Echo meines Lebens - Nagib Machfus - E-Book

Echo meines Lebens E-Book

Nagib Machfus

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Beschreibung

In dieser Sammlung fängt Nagib Machfus Momente und Gedanken ein, die ihn sein Leben lang schon beschäftigen. Die Erinnerungen an entscheidende Augenblicke, an verpasste Gelegenheiten, an falsche, unumkehrbare Entscheidungen, stehen neben Aphorismen sufistischer Weisheit. Machfus begegnet bei der Versenkung in die Vergangenheit noch einmal seiner ewigen Sehnsucht nach Liebe; Trauer und Ironie wechseln sich ab mit den Gedanken an die Quellen der Freude. Diese Skizzen erinnern an Pascals Pensées. Das Echo dieses Lebens zeigt einmal mehr, dass Machfus nicht nur ein grandioser Geschichtenerzähler ist, sondern ein heiterer Philosoph, der mit einem lachenden, aber auch scharfen Auge von den Verwirrungen im Leben schreibt, vom Alter, Tod und der Vergänglichkeit des Glücks.

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Seitenzahl: 181

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Über dieses Buch

Das Echo dieses Lebens zeigt einmal mehr, dass Nagib Machfus nicht nur ein grandioser Geschichtenerzähler ist, sondern ein heiterer Philosoph, der mit einem lachenden, aber auch scharfen Auge von den Verwirrungen im Leben schreibt, vom Alter, Tod und der Vergänglichkeit des Glücks.

Zur Webseite mit allen Informationen zu diesem Buch.

Nagib Machfus (1911–2006) gehört zu den bedeutendsten Autoren der Gegenwart und gilt als der eigentliche »Vater des ägyptischen Romans«. Sein Lebenswerk umfasst mehr als vierzig Romane, Kurzgeschichten und Novellen. 1988 erhielt er als bisher einziger arabischer Autor den Nobelpreis für Literatur.

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Nadine Gordimer (1923-2014) beschreibt in Romanen und Erzählungen die Lebenswirklichkeit der schwarzen und weißen Afrikaner und prangert Apartheid und Rassismus an. 1991 wurde sie mit dem Nobelpreis für Literatur ausgezeichnet.

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Doris Kilias (1942–2008) arbeitete als Redakteurin beim arabischen Programm des Rundfunks Berlin (DDR). Nach der Promotion war sie als freie Übersetzerin tätig.

Zur Webseite von Doris Kilias.

Dieses Buch gibt es in folgenden Ausgaben: Taschenbuch, E-Book (EPUB) – Ihre Ausgabe, E-Book (Apple-Geräte), E-Book (Kindle)

Mehr Informationen, Pressestimmen und Dokumente finden Sie auch im Anhang.

Nagib Machfus

Echo meines Lebens

Erinnerungen

Aus dem Arabischen von Doris Kilias Mit einem Nachwort von Nadine Gordimer

E-Book-Ausgabe

Unionsverlag

HINWEIS: Ihr Lesegerät arbeitet einer veralteten Software (MOBI). Die Darstellung dieses E-Books ist vermutlich an gewissen Stellen unvollkommen. Der Text des Buches ist davon nicht betroffen.

Impressum

Dieses E-Book enthält als Bonusmaterial im Anhang 6 Dokumente

Die arabische Originalausgabe erschien 1994 unter dem Titel Asda’ as-Sira adh-Dhatiya in Kairo.

Das Nachwort von Nadine Gordimer erschien 1996 unter dem Titel The Dialogue of Late Afternoon in The American University in Cairo Press.

Originaltitel: Asda’ as-Sira adh-Dhatiya (1994)

© by Nagib Machfus 1994

© für das Nachwort by Nadine Gordimer 1997

© by Unionsverlag, Zürich 2022

Alle Rechte vorbehalten

Umschlag: © by Hassouna Mosbahi

Umschlaggestaltung: Heinz Unternährer

ISBN 978-3-293-30582-3

Diese E-Book-Ausgabe ist optimiert für EPUB-Lesegeräte

Produziert mit der Software transpect (le-tex, Leipzig)

Version vom 27.06.2022, 20:26h

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Inhaltsverzeichnis

Cover

Über dieses Buch

Titelseite

Impressum

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Inhaltsverzeichnis

ECHO MEINES LEBENS

GebetTrauerEine alte VerpflichtungVersetzungWegscheidenDie schöne ZeitVergesslichkeitDer SängerVor MorgendämmerungGlückMusikFröhlichkeitBotschaftKlageDie EingebungDie heiß begehrte TätigkeitBewegte BilderGerechtigkeitVor langer ZeitGestaltenDer Zug ins UnbekannteDas Sultans-BadStrafeDie Chance des LebensWeit geirrtEin Brief, der nie geschrieben wardDer letzte BesuchLailaErbarmenSucheFrage und AntwortHerausforderungDer MillimLachtränenDialogDer BettlerEinsamkeitGeburtstagEine Frage nach dreißig JahrenEin Gesicht aus vergangenen ZeitenRegenDer Mann der StundeDie ZauberinMühsal des WegsEin Mann und sein GeheimnisEin Mann will einen Platz reservierenEin GeschenkDas goldene GrabDer BriefRufErsehnte VerheißungVersinkenReueLobpreis GottesRatschlagDie LektionDie Nacht des SchicksalsFlüstern im MorgengrauenTrennungDie dumme AlteReinheitLebenGlückliche ErinnerungIn einem großen RaumMelodieDie VersuchungDer KampfIm RampenlichtTisch der BarmherzigkeitBillardDie PerleGlücklicher ZufallSehnsuchtHingabeDie Stunde der AbrechnungSorglos …Wenn das Gedächtnis scherztRhetorikVerzückungAm Ufer des MeeresDas Geheimnis des RauschesBlendungErinnerungReueKampfDialog am SpätnachmittagReiseDer DuftDas Bleibende und das VergänglicheDer AuftragIm SturmDer GeheimpolizistDer Wind macht, was er willDer Führer und die VerkäuferinErgib dichNach der EntlassungDer FlussGespräch aus der FerneDer philosophische WinzlingDer Anfang der GeschichteDer SeherWenn das Herz klagtDas GeheimnisEssenz einer GeschichteDer leidgeprüfte MannVergebenLachenDie AusleseFrageIm DunkelnStärker als das VergessenKörperliches BegreifenAufgang und UntergangDie ÄhnlichkeitDie HausfrauMeine wahre HerrinVon der Zeit gefopptDer Anfang der GeschichteGnadenreicher OrtAbd Rabbuh der VerloreneEine neue BekanntschaftAls sich die Blicke begegnetenWartenDer BeamteKrankheitKlageTanz in den LüftenFerne DüfteDas ewige LebenWillfähriges GehorchenDie Frage nach der WeltDer Gang durchs DunkelZitatDefinitionDie Dame meines HerzensDer Flucht naheWenn, ja wennDer BriefträgerIzrailDie WahlGnadeDie MahnerinIm PferchDas Ende der HeimsuchungMisstrauenDie gute TatGebetDer BräutigamAlleingelassenGrabesstimmeDer Anblick des HerzensBeständigkeitLiebeTodesschelteDie SintflutÜbers HandelnDie schöne ZeitDie zwei TänzerVerfolgungAbd Rabbuh der Verlorene sprachAbd Rabbuh der Verlorene sprachDie ScheuDer GastDie Trauer des LebensVollkommenheitZauberTreue und SchönheitDes Menschen NaturWahre LügenDas WollenWechselseitige LiebeVerständnisBotschaftBegegnung im FinsternSchreien und SeufzenDie FreiheitDas GeheimnisGespräch mit dem TodOptimismusFreies TunTragikomikGeschwindigkeitDer BeraterDer starke GegnerDas MeerDanksagungHerzschlagIch bin die LiebeEinbruchDie Geliebte und die LiebeFluche nichtDie Pflicht zu tröstenDiesseits und JenseitsWenig willkommenGeheimnisDie MitteSchwankendZwei EdelsteineDas täglich BrotGeheimnis über GeheimnisDie letzte ZeitSchau nur hinEin Hauch LiebePredigt im MorgengrauenZeitDer KampfDer UrsprungWahrnehmungDer grüne VogelDer Schlag des HerzensBewegungBereue nichtsGuter AusgangAufschriftGeheimnisse des WeltenraumsDer SeufzerDummheitDer GesangDas JetztDie SchuldVergebungErinnerungDie OaseDer GartenDie EntspannungDialog am SpätnachmittagWorterklärungen

Mehr über dieses Buch

Über Nagib Machfus

Nagib Machfus: Das Leben als höchstes Gut

Nagib Machfus: Rede zur Verleihung des Nobelpreises 1988

Tahar Ben Jelloun: Der Nobelpreis hat Nagib Machfus nicht verändert

Erdmute Heller: Nagib Machfus: Vater des ägyptischen Romans

Gamal al-Ghitani: Hommage für Nagib Machfus

Hartmut Fähndrich: Die Beunruhigung des Nobelpreisträgers

Über Nadine Gordimer

Über Doris Kilias

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Gebet

Ich betete die Revolution an … und war noch keine sieben Jahre alt.

Eines Morgens befand ich mich wieder einmal auf dem Weg zur Schule, bewacht von der Dienerin. Ich schleppte mich voran, als führte man mich ins Gefängnis. Die Hand umklammerte ein Heft, die Augen blickten niedergeschlagen drein, und das Herz war von der Sehnsucht nach Unordnung erfüllt. Ich trug kurze Hosen, und der kalte Wind biss in die nackten Beine. Als wir ankamen, war die Schule geschlossen, und der Hausmeister verkündete mit dröhnender Stimme: »Aufgrund der Demonstrationen findet heute kein Unterricht statt.«

Ein Freudenrausch überfiel mich, trug mich fort an die Gestade des Glücks.

Von tiefstem Herzen betete ich zu Gott, dass die Revolution immerfort währen möge.

Trauer

Zum ersten Mal kehrte bei uns der Tod ein, als meine Großmutter starb. Der Tod war für mich noch etwas Neues, ich hatte nur hier und da davon gehört. Ich kannte die Redewendung, dass der Tod eine Bestimmung war, der man nicht entkam. Aber meinem Empfinden nach war er so weit weg wie der Himmel von der Erde. Die Totenklage riss mich aus dieser Sorglosigkeit, und ich begriff, dass der Tod, ohne dass wir es bemerkt hatten, in jenes Zimmer geschlichen war, wo mir die schönsten Geschichten erzählt worden waren.

Ich kam mir winzig vor, und er war ein Riese. Sein Atem schwebte in allen Räumen, denn jeder redete von ihm, und jeder sprach von dem, was er verhängt hatte.

Ich war es leid, von dem Gerede verfolgt zu werden, und so floh ich in mein Zimmer, um für einen Moment Einsamkeit und Stille zu finden. Aber plötzlich ging die Tür auf, und herein kam das Mädchen mit dem langen schwarzen Zopf. Mitleidig flüsterte es: »Bleib nicht allein.«

Da überfiel mich auf einmal eine Erregung, die mich gewalttätig und wie wahnsinnig machte. Ich packte die Hand des Mädchens. Ich zog es mit aller Kraft, die mir Trauer und Furcht verliehen, an meine Brust.

Eine alte Verpflichtung

Als kleiner Junge wurde ich für ein paar Monate krank. Meine Umgebung war plötzlich auf verblüffende Weise verändert, man behandelte mich anders. Ich lebte nicht mehr in einer Welt von Angst und Schrecken, sondern erfuhr zärtliche Fürsorge. Meine Mutter wich nicht von meiner Seite, mein Vater schaute beim Kommen und Gehen immer bei mir herein, und meine Geschwister brachten mir Geschenke. Kein Geschimpfe und kein Tadel wegen nicht bestandener Prüfungen.

Als ich auf dem Weg der Genesung war, packte mich die Angst, dass ich wieder in die alte Hölle zurückkehren musste. Der Schrecken bewirkte, dass ein neuer Mensch entstand. Ich war entschlossen, dafür zu sorgen, dass man mich weiterhin sanft behandelte und achtete. Sollte Mühe der Schlüssel dazu sein, so musste ich mich eben, koste es, was es wolle, anstrengen. Ich konnte einen Erfolg um den anderen verbuchen, und auf einmal hatte ich lauter Freunde, und alle waren lieb zu mir.

Aber ach, leider ist es nicht immer so, dass von einer Krankheit – wie in meinem Fall – Gutes zu berichten ist.

Versetzung

Inbrünstig flehte er: »Sie sind meine erste und letzte Zuflucht!«

Der Alte meinte lächelnd: »Sie haben also ein neuerliches Anliegen.«

»Bei der nächsten Runde ist meine Versetzung aus dem Distrikt vorgesehen.«

»Entspricht das nicht der gesetzlich vorgeschriebenen Zeit? So sind eben die Gepflogenheiten.«

Unterwürfig winselte er: »Aber wenn ich jetzt ausscheide, so entsteht großer Schaden für mich und meine Familie.«

»Ich habe Ihnen bereits am ersten Tag Ihres Dienstes die Bedingungen erklärt.«

»Aber der Distrikt ist für uns alle zu einem Stück Heimat geworden, das ich nicht mehr missen möchte.«

»Das sagen alle, die ehemaligen wie die künftigen Kollegen, dabei wissen Sie ganz genau, dass der Zeitpunkt des Ausscheidens weder vorzuziehen noch hinauszuschieben ist.«

Bekümmert seufzte er: »Was für eine grausame Erfahrung!«

»Warum haben Sie sich nicht darauf eingestellt, wenn Sie doch wussten, dass dem Schicksal keiner entkommt?«

Wegscheiden

Bei uns zu Hause wohnte die Mutter vom Bek. Bis heute weiß ich nicht, wie sie wirklich hieß. Für mich war sie Tante Umm al-Bek. Wann immer ich ein wenig mehr Taschengeld brauchte und zu ihr ins Zimmer schlich, saß sie verschleiert auf dem Kanapee und ließ die Gebetskette durch die Finger gleiten. Gelegentlich hielt vor unserem kleinen Haus ein Auto, aus dem der Bek stieg. Er war klein, Respekt einflößend, würdevoll. Er ging zu seiner Mutter, küsste ihre Hand und empfing ihren Segen.

Seine Besuche verbreiteten im Haus so etwas wie Freude und Glanz, und mir brachte er immer eine Schachtel Bonbons mit.

Es gab noch einen anderen Mann, und er besuchte Umm al-Bek jeden Freitag. Er war das getreue Abbild des Bek, nur dass er mit Gilbab, Holzschuhen und weißem Baumwollkäppchen bekleidet war und sein Gesicht Armut verriet. Die Tante begrüßte ihn überschwänglich und bot ihm den besten Platz an, dicht neben ihr.

Ich fand das alles sehr verwirrend.

Meine Mutter hatte mich gewarnt, während des Besuchs dieses Mannes im Zimmer der Tante zu spielen. Schließlich kam sie nicht umhin, mir eine Erklärung zu geben. »Er ist ihr Sohn«, flüsterte sie.

Verblüfft fragte ich: »Ein Bruder vom Bek?«

»So ist es, und du verhältst dich ihm gegenüber mit ebenso viel Respekt wie dem Bek gegenüber.«

Von da an machte mich der Mann neugieriger als der Bek.

Die schöne Zeit

Unter den Jungens in unserer Straße, die alle zwischen acht und zehn Jahre alt waren, gab es einen, der kräftiger als die anderen war und seine Muskeln mit Gewichtheben trainierte. Er war barsch, grobschlächtig, boshaft und beim geringsten Anlass bereit, sich zu schlagen. Kein Tag verging in Frieden und ohne Prügelei, und niemand von uns entging seinen Schlägen. Mehr und mehr war er für uns zum quälenden Schreckensbild geworden. Ach, wie groß war unsere Freude, als wir erfuhren, dass seine Familie aus dem Viertel ausziehen wollte. Wir hatten tatsächlich das Gefühl, ein neues Leben zu beginnen, eins, das von nun an aus Freundlichkeit, Frohmut und Frieden bestünde. So ganz verschwand er nicht aus unserem Leben, denn er machte den Sport zum Beruf, zeigte große Leistungen und gewann mehrere Meisterschaften. Schließlich musste er wegen einer Herzkrankheit aufgeben. Alter und Distanz trugen das Ihrige dazu bei, ihn zu vergessen.

Ich saß in einem Café in al-Hussain, als ich ihn plötzlich eintreten sah – alt und schwach.

Er sah mich an, erkannte mich, lächelte und setzte sich unaufgefordert an meinen Tisch. Er machte einen aufgeregten Eindruck; nicht lange, und er begann die vielen Jahre aufzuzählen, die seit damals vergangen waren. Er fragte nach den Familien und Freunden, an die er sich noch erinnern konnte, und dann seufzte er tief und fragte versonnen: »Denkst du nicht auch gern an die schöne Zeit zurück?«

Vergesslichkeit

Wer war dieser Alte, der jeden Morgen das Haus verließ und zügig seine Strecke lief, bis er nicht mehr konnte?

Es war der Scheich der Schule, der Arabisch unterrichtet hatte und seit mehr als zwanzig Jahren pensioniert war.

Fühlte er sich schlapp, setzte er sich auf den Bordstein oder eine Gartenmauer. Er stützte sich auf seinen Stock und wischte sich mit einem Zipfel des wallenden Gilbabs den Schweiß ab. Man kannte ihn im Viertel, die Leute liebten ihn, aber höchst selten sprach ihn jemand an. Denn er hatte alles vergessen – die Familien der Gasse, die Nachbarn, die Schüler und die Grammatikregeln.

Der Sänger

Mein Herz hing an diesem hübschen Jungen. Er stand mitten im Viertel und sang mit schmelzender Stimme: »Ach, kommt die Schöne …«

Im Nu zeichneten sich durch die Ritzen der Fensterläden die Umrisse der Frauen ab, und die Augen der Männer versprühten Funken.

Fröhlich zog der Junge weiter, doch seiner Spur folgten Seufzer, die von der Sehnsucht nach Liebe und Tod sprachen.

Vor Morgendämmerung

Sie hockten auf dem Kanapee, hatten die Nacht bei freundlichem Gespräch verbracht: die siebzigjährige Witwe und ihre fünfundachtzigjährige Schwiegermutter. Vergessen war die lange Zeit, die von Eifersucht, Groll und Abneigung erfüllt gewesen war. Wohl hatte der Verstorbene vermocht, gegenüber den Menschen Gerechtigkeit walten zu lassen, aber was Frau und Mutter betraf, war er dazu genauso wenig imstande gewesen, wie sich aus Streitereien herauszuhalten. Kaum war der Mann verschieden, vereinigte beide Frauen zum ersten Mal das gleiche Gefühl: die tiefe Trauer um den Verstorbenen.

Das Alter besänftigt den Trotz und verleiht dem Menschen einen Anflug von Weisheit. Aus tiefstem Herzen sprach die Schwiegermutter ein Gebet für die Witwe und ihre Nachkommen, auf dass ihnen Gesundheit und ein langes Leben beschert sein möge. Und die Witwe flehte zu Gott, er möge der anderen noch viele Jahre schenken, um sie selbst nicht in Einsamkeit und Trostlosigkeit zu stürzen.

Glück

Nach langer Zeit kehrte ich in die alte Straße zurück, um an einem Begräbnis teilzunehmen.

Nichts fand sich von dem goldenen Bild, das des Erwähnens wert war.

Anstelle der früheren Villen ragten auf beiden Seiten hohe Gebäude empor, und Autos, Staubwolken und Menschenmassen drängten sich zuhauf.

Mit Wehmut erinnerte ich mich daran, wie prächtig diese Straße einmal ausgesehen und wie angenehm es hier nach Jasmin geduftet hatte.

Ich erinnerte mich an jene Schöne, von deren Strahlen, kaum dass sie sich am Fenster zeigte, ein Glanz auf die Vorübergehenden fiel; wo war das glückliche Grab, das sie in dieser Stadt der Sterbenden aufgenommen hatte?

Der Satz eines weisen Freundes fällt mir wieder ein: Die Liebe ist nichts als eine ständige Übung, die dennoch nur denen hilft, die von Glück beschieden sind.

Musik

Ein Mann stellte sich mir in den Weg, streckte lächelnd die Hand aus, und während ich sie schüttelte, überlegte ich, wer dieser Alte wohl war. Er zog mich auf den Bürgersteig und fragte: »Hast du mich vergessen?«

Verstört murmelte ich: »Verzeih, aber es muss wohl lange her sein.«

»Wir waren in der Grundschulzeit Nachbarn, und weil ich eine schöne Stimme hatte, habe ich euch in den Pausen immer etwas vorgesungen. Du mochtest am meisten die Muwaschschach-Lieder.«

Schließlich gab er verzweifelt auf. Er reichte mir wieder die Hand und erklärte: »Ich will dich nicht länger aufhalten …«

Wie kann man, frage ich mich, etwas so sehr vergessen, dass es ans Nicht-Sein reicht, ja, praktisch nie existent war. Aber eins stimmte: Ich liebte die Muwaschschachs, und ich höre sie noch immer besonders gern.

Fröhlichkeit

Sie schaute mich aus schwachen, trüben Augen an. Ein bitterer, klagender Blick, der mir das, was die Zunge nicht sagen konnte, enthüllen wollte.

Ich kam zu Besuch, das Zimmer war leer.

Die Haut war rissig, die Knochen traten hervor, der Leib verströmte den Geruch des Todes – ach du, Gefährtin unvergesslicher Spiele.

All meine Kindheit war von deinen hübschen Späßen erfüllt. Dein einziger Makel war, dass du beim Fröhlichsein kein Maß kanntest.

Ja, das war es, maßlose Fröhlichkeit.

Botschaft

Beim Aufräumen der Bibliothek entdeckte ich hinter einer Buchreihe eine trockene Rose mit brüchigen Blättern. Ich lächelte. In die Verliese einer weit zurückliegenden Vergangenheit fiel ein flüchtiges Licht, und dem Klammergriff der Zeit entglitt ein Sehnen, dem fünf Minuten Leben vergönnt war.

Den trockenen Blättern entströmte ein Duft, der etwas zu flüstern schien.

Ein Satz des weisen Freundes fiel mir ein: Die Grausamkeit des Gedächtnisses enthüllt sich dann, wenn die Erinnerung offenbart, was im Vergessen ruht.

Klage

Ich mühte mich ab, mit dem Dolchstoß, den ihr Verrat mir zugefügt hatte, zurechtzukommen. Da sagte der weise Freund: »Du bist nicht der Erste, der unter Trennung zu leiden hat.«

»Aber gebührt dem Alter nicht Respekt?«, fragte ich.

»Dass ein Liebender sich leicht täuscht, ist eine alte, übliche Geschichte.«

Ich stellte mich unter den Blaugummibaum und beobachtete aus der Ferne das Vergnügungslokal.

Sie saß auf der Terrasse, und der starke Reiz, der von ihr ausging, sprach davon, dass ihr weder Alter noch Zerfall etwas anhaben konnten.

Ein Blick streifte mich, so gleichgültig, dass ich mir sagte, sie würde ihren Entschluss nicht ändern. Einsam hatte ich das Leben begonnen, einsam würde ich zurückkehren.

Die Eingebung

Ich saß im großen Trauerzelt und wartete auf das Leichenbegängnis. Erinnerungen an die alte Zeit senkten sich herab.

Die Männer von damals kamen, setzten bedächtig Schritt für Schritt. Bei jedem von ihnen hatte die Erde gebebt, wenn der Fuß den Boden berührte. Verlorene Greise, an die sich keiner erinnerte.

Dann traten die Nachfahren ein, und die Erde dröhnte unter der Wucht der Schritte. Ihr fester Blick sagte, dass sie Raum und Zeit beherrschten.

Endlich war es so weit: Die Totenbahre erschien hoch oben und entschwand, über allen schwebend.

Die heiß begehrte Tätigkeit

Endlich bekam ich eine Audienz beim Direktor, eine Gunst, die mir einige angesehene Männer mit Mühe und Fürsprache verschafft hatten. Er warf einen letzten Blick auf die Empfehlungsschreiben, die ich vorgelegt hatte, und dann sagte er: »Sie werden geschätzt, sogar sehr, aber bei der Prüfung entscheidet hier einzig und allein das Recht.«

Zaghaft warf ich ein: »Ich bin voll und ganz darauf eingestellt.«

»Dann kann ich Ihnen nur Erfolg wünschen.«

»Und wann wird der Termin sein?«, fragte ich ungeduldig.