die rühmliche Jetztzeit. Und über allem schwebte der Zauber des unerwarteten Zufalls. Da war einfach nur meine Uhr stehen geblieben, und schon erlebte ich einen so mannigfaltigen Reiz. Oh ja, sagte ich mir, wann immer die Zeit es erlaubt, soll das Karnak-Café der Ort sein, an dem ich mich ausruhe und erhole.

Was an jenem Tag dann geschah, war für mich eine unerwartete, freudige Überraschung. Offenbar wollte sich Kurunfula gegenüber dem neuen Gast besonders freundlich verhalten. Sie stand auf und kam, bekleidet mit einer dunkelblauen Hose und weißer Bluse, gemessenen Schrittes auf mich zu. Sie blieb vor mir stehen und sagte: »Ihr Besuch ehrt mich.«

Wir gaben uns die Hand, und ich dankte ihr für ihre liebenswürdige Begrüßung.

»Hat Ihnen der Kaffee geschmeckt?«, fragte sie.

»Sehr sogar, er war ausgezeichnet.«

Sie lächelte, und nachdem sie mich eine Weile angeschaut hatte, sagte sie: »Es kommt mir vor, als erinnerten Sie sich an mich?«

»So ist es. Wer könnte Kurunfula je vergessen?«

»Aber erinnern Sie sich auch daran, was ich für die Kunst getan habe?«

»Gewiss, Sie haben als Erste den orientalischen Tanz modernisiert.«

»Und? Haben Sie je darüber gelesen oder davon gehört, dass jemand das würdigt?«

»Nun ja«, stammelte ich verwirrt, »bisweilen leidet die Gesellschaft unter Gedächtnisverlust, aber das dauert nicht ewig.«

»Schön gesagt, nur leider bedeutet es nichts.«

»Ich bin trotzdem davon überzeugt.« Um die peinliche Situation hinter mich zu bringen, fuhr ich fort: »Ich wünsche Ihnen, dass Sie glücklich sind und es immer bleiben. Das ist das Wichtigste.«

Sie lachte. »Bis jetzt sieht es ganz danach aus.« Sie drehte sich um, und während sie zu ihrem Platz ging, sagte sie, noch immer lachend: »Allein Gott kennt das Verborgene.«

Auf solch heitere Weise begann unsere Bekanntschaft, aus der schon bald Freundschaft werden sollte. Mich machte diese Beziehung glücklich, und sie tut es heute noch. Eigentlich müsste ich diese Freundschaft als neu bezeichnen, aber dagegen spricht, dass ihre Wurzeln bis tief in die Vergangenheit reichen, also bis dreißig Jahre oder noch mehr zurückgehen.

Seit jenem Tag sahen wir uns regelmäßig. Wir unterhielten uns angeregt und fühlten uns immer enger verbunden. Einmal fragte ich sie, ob sie es nicht auch für ein Wunder halte, dass sie, die Tänzerin, nicht nur als große Verführerin galt, sondern auch große Achtung genoss.

Sie sah mich stolz an. »Der orientalische Tanz hatte sich ja immer nur auf die rein körperliche Bewegung beschränkt, also auf die rhythmische Bewegung von Brust, Bauch und Po. Ich wollte mit meinem Tanz etwas darstellen.«

»Wie bist du darauf gekommen?«

»Wann immer ich konnte, habe ich mir mir das europäische Ballett in der Pergola angesehen.« Sie lächelte ein wenig kokett. »Was die Achtung betrifft, die mir entgegengebracht wurde, so lag das daran, dass ich keine flüchtigen Beziehungen einging. Für mich kam und kommt eine Beziehung ohne Liebe nicht infrage, und eine Liebe zu leben, hieß und heißt für mich, verheiratet zu sein.«

»Tatsächlich?«, fragte ich beeindruckt.

Sie lachte. »Tut man nicht alles, um in der Öffentlichkeit als geachtet dazustehen?«

Ich nickte.

Sie murmelte etwas vor sich hin, das ich nicht verstehen konnte, dann sagte sie: »Wenn man jemanden ehrlichen Herzens liebt, ist an einer Beziehung nichts Verwerfliches.«

»Deshalb stand in der Presse auch nie etwas Schlechtes über dich.«

»Nicht einmal in den Revolverblättern.«

Ich schmunzelte. »Dafür sind aber etliche deinetwegen aus dem Gleis geraten.«

Sie seufzte. »Das Nachtleben ist voller Tragödien.«

»Ich kann mich noch gut an den Beamten aus dem Finanzministerium erinnern …«

»Psst! Meinst du Arif Sulaiman?«, flüsterte sie. »Er steht nicht weit weg von dir, er ist der Barkeeper.«

Ich schaute verstohlen zu ihm hinüber. Dieser dicke, aufgedunsene Mann mit weißem Haar sollte der Beamte von damals sein? Offenbar war mir deutlich anzusehen, wie überrascht ich war, denn Kurunfula sagte: »Er ist keineswegs, wie du vielleicht meinst, eines meiner Opfer. Er ist ein Opfer seiner eigenen Schwäche geworden.«

Was dann folgte, war eine höchst alltägliche Geschichte. Er war verrückt nach ihr gewesen, auch wenn sie ihn nicht einmal ansatzweise dazu ermutigt hatte. Seine geringen Einkünfte reichten nicht aus, um den Nachtclub regelmäßig zu besuchen. So kam es, dass er Gelder aus der Staatskasse stahl. In dem Club gab er sich den An schein, reich geerbt zu haben. Kurunfula hatte nie auch nur einen Millim von ihm genommen und ihn immer genauso höflich wie die anderen Gäste behandelt. Sosehr er sich auch bemühte, er erreichte nichts. Eines Tages wurde er dann auf frischer Tat ertappt. Man machte ihm den Prozess, und er kam ins Gefängnis.

»Es war eine Tragödie, aber ich war nicht schuld daran. Als er nach Jahren aus dem Gefängnis entlassen wurde, tauchte er wieder im Nachtclub auf und erklärte mir, dass er vor dem Nichts stehe und nicht mehr weiterwisse. Er tat mir leid, und ich machte mir Sorgen um ihn. Also verwendete ich mich für ihn bei dem Besitzer des Nachtclubs, der ihn dann tatsächlich als Kellner einstellte. Als ich die Arbeit dort aufgab und das Café eröffnete, übernahm ich ihn als Barkeeper. Er macht seine Arbeit sehr gut.«

Ich strich mir nachdenklich über den Schnurrbart. »Und? Hat er von seiner alten Leidenschaft abgelassen?«

»Als er damals im Nachtclub Kellner war, hat er mir noch nachgestellt. Aber das hat ihm eine tüchtige Tracht Prügel eingebracht, von meinem damaligen Mann, einem Kerl, der groß wie ein Elefant war und als Gewichtheber auftrat. Ein Jahr später hat Arif Sulaiman ein Mädchen aus der Tanzgruppe geheiratet. Er ist immer noch verheiratet und Vater von sieben Töchtern. Ich denke, dass er jetzt glücklich und zufrieden ist.« Sie lachte laut auf. »Manchmal macht es uns Spaß, uns Kusshände zuzuwerfen.«

»Dann ist also alles Vergangene vergessen?«

»Na ja, er hatte einen Kollegen, der völlig unerwartet im Finanzministerium Staatssekretär geworden war. Das hat ihn mächtig gewurmt. Als dann 1952 die Revolution kam, wurde der Mann in Pension geschickt. Da hat sich sein Zorn gelegt, und er war fortan ein glühender Anhänger der Revolution.«

Ich gehörte endgültig zur Familie des Karnak-Cafés, sie war ein fester Bestandteil meines Lebens geworden. Kurunfula beschenkte mich mit ihrer Freundschaft, die ich von Herzen erwiderte. Mit den drei alten Herren, Mohammed Bahgat, Raschad Magdi und Taha al-Gharib, spielte ich Tricktrack. Ich lernte die jungen Leute kennen, vor allem Zainab Dijab, Ismail asch-Scheich und Hilmi Hamada. Und ich machte mich mit Zain al-Abidin bekannt, der in einem Unternehmen als Direktor für Öffentlichkeitsarbeit arbeitete. Selbst der Kellner Imam al-Fawwal und der Schuhputzer Guma, der das Café auch sauber machte, wurden meine Freunde.

Im Lauf der Zeit fand ich heraus, warum das Café finanziell gut dastand. Es lebte nicht von den wenigen Gästen, die dort einkehrten, sondern von den Ladenbesitzern und deren Kunden in der Mahdi-Straße. Die köstlichen Getränke waren sehr gefragt. Ein anderes Geheimnis seines Erfolgs bestand darin, dass sich hier Zeitgenossen zusammenfanden, die mehr oder, falls notwendig, weniger laut die politischen Ereignisse diskutierten. Viele Gespräche sind mir noch gut in Erinnerung, wie ich denn auch Kurunfulas Stoßseufzer nicht vergessen kann, den sie ein ums andere Mal wiederholte: »Danken wir Gott, dass er uns die Revolution beschert hat.«

Der Barkeeper Arif Sulaiman und der Öffentlichkeitsdirektor Zain al-Abidin waren auch begeisterte Anhänger der Revolution, allerdings hatte jeder seine eigenen Gründe dafür. Die alten Herren waren ebenfalls des Lobes voll, auch wenn sie bisweilen in gebotener Vorsicht erklärten, dass die Vergangenheit nicht nur schlecht gewesen sei.

Die jungen Leute waren in ihrem Enthusiasmus nicht zu bremsen. Für sie begann die moderne Geschichte überhaupt erst mit der Revolution; alles was davor gewesen war, bezeichneten sie als Zeit dumpfer, niederer Unwissenheit. Sie waren die wahren Kinder der Revolution, denn die meisten von ihnen hätten ihr Leben ohne die Revolution als Arbeitslose zugebracht und sich in den Gassen, Vierteln und Dörfern herumgetrieben. Kritische Bemerkungen, die meistens von radikalen Linken oder Muslimbrüdern im Flüsterton geäußert wurden, gingen im allgemeinen Sturm der Begeisterung unter. Bemerkenswert fand ich die Haltung von Imam al-Fawwal und von Guma. Der Kellner und der Schuhputzer sangen das Loblied der Revolution, als wäre sie Antar und seinen Heldentaten zu verdanken. Sie beklagten sich darüber, wie hart das Leben sei, aber Antars Heldentaten konnten sie nicht genug rühmen. Es war, als akzeptierten sie um des Sieges und der Hoffnung willen leichten Herzens ihre Armut.

Niemand konnte sich diesem Rausch entziehen, nicht einmal die ewigen Neider und Nörgler. Denn da war keiner, an dessen Seelenfrieden nicht die Schmach von Erniedrigung und Enttäuschung gezehrt hätte. Übermächtig war das Verlangen, das volle Glas bis zur Neige zu leeren und den alten Feind wie ein Held herauszufordern. Sie tranken und tranken, bis sie im Vollrausch waren und vor lauter Ekstase zu tanzen begannen. Was bringt es, eine kritische Meinung zu äußern, wenn du von Betrunkenen umgeben bist? Willst du denen etwas über Bestechung erzählen? Über Unterschlagung, Korruption, Zwang und Terror? Das ist doch alles Mist, heißt es, oder: Es ist, wie es ist, oder: Irgendein Übel gibts immer, oder: Das ist doch alles banal. Also trink lieber einen Schluck aus dem Zauberglas und tanze mit ihnen.

*

Kehrte Kurunfula vom Friseur zurück, sah sie besonders schön aus. Ihre honigfarbenen Augen strahlten vor Lebensfreude. Das hat mich einmal dazu verführt, sie zu fragen, ob es einen Ehemann gebe und sie Kinder habe. Als sie nicht antwortete, schämte ich mich wegen meiner indiskreten Frage. Sie spürte meine Verlegenheit, und um mir darüber hinwegzuhelfen, zeigte sie auf die Gäste und sagte: »Ich liebe meine Kunden, und sie lieben mich.«

Ohne ersichtlichen Grund murmelte ich: »Ach ja, die Liebe … die Liebe.«

Sie sah mich traurig an. »Wie oft glauben wir, geliebt zu werden, und dann bleibt doch nur Enttäuschung übrig.«

»Enttäuschung?«

»Wann immer eine Liebe versucht, den Krallen der Wirklichkeit zu entkommen, existiert sie nur noch als verführerische Hoffnung.«

»Bist du enttäuscht worden?«, fragte ich behutsam.

»Nein, nicht wirklich, aber die Liebe ist manchmal launenhaft.«

»Auch damals, als du berühmt warst?«

»Damals und heute, das ist immer so.«

Ich hätte gern mehr gehört, aber offenbar war sie nicht bereit, mir diesen Wunsch zu erfüllen. Stattdessen machte sie mich mit einem Augenzwinkern auf Zain al-Abidin aufmerksam. »Schau dir den an, auch so einer, der sich in mich verliebt hat. Angeblich will er sich am Café beteiligen und ein Restaurant daraus machen, aber im Grunde will er mich bloß ins Bett kriegen.«

»Der trieft ja vor Fett.«

»Soll er träumen, das hat er umsonst.«

»Vielleicht ist er reich?«

»Gesegnet sei die Staatskasse.«

Unwillkürlich schaute ich zu Arif Sulaiman hinüber, der wie immer hinter der Theke stand.

»Er hat aus Liebe gestohlen«, sagte Kurunfula leise, »Zain al-Abidin stiehlt aus Habsucht und weil er nach oben kommen will. Es gibt schon komische Typen, mein Lieber. Die einen stehlen, weil sie meinen, dass ihnen die Regierung nicht das zahlt, was sie fürs Leben brauchen, andere sind einfach nur gierig, und wiederum andere tun es, weil die anderen auch stehlen. Und dazwischen stehen diese armen jungen Leute und werden verrückt.«

»Kehren wir doch lieber zu unserem ersten Gespräch zurück«, schlug ich vor.

»Du weißt doch genau, dass ich jemanden liebe«, erklärte sie geradeheraus.

Gewisse Dinge waren mir durchaus aufgefallen, aber das wollte ich nicht zugeben, weil ich mich auf frischer Tat ertappt fühlte.

»Du musst mich nicht fragen, wer er ist. So dumm bist du doch nicht.«

Ich schmunzelte. »Hilmi Hamada?«

Ohne ein Wort der Entschuldigung stand sie auf und ging an ihren Platz. Als sie sich setzte, bedachte sie mich mit einem reizenden Lächeln. Manchmal war es mir vorgekommen, als sei Ismail asch-Scheich derjenige, aber schon bald entdeckte ich, dass zwischen ihm und Zainab Dijab eine enge Beziehung bestand.

Schließlich stand es für mich fest, dass es sich um Hilmi Hamada handelte. Er war ein eleganter, gut aussehender junger Mann, der sich bei Diskussionen geradezu leidenschaftlich ereifern konnte. Kurunfula gestand mir, dass die Initiative für diese Liebesbeziehung von ihr ausgegangen war. Hilmi hatte mit seinen Freunden zusammengesessen und seine politische Meinung lautstark verteidigt. Mitten in die Diskussion hinein rief Kurunfula: »Hoch leben alle, die deiner Meinung nach leben sollen, und sterben sollen alle, denen du den Tod wünschst!«

Als sie ihm anbot, sie in ihrer Wohnung – sie lag im vierten Stock des gleichen Gebäudes – zu besuchen, bescherte sie ihm einen prächtigen Empfang. Im Salon standen überall Blumen, der Tisch war reich gedeckt, und der Plattenspieler spielte Tanzmusik.

»Er liebt mich, das musst du mir glauben«, erklärte sie mit fester Stimme. »Er weiß nur nicht, wie sehr ich ihn liebe.« Mit leisem Groll in der Stimme fügte sie hinzu: »Es könnte durchaus sein, dass er eines Tages geht und nicht wiederkommt.« Sie zuckte mit den Schultern und murmelte: »Es ist die alte Geschichte. Warum sollte es auch mal etwas Neues geben?«

»Wenn du schon alles weißt, musst du dich entschließen, deinen Weg allein zu gehen.«

»Dummes Gerede, hört sich an wie eine dieser blöden Weisheiten fürs Leben.«

Ich schmunzelte. »Vielen Dank, stellvertretend für alle Lebenden.«

»Er ist unglaublich ernst und großzügig. Zum ersten Mal habe ich jemanden gefunden, der sich für mein Projekt begeistert.«

»Wie bitte? Was für ein Projekt?«

»Ich will meine Memoiren schreiben. Das ist für mich zu einer fixen Idee geworden. Wenn daraus bisher nichts geworden ist, dann deshalb, weil ich nicht gut genug schreiben kann.«

»Interessiert er sich denn für Kunst und Geschichte?«

»Absolut, aber es soll ja nicht nur darum gehen. Ich will auch über die geheimen Seiten des Lebens schreiben, über die Beziehungen von Männern und Frauen in unserer Gesellschaft.«

»Menschen aus der Vergangenheit?«

»Und der Gegenwart.«

»Skandale und Ähnliches?«

»Sicher werden auch ein paar Skandale vorkommen, aber darum geht es mir nicht. Ich will ein ernsthaftes Buch schreiben.«

»Das könnte gefährlich werden«, warnte ich.

»Wenn es veröffentlicht wird, gibt es einen Aufstand«, erklärte sie stolz.

Ich musste lachen. »Tja, wenn …«

Sie verzog das Gesicht. »Der erste Teil lässt sich bestimmt ohne Schwierigkeiten veröffentlichen.«

»Toll, und den zweiten Teil verschiebst du auf unbestimmte Zeit?«

»Meine Mutter ist neunzig Jahre alt geworden«, sagte sie verschmitzt.

»Ich bete zu Gott, dass du auch so alt wirst, Kurunfula.«