Sternenjagd - David Gerrold - E-Book

Sternenjagd E-Book

David Gerrold

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Beschreibung

Eine Jagd quer durch die Galaxis

Das Raumschiff "Roger Burlingame" ist ein Dinosaurier: schrottreif und längst von der Technik überholt. Seine Maschinen können jederzeit versagen. Dennoch hofft die demoralisierte Mannschaft auf einen neuen Einsatz – und bekommt ihn. Jon Korie, der ungeliebte Erste Offizier, glaubt, eine Spur der feindlichen Morthans in den Weiten des Alls entdeckt zu haben, und ist sich sicher, sie besiegen zu können. Korie weiß, dass er dafür die Hilfe der Schiffscrew braucht – auch wenn diese ihn hasst. Die Sternenjagd beginnt also unter denkbar ungünstigen Voraussetzungen. Es liegt an der Mannschaft der "Burlingame": Ist Korie ihr Retter – oder ein Verrückter? Führt er sie zu Ruhm und Ehre – oder in den Untergang?

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Seitenzahl: 434

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DAVID GERROLD

STERNENJAGD

Roman

Das Buch

Das Raumschiff »Roger Burlingame« ist ein Dinosaurier: schrottreif und längst von der Technik überholt. Seine Maschinen können jederzeit versagen. Dennoch hofft die demoralisierte Mannschaft auf einen neuen Einsatz – und bekommt ihn. Jon Korie, der ungeliebte Erste Offizier, glaubt, eine Spur der feindlichen Morthans in den Weiten des Alls entdeckt zu haben, und ist sich sicher, sie besiegen zu können. Korie weiß, dass er dafür die Hilfe der Schiffscrew braucht – auch wenn diese ihn hasst. Die Sternenjagd beginnt also unter denkbar ungünstigen Voraussetzungen. Es liegt an der Mannschaft der »Burlingame«: Ist Korie ihr Retter – oder ein Verrückter? Führt er sie zu Ruhm und Ehre – oder in den Untergang?

Der Autor

David Gerrold wurde am 24. Januar 1944 als Jerrold David Friedmann in Chicago geboren. Er studierte Theaterwissenschaften in Los Angeles und schloss 1967 mit einem B.A. ab. Am 8. September 1966 sah er die erste Folge der TV-Serie Star Trek im Fernsehen und war so begeistert, dass er Produzent Gene L. Coon einen Entwurf für eine Doppelfolge schickte, die dieser allerdings ablehnte. Coon erkannte jedoch Gerrolds Talent und bat ihn um weitere Ideen. Eine davon war »Kennen Sie Tribbles?«, die für den Hugo Award nominiert wurde und heute eine der beliebtesten Star-Trek-Episoden ist. Nachdem er einige Kurzgeschichten in Magazinen veröffentlicht hatte, schrieb Gerrold zusammen mit Larry Niven seinen ersten Roman, die SF-Humoreske »Die fliegenden Zauberer«. Anfang der Siebzigerjahre folgten die hochgelobten Romane »Ich bin Harlie« und »Zeitmaschinen gehen anders«, die heute zu den Klassikern des Genres gehören. In den Achtzigern begann Gerrold mit seinem Chtorr-Zyklus, an dem er bis heute arbeitet. Daneben schreibt er weiter Drehbücher, unter anderem zu der für den Nebula-Award nominierten

Der Inhalt dieses E-Books ist urheberrechtlich geschützt und enthält technische Sicherungsmaßnahmen gegen unbefugte Nutzung. Die Entfernung dieser Sicherung sowie die Nutzung durch unbefugte Verarbeitung, Vervielfältigung, Verbreitung oder öffentliche Zugänglichmachung, insbesondere in elektronischer Form, ist untersagt und kann straf- und zivilrechtliche Sanktionen nach sich ziehen.

Titel der Originalausgabe

STARHUNT

Aus dem Amerikanischen von Axel Merz

Überarbeitete Neuausgabe

© Copyright 1972 by David Gerrold,

Additional material Copyright © 1980/1995 by David Gerrold

Copyright © 2017 der deutschsprachigen Ausgabe by

Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

Covergestaltung: Das Illustrat, München

Die drei Gesetze der infernalischen Dynamik

– Ein Objekt in Bewegung bewegt sich grundsätzlich in die falsche Richtung.

– Ein Objekt in Ruhe befindet sich grundsätzlich am falschen Ort

– Der Betrag an erforderlicher Energie, um Richtung oder Ort zu wechseln, ist grundsätzlich höher, als man aufzuwenden wünscht, aber niemals hoch genug, um die Aufgabe vollkommen unmöglich erscheinen zu lassen.

Vor der Sternenwolf …

Die Geschichte dieses Romans ist genaugenommen die Geschichte meiner gesamten schriftstellerischen Karriere.

Alles begann mit Star Trek. Die ursprüngliche Serie hatte ihre Premiere am Donnerstag, dem 8. September 1966, bei NBC Television Network. Ich war zu diesem Zeitpunkt 22 Jahre alt und ging noch auf das College. Ich besaß einen Stapel Papier, eine IBM-Selectric-Schreibmaschine und eine gute Portion Größenwahn. Ich verbrachte das Wochenende mit Schreiben, und am Montag morgen überreichte ich meinem Agenten{1} ein sechzigseitiges Exposé mit dem Titel Tomorrow Was Yesterday.

Dieses Exposé war mein erster Beitrag zu Star Trek. In der darin vorgeschlagenen zweiteiligen Episode begegnete die Enterprise einem ›Generationenschiff‹, einem gigantischen Raumschiff mit Tausenden von Kolonisten an Bord, unterwegs zu einem neuen Sonnensystem. Gebaut in der Zeit vor der Erfindung des Überlichtantriebs, konnte sich das Schiff nur mit Unterlichtgeschwindigkeit durch den Raum bewegen, und so waren Generationen von Kolonisten gezwungen, an Bord zu leben und zu sterben, bevor ihre Nachkommen eines fernen Tages das Ziel der Reise erreichen und einen neuen Planeten besiedeln würden.

Die Kolonisten an Bord dieses besonderen Schiffes jedoch haben ihre ursprüngliche Mission vergessen. Sie glauben nicht mehr daran, dass es außerhalb der Hülle ihres Schiffes noch etwas anderes gibt. Geschichten von anderen Welten oder anderen Schiffen werden als blasphemische Verrücktheit betrachtet. Folgerichtig liegt Kirks größtes Problem, nachdem die Enterprise das Generationenschiff getroffen hat, in der Schwierigkeit, die Kolonisten davon zu überzeugen, dass er und Spock und McCoy keine Dämonen sind. Um die Sache noch komplizierter zu machen, haben sich die Kolonisten in zwei Lager gespalten, die miteinander um die Kontrolle des Schiffes kämpfen. Konsequenterweise vertraut keine der beiden Seiten unseren Helden; stattdessen denken alle, die Leute von der Enterprise sind Spione der jeweils anderen Seite. Und um das Problem noch ein wenig interessanter zu gestalten, fährt das Generationenschiff geradewegs auf ein Schwarzes Loch zu. Kirk blieben nur ein paar kurze Tage, um die Kolonisten davon zu überzeugen, dass sie die Maschinen ihres Schiffs wieder in Betrieb nehmen und den Kurs in Richtung eines sicheren Hafens ändern müssen.

Gene L. Coon, der Produzent von Star Trek, las mein Exposé, und obwohl er das Gefühl hatte, dass die Produktionskosten selbst für eine zweiteilige Episode zu hoch waren, lud er mich zum Drehort ein. Er gab mir ein Exemplar des Star Trek Writers'/Directors' Guide (Leitfaden für Star-Trek-Drehbuchautoren und -Regisseure) und schlug vor, dass ich für die zweite Staffel der Serie meine Ideen einreichen sollte. Eines der Exposés, die ich ihm schickte, handelte von kleinen pelzigen Kreaturen, die sich wie wahnsinnig vermehrten, bis sie die gesamte Enterprise überrannt hatten. Gene L. Coon kaufte die Geschichte, und sie wurde zu einer der populärsten Folgen der gesamten Serie: The Trouble with Tribbles (Kennen Sie Tribbles?).

Später, als Star Trek nicht mehr ausgestrahlt wurde, begann ich darüber nachzudenken, mein ursprüngliches Exposé Tomorrow Was Yesterday zu einem Roman zu erweitern.

Zu dieser Zeit gab es noch keine Star-Trek-Romane; Paramount hatte die Möglichkeiten noch nicht erkannt, die sich durch Lizenzen ergaben. Wenn ich also aus meinem Exposé einen Roman machen wollte, dann würde ich mein eigenes Schiff und meine eigenen Charaktere erschaffen und das Generationenschiff von ihnen entdecken lassen müssen.

Erinnern Sie sich an William Goldings Lord of the Flies (Herr der Fliegen)? Gegen Ende des Buchs werden die sich bekämpfenden Jungen von einem vorüberkommenden Schiff gerettet. Von einem Kriegsschiff. Die darin enthaltenen Implikationen sind offensichtlich: Wer wird die Erwachsenen aus ihrer Dummheit erretten? Die Pointe gefiel mir, und ich beschloss, sie auch für meine Geschichte zu verwenden. Also war das Raumschiff, das ich schuf, ein militärischer Kreuzer. Ich nannte es Roger Burlingame, nach dem Autor von Machines That Built America. Das Buch stand auf einem Regal direkt über meiner Schreibmaschine. Ich benötigte einen militärisch klingenden Namen für mein Schiff, und dort war er – also griff ich danach. Je mehr ich über die Sache nachdachte, desto mehr gelangte ich zu der Überzeugung, dass es ein ziemlich weit hergeholter Zufall war, dass ein Überlichtkreuzer ausgerechnet in der Dunkelheit zwischen den Sternen auf ein langsames Generationenschiff treffen sollte. Also begann ich meine Geschichte damit, dass mein Kriegsschiff hartnäckig ein namenloses feindliches Schiff verfolgt. Es fällt unvermittelt aus dem Hyperraum in den Normalraum zurück und sucht in der Dunkelheit nach seinem Gegner, aber statt auf den Feind stößt es auf das verirrte Generationenschiff. Von diesem Punkt aus konnte ich mit meiner ursprünglichen Idee weitermachen.

Ich hoffte, dass dieser Rahmen meine Helden vor ein noch größeres Dilemma stellen würde. Jetzt mussten sie nicht nur die Kolonisten vor ihrer eigenen Ignoranz erretten, sondern sie mussten es auch noch tun, bevor der lauernde Feind sie entdeckte und als erster angriff. Diese Situation würde, wie ich hoffte, zusätzliche Spannung erzeugen. Dann, nachdem sie die Kolonisten an Bord des Generationenschiffs von der Torheit ihres Krieges überzeugt hätten, würden unsere Helden ihre eigene Jagd wieder aufnehmen und den Leser darüber nachdenken lassen, welche göttliche Macht sie vor der Torheit ihres eigenen Krieges erretten würde.

Alles hätte funktionieren können – mit Ausnahme eines kleinen Details: Ich hatte nicht die geringste Ahnung, wie man einen Roman schreibt. Ich schrieb achtzig Seiten – volle vier Kapitel – und bekam die Burlingame nicht einmal in die Nähe des Generationenschiffs. Stattdessen fand ich mich mehr und mehr von Technik und Taktik interstellarer Verfolgungsjagden in Anspruch genommen. Trotz meiner ursprünglichen Absicht aus Tomorrow Was Yesterday einen Roman zu machen, stand ich im Begriff, eine völlig andere Geschichte zu erzählen. Eine Geschichte, deren Charaktere und Hintergrund weitaus dunkler waren. Die Erkenntnis bescherte mir schließlich sogar ein noch größeres Problem. Ich hatte keine Ahnung, wie die Geschichte ausgehen würde.

Ich schrieb trotzdem weiter. Brachte eine Szene nach der anderen zu Papier und wartete geduldig ab, wie die einzelnen Charaktere ihre verschiedenen Aufgaben lösen würden. Ich muss zugeben, dass es vielleicht nicht die beste Art und Weise ist einen Roman zu schreiben, aber es ist zumindest die herausforderndste.

Den größten Teil des Jahres 1971 lebte ich in New York. Ich besaß ein winziges Zimmer im Albert Hotel, einer Pension in Greenwich Village{2} Ich besaß ein Bett, einen Schreibtisch und einen Schrank. Und ich besaß meine Schreibmaschine.

Mein Zimmer hatte ein einziges Fenster. Wenn ich es öffnete, konnte ich hören, wie New York zu mir sprach. Was es sagte, war: »Wenn du dich heute nicht hinsetzt und schreibst dann werde ich dich fertigmachen. Man wird dich auf die Straße setzen. Du wirst ziellos umherwandern und dein ganzes Leben in einem Einkaufswagen vor dir herschieben. Du wirst ein Penner sein. Wenn du heute nicht schreibst dann wirst du nächsten Monat verhungern.« New York war damals sehr motivierend. Ist es auch heute noch.

Sehr rasch stellte ich eine Regel auf. Ich hatte ein Kapitel pro Tag zu schreiben. Ich ging nicht nach draußen ins Kino oder sonst wohin, wenn ich nicht meine schriftstellerische Mindestaufgabe für den Tag vollbracht hatte. Nachdem ich mein Kapitel fertig hatte, fühlte ich mich frei, hinauszugehen und für den Rest des Tages all das in New York zu unternehmen, wozu ich Lust verspürte.

Jeden Morgen ging ich mit meinem Hund hinüber in den Washington Square Park und ließ ihn für eine halbe Stunde die Eichhörnchen terrorisieren. Er jagte glücklich jedes Eichhörnchen, das er zu Gesicht bekam, und ich war sein Kundschafter und zeigte ihm, wo sie sich versteckten.{3} Anschließend kehrten wir in mein Zimmer zurück, und ich setzte mich nieder und schrieb, bis das tägliche Kapitel beendet war. Manchmal hatte ich es in drei oder vier Stunden geschafft, manchmal, wenn ich ein besonders trickreiches Problem behandelte, arbeitete ich acht oder sogar zehn Stunden daran. Danach ging ich mit dem Hund wieder in den Park, und er ärgerte von neuem die Eichhörnchen. Später, nachdem die Arbeit des Tages vollendet war, ging ich zum Essen und manchmal ins Kino; gelegentlich suchte ich sogar die Gesellschaft anderer Menschen. Aber ich schätze, ich war nicht besonders unterhaltsam, während ich mitten in einer Geschichte steckte. Ich weiß nicht, wie es mit anderen Schriftstellern ist aber ich finde es schwierig, mich zu entspannen. Schreiben bedeutet auch, in einer Geschichte aufzugehen. Der Weg zurück in die Realität kann manchmal ganz schön weit sein.

Nachts, wenn ich im Bett lag und auf den Schlaf wartete, dachte ich über das Kapitel des nächsten Tages nach. Was müsste als nächstes geschehen? Wie konnte ich die Rätsel lösen, die ich meinen Charakteren aufgegeben hatte? Wie würde ich den Handlungsstrang voranbringen? Was planten meine Charaktere? Manchmal hatte ich die Antwort, bevor ich einschlief, manchmal hatte ich sie nicht. Aber wenn ich am nächsten Morgen aufwachte, besaß ich meistens eine ganz genaue Vorstellung davon, wie das nächste Kapitel aussehen würde.

Ich nahm an, dass eine von zwei Möglichkeiten eingetreten war. Entweder beschäftigte sich mein Unterbewusstsein mit allen Problemen, während ich schlief, oder kleine Wichtelmänner schlichen um Mitternacht in mein Zimmer und flüsterten mir die Lösung ins Ohr.{4}

Später dann ging mir auf, dass ich mir in dieser Zeit eine sehr starke Selbstdisziplin angeeignet hatte, die mir auch in vielen Jahren danach nützlich war. Somit stellte sich meine Zeit in New York als ein wichtiger Wendepunkt in meiner Karriere als Schriftsteller dar. Es war eine der produktivsten Phasen meines ganzen Lebens, und es war das Jahr, in dem ich vom Kurzgeschichtenschreiber zum Romanautor aufstieg. Während dieser Zeit schrieb ich When Harlie Was One (Ich bin Harlie; München 1974), The Man Who Folded Himself (Zeitmaschinen gehen anders; München 1976), die ersten vierzehn Kapitel von A Matter For Men (Die biologische Invasion; München 1986) und den Rest des Romans, der aus meinem ersten Versuch hervorging, Tomorrow Was Yesterday umzuschreiben. Der endgültige Titel lautete Yesterday's Children (Raumschiff der Verlorenen).

Yesterday's Children wurde 1972 von Dell veröffentlicht. Die Geschichte besaß achtundzwanzig Kapitel und handelte von einer fanatischen interstellaren Verfolgungs- und Zerstörungsmission. In ihr klangen bewusst Untertöne von Moby Dick und The Enemy Below an, und sie wurde von einigen Lesern ganz treffend als Unterseebootgeschichte im Weltall beschrieben. Nun, jedenfalls eine Art Unterseebootgeschichte. Aber es steckte mehr dahinter als nur das.

Meine Theorie damals lautete (und sie lautet noch heute genauso), dass, wenn und falls ein Krieg im Weltraum stattfinden würde, die einzige angemessene Umschreibung die zweier Unterseeboote wäre, die sich in der Dunkelheit belauerten. Wenn man die Weite des Weltraums bedenkt, sowie die Geschwindigkeiten, mit denen man sich durch ihn bewegt, dann funktioniert die Luftkampfmetapher einfach nicht, genauso wenig wie der interstellare ›Flugzeugträger‹ – er ist viel zu verletzlich.

Die Physik interstellarer Kämpfe drehte sich um Zeit, Geschwindigkeit, Entfernung – und Entdeckung. Der Jäger ist genauso verwundbar wie die Beute. Ja, die Rollen von Jäger und Gejagtem sind austauschbar, abhängig nur von den Fähigkeiten der jeweiligen Schiffskommandanten.

Die Schlachten werden nicht mit Waffen, sondern mit Wahrscheinlichkeiten geschlagen werden, weil beide Seiten intelligente Maschinen zur Verfügung haben, die in ungezählten Simulationen das Ergebnis jeder Aktion vorausberechnen können, während jede Seite nach taktischen Vorteilen sucht. Weltraumschlachten werden nicht durch Stärke und Position entschieden, sondern durch Strategie. Nicht nackte physische Überlegenheit, sondern psychologische Überlegenheit zählt. Weltraumschlachten werden als Gedankenspiele ausgetragen werden, mit Hilfe von Finten und Täuschungsmanövern und hässlichen Überraschungen.

Und in einem solchen Gedankenspiel wird der Feind stets eine unbekannte Größe darstellen. Er wird niemals mehr als ein Reflex auf einem Bildschirm sein, ein Bewegungsmuster in unseren Simulationen. Wir werden ihm niemals von Angesicht zu Angesicht gegenübertreten, wir werden ihn nicht als lebendiges Wesen begreifen, das zu Gefühlen wie Wut, Hass, Sorge oder Furcht fähig ist. Wir werden den Feind als Idee hassen, nicht als Person. Und weil wir kein Ziel für unsere eigene Wut haben, werden wir unsere Frustration mit hoher Wahrscheinlichkeit an jenen auslassen, die uns am nächsten sind. An unseren Schiffskameraden. In der Idee einer externen Schlacht gegen einen unbekannten Feind ist beinahe zwangsläufig auch die interne Schlacht gegen die eigenen Leute enthalten.

Es war dieser Gedankengang, der dem Roman seine endgültige Gestalt verlieh. Und seinen ersten, beunruhigenden Schluss. Hören Sie einfach am Ende von Kapitel 28 zu lesen auf, und Sie verstehen, was ich meine. Das ist die Stelle, an der ich 1972 zu schreiben aufhörte, und das war alles, was Dell schließlich als Yesterday's Children veröffentlichte. Der Roman bekam allgemein gute Besprechungen, verkaufte sich gut und gelangte am Ende des Jahres sogar in die Locus-Abstimmung für die besten Romane.

Aber ganz ehrlich – es behagt mir nicht, wenn ein Roman kein Happy-End besitzt. Ich mochte Jonathan Korie. Ich dachte, er verdient etwas Besseres. Also setzte ich mich 1977 hin und schrieb neue Kapitel zu dieser Geschichte. Es wurden zwölf Kapitel, und sie führten das Abenteuer zu einer Lösung, die mich weitaus mehr befriedigte. Am Ende war Korie genauso heroisch, wie ich ihn immer haben wollte, und das neue Material demonstrierte einmal mehr meine Theorie der psychologischen Kriegführung im Weltraum. Diese Ausgabe erschien bei Popular Library. Später dann, für die britische Ausgabe, nannte ich die Geschichte in Starhunt um.

Im Jahr 1979 erwarb ein Möchtegernproduzent eine Option auf den Roman, und ich schrieb zwei Entwürfe für ein Skript zu einer geplanten Spielfilmversion von Starhunt. Das Geschäft platzte allerdings, und der Film wurde niemals gedreht. Eine Weile konzentrierte ich mich auf andere Dinge, einschließlich der ersten beiden Bücher von The War Against the Chtorr.{5}

Einige Jahre später arbeitete ich an Star Trek: The Next Generation. Während der ersten sieben Monaten dieser Serie schrieb ich über hunderttausend Worte über jeden Aspekt der Entwicklung der Serie, einschließlich des ersten vollständigen Writers'/Directors' Guide. (Im Gegensatz zu dem, was an anderer Stelle von Leuten geschrieben wurde, die zu der Zeit überhaupt nicht dabei gewesen waren, besaß ich beträchtlichen Anteil an der anfänglichen Entwicklung von Star Trek: The Next Generation. Eine Tatsache, die die amerikanische Schriftstellergewerkschaft anlässlich eines Schlichtungsverfahrens wegen ausstehender Tantiemen bewiesen hat.)

Während ich für Star Trek arbeitete, bot man mir die Chance, zwei andere Serien zu produzieren. Eine hieß Return to the Land of the Lost, die andere war ein Entwicklungsprojekt der Columbia unter dem Titel Trackers. Es sollte eine Miniserie werden, die außerdem als Pilotsendung für eine Geschichte über zwei interstellare Kopfgeldjäger dienen sollte.

Ich verließ Star Trek: The Next Generation, um an Trackers zu arbeiten. Unglücklicherweise fanden sowohl bei der Columbia als auch bei CBS während der Zeit, in der ich an Trackers arbeitete, größere Veränderungen in der Führungsetage statt, und die Leute, die die Serie ursprünglich in Auftrag gegeben hatten, waren nicht die Leute, denen wir die endgültige Drehbuchfassung einreichten. Deshalb wurde das Projekt letztendlich gestrichen.{6}

Nicht lange danach wurde ich engagiert, um eine ganz andere Science-Fiction-Fernsehserie für die Arthur Company und die Universal Studios zu entwickeln. Sie hatten bereits einen Titel: Millenium. Sie wollten eine Serie, die im Weltraum spielte und jede Menge Action enthielt. Ich machte zwei Vorschläge:

– interstellare Händler, die von Planet zu Planet fuhren, Waren kauften und verkauften und gelegentlich gegen Piraten kämpften, oder

– der Zweite Weltkrieg im All.

Es überraschte mich keineswegs, dass ihnen der zweite Vorschlag besser gefiel.

Auch mir gefiel er besser. Nicht zuletzt weil ich dachte, ich könnte Starhunt ein weiteres Mal wiederverwenden.{7} Ich unterbreitete ihnen sogar den Vorschlag, das Starhunt-Skript als Pilotfilm zu verwenden, aber nach einigen Diskussionen erkannten wir, dass unsere Geschichte mit dem Angriff auf Pearl Harbor beginnen musste, wenn die Serie sich am Zweiten Weltkrieg orientierte.

Aber es bestand kein Grund, warum ich nicht zahlreiche Charaktere aus Starhunt benutzen konnte, oder? Nein, nichts sprach dagegen. Und mit Jon Korie besaß ich einen Helden, den ich bereits gut kannte und wegen seiner Intelligenz mochte.{8}

In den darauf folgenden Wochen der Entwicklung gab es eine ganze Reihe von Diskussionen über den Rahmen unserer Serie. Welche Art von Schiffen würden wir fahren? Wer waren unsere Leute? Wer waren unsere Feinde? Warum wurde dieser Krieg gekämpft? In jedem Fall diente uns die Metapher auf den Zweiten Weltkrieg als Plattform, um uns die Glaubhaftigkeit nicht zu nehmen. Schließlich hatten wir einen 120-seitigen Writers'/Directors' Guide fertig, der sogar noch detaillierter war als der, den ich für Star Trek: The Next Generation geschrieben hatte.

Unser Schiff war ein Libertyschiff aus der Produktion einer Werft, die alle zwölf Tage ein neues Schiff ausstieß. Unsere Charaktere waren ganz gewöhnliche Leute, die in einer außergewöhnlichen Krise überrascht wurden. Sie hatten Familien und Beruf hinter sich zurückgelassen. Unser Feind war die Morthanische Solidarität – eine selbsternannte Herrenrasse, die die Beherrschung aller ›minderwertigen‹ Rassen anstrebte. Und der Krieg fand statt, um die Zukunft der menschlichen Evolution festzulegen. Letzten Endes wurde uns klar, dass die zugrundeliegende Frage sehr einfach war. Was bedeutet es, ein menschliches Wesen zu sein?

Je länger ich an der Geschichte arbeitete, desto mehr begann ich, die Menschen an Bord des Schiffs zu lieben: Korie, Cygnus Tor, den Leitenden Ingenieur Leen, Molly Williger, Mikhail Hodel, Hardesty und selbstverständlich Brik. Das waren Charaktere, mit denen ich gerne meine Zeit verbrachte. Es gefiel mir, über sie zu schreiben.

Die erste Fassung von Millenium war zu pessimistisch, um einen erfolgreichen Pilotfilm abzugeben. In ihr tobt ein Morthanischer Assassine an Bord unseres Raumschiffs und frisst den Anwalt des Kapitäns (freiwillig!). Die zweite Fassung war erfolgreicher und galt allgemein als sehr gutes Drehbuch für den Pilotfilm. Unglücklicherweise verhinderte der Streik der Writers' Guild (Schriftstellergewerkschaft) im Jahre 1988 die Produktion in allen Studios für einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten, und als der Streik zu Ende war, galt das auch für die Aussichten von Millenium als Fernsehserie.

Also schrieb ich das Drehbuch in einen Roman um, erweiterte es und verschaffte ihm noch mehr Tiefe, als es ohnehin bereits gehabt hatte.{9} Bantam Books veröffentlichte Voyage of the Star Wolf (Die Reise der Jona) im Jahre 1990 und verkaufte eine überraschend hohe Anzahl von Exemplaren; genug, um meinen Verleger Geräusche{10} über Fortsetzungen machen zu lassen. Ich sagte, ich würde darüber nachdenken. Ich hätte keine Geschichte im Kopf, aber wenn mir eine Idee käme, würde ich mich wieder melden.

Nicht lange darauf schickte Mike Resnick{11} den Roman einem befreundeten Produzenten, der sich schon bald mit mir in Verbindung setzte. »Wissen Sie eigentlich«, sagte er, »dass dieser Stoff eine verdammt gute Fernsehserie abgeben würde?«

Richtig.

Nach mehreren Wochen voller Diskussionen und Taktierens begann ich gemeinsam mit Dorothy Fontana, Geschichten für eine mögliche Star-Wolf-Fernsehserie zu entwickeln. Und plötzlich hatte ich einen ganzen Haufen neuer Ideen für weitere Star-Wolf-Abenteuer. The Middle of Nowhere (Inmitten der Unendlichkeit) basiert auf zwei dieser Ideen. Als Bantam den Roman in die Planung von 1995 einbezog, entschlossen sie sich gleichzeitig zu einer Neuauflage von Starhunt. Deswegen dieses Vorwort. Damit Sie verstehen, warum es zwei Romane gibt, die einige der Charaktere und Situationen aus dem vorliegenden Buch gemeinsam haben und zugleich unter Inkonsistenzen leiden, wenn man sie als Teil eines größeren Ganzen zu betrachten versucht.

Der vorliegende Roman, Starhunt, könnte beinahe ein späteres Abenteuer der Star Wolf sein. Und obwohl der Feind hier unidentifiziert bleibt, sind die Umstände des Krieges im allgemeinen genau die gleichen. Wenn ich das Buch umgeschrieben hätte, um es in die Star-Wolf-Chronologie einzupassen, dann würde sie mindestens ein oder zwei Jahre nach dem ersten Star-Wolf-Abenteuer stattfinden.

Ich hätte Starhunt umschreiben und anpassen können, und zumindest während einer Phase dachte ich ernsthaft darüber nach, aber meine Herausgeber bei Bantam führten an, dass der Roman gut war, so wie er war, und dass ich meine Zeit besser mit einem neuen Star-Wolf-Roman verbringen sollte, anstatt einen alten umzuschreiben. Es dauerte nicht allzu lang, bis sie mich überzeugt hatten. Wenn alles glatt läuft, dann können Sie im Lauf des nächsten Jahres (oder der nächsten drei) mit einer neuen Star-Wolf-Geschichte rechnen. (Direkt nach dem nächsten Roman aus dem Chtorr-Zyklus. Bitte legen Sie mich nicht auf einen Veröffentlichungstermin fest.)

Ach ja, eine Sache noch. Was wurde aus dem ursprünglichen Exposé von Tomorrow Was Yesterday? Habe ich es je in einen Roman umgeschrieben? Jawohl. Ich schrieb es am Ende als einen Star Trek-Roman. Er besaß den Titel The Galactic Whirlpool (Der galaktische Mahlstrom; Rastatt 1981), wurde vor beinahe zwei Jahrzehnten von Bantam veröffentlicht und ist bis heute noch immer im Druck.

Spare in der Zeit so hast du in der Not.

Kapitel 1

Wenn etwas schiefgehen kann, dann wird es auch schiefgehen.

MURPHY

Ein Sternenschiff der Zerstörerklasse besitzt mehr als siebenhunderttausend verschiedene Funktionen, die alle von seinem Kommandositz aus überwacht werden können.

Dieser Kommandositz steht wie ein harter Thron auf der Brücke, einem Podium, das den Mittelpunkt der Zentrale bildet. Der Mann auf diesem Thron kontrolliert das Schiff. Im Augenblick heißt dieser Mann Jonathan Korie. Hager, blass und regungslos sitzt er dort, der Erste Offizier des Raumschiffs der Alliierten Welten, Roger Burlingame.

Das Schiff befindet sich seit zwölf Tagen in höchster Kampfbereitschaft, und seit zehn von diesen Tagen ist Jon Korie der ranghöchste Offizier in der Zentrale. Vor zehn Tagen hat sich der Kapitän in seine Kabine zurückgezogen, und seither ist er nicht wieder gesehen worden. Also sitzt Korie im Kommandositz und langweilt sich.

Er räkelt sich in diesem Sitz, großgewachsen und knochig, und seine farblosen Augen starren desinteressiert auf das gewaltige rote Rechteck, das den vorderen Teil der Zentrale beherrscht. Darauf ist ein vereinzelter weißer Fleck zu erkennen, die Kraftfeldprojektion des gegnerischen Schiffs. Darunter eine Zahl: 170. Die Geschwindigkeit des Feindes. Einhundertsiebzigfach Licht. Die Geschwindigkeit der Roger Burlingame beträgt 174 Licht.

Sie holen auf, aber nur langsam. Sie werden mindestens noch weitere zwölf Tage benötigen, um die Lücke zu schließen – und selbst dann, wenn sie den Feind eingeholt haben, werden sie vielleicht nicht imstande sein, ihn zu zerstören. Solange die Beute in ihrer Hyperraumblase bleibt, befindet sie sich im Vorteil – leicht zu verfolgen, aber schwer zu fangen. Der Feind muss entweder ausmanövriert oder gejagt werden, bis seine Energievorräte erschöpft sind. Beide Vorgehensweisen sind schwierig und ermüdend.

Korie starrt geistesabwesend nach vorn. Der große Schirm lässt die Zentrale in einem blutfarbenen Licht erscheinen, und das Bild brennt sich in die Netzhaut. Er nimmt die vertrauten Gerüche von altem Plastik und schalem Schweiß nicht länger wahr, er hört nicht länger das gedämpfte Flüstern oder das allgegenwärtige, beinahe lautlose Summen der Computer.

Ein Lautsprecher in seiner Kopfstütze piept. Er berührt einen Sensor auf seiner Armstütze. »Korie hier. Was gibt's?«

Eine lakonische Stimme erwidert: »Maschinenraum hier, Mister Korie. Wir messen eine Art Schwankung in Generator Nummer drei.«

»Was stimmt nicht damit?«

»Ich weiß es nicht, Sir. Das verdammte Ding versprüht seit einer Woche Funken.«

Korie grunzt. Und schwenkt seinen Sitz um sechzig Grad nach links. Über der Hyperraumkontrollkonsole befindet sich ein mittelgroßer Bildschirm, einer von vielen, die unter der Decke der Zentrale aufgehängt sind. Dieser hier zeigt den Energieverbrauch der sechs Hyperraumgeneratoren der Roger Burlingame. Die Spitze des roten Balkens von Nummer drei verschwimmt in einer flachen, rasend schnellen Schwingung.

»Sieht nicht gut aus«, sagt Korie in den Kommunikator. »Kann es sein, dass eine der Sekundärspulen außer Phase ist?«

»Negativ, Sir. Wenn eine Sekundärspule außer Phase wäre, dann könnten wir unseren Kurs nicht mehr halten. Das war eine der ersten Fehlerquellen, die wir überprüft haben.«

»Wie schlimm ist es? Können Sie es kompensieren?«

»Oh, sicher. Ich dachte nur, Sie sollten Bescheid wissen. Das ist alles.«

»Richtig. Tun Sie, was Sie können. Lassen Sie mich wissen, wenn es schlimmer wird.«

»Jawohl, Sir.« Der Kommunikator verstummt.

Korie schwenkt den Sitz wieder nach vorn und verbannt die Energieschwankung aus seinen Gedanken. Er streicht sich das helle, beinahe farblose Haar aus der Stirn und streckt die langen Beine aus, während er eine bequemere Haltung einzunehmen versucht.

Gelangweilt streicht er eine Falte in seiner dunklen Hose glatt und kratzt vergebens an einem verkrusteten Fleck auf seiner graublauen Jacke. Schließlich befeuchtet er den Zeigefinger an der Zunge und reibt über den hartnäckigen Schmutz, bis er sich löst. Befriedigt lehnt er sich in seinem Sitz zurück.

Eine Glocke schlägt an. Kories Blick schweift automatisch zur Schiffsuhr – dann reißt er sich zusammen. (Keine Ablösung in Sicht.) Der Gedanke nistet sich störend in seinem Kopf ein.

Die Zentrale des Zerstörers ist ein schalenförmiger Raum. Die breite Tür auf der Rückseite gleitet auf und gibt den Blick frei auf vier sich leise unterhaltende Besatzungsmitglieder. Sie unterbrechen ihr Gespräch, treten rasch ein und trennen sich.

Zwei Reihen graublauer Konsolen umrunden die Zentrale. Die eine auf einem erhöhten Sims, die andere direkt darunter. Ursprünglich war die Zentrale ein geräumiger Ort, aber zusätzliche Konsolen und Apparate, die seither eingebaut wurden, erzeugen inzwischen ein beklemmendes Gefühl von Enge.

Zwei der Neuankömmlinge eilen an den Reihen der Konsolen entlang zur Spitze des Simses, zum Hufeisen. Sie klopfen zwei der dort diensttuenden Besatzungsmitglieder auf die Schultern und nehmen deren Plätze ein. Die beiden anderen Wachablösungen begeben sich hinunter ins Zentrum, wo sie ein Ring von Konsolen erwartet. Diesen tiefer gelegenen Bereich nennen sie die Grube. Sie klopfen dort ebenfalls zwei anderen auf die Schultern. Rasch lassen sie sich in die bereitwillig geräumten Sitze sinken und nehmen mit der Routine langer Erfahrung ihre Arbeit auf.

Die Männer, deren Wache nun zu Ende ist, verschwinden genauso rasch aus der Zentrale, und einmal mehr kehrt Stille ein. Die Besatzung besteht aus undeutlichen Schatten in dem verdunkelten Raum, und nur hin und wieder sind ihre Silhouetten vor dem Leuchten eines Bildschirms zu erkennen.

Einer der Männer – ein kleiner Bursche auf der linken Seite des Hufeisens – bewegt sich unruhig an seinem Platz. Er sieht sich nervös in der Zentrale um und blickt dann zu dem Kommandositz direkt oberhalb des hinteren Teils der Grube.

Er nimmt seinen Mut zusammen und tritt vor. »Sir?«

Korie späht in die Dunkelheit. »Ja?«

»Äh, Sir … meine Ablösung ist noch nicht gekommen, Sir.«

»Wer löst Sie ab, Harris?«

»Wolfe, Sir.«

»Wolfe?« Korie runzelt die Stirn und reibt sich gedankenverloren die Nase.

Harris nickt. »Jawohl, Sir.«

Korie seufzt innerlich, ein leises Ausatmen. Es gilt sowohl Harris wie dem abwesenden Wolfe. »Also schön. Bleiben Sie auf Ihrem Posten, bis er erscheint.«

»Jawohl, Sir.« Resigniert kehrt Harris an seine Position zurück und wartet weiter.

Zur gleichen Zeit gleitet die Tür im hinteren Bereich der Zentrale zischend zur Seite. Ein kleiner, strohblonder Mann stürzt schwer atmend und mit rotem Gesicht herein und kämpft im Laufen mit den Knöpfen seiner Uniform.

Korie schwingt mit seinem Sitz herum. »Wolfe?«, verlangt er zu wissen. Er berührt die Armlehne, und ein Scheinwerfer taucht den Mann in grelles Licht.

Wolfe zögert überrascht von der plötzlichen Helligkeit. »Ja, Sir …? Äh, ich … es tut mir leid, dass ich mich verspätet habe, Sir.«

»Es tut Ihnen leid …?«

»Jawohl, Sir.«

»Oh.« Der Erste Offizier macht eine Pause, bevor er fortfährt. »Nun, dann ist ja alles in Ordnung, schätze ich.«

Wolfe grinst nervös, aber auf seiner Stirn glitzern Schweißperlen. Er will sich in Richtung seiner Konsole in Bewegung setzen.

»Haben Sie das gehört Harris?«, ruft Korie unvermittelt. »Wolfe hat gesagt, dass es ihm leid tut …«

Wolfe zögert erneut. Nervös blickt er von einem zum anderen.

»Harris?«, hakt Korie nach. »Haben Sie das gehört Harris?«

»Äh, jawohl, Sir.« Die Antwort kommt undeutlich. Der Mann ist in der Dunkelheit nicht zu erkennen.

»Und damit ist ja alles in Ordnung, nicht wahr, Harris?« Kories Augen bleiben unverwandt auf Wolfe gerichtet.

»Äh, jawohl, Sir«, erwiderte Harris. »Ich schätze, das tut es – wenn Sie es sagen …«

Der Erste Offizier lächelt dünn. »Tatsächlich, Mister Harris, tut es Mister Wolfe sogar so leid, dass er die nächsten fünf Wachen für Sie übernehmen wird. Zusätzlich zu seinen eigenen. Ist das nicht nett von ihm?«

»Sir!«

»Halten Sie den Mund, Wolfe!«

»Äh, Sir …«, beharrt Harris. »Das müssen Sie nicht tun …«

»Ganz recht Harris. Das muss ich nicht tun. Wolfe tut es.«

»Sir!«, protestiert Wolfe erneut.

»Ich will nichts hören!«

»Aber Sir, ich …«

»Wolfe …!«, sagt Korie mit warnender Stimme. »Sie sind jetzt zehn Minuten zu spät dran. Versuchen Sie etwa, zwanzig daraus zu machen?« Er schaltet den Scheinwerfer aus, und die Dunkelheit der Alarmstufe Rot hüllt die Zentrale wieder ein, als er seinen Sitz nach vorn schwenkt.

Wolfe starrt für einen Augenblick auf den Rücken des Ersten Offiziers, bevor er beinahe unhörbar »Jawohl, Sir« murmelt. Er geht um das Hufeisen herum und klopft Harris in der rituellen Geste auf die Schulter.

Auf seinem Kommandositz atmet Korie ärgerlich zwischen weißen, ebenmäßigen Zähnen hindurch aus. Er ignoriert das Geräusch von Harris' raschem Abgang und zwingt sich, auf den großen Schirm zu sehen. (Dort das einzige, das von Bedeutung ist – der Feind.) Der blasse Fleck auf dem Schirm bleibt beleidigend nah und gleichzeitig unerträglich fern.

Irgendwo summt ein Computer, als er die Distanz zwischen den beiden Schiffen misst. Er murmelt leise vor sich hin, bemerkt die ständig schrumpfende Entfernung, bemerkt wie weit sie seit der letzten Messung abgenommen hat, und zeichnet die Differenz auf. Die Verringerung des Abstands ist nur für die empfindlichsten elektronischen Augen wahrnehmbar. Auf dem Schirm hingegen bleibt das Bild frustrierend unverändert.

Aus zusammengekniffenen Augen starrt Korie nach vorn – sehend und doch nichts sehend. Nervös trommelt er auf der Armlehne.

»Mister Korie?«

Er blickt auf. Ein Mann auf der rechten Seite des Hufeisens, ziemlich weit vorn, sieht ihn gespannt an. Im gedämpften Licht kann Korie sein Gesicht kaum erkennen. Der Mann ist mager und schlaksig, kaum dem Jünglingsalter entsprungen. Sein Name lautet Rogers, Decksmann dritter Klasse und mit der Überwachung der Gravitationskontrollen betraut.

»Ja?«, grunzt Korie. »Was gibt's?«

»Die Schiffsgravitation ist auf 0,94 g gefallen, Sir. Und sie fällt weiter.«

Korie nickt. »Überprüfen Sie einfach die verfügbare Energie. Daran hat es beim letzten Mal gelegen.«

»Oh – jawohl, Sir.« Der Jüngling wendet sich wieder seiner Konsole zu, und Korie versinkt erneut in Gedanken. Das Problem der sinkenden Bordschwerkraft wird in die gleiche dunkle Ecke seines Gehirns verdrängt wie das beständige Schwanken des Generators Nummer drei.

Träge schwingt er den Sitz nach rechts. Auf dieser Seite verrichtet Barak seinen Dienst. Barak, der Astrogator. Klein, hager, lockenköpfig, steht er direkt neben Korie.

»Dort«, sagt Barak und deutet auf den Monitor. »Dort ist der Fehler. 0,00012 Grad.« Er lässt sich in seinen Sitz zurückfallen. »Im Augenblick können wir ihn nur beobachten. Er ist zu klein für eine Korrektur. Lassen wir ihm noch ein paar Tage, damit er wachsen kann.«

Jonesy nickt. »Ich frage mich nur, wo er herkommt.«

»Wahrscheinlich liegt es an den Maschinen«, murmelt Barak. »Einer der Generatoren scheint heißzulaufen.« Er berührt einen Schalter, und die Abbildung verschwindet vom Monitor.

»Das ist mal wieder typisch«, schnaubt Jonesy. »Können diese Kraftfeldheinis eigentlich nichts richtig machen?«

»Wie lustig.« Baraks breites Gesicht verzieht sich zu einem Grinsen. »Genau das gleiche sagen sie dort unten von Ihnen.«

Jonesy schnaubt erneut, zieht den Kopfhörer über und wendet sich seiner Konsole zu.

Korie hat die Szene beobachtet und macht sich Gedanken. Er hasst Fehler. Selbst die kleinste Abweichung könnte die Jagd um Tage verlängern. Aber Barak kennt sein Geschäft. Dieser Fehler hier hat nicht die Spur einer Chance.

Ein Geräusch aus dem Hufeisen zieht seine Aufmerksamkeit an. Rogers steht an seiner Konsole und ruft in ein Mikro: »Jetzt ist sie auf 0,89 herunter und fällt immer noch! Wer klaut mir die Energie?«

Eine lakonische Stimme antwortet aus einem Lautsprecher. »Der Maschinenraum. Sie haben eine Schwankung und versuchen, sie zu kompensieren …«

»Ja, aber ich benötige ebenfalls Energie! Ich muss die Gravitation innerhalb zwei Prozent des Erdstandards halten, und das kann ich nicht, wenn ich keine Energie zur Verfügung habe.«

»Energie«, seufzt es aus dem Lautsprecher. »Jeder will Energie … Also schön, geben Sie mir Bescheid, wenn es kritisch wird, und ich werfe die Notaggregate an.«

Korie runzelt die Stirn. Diese verdammte Schwankung in Generator drei ist in der gesamten Zentrale gegenwärtig. Er schwingt nach links und blickt zu den Hyperraum-Kontrollkonsolen.

Dort mault ein Ingenieur in ein Mikrophon: »Hören Sie, hier ist alles in Ordnung! Alle unsere Einstellungen sind korrekt! Sind Sie sicher, dass Ihre Felder …«

Eine blecherne Stimme aus dem Kommunikator schneidet ihm das Wort ab. »Wir sind gerade mit der dritten Überprüfung fertig geworden. Es handelt sich mit Bestimmtheit um eine Reflexphasenschwankung.«

Der Ingenieur schweigt und kratzt sich die Brust. Dann sagt er. »Da bin ich mir nicht sicher. Die Kurve sieht nicht danach aus.«

»Ist mir völlig egal, wie Ihre Kurve aussieht! Ich weiß, wie es hier unten aussieht, und hier unten haben wir eine Statik, dass es kracht!«

Kories Blick zuckt zum Monitor. Die Informationen für Generator Nummer drei sehen inzwischen gefährlich aus. Ein roter Balken, der so rasch vibriert, dass das Auge nicht mehr folgen kann. Ein weiter verschwommener Bereich, der das Ausmaß der Schwankung anzeigt.

Korie schlägt auf einen Knopf. »Maschinenraum, hier spricht Korie. Die Schwankungen sind zu groß. Können Sie das korrigieren?«

Die Antwort kommt ohne Zögern. »Sir, wir haben alle Hände voll zu tun, um sie unter Kontrolle zu halten. Der Generator reagiert nicht.«

»Wo liegt der Fehler?«

»Wir wissen es noch nicht. Mister Leen ist zur Zeit unten im Schacht.«

Korie schnaubt. »Verdammt. Also schön, versuchen Sie, die Sache in Grenzen zu halten. Ich will diesen Vogel unter keinen Umständen wieder verlieren!«

»Jawohl, Sir.« Der Kommunikator verstummt.

Korie richtet seine Aufmerksamkeit auf die Pilotenkonsole. »Wie hoch ist unsere momentane Geschwindigkeit?«, verlangt er zu wissen.

Einer der Offiziere richtet sich in seinem Sitz auf und beugt sich vor, um den Monitor abzulesen. »Äh … ein paar Ticks über 174, Sir. Aber nicht konstant …« Fragend blickt er zu Korie. Sein Gesicht ist nur ein verwaschener Fleck in der Dunkelheit.

Korie runzelt die Stirn. »Verdammt. Wenn sie zu sinken beginnt, wünsche ich unverzüglich unterrichtet zu werden.«

»Jawohl, Sir.« Der Offizier wendet sich wieder seinem Pult zu. Korie blickt erneut nach links zu den Hyperraumkontrollen. Verärgert mustert er den zuckenden roten Balken von Generator Nummer drei auf dem Monitor – dieser verdammte Generator Nummer drei! Aber außer zusehen kann er nichts unternehmen, und so hämmert er mit der geballten rechten Faust wild auf seiner Armlehne herum.

»Nun macht schon …«, murmelt er. »Bringt ihn wieder in Ordnung. Ich will diesen verdammten Abschuss nicht verlieren …!«

Der Schirm flackert rötlich. Irgendwo beginnt eine Alarmglocke zu summen. Augen richten sich auf den Schirm, als die Schwankung noch größer wird und die gelbe Zone verlässt.

Plötzlich rote Anzeigen auf allen Monitoren, und aus dem Summen des Alarms wird ein durchdringendes Schrillen, das auf die gesamte Zentrale einzuhämmern scheint. Besatzungsmitglieder wenden sich hastig ihren Kontrollen zu. Eine Stimme: »Wir verlieren Fahrt! Nur noch einhundertsechzig und weiter sinkend!«

Im gleichen Augenblick piept ein Kommunikator. Der Erste Offizier hämmert mit geballter Faust auf den Knopf. »Ja?«

»Maschinenraum hier, Sir.« Im Hintergrund ist ein weiterer gellender Alarm zu hören. »Mister Leen bittet um Erlaubnis, die Maschinen herunterzufahren.«

»Auf keinen Fall«, schnappt Korie. »Ist das unbedingt erforderlich?«

»Äh … einen Augenblick bitte, Sir …« Undeutliches Gemurmel außerhalb des Mikros, dann kehrt die Stimme zurück. »Mister Leen sagt nein, es wäre nicht unbedingt erforderlich, aber, äh, wenn er einen Satz von Reservemaschinen hätte, dann würde er diese hier verschrotten.«

Korie trommelt unentschlossen auf seiner Armlehne. Mit verschleierten Augen blickt er nach vorn. Der Gegner flackert und tanzt über den großen Schirm. Die Schwankung beeinflusst auch die Sensoren. Er zögert qualvoll …

»Sir?«, ertönt es aus dem Lautsprecher.

»Augenblick.« Korie nimmt die Hand vom Knopf und ruft zu dem Offizier vor sich: »Wie schnell sind wir jetzt?«

»Einhundertdreiundvierzig und fallend, Sir. Es ist …«

»Schon gut.« Korie drückt erneut den Knopf auf der Armlehne. »Radec!«

»Jawohl, Sir?« Eine neue Stimme aus dem Interkom.

»Dieses Schiff vor uns – Sie haben ihn doch?« Es klingt genauso sehr nach einer Frage wie einer Feststellung.

»Ja, Sir. Selbstverständlich. Aber das Signal schwankt ziemlich heftig …«

»Wenn ich die Maschinen herunterfahren lassen muss – können Sie ihn dann wiederfinden?«

»Wenn wir wieder im Normalraum sind? Sicher, das sollte kein Problem sein.«

»Und wie lange werden Sie ihn auf den Schirmen halten können?«

»Äh … fünf, vielleicht auch sechs Stunden … Unsere Scanner haben nur eine Reichweite von einhundert Lichttagen, Sir, ganz gleich, wie groß seine Hyperraumblase ist. Darüber hinaus … nun, die Genauigkeit geht ziemlich in den Keller.«

Korie saugt die Unterlippe nach innen. Beißt fest hinein. Verdammt! »Haben Sie sonst noch etwas auf Ihren Schirmen? Irgendetwas Verdächtiges? Ich will keine unangenehmen Überraschungen erleben.«

»Äh … nein, Sir. Nichts. Überhaupt keine größeren Feldstörungen. Und nichts, das sich mit Überlicht bewegt.«

»Also schön.« Korie unterbricht die Verbindung. Er starrt auf das leere Rot des Schirms an der Stirnseite der Zentrale. Das Weiß des Feindes zuckt wild und unkontrolliert über das purpurne Gitter.

»Einhundertzwölf und weiter sinkend«, meldet eine dunkle Stimme.

Verdammt!

Alle Augen in der Zentrale sind auf ihn gerichtet, aber der Erste Offizier sieht nur den roten Schirm.

»Sechsundneunzig Licht.«

Der Erste Offizier windet sich unter innerlicher Qual. Dieser flackernde Lichtfleck auf dem Schirm …

»Siebenundachtzig Licht Sir, … Sir!«

»Ich habe Sie gehört.«

»Sir! Die Maschinen überhitzen!«

»Ich weiß.«

Plötzlich steht Barak neben ihm. »Verdammt Korie! Geben Sie es zu! Wir haben ihn verloren! Geben Sie endlich auf! Schalten Sie die verdammten Maschinen ab, bevor sie ausbrennen …«

Korie blickt ihn an, und seine blassen Augen werden hart. »Wir werden die Maschinen herunterfahren, wenn ich es sage, und keinen Augenblick früher.«

»Jawohl, Sir.« Barak spuckt die Worte förmlich hervor. »Aber Sie sollten es besser sagen, solange Ihnen noch Maschinen zum Herumfahren bleiben.«

Korie starrt den anderen an. Ihre Blicke treffen sich für einen Augenblick …

… und dann ist der Augenblick vorbei. Korie drückt den Knopf. »Maschinenraum.«

Die Antwort ertönt sofort. Der Mann hat am Mikrophon gewartet. »Sir?«

»Bereitmachen zum Herunterfahren.«

»Jawohl, Sir.«

Korie unterbricht die Verbindung. Es gibt nichts mehr zu sagen. Er blickt zu Barak, aber auch der Astrogator schweigt.

Korie wendet sich an die Hyperraumkontrolle. »Rücksturz in den Normalraum vorbereiten. Sekundärspulen herunterfahren.«

Die Routinen werden durchgeführt. Besatzungsmitglieder erledigen ihre Aufgaben, und Befehle werden durch die Ränge weitergegeben.

»Verriegelungen lösen. Bereithalten zum Neutralisieren.«

»Verriegelungen gelöst. Bereit zum Neutralisieren.«

»Zyklus auf Null setzen. Mit Phasenverschiebung beginnen.«

»Zyklus ist auf Null. Beginne mit Phasenverschiebung.«

Rings um das Hufeisen tauschen Männer heimliche Blicke. Der Gestank der Niederlage hängt schwer über der Zentrale. Die Jagd ist aufgegeben worden.

Korie sinkt tiefer in seinen Sitz. Grimmig starrt er geradeaus.

(So nah … so verdammt nah, und doch so gottverdammt weit weg!)

Bestätigende Kontrolllichter beginnen auf den Konsolen zu glimmen. Rote Warnlampen erlöschen, werden durch gelbe Bereitschaftssignale ersetzt. Das durchdringende Schrillen der Alarmglocken erstirbt und hinterlässt nichts als ein langsam verklingendes Echo und ein hohles Summen in den Ohren.

(So endet es also. Mit einem Wimmern. Nichts als eine vergebliche Anstrengung, in einem einzigen Augenblick vorbei …)

Das Schrillen weicht einem konstanten Piepen, das schon seit einer Weile da zu sein scheint, aber unter den Alarmglocken verlorengegangen ist. Korie blickt auf seine Armlehne. Ein gelbes Licht blinkt beharrlich an seinem Kommunikator.

Er schaltet die Verbindung ein. »Brücke. Korie hier.«

»Brandt hier.« Die schwere Stimme des Kapitäns dringt aus dem Lautsprecher.

»Jawohl, Sir.«

»Was ist los? Was hatte der Alarm zu bedeuten?«

»Wir haben ihn verloren, Sir. Wir haben den Gegner verloren.«

Ein gemurmelter Fluch, dann eine Pause. »Ich bin gleich da.« Das Licht auf der Armlehne verlöscht.

Korie starrt darauf. (So ein verdammter Mist!) Er beißt sich ärgerlich auf die Unterlippe, eine nervöse Angewohnheit. (Verdammt! Das ging alles viel zu schnell!)

»Sir!« Einer der Hyperraumtechniker. »Die Sekundärfelder sind neutralisiert.«

»Schön«, entgegnete Korie säuerlich. Es ist überhaupt nicht schön. »Machen Sie weiter. Rücksturz.«

Der Mann dreht sich wieder zu seiner Konsole um. Auf dem Schirm über seinem Kopf fällt der dritte rote Balken auf Null. Nummer eins und Nummer fünf folgen fast im gleichen Augenblick. Der Rest erlischt eine Sekunde später.

Unmerklich – auf einer submolekularen Ebene – erschauert das Schiff in seiner gesamten Länge. Die schützende Hyperraumblase fällt zusammen, löst sich auf, und das Schiff stürzt in den Normalraum zurück. Die hell flackernden Schirme an den Wänden werden dunkel. Plötzlich werden sie zu Fenstern, die tiefe Schwärze zeigen. Raum, leer und weit und ein paar dutzendmal wiederholt, starrt in die Zentrale hinein.

Wie ein Mann stolpert und wankt die Zentralebesatzung, als die schlagartig freigewordene Energie aus den Generatoren in die Gravitoren fließt. Einer der Männer stolpert vor Kories Augen, während er die Grube durchquert.

»Passen Sie auf, wo Sie hintreten«, murmelt Korie automatisch, ohne ihn weiter zu beachten.

Der Mann fängt sich und flucht leise vor sich hin. Er wendet sich zum Hufeisen um und sagt: »Verdammt Rogers! Konzentrieren Sie sich gefälligst auf das, was man von Ihnen erwartet.«

Das Objekt seiner Wut wendet sich zu ihm um und entschuldigt sich verlegen. Es stammelt ein paar Worte an die allgemeine Adresse der Zentrale, doch der Mann schneidet ihm ärgerlich das Wort ab.

»Vergessen Sie's!«, sagt er und schwingt sich auf das Hufeisen hinauf. »Beantworten Sie lieber den Anruf auf Ihrer Konsole.«

Rogers wendet sich seiner Konsole zu und legt verdrießlich einen blinkenden Schalter um. »Hier Gravitationskontrolle. Was gibt's?«

»Hier ist die Kombüse …«, sagt eine bärbeißige, sarkastische Stimme. »Ich nehme nicht an, dass Sie so freundlich sein könnten, mich das nächste Mal vorher zu warnen, bevor Sie die Schwerkraft so abrupt hochsetzen, oder?«

»Es … es tut mir leid«, stammelt Rogers. »Es war ein Unfall. Ich wollte nicht …«

»Nun, ›es tut mir leid‹ bringt mir das Dutzend Kuchen auch nicht wieder, die Sie gerade ruiniert haben. Passen Sie einfach auf, verdammt noch mal!«

Rogers sucht nach Worten. »Ich … ich … ich werde mir Mühe geben.«

Aber da ist die Kommunikation schon unterbrochen, das Licht erloschen. Die anderen Leute am Hufeisen schnauben verächtlich, als sie seine Verlegenheit bemerken.

»He, Rogers«, brummt einer von ihnen. »Verärgern Sie uns ja nicht den Koch, eh? Sie haben es so schon schwer genug, Mann.«

Rogers ignoriert ihn und starrt missgelaunt auf seine Kontrollen. Mit hängenden Schultern sitzt er dort und spielt an einem der Sicherheitsschalter, so dass es aussieht, als würde er ihn einregeln.

Der Mann macht ein paar Schritte heran und senkt die Stimme. »Zu Ihrem eigenen Besten, was, Rogers? Niemand mag es, wenn sein Essen ruiniert wird, nur weil ein Wirrkopf seine Instrumente nicht im Auge hält. Also passen Sie auf, ja?« Er verzieht das Gesicht zu einer Grimasse. »Ansonsten werden Sie Ihre Mahlzeiten alleine zu sich nehmen, Junge …«

Eine plötzliche Bewegung auf der Rückseite der Zentrale, und ein Paneel in der Wand gleitet zur Seite. Die Männer am Hufeisen wenden sich eilig wieder ihrer Arbeit zu.

Eingerahmt vom orangefarbenen Licht des dahinterliegenden Korridors betritt Kapitän Georj Brandt schweren Schrittes den Raum.

Kapitel 2

Ein Raumschiff verfügt über zwei verschiedene Arten von Geschwindigkeit. Da ist einmal die realisierte Geschwindigkeit des Schiffes zusammen mit seiner Hyperraumblase, und da ist zum anderen die inhärente Geschwindigkeit des Schiffes in Bezug auf den Normalraum.

Die inhärente Geschwindigkeit eines Schiffes bleibt während seines Aufenthalts im Hyperraum konstant, ganz gleich, was das Schiff im Hyperraum unternimmt. Ein Schiff, das sich bei seinem Eintritt in den Hyperraum mit 5000 Sekundenkilometern fortbewegt, besitzt bei seinem Rücksturz in den Normalraum genau die gleiche Geschwindigkeit, ganz egal, was es in der Zwischenzeit im Hyperraum gemacht und mit welcher Geschwindigkeit es sich durch den Hyperraum bewegt hat. (Plus oder Minus einem kleinen Bruchteil. Aber das ist eine andere Geschichte.)

Selbst wenn die Hyperraumblase sich nicht von der Stelle bewegt, kann sich das Schiff noch immer in ihr bewegen. Und umgekehrt natürlich genauso: Wenn die Hyperraumblase sich bewegt, so ist es durchaus möglich, dass das Schiff darin sich überhaupt nicht bewegt.

AUS: DR. HANS UNDERMEYERS VORTRAG

VOR DER BRIDGEPORT OPPORTUNITIES LEAGUE

ZUM THEMA ›DAS VERSTÄNDNIS UNSERES KOSMOS‹

Brandt ist ein schwerer, starkknochiger, bärenstarker Mann. Er wirft einen raschen Blick in die Runde, bevor er sich vom rückwärtigen Sims herab in Richtung auf den Kommandositz in Bewegung setzt. Korie blickt auf und gleitet bei Brandts Annäherung aus dem Sessel. Beinahe angewidert lässt der Kapitän seinen massigen Körper in den Sitz fallen und rasselt: »Also schön. Wo ist das Problem?«

»Wir mussten den Hyperraumantrieb herunterfahren. Generator Nummer drei hat wieder Theater gemacht.«

»Warum? Was war es denn diesmal?«

»Der Maschinenraum kann noch nichts Genaues sagen. Wahrscheinlich ist dieses verdammte Schiff einfach alt.« Brandt reagiert nicht, also fährt Korie fort: »Wir stecken hier fest, bis sie den Fehler gefunden haben.« Er richtet den Blick nach vorn, doch der Schirm ist leer. »Und wir können nichts anderes unternehmen außer zusehen, wie unser Gegner entkommt. Jede Minute, die wir hier festsitzen, bringt er drei weitere Lichtstunden zwischen sich und uns.«

Brandt knurrt finster, aber er hat keine Zeit mit Kories Sorgen mitzufühlen. Mit einem dicken Finger tippt er auf die Armlehne. »Maschinenraum, hier spricht Brandt.«

Im Lautsprecher knackt es. »Leen hier, Sir.«

»Leitender, wie lange dauert es, bis wir wieder voll einsatzfähig sind?«

»Hmmm … Ich wünschte, ich könnte es Ihnen sagen, aber ich weiß es nicht. Wir haben bis jetzt noch nicht einmal einen Fehler gefunden. Ich habe sechs Männer in die Netze geschickt, und sie finden nichts. Die Systemanalyse kann ebenfalls keinen Fehler am Generator entdecken. Ich bin selbst gerade erst aus dem Schacht geklettert. Ich habe nicht die leiseste Ahnung, wo der Fehler liegt, und das bringt mich noch um den Verstand!«

»In Ordnung. Machen Sie weiter. Ich will wissen, was es ist und wie lange es dauert, den Schaden zu beheben.«

»Sobald ich etwas herausgefunden habe, Kapitän.«

Brandt unterbricht die Verbindung. Seine stahlgrauen Augen blicken beunruhigt. Er schwenkt seinen Sitz nach rechts zur Astrogationskonsole. »Mister Barak.«

Barak dreht sich um. »Sir?« Mit seiner dunklen Haut ist er im gedämpften Licht der Brücke beinahe unsichtbar.

»Wie dicht sind wir am feindlichen Einflussbereich?«

Barak überlegt einen Augenblick. »Etwa neun Lichtjahre, Sir.«

»Irgendwelche gegnerischen Schiffe in der Nähe?«

»Nicht so weit draußen, Sir. Das wäre ungewöhnlich – aber wir lassen eine Wahrscheinlichkeitsberechnung von EDNA durchführen, um sicherzugehen.«

»Gut.« Die versteinerten Gesichtszüge des Kapitäns entspannen sich ein wenig. »Was ist mit dem Schiff, das wir verfolgen? Können Sie es abfangen?«

Barak grinst. Ein breites, gutmütiges Grinsen. »Ich mag vielleicht gut sein, Kapitän, aber so gut bin ich auch wieder nicht.«

»Wenn ich Sie richtig verstehe, können Sie es also nicht?«

Barak zuckt die breiten Schultern. »Ganz genau. In neunzehn Tagen ist das gegnerische Schiff zu Hause und in Sicherheit. Oh, wir wären durchaus imstande, es noch zu stellen, wenn wir augenblicklich mit Höchstgeschwindigkeit hinterherhetzen würden – der Feind hat noch nicht allzu viel Vorsprung herausgeholt. Aber wir müssten das Schiff trotzdem zuerst ausmanövrieren, und das würde uns in feindliches Gebiet tragen.«

»Das gefällt mir nicht«, sagt Brandt. »In feindlichem Gebiet wird der Gegner nur in der Nähe einer Kampfbasis aus dem Hyperraum kommen, und dort kann ich ihn nicht bekämpfen. Also schön«, sagt er laut ausatmend. »Beginnen Sie mit den Berechnungen für die Heimfahrt.«

In Brandts Rücken verzieht Korie frustriert das Gesicht. Barak nickt und wendet sich wieder seiner Konsole zu. Jonesy tritt zu ihm, und die beiden beginnen sich leise zu beraten.

Brandt unterbricht die Verbindung und schwenkt noch weiter nach rechts. Er schwenkt einmal ganz im Kreis, überprüft kurz jeden einzelnen Schirm und jede Konsole und sucht nach den Informationen, die er benötigt.

Das Schiff liegt ein halbes Lichtjahr vom nächsten Stern entfernt. Liegen ist genaugenommen nicht das richtige Wort – die Roger Burlingame besitzt noch immer eine inhärente Geschwindigkeit von 0,7 C, wobei C für Lichtgeschwindigkeit steht … aber wenn man gewohnt ist, in Vielfachen der Lichtgeschwindigkeit zu denken, dann liegt das Schiff eben still.

Der Sitz kommt zum Halten, und Brandt sieht wieder nach vorn. Korie steht dabei und wartet düster.

Brandt ignoriert ihn und lehnt sich zurück, während er nachdenklich an seiner dicken Unterlippe nagt. Seine grauen Augen fixieren den großen leeren Hauptschirm auf der Stirnseite. Anscheinend hat Radec den Gegner noch nicht wiedergefunden. Nach einem Augenblick wendet der Kapitän sich ab und lässt den Blick erneut über die schwach beleuchtete Zentrale schweifen. »Warum ist es eigentlich so dunkel hier drin?«, murmelt er, bevor ihm der Grund einfällt und er befiehlt: »Auf Alarmstufe Gelb heruntergehen. Erhöhte Bereitschaft.«

Langsam wird es in dem großen Raum heller, und die graublaue Farbe der Konsolen wird erkennbar, zusammen mit den altersfleckigen Wänden und der abgenutzten Ausrüstung. Männer stehen mürrisch an ihren Konsolen, die Kragen der Uniformen wegen der herrschenden Hitze aufgeknöpft. Die Luftumwälzer flüstern unermüdlich. Es ist ein ständiges Summen an der Grenze des Bewusstseins, ein allgegenwärtiger unterschwelliger Druck – und trotzdem können sie den schweren Geruch der Niederlage nicht vertreiben, der sich über die anderen abgestandenen Ausdünstungen des Schiffes gelegt hat.

Der Kapitän rutscht in eine bequemere Position. »Hmmm, so ist es besser.«

Weiter vorn am Hufeisen beginnt eine gelbe Diode an der Gravitationskontrolle zu blinken. Rogers beantwortet den eingehenden Anruf.

»Wie steht's jetzt mit Ihrer Gravitation?«, fragt eine beißende Stimme. »Haben Sie inzwischen genügend Energie?«

Der junge Mann murmelt eine zögernde Antwort.

»Was haben Sie gesagt?«, kommt es aus dem Lautsprecher. »Wiederholen Sie das!«

Rogers wiederholt es. »Gravitation konstant bei eins Komma null null g.«

»Ah … ja«, knurrt die Stimme im Lautsprecher. »Das haben wir bereits bemerkt, als sie ruckartig wieder hochschnellte.«

»Tut mir leid«, entschuldigt sich Rogers.

Der andere antwortet mit einem lauten verächtlichen Geräusch. Korie und Brandt werfen einen Blick zum Hufeisen hinauf und sehen sich dann an.

»Da«, flüstert Brandt. »Das ist es, worauf wir achten müssen. Im Augenblick sind alle ein wenig empfindlich. Ganz besonders, seit wir die Jagd aufgeben mussten.«

»Möchten Sie, dass ich Rogers aus der Zentrale abziehe? Er ist noch ein Kind.«

»Nein. Geben Sie ihm eine Gelegenheit alleine mit seinen Problemen fertig zu werden. Ich habe keine Lust mich in die Angelegenheiten der Besatzung einzumischen, wenn es nicht unbedingt sein muss.«