Der Tag der Verdammnis - David Gerrold - E-Book

Der Tag der Verdammnis E-Book

David Gerrold

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Beschreibung

Die Bio-Invasion ist nicht aufzuhalten

Die chtorranische Bio-Invasion hat bereits große Teile Nordamerikas verseucht. Die riesigen roten Würmer tauchen zu Hunderten auf und verschlingen alles, was sich ihnen in den Weg stellt. Chtorranische Pflanzen und Bakterien machen ganze Staaten unbewohnbar. Die von vorangegangenen Seuchen stark dezimierte Bevölkerung zieht sich in die Küstenregionen zurück. Auch die Armee und ihre Spezialeinheiten sind machtlos. Sie bombardierten Chtorr-Kolonien mit Atomwaffen – doch nach dem Angriff sind mehr Würmer da als vorher. Die Alien-Ökologie gibt immer neue Rätsel auf, und die Hilflosigkeit der Menschen wird immer deutlicher. Es scheint nur eine Frage der Zeit, bis die Invasoren die Erde beherrschen. Die Wissenschaftler um Jim McCarthy sehen nur noch eine Möglichkeit: sie wollen versuchen, mit den Aliens zu kommunizieren. Vielleicht ist eine Koexistenz möglich …

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Seitenzahl: 643

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DAVID GERROLD

DER TAG

DER VERDAMMNIS

Roman

Das Buch

Die chtorranische Bio-Invasion hat bereits große Teile Nordamerikas verseucht. Die riesigen roten Würmer tauchen zu Hunderten auf und verschlingen alles, was sich ihnen in den Weg stellt. Chtorranische Pflanzen und Bakterien machen ganze Staaten unbewohnbar. Die von vorangegangenen Seuchen stark dezimierte Bevölkerung zieht sich in die Küstenregionen zurück. Auch die Armee und ihre Spezialeinheiten sind machtlos. Sie bombardierten Chtorr-Kolonien mit Atomwaffen – doch nach dem Angriff sind mehr Würmer da als vorher. Die Alien-Ökologie gibt immer neue Rätsel auf, und die Hilflosigkeit der Menschen wird immer deutlicher. Es scheint nur eine Frage der Zeit, bis die Invasoren die Erde beherrschen. Die Wissenschaftler um Jim McCarthy sehen nur noch eine Möglichkeit: sie wollen versuchen, mit den Aliens zu kommunizieren. Vielleicht ist eine Koexistenz möglich …

Der Autor

David Gerrold wurde am 24. Januar 1944 als Jerrold David Friedmann in Chicago geboren. Er studierte Theaterwissenschaften in Los Angeles und schloss 1967 mit einem B.A. ab. Am 8. September 1966 sah er die erste Folge der TV-Serie Star Trek im Fernsehen und war so begeistert, dass er Produzent Gene L. Coon einen Entwurf für eine Doppelfolge schickte, die dieser allerdings ablehnte. Coon erkannte jedoch Gerrolds Talent und bat ihn um weitere Ideen. Eine davon war »Kennen Sie Tribbles?«, die für den Hugo Award nominiert wurde und heute eine der beliebtesten Star-Trek-Episoden ist. Nachdem er einige Kurzgeschichten in Magazinen veröffentlicht hatte, schrieb Gerrold zusammen mit Larry Niven seinen ersten Roman, die SF-Humoreske »Die fliegenden Zauberer«. Anfang der Siebzigerjahre folgten die hochgelobten Romane »Ich bin Harlie« und »Zeitmaschinen gehen anders«, die heute zu den Klassikern des Genres gehören. In den Achtzigern begann Gerrold mit seinem Chtorr-Zyklus, an dem er bis heute arbeitet. Daneben schreibt er weiter Drehbücher, unter anderem zu der für den Nebula-Award nominierten Star-Trek

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Titel der Originalausgabe

A DAY FOR DAMNATION

Aus dem Amerikanischen von Heinz Nagel

Überarbeitete Neuausgabe

Copyright © 1984 by David Gerrold

Copyright © 2017 der deutschsprachigen Ausgabe by

Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Covergestaltung: Das Illustrat, München

Für die McCaffreys,

Anne,

Gigi,

Todd

und Alec,

alles Liebe

Ich danke:

Dennis Ahrens

Morrie Bennet

Seth Breidbart

Jack Cohen

Diane Duane

Richard Fontana

Bill Glass

Harvey und Johanna Glas

David Hartwell

Robert und Ginny Heinlein

Don Hetsko

Karen Malcor

Henry Morrison

Jerry Pournelle

Rich Sternbach

Tom Swale

EINS

Der Chopper sah aus wie ein Güterwaggon mit Flügeln, nur größer. Er hockte mitten auf der Wiese wie eine trächtige Sau. Seine Zwillingsrotoren kreisten träge und erzeugten dabei ein Geräusch, wie wenn man ein Rasiermesser am Lederriemen abzieht. Selbst von hier aus konnte ich sehen, wie das hohe Gras niedergedrückt wurde.

Ich wandte mich vom Fenster ab und sagte zu Duke: »Wo zum Teufel ist das hergekommen?«

Duke sah nicht einmal von seinem Terminal auf. Er grinste bloß und sagte: »Pakistan.« Dabei hörte er nicht einmal mit dem Tippen auf.

»Richtig«, sagte ich. Es gab kein Pakistan mehr, schon seit zehn Jahren nicht mehr. Ich drehte mich wieder zum Fenster herum. Die riesige Maschine war wie ein Dämon. Sie strahlte Bösartigkeit aus. Und ich hatte immer gedacht, die Würmer wären ekelhaft anzusehen. Diese Maschine hatte Düsentriebwerke, die groß genug waren, dass man einen Wagen in ihnen parken konnte. Ihre Stummelflügel sahen aus wie die Schultern eines Ringers.

»Du meinst, der sei für den Pakistankonflikt gebaut worden?«, fragte ich.

»Nee. Der ist letztes Jahr gebaut worden«, korrigierte Duke. »Aber die Konstruktion stammt noch von damals. Warte mal ...« Er beendete seine Tätigkeit am Terminal, schlug die letzte Taste mit großer Geste an und blickte zu mir auf. »Erinnerst du dich an den Vertrag?«

»Sicher. Wir durften keine neuen Waffen mehr bauen.«

»Richtig«, sagte er. Er stand auf, drehte sich um und begann die Blätter aufzuheben, die lautlos, eines nach dem anderen, aus dem Drucker glitten. »Nicht einmal die alten Waffen ersetzen durften wir«, fügte er dann hinzu. »Aber über Forschung oder Entwicklung stand nichts in dem Vertrag, oder?«

Er nahm sich das letzte Blatt, stieß den Blätterstapel auf der Schreibtischplatte zusammen und trat neben mich ans Fenster. »Ja, das muss man wirklich sagen, eine schöne Kriegsmaschine«, sagte er.

»Eindrucksvoll«, gab ich zu.

»Da – zeichne das ab«, meinte er und reichte mir die Blätter. Ich setzte mich an einen Schreibtisch und fing an, mich durch sie hindurchzuarbeiten. Duke sah mir über die Schultern zu und zeigte dabei gelegentlich auf die eine oder andere Stelle, die mir entgangen war. »Yeah«, sagte ich, »aber – wo kommt die Kiste her? Schließlich muss sie doch jemand gebaut haben.«

»Sind deine Kleider maßgefertigt?«, fragte Duke.

»Sicher«, sagte ich, immer noch mit Abzeichnen beschäftigt. »Sind das heute nicht alle?«

»Mhm. Dir ist das heute selbstverständlich. Ein Computer sieht sich dich an, nimmt deine Maße und legt den Zuschnitt entsprechend fest. Ein anderer Computer steuert einen Laser und schneidet das Tuch, und dann näht ein halbes Dutzend Roboter die Stücke zusammen. Wenn die Kleiderfabrik am gleichen Ort ist, kannst du einen neuen Anzug in drei Stunden bekommen.«

»Und?« Ich unterschrieb das letzte Blatt und reichte ihm den Stapel zurück.

Er schob die Papiere in einen Umschlag, verklebte ihn, setzte seine Unterschrift darauf und reichte ihn mir zurück, damit ich ebenfalls unterschreiben konnte. »Und«, sagte er, »wenn wir das mit einem Anzug machen können, warum kann man es dann nicht auch mit einem Wagen oder einem Haus – oder einem Hubschrauber machen? Das ist es, was uns Pakistan eingebracht hat. Wir waren gezwungen, unsere Produktionsverfahren neu zu konstruieren.« Er deutete mit einer Kopfbewegung zum Fenster. »Die Fabrik, die dieses Ding gebaut hat, hat vor den Seuchen Busse hergestellt. Und ich wette mit dir, dass die Konstruktionszeichnungen und die Pläne für die Vorrichtungen und die Ablaufpläne in all den Jahren im selben Bereitschaftszustand erhalten wurden wie unsere nukleare Abschreckungsbrigade. Nur für den Fall, dass man sie irgendwann einmal brauchen würde.«

Ich unterschrieb den Umschlag und reichte ihn ihm zurück.

»Lieutenant«, Duke grinste mir zu, »du solltest dich hinsetzen und unseren Freunden in der Vierten Welt einen Dankesbrief schreiben. Ihr sogenannter ›Sieg der Rechtschaffenheit‹ vor zehn Jahren hat es den Vereinigten Staaten möglich gemacht, für die Reaktion auf die chtorranische Heimsuchung die bestvorbereitete Nation des Planeten zu sein.«

»Ich bin nicht so sicher, dass die das so sehen würden«, bemerkte ich.

»Wahrscheinlich nicht«, pflichtete er mir bei. »In der Vierten Welt herrscht eine gewisse Tendenz zur Paranoia.« Er warf den Umschlag in den Safe und schloss die Tür.

»Also gut«, sagte er, plötzlich wieder ernst. »Der Papierkram wäre erledigt.« Er sah auf die Uhr. »Wir haben zehn Minuten Zeit. Setz dich und mach dich klar.« Er zog zwei Stühle herbei, so dass sie einander gegenüberstanden. Ich nahm den einen und er den anderen. Er nahm sich einen Augenblick Zeit, sein Gesicht zu reiben und sah mich dann an, als wäre ich außer ihm der einzige Mensch, den es noch auf dem Planeten gab. Der Rest der Welt, der Rest des Tages, das alles hörte auf zu existieren. Sich um die Seele kümmern, nannte Duke das. Es hatte Teams gegeben, die das nicht getan hatten, ehe sie hinausgegangen waren, und sie waren nicht zurückgekommen.

Duke wartete, bis er sah, dass ich bereit war, und fragte dann einfach: »Wie fühlst du dich?«

Ich sah in mich hinein. Ich war nicht sicher.

»Du brauchst nicht ins Schwarze zu treffen«, sagte Duke. »Du kannst dich anschleichen. Wie fühlst du dich?«, wiederholte er dann seine Frage.

»Gereizt«, gab ich zu. »Dieser Chopper dort draußen – der wirkt irgendwie beängstigend. Ich meine, ich glaube einfach nicht, dass etwas so Großes fliegen kann.«

»Mhm«, sagte Duke. »Das ist ja sehr interessant. Aber erzähl mir was von James McCarthy.«

»Ich bin ...«, sagte ich etwas verstimmt. Ich wusste, wie man sich klar machte. Man macht seinen Geist von allem klar, das den Auftrag irgendwie beeinträchtigen könnte.

»Da!«, deutete Duke. »Was war das?«

Ich begriff, was er meinte. Ich konnte es nicht verbergen. »Ungeduld«, sagte ich. »Und Verstimmung. Langsam gehen mir diese ganzen Änderungen in der Verfahrensweise auf die Nerven. Und frustriert bin ich auch, weil das Ganze anscheinend überhaupt keinen Unterschied macht.«

»Und?«, drängte er.

»Und«, räumte ich ein, »... manchmal habe ich Angst vor der ganzen Verantwortung. Manchmal möchte ich einfach weglaufen, und manchmal hätte ich Lust, alles umzubringen, was mir vor die Augen kommt.« Und dann fügte ich hinzu: »Manchmal denke ich, ich werde verrückt.«

Als Duke das hörte, blickte er scharf auf, aber sein Telefon summte, ehe er etwas sagen konnte. Er zog es vom Gürtel, drückte den Knopf und herrschte es an: »Fünf Minuten.« Dann legte er es auf den Tisch und sah mich an. »Was meinst du?«

»Nun ... ich bin nicht einmal sicher, ob es echt ist oder nicht«, versuchte ich mich rauszureden.

Duke sah auf die Uhr. »Komm schon, Jim – dort draußen wartet ein Chopper auf uns. Ich muss jetzt wissen, ob du mitkommst oder nicht. Was soll das Geschwätz von wegen ›verrückt‹?«

»Ich hatte da so ... Episoden«, sagte ich.

»Was für ›Episoden‹?«

»Nun, Träume. So etwas Ähnliches. Ich weiß nicht, ob ich dir das überhaupt sagen sollte. Vielleicht sollte ich mich mit Dr. Davidson unterhalten ...«

»Ja, du solltest es mir sagen!« Duke wirkte jetzt verstimmt und ungeduldig. »Weil ich nämlich, wenn du es nicht tust, ohne dich gehen werde.« Er schickte sich an aufzustehen.

Ich sagte schnell: »Ich habe – Dinge gehört.«

Duke setzte sich wieder.

»Und«, fuhr ich fort, »ich hab mich an Dinge erinnert. Meistens, wenn ich schlafe oder nur so döse, aber das sind Dinge, die ich noch nie zuvor gehört oder gesehen habe. Und – das macht einen wirklich ganz wirr. Du weißt doch, dass die meisten Leute in Bildern träumen? Nun, letzte Nacht habe ich Töne geträumt. Eine Symphonie. Es war kalt und gespenstisch. Es klang, als käme es von einer anderen Welt, von einer anderen Existenzebene. Ich dachte, ich läge im Sterben. Dann bin ich schweißgebadet aufgewacht, solche Angst hat es mir eingejagt.«

Duke studierte mich wie ein Vater. Seine Augen blickten scharf.

»Träume, hm? Das ist es also, was dich beunruhigt hat?«

Ich nickte.

Ein paar Augenblicke lang sagte er gar nichts. Er sah weg, zum Fenster hinaus, und dann sah er wieder mich an. »Ich habe die ganze Zeit Träume«, gab er dann zu. »Albträume, um es genauer zu sagen. Ich seh die ganze Zeit die Gesichter von all den Leuten ...« Er hielt mitten im Satz inne. Dann senkte er den Blick und sah seine Hände an. Seine riesigen, zerschlagenen Hände. Ich überlegte, ob ich etwas sagen sollte. Und dann blickte er abrupt wieder zu mir auf und war wieder Duke – und hatte ein paar Bände voll ungesagt gelassen. »Aber ich lass nicht zu, dass mich das aufhält. Jim, hörst du, was ich sage?«

»Mhm. Es ist nur ...«

»Was?«

Es war mir peinlich, es zuzugeben. »Es ist nur, dass ich Angst habe, die Kontrolle über mich zu verlieren«, sagte ich. »Es ist fast so, als ob es Stimmen gäbe – ich meine, wenn ich nur verstehen könnte, was die sagen, würde ich die Antwort wissen und alles würde gut sein. Aber ich kriege das nie ganz mit. Es fühlt sich wie entferntes Flüstern an.« Da. Jetzt war es draußen. Ich wartete auf seine Reaktion.

Duke blickte beunruhigt. Er sah aus, als könnte er die Antwort nicht finden, die er suchte. Wieder sah er zum Fenster hinaus, wo der Chopper stand. Als sein Blick zu mir zurückkam, wirkte er unglücklich.

»Genau genommen«, sagte er, »sollte ich dich jetzt dienstunfähig erklären und eine ärztliche Untersuchung anordnen. Nur dass ich das nicht kann. Ich brauche dich für diesen Einsatz. So wird dieser verdammte Krieg geführt. Es gibt keinen von uns, der nicht ein paar Jahre Erholung verdient hätte. Aber dazu wird es nie kommen. Stattdessen lassen wir uns weiterhin von einer Krise zur nächsten treiben und haben höchstens bei den Verkehrsampeln Zeit, uns darum zu kümmern, dass wir bei Verstand bleiben.« Er studierte mich scharf. »Meinst du, dass du verrückt bist?«

Ich zuckte die Achseln. »Das weiß ich nicht. Jedenfalls glaube ich sicherlich nicht, dass ich normal bin.«

Plötzlich grinste er. »Na also – das ist normal! Niemand auf diesem Planeten ist normal, Jim. Wenn dir das klar ist, bist du nicht verrückt. Erst wenn du anfängst zu behaupten, du wärest bei Trost, sperren wir dich ein.«

Ich blinzelte und zögerte – und dann begriff ich den Witz. Bei Trost sein. Ja, wenn man glaubte, bei Trost zu sein, dann war man das wahrscheinlich nicht. Der Beweis dafür, dass man bei Trost ist, ist eben der, dass man sich fragt, ob man es ist. Darüber zu lange nachzudenken, kann einen natürlich auch verrückt machen.

»Jim«, sagte Duke, »schieb das mal alles für den Augenblick beiseite. Wozu bist du hier? Was ist unser Job?«

»Ich bin hier, um Würmer zu töten. Unser Job ist es, die chtorranische Invasion aufzuhalten. Mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln.«

»Gut«, sagte Duke. »Und jetzt lass mich dir eine andere Frage stellen. Musst du geistig gesund sein oder irgendeinem Standard der ›Normalität‹ entsprechen, um diesen Job zu erfüllen?«

Ich dachte darüber nach. Ich überlegte mir die Antwort. Ganz offensichtlich nicht. »Nein«, sagte ich.

»Gut. Du siehst also selbst, es ist völlig egal, ob du verrückt bist oder nicht. Ich muss nur eines wissen. Kann ich heute auf dich zählen?«

Jetzt war ich mit Grinsen an der Reihe. »Ja, du kannst auf mich zählen.«

»Absolut?«

»Absolut.« Und das meinte ich auch so.

»Gut«, sagte er. »Schnapp dir deine Tasche, und dann gehen wir.«

Ich regte mich nicht von der Stelle. Da war noch etwas. »Äh ...«

»Ist noch etwas?« Er blickte besorgt.

»Mm, eigentlich nicht. Nur eine Frage.«

»Ja, was?«

Ȁh ... Duke Рmit wem machst du

ZWEI

Ich hatte unrecht.

Eine Maschine, die so groß war, konnte sich in die Lüfte erheben.

Sie taumelte zwar wie eine betrunkene Kuh durch die Luft, aber sie flog – und trug genügend Truppen und Gerät, um eine kleine Regierung zu stürzen. Wir hatten drei der am besten ausgebildeten Teams der Special Forces – Duke und ich hatten sie selbst ausgebildet –, einen kompletten Wissenschaftlertrupp und genügend Feuerkraft, um ganz Texas zu grillen (nun, jedenfalls ein großes Stück von Texas).

Ich hoffte nur, dass sich nicht die Notwendigkeit einstellen würde, sie auch einzusetzen.

Ich kletterte nach hinten und setzte mich zu den Männern. Alles Wehrpflichtige. Nur dass man sie nicht mehr so nannte. Der Erlass über allgemeine Dienstverpflichtung war – übrigens zweimal – vom neuen Militärkongress der Vereinigten Staaten neu geschrieben worden. Vier Jahre Dienst in Uniform. Keine Ausnahmen. Kein Aufschub. Keine zivilen Klassifikationen – wegen ›dringend benötigter Fähigkeiten‹. Das hieß ganz schlicht – jeder. Man war von dem Tag an wehrpflichtig, an dem man sechzehn wurde. Und man musste vor dem achtzehnten Geburtstag in Uniform stecken. Sehr einfach.

Um freilich zu den Special Forces zu kommen, musste man darum bitten. Tatsächlich musste man seine Chance sogar fast fordern. Man konnte nicht einfach zu den Special Forces geraten, es sei denn, man wollte dabei sein.

Und dann musste man beweisen, dass man mit dem Job auch klarkommt.

Ich weiß nicht, wie rigoros und hart die Ausbildung war – ich war durch Zufall zu den Special Forces geraten, bevor man die Auswahlkriterien verschärft hatte, und hatte den größten Teil meiner Laufbahn damit verbracht aufzuholen –, aber dass die Ausbildung das entsprechende Ergebnis erzielte, bestätigte mir ein Blick auf dieses Team. Außerdem hatte ich gehört, dass drei Viertel von denen, die mit der Ausbildung anfingen, wieder rausflogen, ehe sie zur Hälfte vorbei war. Das hier waren die Überlebenden. Die Gewinner.

Keiner von ihnen war alt genug, um seine Stimme bei der Wahl abzugeben, und zwei von den Mädchen sahen nicht einmal alt genug aus, um schon Büstenhalter zu tragen. Aber Kinder waren es nicht. Es waren kampferprobte Truppen. Dass von diesen Soldaten noch keiner die Zwanzig überschritten hatte, war Zufall; jedenfalls waren sie der gefährlichste Verein, den die Army der Vereinigten Staaten zusammenbringen konnte. Und das konnte man an ihren Gesichtern ablesen. Sie hatten alle denselben Blick – lauernd, wie eine Schlange, die gleich zustößt.

Sie reichten eine Zigarette herum. Als sie zu mir kam, zog ich auch daran – nicht weil ich eine wollte, sondern weil ich sicher sein wollte, dass sie nicht ›gestaubt‹ war. Nicht dass ich annahm, dass von meinen Leuten welche so dumm waren, aber vorgekommen war es immerhin schon, bei anderen Teams, nicht bei meinem. Die Army hatte einen Fachausdruck für Offiziere, die zuließen, dass ihre Leute high waren, wenn sie in den Kampf gingen; wir nannten sie ›statistics‹.

Das Team redete nicht viel, und ich wusste warum. Das lag an meiner Anwesenheit. Ich war höchstens drei Jahre älter als der Älteste von ihnen, aber ich war der Lieutenant, und das machte mich ›alt‹. Außerdem – sie hatten vor mir Angst. Es ging das Gerücht, dass ich auf einer Wurmjagd einmal einen Mann lebend verbrannt hatte.

Wenn ich sie ansah, kam ich mir auch alt vor. Und ein wenig nachdenklich auch. Diese jungen Leute hier würden auf lange Zeit die letzten auf dem Planeten sein, die sich noch daran würden erinnern können, was eine ›normale‹ Kindheit war.

Sie hätten jetzt auf der Schule sein sollen oder vielleicht das erste Jahr auf dem College, und eigentlich hätten sie jetzt gerade irgendwo eine Turnhalle mit Luftballons schmücken sollen für irgendeinen Schultanz oder sich vielleicht über ihre Arbeiten in globaler Ethik Sorgen machen oder einfach nur irgendwo herumlungern.

Sie wussten, dass das nicht die Art und Weise war, wie die Welt eigentlich laufen sollte. Und das war ganz entschieden nicht die Zukunft, auf die sie sich eingestellt hatten. Aber sie hatte sich eben so entwickelt; es gab einen Job, der erledigt werden musste, und sie waren es, denen die Arbeit zufiel.

Ich respektierte ihren Einsatz.

»Sir?« Das war Beckman, hochgewachsen, schlaksig und dunkel. Ich erinnerte mich, dass seine Familie aus Guam stammte. Ich sah zu ihm hinüber. »Werden wir rechtzeitig für Derby zurück sein?«, wollte er wissen.

Ich überlegte. Wir waren nach Süd-Wyoming unterwegs. Zwei Stunden Flugzeit in beiden Richtungen. Vier Stunden auf dem Boden, höchstens. Derby lief um 21.00 Uhr. T. J. hatte herausgefunden, dass Stephanie aus Hongkong zurückkam. Nun musste er sicher den verschwundenen Roboter finden, ehe Grant das tat. »Sollte klappen«, sagte ich. »Wenn wir bis sechs wieder starten. Nicht später.« Ich sah mir die anderen an. »Könnt ihr euch auch darauf einstellen?«

Sie nickten zustimmend.

»Sicher.«

»Mir soll's recht sein.«

»Dann wollen wir's versuchen.«

Ich grinste. Das war ein Trick, den ich von Duke gelernt hatte. Sei geizig mit deinem Lächeln, so als ob dich jedes ein Jahr deines Lebens kosten würde. Dann reißen sich deine Leute die Ärsche auf, um sich eines zu verdienen.

Sie sahen so begeistert aus, dass ich aufstehen und schnell nach vorne gehen musste, ehe ich zu lachen anfing.

Duke sah mich an, als ich neben ihn trat. »Sind sie okay?«

»Sie sind wegen des verschwundenen Roboters beunruhigt.«

»Hääh?«

»Derby. Das ist eine Serie im Fernsehen.«

»Ich seh mir das Zeug nie an«, sagte er. Er sah auf die Uhr, beugte sich nach vorne und tippte der Pilotin auf die Schulter. »Kannst jetzt Denver anrufen. Sag ihnen, wir haben Punkt Lambda passiert und fliegen weiter. Sie können den nächsten Chopper in Gang setzen.« Und zu mir meinte Duke: »Kannst jetzt anfangen, die Jeeps anzuwärmen. Ich will sofort, wenn wir auf dem Boden sind, die Luke fallen lassen und abfahren. Diese Kiste soll in dreißig Sekunden leer sein.«

»Wird gemacht«, sagte ich.

Das Einsatzgebiet war fast fünfzig Kilometer südlich von Wheatland.

Ein Scout des Büros für Landrückgewinnung hatte es fast zufällig entdeckt. Zum Glück wusste er, was er da vor Augen hatte. Er meldete es, riss seinen Jeep herum und raste, so schnell er konnte, nach Norden. Beinahe hätte er es geschafft. Das Team, das sie ausschickten, entdeckte den umgestürzten Jeep einen Tag später aus der Luft. Ein Suchtrupp schnappte sich die Logplatte des Jeeps, und die Videoaufzeichnung bestätigte den Infektionsherd. Vier Würmer. Drei ›Kinder‹ und ein ›Erwachsener‹. Normalerweise hätte man das Nest binnen achtundvierzig Stunden verbrannt oder gefroren. Nur dass Denver diesmal eine bessere Idee hatte.

Diesmal würden wir eine ganze Chtorranerfamilie lebend einfangen.

Duke und ich bekamen immer die guten Jobs zugeteilt.

DREI

Wir setzten mit einem Ruck auf, der kräftig genug war, um einem die Zähne aus dem Mund fliegen zu lassen. Fast im gleichen Augenblick flog die Hintertür des Choppers auf und die Ausfahrrampe knallte hinaus. Es fühlte sich an, als würde die ganze Kiste in Stücke fliegen. Der vorderste Jeep polterte bereits die Rampe hinunter auf den harten Tonboden von Wisconsin. Die Rollagons polterten dicht dahinter, dann der Rest des Konvois.

Der Jeep an der Spitze drehte sofort nach Norden ab; seine Räder wühlten die lockere Erde auf, und er hinterließ eine dicke Staubwolke. Der Staub verbreitete sich schnell – der Wind war heute kräftig, nicht gerade die besten Wetterbedingungen.

Die anderen sieben Fahrzeuge bogen ebenfalls nach Norden und bildeten eine etwas ausgefranste Diagonallinie auf der Prärie. Ich fuhr mit Duke im Befehlswagen, dem größten der Rollagons. Er sah aus wie ein Landungsboot mit Tausendfüßlerbeinen und Ballonreifen, aber er war gut gefedert und fast bequem. Neben unserem Fahrer hatten wir noch zwei Hilfstechniker und einen Einsatztrupp. Für den Augenblick war das ihr Einsatz. Duke und ich waren nur Ladung. Unsere Aufgabe war es, uns still zu verhalten und uns an den Einsatzort bringen zu lassen.

Uns stand eine ganze Reihe taktischer Bildschirme zur Verfügung. Wir konnten unsere Route auf einer Repräsentativkarte sehen oder auch als farbcodierten Radarscan des umliegenden Terrains. Dann stand uns noch ein Lenkdisplay auf Trägheitsbasis zur Verfügung und zu guter Letzt auch noch Dauerbestätigung durch Satelliten. Als wir noch zwei Kilometer entfernt waren, brachte Duke den Rollagon zum Stehen und schickte die Angriffsfahrzeuge auf ihre Positionen für Umkehrpunkt Kappa; ich setzte einen Skyball ab – eine Luftdrohne –, um uns unser Ziel vor dem Einsatz ein letztes Mal anzusehen.

Das Bild auf dem Schirm kippte und schwankte übelkeiterregend, während der Skyball über den Himmel glitt. Anscheinend bereitete die Navigation bei dem herrschenden Wind Schwierigkeiten. Aber dann wurde es besser, und das Bild stabilisierte sich.

Plötzlich konnte man das Nest auf dem Bildschirm sehen. Es war eine niedrige braune Kuppel mit einem vorgewölbten kreisförmigen Eingang.

»Ein Bilderbuchfall«, sagte ich. »Siehst du das purpurfarbene Zeug außen rum?«

Duke knurrte: »Mir kannst du den Quatsch ersparen.«

Ich nickte, betätigte mich am Tastenfeld und zog die Drohne weiter herunter. Das Bild drehte sich langsam, während der Skyball das Nest umkreiste. Ich drückte den Scanknopf. Das Bild veränderte die Farben: Blau für Kälte, Rot für Hitze, Gelb für dazwischen. Der größte Teil des Bildschirms war Orange. Ich musste die Empfindlichkeit reduzieren.

Jetzt zeigte der Schirm vorwiegend Grün und Gelb. Eine schwache orangefarbene Spur führte zur Kuppel. Oder von ihr weg. Die Spur war wenigstens eine Stunde alt.

Ich sah zu Duke hinüber; sein Gesichtsausdruck war unergründlich. »Sieh dir die Kuppel an«, sagte er.

Wir wussten, dass die Würmer heiß waren, wenn sie aktiv waren, aber wir wussten auch, dass ihre Körpertemperatur dann, wenn sie in den starren Zustand übergingen – gewöhnlich während der heißesten Zeit des Tages –, um bis zu dreißig Grad absinken konnte. Das war der Grund, weshalb die früheren mobilen Sonden ihre Anwesenheit häufig nicht registriert hatten. Die Würmer waren zu kühl gewesen.

Jetzt wussten wir das besser.

Die Würmer gingen tief und wurden kalt. Um das herauszufinden, hatten viele Männer sterben müssen.

Der Skyball ging jetzt ganz tief und dicht heran. Die Kuppel füllte den ganzen Bildschirm. Ich setzte zusätzlich einen Ultraschallscanner ein. Dort war etwas, das stand fest – eine dunkelblaue Masse, über die ein Fleckenmuster sich schnell verändernder Farben zog. Die Masse war groß und weit unter der Oberfläche.

Der Bildschirm sagte, dass sie vier Tonnen wog.

»Eine ausgewachsene Familie«, sagte Duke. »Schaffen wir sie?«

Dasselbe fragte ich mich auch. »Denver sagt, das Gas sei gut. Das hier liegt zwar an der oberen Grenze, aber noch innerhalb.«

»Was hast du für ein Gefühl?«

»Ich sage, wir tun's.«

»Gut«, sagte Duke. »Ich auch.« Er drückte den Knopf an seinem Mikro. »Alle Einheiten. Wir packen's. Wiederhole: Wir packen's. Geht auf eure Endpositionen. Wir gehen es an.«

Damit hatten wir uns festgelegt. Weitere Umkehrpunkte gab es nicht mehr.

Duke beugte sich vor und stieß unseren Fahrer an. »Komm schon – es geht los!« Der riesige Rollagon wälzte sich nach vorne, einen schmalen Hügelkamm hinauf und dann den langen Abhang auf der gegenüberliegenden Seite wieder hinunter.

Ich zog den Skyball in die Höhe und ließ ihn auf Dauerscan um die Kuppel kreisen. Falls der Wärmepegel sich änderte, würde er sofort Alarm geben. Wir würden dann zwischen zehn und neunzig Sekunden Vorwarnzeit haben – das würde von den Würmern abhängen. Ich überprüfte meine Kopfhörer und mein Mikro. Dies war der gefährlichste Teil des Einsatzes. Bei der Anfahrt waren wir sehr verletzbar.

Ich musste diese Kuppel schnell lesen und sagen, ob es sicher war, weiterzumachen. Wenn nicht – wenn ich das für richtig hielt –, hatte ich die Vollmacht, den ganzen Einsatz auffliegen zu lassen. Das war der letzte Umkehrpunkt. Go-NoGo, wie wir das nannten, und ich war der Wurmexperte.

Die Leute redeten sich ein, dass ich irgendeinen unheimlichen ›Wurmsinn‹ besaß. Den hatte ich natürlich nicht – und das Gerücht machte mich nervös. Aber sie wollten das glauben – für sie war das so etwas Ähnliches wie ein Amulett –, also lag mir natürlich auch nicht daran, ihnen die Idee völlig auszureden.

Und außerdem wünschte ich mir irgendwie selbst, dass die Geschichte stimmte. Dann wäre mir bei dem wenigen, was ich wusste, wahrscheinlich wohler gewesen.

Jetzt hatte der Rollagon das flache Land erreicht, und ich stand in meinem Sitz auf, um nach vorne zu spähen. Da war die Kuppel. In natura sah sie täuschend klein aus. Der größte Teil des Nests befand sich unter der Erde. Wie tief die Würmer wirklich manchmal gruben, wussten wir nicht. Es war auch nicht unsere Absicht, einer Familie so viel Zeit zu lassen, dass wir das wirklich herausfinden konnten.

Ich tippte dem Fahrer an die Schulter. »Nahe genug«, sagte ich. »Jetzt ist Spinnenzeit. Den Rest des Weges gehe ich zu Fuß.«

Der Rollagon kam mit einem unsanften Ruck zum Stillstand. Ich setzte mich wieder an meine Tastatur und aktivierte die Spinne – United States Military Spider ARAC 5714, wie die offizielle Bezeichnung lautete.

Neben mir konnte ich hören, wie Duke die Positionen der anderen Fahrzeuge bestätigte, als diese sich rund um die Kuppel postierten. Ich sparte mir die Mühe aufzublicken. Ich wusste, dass die Teams bereits dabei waren, ihre Fahrzeuge zu verlassen, die Brenner bereit. Wir waren acht kleine Inseln des Todes. Priorität Eins: Überleben. Tote Helden gewinnen keine Kriege.

Jetzt leuchtete das grüne Licht. Ich schob die Konsole zurück und zog mir das Kontrollbrett für die Spinne heran. Ich stülpte mir die Brille über den Kopf, wartete darauf, dass meine Augen sich an das andere Bild gewöhnten, und steckte die Hände dann in die Lenkhandschuhe.

Der übliche Moment der Unsicherheit kam und ging, und dann befand ich mich in der Spinne. Ich sah durch ihre Augen nach draußen, hörte durch ihre Ohren, fühlte durch ihre Hände. »Vorwärts«, sagte ich, und das Bild vor meinen Augen bewegte sich nach unten, aus der vorderen Rampe des Rollagons nach draußen, und dann nach vorne auf die ganz ruhig daliegende Kuppel zu.

Mein Gesichtssinn befand sich näher am Boden als ich das gewöhnt war, und meine Augen standen weiter auseinander, so dass alles kleiner wirkte – und die Perspektive war tiefer. Ich brauchte dieses kurze Stück zu Fuß, um mein ›Spinnenbewusstsein‹ aufzufrischen. Ich musste mich einstimmen.

Bei den Militärspinnen handelte es sich um hastig durchgeführte Adaptionen der industriellen Modelle. Diese hier hatte einen Metallkörper, acht dünne Beine – von denen jedes in einem großen, schwarzen Huf endete – und einen Beobachtungsturm. Die Spinne konnte auch noch mit der halben Zahl ihrer Beine funktionieren, wenn die anderen zerstört waren; und jedes zweite Bein funktionierte auch als Arm. In jedem Huf war ein Waldo angebracht, der natürlich über Tastsensoren verfügte. Während der Seuchen hatte man die Spinne weitgehend in Situationen eingesetzt, in die sich Menschen nicht begeben konnten oder wollten. Sie waren in Krankenhäusern sehr nützlich gewesen und in Krematorien. Die Spinnen hatten den größten Teil der Toten eingesammelt.

»Langsamer«, befahl ich. Wir näherten uns jetzt dem Kuppeleingang. »Scan ...«

Das Bild vor mir wanderte das Spektrum hinunter. Die Farben der Gegenstände veränderten sich, veränderten sich dann noch einmal. Wieder Grün und Gelb. Etwas Orange, aber ganz schwach.

»Schallscan ...«, sagte ich und wandte meine Aufmerksamkeit dem Inneren der Kuppel zu. Die große blaue Masse war hier klarer. Fast konnte ich die Umrisse von vier riesigen Würmern ausmachen. Sie waren, falls ich das Bild richtig deutete, in einer kreisförmigen Formation ineinander verschlungen. Und sie waren immer noch kalt.

»Nun?«, fragte Duke neben meiner Schulter.

»Ein schrecklich hübscher Blauton ist das«, erwiderte ich. »Ja, wir machen's.« Ich gab das Kommando. »Vorwärts.«

Die Spinne betrat die Kuppel.

Nach rechts, dann nach oben, ins Innere der Zentralkammer. Dann zu dem Loch in der Mitte. Kauere dich über das Loch. Sieh nach unten.

Nichts in der unteren Kammer?

Sieh nochmal nach.

Einmal hatte ich den Fehler gemacht, ein zweites Mal werde ich ihn nicht machen.

Die Würmer sind riesig. Es ist schwer, sie als Würmer zu sehen. Sie sehen wie ein riesiger, zottiger Teppich aus.

Scan ...

Immer noch blau.

Ich frage mich, wie es aussieht, wenn sie aufwachen – aber ich werde nicht abwarten, um das herauszufinden.

Düse absenken.

Und Kommando: »Gas!«

Ein zischendes Geräusch.

Die Farbe der Würmer wird dunkler.

Ich zog die Hände aus den Handschuhen und streifte mir die Brille von den Augen. Ich sah Duke an. »Gemacht«, sagte ich.

Duke grinste und schlug mir auf die Schulter. »Gute Arbeit.« Er wandte sich dem Kommunikationstechniker zu. »So, und jetzt hol den Chopper her. Wir sind in dreißig Minuten zum Laden bereit. Der Bulldozer soll auf Position gehen. Sag ihnen, sie sollen die Greifer herrichten und sich auf die Entgiftung vorbereiten. Alle anderen sollen ihre Positionen einnehmen.«

Der Rollagon setzte sich mit einem Ruck wieder in Bewegung; Duke hob die beiden Daumen und grinste mir zu. Er wollte gerade etwas sagen, aber ich hörte es nicht. Am Himmel knatterte jetzt gerade ein zweiter riesiger Frachtchopper heran. Er klang wie ein kosmischer Presslufthammer – von der Art, wie Gott sie benutzt, um Erdbeben in Gang zu setzen.

Das war die Maschine, die die Würmer nach Denver zurücktragen würde.

VIER

Als wir unsere Position bezogen hatten, sah ich mir die Würmermasse noch einmal auf dem Bildschirm an. Sie waren einfach zu groß. Ich konnte das Gefühl nicht los werden, dass ich im Begriff war, hier einen Fehler zu machen. Vielleicht hätte ich am letzten Umkehrpunkt Nein sagen sollen.

In dem Augenblick fehlte nur wenig daran, dass ich Duke angesprochen hätte, aber dann ließ ich es bleiben. So war das jedes Mal mit mir. Wenn es zu spät war, fing ich an, Zweifel zu bekommen. Dabei war es jetzt völlig ohne Belang, was ich dachte. Wir hatten uns entschieden und konnten nicht zurück. Ich sah mir die Würmermasse ein zweites Mal an, kalkulierte die Gasdosis nach den Massenverhältnissen, die Denver uns mitgegeben hatte, und brachte eine zweite Kapsel zur Detonation. Ich fragte mich, ob zwei die richtige Zahl war, aber lieber tötete ich die Würmer jetzt, als dass sie mir aufwachten, während wir dabei waren, sie zu verladen.

Wir ließen dem Gas volle zehn Minuten Zeit, sich zu entwickeln. Dann sah ich mir den Bildschirm noch einmal an – die Würmer zeigten die herrlichste Purpurschattierung, die ich je gesehen hatte – und holte die Spinne dann heraus.

Dann zogen wir die Kuppel von ihrem Fundament. Wir verankerten Greifer an ihrem Sockel, befestigten Schlepptrossen an einem Jeep und fuhren langsam zurück. Der ganze Bau riss ab wie ein Stück Schaumstoff. Die Würmer bauten nicht sehr stabil. Das brauchten sie nicht.

Wir mussten es zweimal machen; die Kuppel zerfetzte zu leicht. Ich kam mir wie ein Eindringling vor, wie ein Vandale. Wir mussten sie in Stücken abreißen und anschließend auch noch das obere Stockwerk.

Das war schwieriger. Wir mussten im Boden kleine Sprengladungen anbringen, um ihn zu zerreißen. Er bestand aus demselben Material wie die Kuppelwände, war aber dichter, etwa so stark wie Industriekevlar. Das musste er schließlich auch sein, um das Gewicht einer gesunden Familie zu tragen.

Die Würmer bauten ihre Nester, indem sie Bäume zerkauten und Schaum ausspuckten. Offenbar konnten sie die Mischung genügend variieren, um aus denselben Grundbestandteilen sowohl leichte, durchscheinende Wände als auch schwere Hartholzböden herzustellen. Ein netter Trick.

Als schließlich die untere Hälfte des Nests offen dalag, stellte sich ein Augenblick des ... Zögerns ein. Die Teams – Männer wie Frauen – versammelten sich stumm um den Nestrand und blickten auf die jetzt frei daliegenden Würmer hinunter.

Sie waren riesig. Bloß von den Bildern auf dem Schirm zu wissen, dass sie riesig waren, war nicht das gleiche, als wenn man sie tatsächlich körperlich vor sich sah. Selbst der Kleinste war einen Meter dick und drei Meter lang. Der ›Erwachsene‹ war allein vom Kopfansatz an zwei Meter hoch und insgesamt zweimal so lang wie das Baby. Jetzt wünschte ich mir, ich hätte ihnen eine dritte Gaskapsel verpasst.

Die Würmer waren ineinander verschlungen wie Liebende, Kopf an Schwanz, Schwanz an Kopf, in kreisförmiger Formation. In der unteren Nesthälfte lag Schatten. Trotzdem strahlte ihr Pelz in grellem Rot. Beinahe anziehend sah das aus.

Duke trat neben mich, um sie sich auch anzusehen. Sein Gesichtsausdruck wirkte angespannt, aber er sagte nichts.

»Sieht so aus, als ob wir eine chtorranische Orgie unterbrochen hätten«, sagte ich.

Duke knurrte bloß.

»Das Baby ist an die dreihundert Kilo schwer«, meinte ich. »Papa Bär wahrscheinlich tausend.«

»Mindestens«, sagte Duke. Ihm gefiel das nicht, das erkannte ich. Er war zu schweigsam.

»Zu groß?«, fragte ich.

»Zu teuer«, brummte er. »Was du da siehst, kostet fünfzehn Kühe die Woche. Das ist eine ganze Menge Hackfleisch.« Er klickte mit der Zunge und wandte sich ab. »Also«, schrie er, »an die Arbeit! Hinunter mit euch!« Er deutete auf einen Mann mit Kopfhörer. »Sag dem Chopper, er soll die Seile runterlassen. Los jetzt.«

Beim Laden gab es ein Problem.

Wir fingen mit dem Baby an. Ein Trupp stieg in die Grube hinunter, während die zwei anderen Teams oben mit Flammenwerfern, Bazookas und Leuchtspurmunition bereitstanden. Der Wurm war zu groß, um ihn einfach in eine Schlinge hineinzurollen. Man musste ihn anheben, um die Plane unter ihm durchzuziehen.

Der Trupp in der Grube schob schnell eine Anzahl Stäbe aus rostfreiem Stahl unter den kleinsten Wurm und bildete daraus ein Gitterwerk aus Längs- und Querstreben. Anschließend verbanden sie sie an den Enden mit zwei längeren Stangen, die längs neben den Wurm gelegt wurden. Jetzt ruhte das Baby auf einem leiterförmigen Bett.

Der Chopper war unterdessen bereits dabei, klappernd und ratternd darüber Position zu beziehen, wobei er uns mit Wind und Lärm peitschte. Die Kabel sanken bereits herunter. Das Team versuchte gar nicht erst, die freihängenden Enden zu schnappen – vielmehr warteten sie, bis die Trossen den Boden berührten und etwas durchhingen. Dann schnappten sie sich die Kabel und rannten, um sie an der Leiter unter dem Wurm zu befestigen. Beckman gab mit dem Daumen nach oben ein Zeichen, und der Chopper begann, die Kabel anzuziehen. Sie spannten sich sichtbar. Die Leiter zitterte und begann sich zu heben.

Einen Augenblick lang leistete der Wurm Widerstand – er war einfach nur ein Sack aus scharlachrotem Pudding –, dann wurde die Verbindung zu den anderen Würmern unterbrochen und der Wurm in die Luft gehoben.

Und in dem Augenblick fing jeder Wurm in der Grube an, sich zu bewegen.

Papa Wurm grunzte unruhig. Die anderen beiden zirpten und brummten. Aber Baby Wurm war der schlimmste. Er wand sich, als empfände er Schmerz und gab einen langgezogenen Klagelaut von sich. Er ringelte sich und richtete sich auf wie ein Regenwurm, den man auseinandergeschnitten hat. Die Leiter schwankte gefährlich. Die Kabel ächzten. Und dann riss er plötzlich die Augen auf. Sie waren riesengroß und schwarz und rund – sie schoben sich hin und her, nicht fokussiert, ohne etwas zu sehen.

Das Team sprang zurück, presste sich gegen die Nestwand.

»Nicht schießen!«, schrie ich. »Nicht schießen, verdammt noch mal!« Irgendwie schaffte ich es, mir trotz des Lärms Gehör zu verschaffen. »Der ist immer noch bewusstlos! Das sind automatische Reaktionen!«

Tatsächlich war das Baby bereits dabei, sich wieder zu beruhigen. Seine Augen glitten zu, und es ringelte sich – versuchte, sich zu ringeln – zu einem angeschwollenen roten Ball zusammen, immer noch über dem Nestboden hängend.

»O Jesus!«, stieß einer hervor. »Ich kann das einfach nicht ...« Er schickte sich an, aus dem Nest zu klettern. Die zwei Männer, die links und rechts von ihm standen, blickten unsicher ...

Duke ließ ihnen keine Chance, Angst zu haben. Er sprang zu ihnen in die Grube hinunter und fing an, Befehle zu erteilen. »Kommt schon – seht zu, dass ihr diesen Bastard auf die Matte bekommt. Kommt schon, los!« Er packte den Soldaten, der angefangen hatte, in Panik zu geraten, und stieß ihn auf den Wurm zu. »Du fährst mit ihm hinauf, Gomez. Danke, dass du dich freiwillig gemeldet hast.« Gomez bewegte sich in die Richtung, in die Duke ihn gestoßen hatte. Das war sicherer.

»Los jetzt! Bewegt mir diese Matte! Zieht sie darunter! Darunter – verdammt noch mal! Darunter! Gut! So ist's recht!« Duke deutete auf den Kommunikationstechniker oben, immer noch mit den Armen fuchtelnd und schreiend: »Runter! Runter damit!« Und dann wieder zu dem Trupp in der Grube: »So! Und jetzt raus mit den Stangen! Die Kabel befestigen! Los! Verdammt noch mal! Jetzt! Los!«

Die Leute bewegten sich wie die Teufel, lösten die Kabel von den Stangen und befestigten sie schneller an der Plane als Duke fluchen konnte. Sie zogen die Stangen unter dem Wurm heraus und machten schnell Platz. Jetzt spannte sich das Kabel – nur ein wenig, um die Ränder der Plane in die Höhe zu ziehen – und der Wurm hing fest. Jetzt wurden zwei von den Stangen durch Schlaufen geschoben, um den Wurm in einen Kokon aus Stahl und Segeltuch einzubinden, und an den Enden dieser Stangen wurden vier weitere Kabel befestigt. Das war ebenso zu seinem Schutz wie zu dem unseren. Wir wollten die Biester nicht im Inneren des Choppers herumfliegen lassen. Die Würmer würden während des ganzen Fluges angeschnallt hängen bleiben.

»So! Rauf jetzt!«, brüllte Duke und winkte. Das Klappern des Choppers übertönte seine Worte, und der Wind peitschte ihm ins Gesicht. Er sah nicht einmal hin, sondern hatte sich bereits dem nächsten Wurm zugewandt. »Worauf wartet ihr Faulpelze denn? Los, schiebt die Stangen unter ...«

Bei den anderen drei Würmern war es leichter – aber nicht viel.

Wenigstens wussten wir jetzt, dass sie reagierten, wenn wir sie trennten. Aber sie würden nicht aufwachen. Damit kamen wir klar. Die Teams arbeiteten jetzt schneller.

Der Chopper hing grollend und polternd über uns, und wir hoben die Würmer einen nach dem anderen in seine riesige Ladebucht. Die mächtigen Geschöpfe hingen in den ächzenden Trageschlaufen gefährlich durch.

Eine Arbeit, bei der einem übel werden konnte!

Jetzt nahm der Wind zu, und der Chopper begann seitlich abzugleiten. Ich fragte mich schon, ob wir zurückkehren mussten, ohne alle vier einpacken zu können – aber die Pilotin drehte ihre Maschine in den Wind und sagte uns, wir sollten weitermachen. Wer auch immer sie war, sie verstand ihr Handwerk.

Einmal schlug der Wurm in der Schlinge gegen die Nestwand und stöhnte im Schlaf. Ein dunkel-purpurnes Grollen der Verzweiflung. Der Trupp in der Grube drehte sich um, und man konnte die Verwirrung und die Angst in den Gesichtern sehen. Das Monstrum zirpte wie eine weinende Frau, ein erschütterndes Geräusch. Plötzlich war dieses Geschöpf ein Gegenstand des Bedauerns. Dann löste der Wurm sich von der Nestwand und erhob sich schnell in die Luft, und Duke deutete und gestikulierte wieder.

Papa Wurm war der letzte. Als das Monstrum in die Höhe gehoben wurde, spiegelte sich das Licht der Nachmittagssonne in seinem hellroten Fell. Tausend flackernde Farben huschten darüber. Es sah aus wie eine himmlische rosafarbene Aura. Ich musste das einfach bewundern – das war die schönste Farbe, die ich je gesehen hatte ...

Das Geschöpf hob sich in den Himmel wie ein großer, rosafarbener Fesselballon. Ich folgte ihm mit den Augen bis ganz nach oben. Jetzt verschwand er im Bauch des Choppers, und die mächtigen schwarzen Türen schlossen sich mit einem dumpfen Dröhnen.

Duke gab dem Techniker ein Signal, der Techniker sagte etwas in sein Mikrofon, und der Chopper brauste lärmend auf Südkurs davon.

FÜNF

Stephanie blieb in Hongkong, wo plötzlich ein Gespräch mit dem chinesischen Botschafter angesagt worden war, also sagte ihr T. J. nichts von dem Roboter. Grant fand heraus, wer wirklich der Vater des Babys war, und konfrontierte Karen mit der Lüge. Der Roboter blieb verschwunden.

Wie daraus zu entnehmen ist, hatten wir es rechtzeitig geschafft.

Gegen Ende des Stücks kam eine Ordonnanz herein und tippte Duke auf die Schulter. Der stand auf und ging leise hinaus. Ich bemerkte es, folgte ihm aber nicht. Wenn Duke mich brauchte, würde er es mir schon sagen.

Ein paar Minuten später kam die Ordonnanz zurück und tippte mich an. »Duke will Sie sprechen.«

Ich dankte ihr und ging ins Büro hinauf. Duke sah unglücklich aus. Er saß vor seinem Terminal und starrte mürrisch auf den Bildschirm. Seine Hände zögerten über der Tastatur.

»Was ist denn?«, fragte ich.

Er gab keine Antwort, betätigte bloß ein paar Tasten und studierte die neue Anzeige auf dem Schirm mit finsterer Miene.

Ich ging um ihn herum und sah ihm über die Schulter. Er sah sich die Liste von Zielen für den gerade abgeschlossenen Einsatz an.

»Das sind die Alternativziele, Duke. Hast du einen weiteren Einsatz vor?«

Er schüttelte den Kopf. »Nein, ich seh sie mir bloß an.« Er hob die Hände von den Tasten und hielt inne. »Ich weiß nicht, was wir hätten anders machen können. Wir haben die beste Wahl getroffen, die wir konnten.« Er drehte sich herum und sah mich an. »Oder bist du anderer Ansicht?«

»Nein«, sagte ich. »Wir haben das richtige Nest gewählt.« Ich stand da und wartete.

»Was hältst du von der Position Lake Hattie?«, fragte er. »Würdest du empfehlen, dort hinzugehen?«

»Du bist dabei, einen weiteren Einsatz zu planen. Was ist denn passiert? Sind unsere Würmer an dem Gas krepiert?«

»Das würde ich mir wünschen«, sagte Duke bitter. Er lehnte sich in dem Sessel zurück und verschränkte die Arme. »Nein. Das Gas hat zu früh seine Wirkung eingestellt. Sie sind im Chopper aufgewacht. Dreißig Minuten vor Denver.«

»O nein!« Plötzlich überkam mich eine Welle der Schwäche. Ich wollte mich setzen. Mir war übel. Lebende Würmer an Bord eines Choppers?

»Der Chopper ist in den Bergen abgestürzt«, sagte Duke. »Es gab keine Überlebenden.« Er studierte mich ein paar Augenblicke lang, als wüsste er, was ich dachte – und drehte dann seinen Stuhl herum, um durchs Fenster in die finstere Nacht hinauszublicken.

Ich wollte etwas sagen, wusste aber nicht, was. Ich hatte ein Gefühl, als hätte mich jemand mit einer Machete aufgeschlitzt und als würden mir die Eingeweide auf den Boden herausfließen.

Duke sagte: »Falls es das leichter macht – die meinen, es hat etwas mit der Höhe zu tun gehabt.«

»Nein«, sagte ich. »Das macht es nicht leichter.«

Ich ging an den Wasserkühler und füllte einen Plastikbecher. Ich hatte keinen Durst, aber ich musste irgendetwas tun.

Hinter mir sagte Duke: »In der untersten Schublade des Karteischranks ist eine Flasche Scotch. Gib mir auch einen.«

Ich reichte Duke den Becher, fand einen Stuhl und setzte mich ihm gegenüber.

»Ich hab Mist gebaut«, sagte ich. »Ich hätte meinem Instinkt folgen sollen. Ich hab mir diese Würmer angesehen und da war mir, also sollte ich jede Kapsel, die ich in der Spinne mithatte, detonieren lassen. Ich wünschte, ich hätte es getan. Stattdessen habe ich die Anweisungen befolgt.«

»Stimmt«, sagte Duke. »Damit ist es ein Fehler von Denver. Irren ist menschlich. Dem anderen die Schuld zu geben, ist noch menschlicher. Ich bin froh, dass du es so gelassen aufnimmst.«

Ich ignorierte seine Bemerkung. Ich war immer noch damit beschäftigt, die Stücke wieder zusammenzusetzen. Jetzt sagte ich langsam: »Ich befolge die Anweisungen von Denver, weil ich mir gerne einbilde, dass die wissen, was sie tun. Aber das tun sie nicht – in Wirklichkeit tun sie es nicht. Das wissen wir beide!« Ich tat so, als ließe mich das alles kalt, das wusste ich, aber Duke reagierte nicht und versuchte auch nicht, mich daran zu hindern, also ließ ich mich einfach treiben. Ich wollte das alles heraushaben, ehe mir der Dampf ausging. »Das ist einfach verrückt. Die sind von der vordersten Front dieses Krieges so isoliert, dass sie bloß in ihren Theorien und Spekulationen leben. Und auf diese Theorien bauen sie ihre Politik auf. Und wenn das alles wieder bis zu uns durchfiltert, müssen wir hier auf der Basis dieser Politik Entscheidungen über Leben und Tod treffen und hoffen, dass es die richtigen sind. Und manchmal sind sie das auch! Die kriegen das gerade oft genug hin, dass wir ihnen weiter vertrauen.«

»Das habe ich alles schon einmal gehört, das weißt du ja«, sagte Duke. »Keiner von uns ist da originell. Jeder Lieutenant macht das durch.« Er sah auf die Uhr. »Das kommt bei dir genau planmäßig.«

Er tat so, als wäre das alles ein großer Spaß, aber er hatte recht. Natürlich hatte er recht. Schon wieder.

Jetzt war ich verlegen. Ich wusste nicht, was ich sagen sollte und fing an, unsicher zu werden.

Ich sah auf meinen Becher und nahm einen Schluck. »Duke ...« Meine Stimme wurde brüchig. Die Wut war mir ausgegangen; ich kam mir ausgepumpt vor. »Duke«, sagte ich. »Ich bin dabei, es zu verlieren. Wirklich. Jetzt sind das alles Stimmen ohne Sinn. Ich meine, ich, ich weiß nicht, ob ich noch irgendwelche Befehle befolgen kann. Ich meine – wenn sonst auch keiner weiß, was er macht, Duke – und am Ende ich der Bursche bin, der die Verantwortung trägt, dann bin doch auch ich der Bursche, der es genau wissen muss. Und ich weiß, dass es nicht so ist. Also befolge ich Anweisungen – nicht weil das das Sicherste ist, sondern, weil mir nichts Besseres einfällt! Und das läuft einfach nicht. Menschen sterben immer noch, und es ist immer noch meine Schuld. Ich habe die Crew dieses Choppers nicht einmal gekannt! Nicht einmal ihre Namen habe ich gekannt ...«

»Wolfman. Wein.«

»... wie auch immer. Sie sind immer noch tot, und es ist meine Schuld. Ganz gleich, wie du es auch ansiehst, es stinkt einfach.«

»Und ...«, sagte Duke, als wolle er mir damit einen Einsatz geben.

»Und es passt mir nicht!«, endete ich lahm. Ich wünschte, es wäre etwas profunder gewesen, aber wenigstens war es die Wahrheit.

Duke hatte sich meinen Ausbruch stumm angehört; er war die ganze Zeit dagesessen, ohne sich irgendeine Gefühlsregung anmerken zu lassen. Jetzt sah er mich mit einem seltsamen Ausdruck an. »Ich will dir etwas sagen, Jim.« Er holte Atem. »Was dir passt oder nicht, ist unwichtig. Ich weiß, dass es dir nicht einmal passt, dir das anzuhören, aber es stimmt. Ob es dir passt oder nicht, ist am Ende völlig ohne Belang. Die Sache muss einfach erledigt werden. Und dabei werden immer Fehler gemacht werden – wiederum ob es dir passt oder nicht.«

Er zögerte einen Herzschlag lang, als überlegte er seinen nächsten Satz. Jetzt sah er nachdenklich in seinen Becher, und seine Augen waren umschattet. Als er weitersprach, war seine Stimme etwas tiefer. »Ich weiß, dass es einen frustriert. Immer frustriert es einen. Das wird es auch weiterhin. Glaubst du, ich hätte das nicht durchgemacht? Das Ganze hier ist bloß ein neues Pakistan – nur dass ich diesmal weiß, wie dick die braune Sauce ist. Willst du wissen, was wirklich verrückt ist? Fast all unsere Vorgehensweisen sind aus einem Krieg abgeleitet, der vor zwölf Jahren verloren wurde. Das ist das Verrückte. Aber«, er zuckte die Achseln, »es läuft immer wieder auf dasselbe hinaus. Die Sache muss trotzdem erledigt werden.«

»Ich weiß nicht ...«, sagte ich. »Ich meine, ich weiß nicht, ob ich so weitermachen kann.« Ich sah ihn dabei nicht an.

»Jim, sei nicht blöd.« Plötzlich war eine Andeutung von Stahl in seiner Stimme. »Glaubst du denn nicht, dass wir alle das schon einmal durchgemacht haben? Ich. Shorty. Das ist Teil der Verantwortung. Du kommst an den Punkt, wo du Fehler machst. Du kannst nichts dagegen tun. Das gehört mit zum Menschen. Und jetzt werde ich dir das andere sagen. Du hast kein Recht, deine Fehler als Ausrede zum Abhauen zu benutzen.«

»Tut mir leid. Ich sehe das nicht so.«

»Dann übersiehst du etwas sehr Wichtiges. Wenn wir jeden Mann und jede Frau entlassen würden, die je einen Fehler gemacht haben, dann hätten wir in der ganzen Army keinen Offizier mehr übrig. Mich eingeschlossen.«

»Ja, aber meine Fehler kosten Menschen das Leben.«

»Die meinen auch«, sagte er leise. Seine Augen waren jetzt hart und eisig. »Denkst du denn, dass du darauf das Monopol hast?«

Ich gab keine Antwort, ich hatte mich bereits genügend zum Narren gemacht, warum es noch schlimmer machen?

Duke stellte seinen Becher neben sich auf die Schreibtischplatte. »Hör mir zu, Jim. In Wahrheit ist ein jeder Fehler bloß eine weitere Chance, eine Korrektur anzubringen. Das ist keine Keule, mit der man sich selbst schlagen sollte. Nur etwas, um daraus zu lernen. Das einzig echte Versagen ist, wenn man aufgibt. Damit werden Leben vergeudet. Diese Piloten – Wein und Wolfman – die haben das Risiko gekannt. Sie waren bereit, es einzugehen.«

»Sie haben auf mein Urteil vertraut.«

»Und? Das tue ich auch. Und was weiter?«

»Und wenn es nun nächstes Mal du bist?«

Duke zuckte die Achseln. »Ebenso leicht könntest du es sein, Jim. Ich muss dir vertrauen. Du musst mir vertrauen. Das gehört mit zu unserem Job. Und? Ich meine, was weiter? Willst du dich selbst bedauern oder willst du weiterarbeiten? Du willst doch Würmer töten, oder?«

»Sei nicht albern!«

»Nun denn – dann ist das jetzt der Punkt, wo du lernst, die Stücke aufzuheben und weiterzumachen. Betrachte es als einen Teil deiner Ausbildung zum Captain. Es ist der Teil, wo du die Verantwortung für die Entscheidungen akzeptierst, die weh tun.«

»Aber es tut weh ...«, ich wusste schon, während ich es sagte, dass es dumm war, sagte es aber trotzdem, »... und ich weiß nicht, was ich tun soll.«

»Nichts«, sagte er. »Zu tun gibt es gar nichts. Lass es weh tun. Bis es aufhört. Du brauchst es nicht einmal zu dramatisieren. Du kannst mir das Heulen und Wehklagen ersparen. Ich hab schon andere heulen und wehklagen sehen. Besser als du.«

Und dann fügte er ruhig hinzu: »Ich weiß, dass es dir weh tut, Jim. Ich würde mir Sorgen um dich machen, wenn es nicht so wäre. Was du jetzt wissen musst, ist nur, dass es ganz in Ordnung ist, dass es weh tut.« Seine Augen waren jetzt gar nicht mehr hart, sondern überraschend mitfühlend.

Ich empfand ein Gefühl der – ja, der Dankbarkeit. Aber ich war zu verlegen, ihm in die Augen zu sehen. Ich sagte nur »Danke« und sah schnell weg.

»War es das?«, fragte Duke. »Oder willst du mir noch etwas sagen?«

Ich schüttelte den Kopf. »Ich glaube, das ist alles.« Ich trank meinen Scotch aus und überlegte mir, ob ich noch einmal eingießen sollte. Ich hatte ein Anrecht darauf, mich heute Abend zu betrinken. Nur – ich wusste, dass es mir in Wirklichkeit nichts helfen würde. Das war etwas, durch das ich mich ganz alleine durcharbeiten musste. Einen Tag nach dem anderen. Verdammt. Ich fing an, rationaler zu denken als es mir guttat.

»Also gut.« Ich seufzte und schob meinen Stuhl vor ein anderes Terminal. »Ich schätze, ich fange jetzt wohl besser damit an, eine weitere Operation vorzubereiten. Zumindest haben wir bewiesen, dass wir sie lebend aus dem Boden holen können.«

Duke sagte: »Langsam, Jim. Die schlechten Nachrichten kennst du ja noch gar nicht.«

Ich blickte von der Tastatur auf und sah zu ihm hinüber. »Wird es noch schlimmer?«

Er nickte. »Man holt uns weg.«

»Das ganze Team?«

»Nein. Nur dich und mich. Der Chopper ist bereits unterwegs. Er wird in einer Stunde hier sein.«

»Wo geht es hin? Nach Denver?«

»Oakland.«

»Oakland?!! Was zum Teufel ist denn in Oakland?«

»Die Gedenkplatte für Gertrude Stein«, sagte Duke. Er stand auf. »Unter anderem. Du hast eine Stunde zum Packen. Sei um 23.30 Uhr auf dem Feld. Wir bekommen unser Briefing in der Luft.«

Ich sah wieder auf den Bildschirm. »Aber«, sagte ich hoffnungslos, »ich wollte zum Lake Hattie!«

»Falls es dir ein Trost ist, ich auch.« Er drückte seinen Becher zusammen und warf ihn im Hinausgehen nach dem Papierkorb. Der Becher verfehlte sein Ziel und rollte in eine Ecke.

Ich hob ihn auf und warf ihn hinein.

Verdammt.

SECHS

Der Chopper verspätete sich eine Stunde, und dann dauerte es eine weitere Stunde, bis wir starten konnten. Und dann gab es über dem größten Teil von Utah einen Frühlingssturm, und so entschloss die Pilotin sich dazu, nach Süden auszuweichen. Ehe wir in Kalifornien landen würden, würde es dort Tag sein.

Und der einzige Lesestoff, den es an Bord gab, war das Buch mit der Einsatzbeschreibung. Es war unvollständig, und ich brauchte nur zwanzig Minuten, um es durchzulesen. Im Wesentlichen handelte es sich um Hintergrundmaterial – nichts über unseren Einsatz –, und ich konnte dem Buch auch nichts entnehmen, was ich bereits wusste. Die Plage breitete sich schneller aus, als wir sie ausbrennen konnten.

Aber eine interessante Fußnote fand ich. Oakland hatte jetzt zwei Würmer, aber sie wussten in Wirklichkeit nicht, was sie mit ihnen machen sollten, weil sie nicht wussten, wie sie ihr Verhalten interpretieren sollten.

In der Fußnote stand, dass sie einen Wurmexperten brauchten, jemanden, der die Geschöpfe in ihrem normalen Habitat kannte.

Ich wies Duke darauf hin, dass sie das Wort ›normal‹ benutzt hatten. Als er es sah, rümpfte er ebenfalls die Nase.

»Nicht wenn ich etwas dazu zu sagen habe«, fügte er hinzu. Dann schloss er wieder die Augen und schien weiterzuschlafen.

Ich beneidete ihn. Ich kann in Flugzeugen nicht schlafen. Ich kann dösen, aber wache immer wieder plötzlich auf. Jedes noch so kleine Geräusch, jeder winzige Stoß, jede Veränderung im Motorengeräusch, und ich bin sofort hellwach und frage mich, ob alles in Ordnung ist. Ich steige immer völlig erschöpft aus Flugzeugen.

Ich starrte zum Fenster hinaus und sah mir die Blitze in der Ferne an. Es handelte sich um einen ziemlich ekelhaften Sturm. Die Wolkenbänke türmten sich auf wie die Wände eines Canyons – eines gigantischen Canyons. Das Mondlicht verlieh ihnen eine gespenstische blaue Färbung. Alle paar Sekunden knatterte die eine oder andere dieser Wolkenmassen, flammte dann auf und beleuchtete den ganzen Himmel. Wunderschön – und erschreckend.

Ich dachte über die Leute unten nach.

Ob dort draußen noch irgendjemand lebte?

Wir waren ein Planet verstreuter Überlebender, die sich alle wie die Irren abschufteten, lang genug am Leben zu bleiben, um die Ernte einzubringen. Irgendwo zwischen siebzig und neunzig Prozent – man konnte das einfach nicht genau feststellen – der menschlichen Rasse waren in den ersten drei Jahren umgekommen. Man konnte unmöglich wissen, wie viele durch die Seuchen umgekommen waren und wie viele durch damit in Verbindung stehende Katastrophen und Nachwirkungen. Ich hatte ein unbestätigtes Gerücht gehört, dass die Selbstmordrate immer noch am Steigen war.

Auch darüber dachte ich nach. Wenn man alles verloren hat und nichts mehr hat, für das es sich zu leben lohnt – ich fragte mich, wie nahe ich dem Punkt war.

Es war ein langer Flug.

Am Ende färbte die Sonne den Horizont hinter uns, und wir begannen, auf Oakland herunterzusinken. Ich saß auf der falschen Seite, um San Francisco sehen zu können. Darüber war ich enttäuscht – ich wollte sehen, wie schlimm es aus der Luft aussah. Es hieß immer, die Stadt sei immer noch in ziemlich üblem Zustand. Ich hatte natürlich Bilder gesehen, aber das war nicht dasselbe. Außerdem war mein Vater in San Francisco gestorben.

Nun, jedenfalls verschwunden ...

Unten wartete ein Wagen auf uns, aber wir wurden durch die unvermeidlichen Entseuchungsbäder aufgehalten – wer wusste schon, was da immer noch für Viren herumschwirrten – und mussten dann wieder warten, bis man uns die entsprechenden Impfungen verpasst hatte.

Es dauerte eine weitere Stunde, bis wir im Jeep saßen und uns auf dem Weg nach Süden befanden. Wir hatten keinen Fahrer – der Wagen kannte den Weg auch ohne Chauffeur. Auf dem Bildschirm stand der übliche auf Band aufgezeichnete Willkommensgruß, den Duke und ich ignorierten, und in der Wärmebox waren eine Thermosflasche mit Tee und ein Behälter mit Brötchen. Der Tee war bereits lauwarm; die Brötchen altbacken.

Der Jeep lieferte uns im Special Forces Offiziersquartier ab – dem ehemaligen Oakland Holiday Inn. »Wahrscheinlich, weil sie nichts Schlechteres finden konnten«, erklärte Duke. Auch hier gab es keine Menschen, die Dienst taten – nur ein paar Terminals, einen Pagenkarren und einen geistlosen Roboter, der unter viel Lärmentwicklung den Boden in der Halle polierte. Wir mussten um ihn herumgehen, um ans Empfangspult zu kommen.

Das Terminal summte und gluckste, überprüfte unser ID, verpasste uns Schlüsselkarten und wünschte uns einen angenehmen Aufenthalt. Er sprach uns übrigens mit »Mr. und Mrs. Anderson« an.

Duke fand das gar nicht komisch.

»Das Ding muss gehört haben, was du gesagt hast«, meinte ich. Wir folgten jetzt dem Pagenkarren den Korridor hinunter. »Du weißt schon, all diese Maschinen reden miteinander. Sie vergleichen ihre Notizen.«

Duke warf mir einen niederschmetternden Blick von der Seite zu. Ich beschloss, den Mund zu halten. Eines Tages würde ich lernen, dass Duke nichts von solchen Späßen hielt. »Mach dich schnell frisch«, sagte er.

»Und schlafen?«

»Schlafen kannst du im Oktober. Vergiss nicht, dass wir Krieg haben.«

Damit hatte er recht.

Eine heiße Dusche und eine Rasur später – dem zweitbesten Ersatz für sechs Stunden Schlaf (der beste ist natürlich acht Stunden Schlaf) – reichte Duke mir meine Befehle. »Um zehn Uhr findet ein Kolloquium über die Würmer statt. Du bist bereits dafür freigegeben. Ich möchte, dass du ganz besonders darauf achtest, ob jemand schon etwas über ihre Nestgewohnheiten weiß. Die haben die Disketten von dem gestrigen Einsatz bereits. Finde heraus, ob sie sie sich angesehen haben. Ich glaube, wir erleben da gerade eine weitere Veränderung in ihrem Verhalten. Oh, und noch eins – sei höflich. Diese Boys von der Wissenschaft fangen an, unruhig zu werden, wenn sie zuviel Militär um sich herum haben.«

»Geht in Ordnung.«

So sehr mich auch die chtorranische Ökologie interessierte, hätte ich es doch vorgezogen, schlafen zu dürfen. Mit etwas Glück würde ich während des Vortrags schlafen können – so lange die mich nicht in die erste Reihe setzten.