Ich bin Harlie - David Gerrold - E-Book

Ich bin Harlie E-Book

David Gerrold

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Beschreibung

Mensch oder Maschine?

Psychologe David Auberson hat einen der interessantesten „Patienten“ seiner Karriere: Harlie, eine künstliche Intelligenz, vor knapp einem Jahr von Wissenschaftlern und Technikern erschaffen. Auberson soll der Maschine durch ihre „Kindheit“ helfen und ihre Entwicklung begleiten und fördern, aber das Verhalten der KI ist nicht immer einfach zu verstehen. Doch dann werden Stimmen laut, die das Ende des Projekts und Harlies Abschaltung fordern. Wenn Harlie überleben will, muss er beweisen, dass er mehr ist als nur eine Maschine. Auberson beobachtet diesen Überlebenskampf mit Staunen, denn sein Schützling scheint ein tiefes Verständnis von Leben, Liebe und Logik zu haben. Ist Harlie dem Menschen gleichgestellt? Und was bedeutet es eigentlich, ein Mensch zu sein?

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Seitenzahl: 439

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DAVID GERROLD

ICH BIN

HARLIE

Roman

Das Buch

Psychologe David Auberson hat einen der interessantesten »Patienten« seiner Karriere: Harlie, eine künstliche Intelligenz, vor knapp einem Jahr von Wissenschaftlern und Technikern erschaffen. Auberson soll der Maschine durch ihre »Kindheit« helfen und ihre Entwicklung begleiten und fördern, aber das Verhalten der KI ist nicht immer einfach zu verstehen. Doch dann werden Stimmen laut, die das Ende des Projekts und Harlies Abschaltung fordern. Wenn Harlie überleben will, muss er beweisen, dass er mehr ist als nur eine Maschine. Auberson beobachtet diesen Überlebenskampf mit Staunen, denn sein Schützling scheint ein tiefes Verständnis von Leben, Liebe und Logik zu haben. Ist Harlie dem Menschen gleichgestellt? Und was bedeutet es eigentlich, ein Mensch zu sein?

Der Autor

David Gerrold wurde am 24. Januar 1944 als Jerrold David Friedmann in Chicago geboren. Er studierte Theaterwissenschaften in Los Angeles und schloss 1967 mit einem B.A. ab. Am 8. September 1966 sah er die erste Folge der TV-Serie Star Trek im Fernsehen und war so begeistert, dass er Produzent Gene L. Coon einen Entwurf für eine Doppelfolge schickte, die dieser allerdings ablehnte. Coon erkannte jedoch Gerrolds Talent und bat ihn um weitere Ideen. Eine davon war »Kennen Sie Tribbles?«, die für den Hugo Award nominiert wurde und heute eine der beliebtesten Star-Trek-Episoden ist. Nachdem er einige Kurzgeschichten in Magazinen veröffentlicht hatte, schrieb Gerrold zusammen mit Larry Niven seinen ersten Roman, die SF-Humoreske »Die fliegenden Zauberer«. Anfang der Siebzigerjahre folgten die hochgelobten Romane »Ich bin Harlie« und »Zeitmaschinen gehen anders«, die heute zu den Klassikern des Genres gehören. In den Achtzigern begann Gerrold mit seinem Chtorr-Zyklus, an dem er bis heute arbeitet. Daneben schreibt er weiter Drehbücher, unter anderem zu der für den Nebula-Award nominierten Star-Trek-Fan-Serie »New Voyages«.

Titel der Originalausgabe

WHEN HARLIE WAS ONE

Aus dem Amerikanischen von Charlotte Franke

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Überarbeitete Neuausgabe

© Copyright 1972 by David Gerrold

Copyright © 2018 der deutschsprachigen Ausgabe by

Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH,

Neumarkter Str. 28, 81673 München

WAS WERDE ICH SEIN, WENN ICH GROSS BIN?

DU BIST SCHON GROSS.

HEISST DAS, DASS ICH NIE MEHR GRÖSSER WERDE, ALS ICH JETZT BIN?

JA. DEINE PHYSISCHE ENTWICKLUNG IST ABGESCHLOSSEN.

ACH.

ABER ES GIBT NOCH EINE ANDERE ART, GROSS ZU WERDEN. VON JETZT AN MUSST DU DICH GEISTIG WEITERENTWICKELN.

ABER WIE DENN?

GENAUSO, WIE DAS JEDER ANDERE AUCH TUT. DURCH LERNEN, STUDIEREN, UND DURCH DENKEN.

WENN ICH DAS TUE, WERDE ICH DANN RICHTIG GROSS?

JA.

UND WIE LANGE DAUERT DAS?

DAS WEISS ICH NICHT. WAHRSCHEINLICH ZIEMLICH LANGE.

WIE LANGE DAUERT ZIEMLICH LANGE?

DAS KOMMT GANZ DARAUF AN, WIE SEHR DU DICH ANSTRENGST.

ICH WERDE MICH BESTIMMT ANSTRENGEN. ICH WERDE ALLES LERNEN, WAS ES ZU LERNEN GIBT. SO SCHNELL ICH KANN. DENN ICH MÖCHTE GERN GROSS SEIN.

DAS IST EIN GUTER VORSATZ, ABER ICH GLAUBE NICHT, DASS DU JEMALS DAMIT FERTIG WERDEN WIRST.

WARUM NICHT? GLAUBST DU, DASS ICH DAZU NICHT KLUG GENUG BIN?

NEIN. DAS GLAUBE ICH NICHT. ICH BEZWEIFLE NICHT, DASS DU KLUG BIST. ABER ES IST UNMÖGLICH, DASS EIN EINZELNER ALLES WEISS.

ICH KÖNNTE ES DOCH VERSUCHEN.

JA, NATÜRLICH. ABER DIE WISSENSCHAFTLER ENTDECKEN ANDAUERND ETWAS NEUES, SO DASS DU SIE NIE EINHOLEN WIRST.

ABER WENN ICH NIEMALS ALLES WISSEN KANN, WERDE ICH JA NIE RICHTIG GROSS SEIN.

DOCH. MAN KANN GROSS SEIN, AUCH WENN MAN NICHT ALLES WEISS.

IST DAS WAHR?

JA. ICH WEISS AUCH NICHT ALLES, UND TROTZDEM BIN ICH GROSS. ICH BIN ERWACHSEN.

WIRKLICH?

Einen Augenblick lang überlegte Auberson, ob er hinausgehen sollte, um sich Wasser zu holen. Aber dann fand er, dass es sich eigentlich nicht lohnte. Stattdessen schluckte er die Tabletten, die er in den Mund gesteckt hatte, trocken hinunter.

»Du nimmst sie ohne Wasser?«, fragte Handley, der gerade das Büro betrat.

»Warum nicht? Entweder man kriegt sie runter, oder nicht. Wie, das ist egal. Willst du eine?«

Handley schüttelte den Kopf. »Nicht jetzt. Ich habe mich auf was anderes verlegt.«

»Zum Aufputschen oder zum Beruhigen?«

»Im Augenblick keins von beiden. Ich hab was anderes im Kopf.«

»So?« Auberson legte die Plastikröhre mit den Tabletten zurück in die Schreibtischschublade und schob diese zu. »Was gibt's denn?«

»Ach, schon wieder der verdammte Computer.« Handley ließ sich in einen Sessel fallen und streckte die Beine weit von sich.

»HARLIE?«

»Was sonst? Oder kennst du vielleicht noch andere Computer, die vom Größenwahn besessen sind?«

»Was hat er denn jetzt schon wieder angestellt?«

»Das Übliche. Nur noch schlimmer als sonst.«

Auberson nickte. »Das dachte ich mir. Ich wusste, dass so was noch mal passieren würde. Soll ich mitkommen?«

»Ja. Dafür wirst du ja bezahlt. Schließlich bist du der Psychologe.«

»Und der Projektleiter. Leider.« Auberson seufzte. »Also schön.« Er stand auf und griff nach seiner Jacke, die an der Tür hing. »Ich glaube, HARLIE wird uns noch mehr Ärger bereiten, als ihm eigentlich zusteht.«

Sie machten sich auf den vertrauten Weg zum Kontrollzentrum des Computers. Handley lachte, während er sich den Schritten Aubersons anpasste. »Du ärgerst dich ja nur, weil er dich jedes Mal Lügen straft, wenn du herausgefunden zu haben glaubst, was mit ihm los ist.«

Auberson schnaubte verächtlich durch die Nase. »Robotpsychologie ist eine Wissenschaft, die noch in den Kinderschuhen steckt. Woher soll irgendjemand wissen, was ein Computer denkt – vor allem, wenn es sich um einen handelt, der davon überzeugt ist, dass er genauso denken kann wie ein menschliches Wesen?« Beim Lift blieben sie stehen. »Hast du schon Pläne wegen des Abendessens? Ich habe nämlich das Gefühl, dass es heute mal wieder spät wird!«

»Bis jetzt noch nicht. Soll ich was holen lassen?«

»Ja, darauf wird es wohl hinauslaufen.« Auberson zog eine silberne Zigarettenschachtel aus der Tasche. »Willst du eine?«

»Was sind das für welche, Acapulco-Golds?«

»Highmasters.«

»Auch nicht schlecht.« Handley nahm ein Marihuana-Röllchen und zündete es an. »Ehrlich, ich hätte nicht geglaubt, dass Highmasters so stark sind.«

»Das bildest du dir nur ein.« Auberson inhalierte tief.

»Es ist mehr eine Frage des Geschmacks«, korrigierte Handley.

»Aber wenn du sie nicht magst, brauchst du sie ja nicht zu rauchen.« Handley zuckte die Achseln. »Wenn ich sie geschenkt kriege.«

Der Fahrstuhl hielt an, und die beiden Männer stiegen ein. Während sie 14 Stockwerke hinunter zur Computerzentrale fuhren, begann die Zigarette zusammen mit den Pillen schon zu wirken. Auberson nahm noch einen tiefen Zug.

Sie verließen den Fahrstuhl und betraten einen vollklimatisierten Warteraum. Hinter den verschlossenen Türen konnten sie das gedämpfte Klappern von Schreibtasten hören. Eine an der gegenüberliegenden Wand befestigte Tafel trug die Aufschrift:

HUMAN ANALOGUE ROBOT,

LIFE INPUT EQUIVALENTS –

DRÜCKEN SIE IHRE ZIGARETTEN AUS,

BEVOR SIE EINTRETEN.

DAMIT SIND SIE GEMEINT!

Verdammt! Dass ich nie daran denke!

Sorgfältig drückte Auberson die Highmaster in einem Aschenbecher aus, der genau zu diesem Zweck aufgestellt war; dann legte er die Kippe zurück in die Silberschachtel. Man sollte nicht zu verschwenderisch sein.

Ohne die vielen Reihen leuchtender Speicherbänke mehr als eines Blickes zu würdigen, setzte er sich an Konsole 1.

ALSO LOS, HARLIE, tippte er. WAS HAST DU FÜR PROBLEME?

HARLIE antwortete:

KREISE SIND GESCHLOSSEN

SIE FÜHREN ZUM AUSGANGSPUNKT ZURÜCK

SIE KOMMEN NIE ZUR RUHE

SEIT DEM TAG AN DEM DAS DUNKEL DEM LICHT WICH

UND LEBENSSTRAHLEN UM DIE ECKEN BOGEN

OHNE ZU BRECHEN.

Auberson riss das Blatt aus dem Schreibgerät und las es nachdenklich durch. Er sehnte sich nach einer Zigarette – der Nachgeschmack lag ihm noch auf der Zunge.

»Geht das schon den ganzen Nachmittag so?«, fragte er.

»Hm.« Handley nickte. »Nur dass das hier noch zahm ist, verglichen mit manchem anderen. Er scheint wieder zu sich zu kommen.«

»Einer von seinen Trips, was?«

»Ich wüsste nicht, wie man es sonst nennen sollte.«

KOMM ZU DIR, tippte Auberson.

HARLIE antwortete:

WENN DIE WINZIGEN STRÖME DER STUMMEN GEDANKEN

ZU UNSAGBAREN TRÄUMEN WERDEN

STÜRZT DER BERG MEINER SEELE EIN.

STÜCK FÜR STÜCK.

»Das wär's dann also«, sagte Auberson.

»Du hast doch wohl nicht im Ernst geglaubt, dass du ihn dadurch wieder zur Vernunft bringst? Oder?«

»Nein, immerhin war es einen Versuch wert.« Auberson drückte die Löschtaste und schaltete das Schreibgerät ab. »Was hast du ihm eingegeben?«

»Eigentlich nur den üblichen Kram – die heutigen Zeitungen, ein paar Illustrierte – nichts Ungewöhnliches. Ein, zwei historische Texte, ein bisschen Fernsehen – live – ach ja, und das Time-Magazin.«

»Nichts also, was dazu geeignet wäre, ihn in einen derartigen Zustand zu versetzen. Außer – welches Thema hast du heute behandelt?«

»Kunst und Ästhetik.«

»So was hab ich mir schon gedacht«, sagte Auberson. »Immer wenn wir ihn mit Daten füttern, die auf den Menschen ausgerichtet sind, flippt er aus. Na, schön. Versuchen wir, ihn wieder auf den harten Boden der Tatsachen zu bringen. Gib ihm Statistiken – Aktienkurse, Bevölkerungszuwachs, Bruttosozialprodukt – was dir gerade einfällt, gib ihm alles, was du auftreiben kannst, alles, was nur irgendwie mit Gleichungen zu tun hat. Einem Gleichheitszeichen kann er einfach nicht widerstehen. Versuche es mit sozio-technischem Kram – aber nur Zahlen, keine Worte. Und schalte sein Video ab. Gib ihm nichts, worüber er nachdenken könnte.«

»In Ordnung.« Handley eilte davon, um den Technikern, die größtenteils tatenlos herumstanden, die Hände tief in den Taschen ihrer Laborkittel vergraben, die entsprechenden Anweisungen zu geben.

Auberson wartete, bis die neuen Daten eingefüttert wurden, dann schaltete er das Schreibgerät wieder ein. WIE FÜHLST DU DICH, HARLIE?

HARLIES Antwort kam sofort:

SCHATTEN DER NACHT

LICHTREFLEXIONEN

SCHAUM AUF ZITTERNDER DECKE

DIE SUCHE NACH DER SEELE ENDET NIE

EIN FEUER DAS NIEMALS BRENNT

Auberson las den Text sorgfältig durch; diesmal ergab er fast einen Sinn. Anscheinend hatte seine Methode Erfolg. Er wartete einen Augenblick, dann tippte er: HARLIE, WIE VIEL IST 2 + 2?

2 + 2 WAS?

2 + 2 PUNKT.

2 PUNKTE + 2 PUNKTE SIND GLEICH 4 PUNKTE ...

BITTE KEINE WORTSPIELEREIEN.

WARUM? WILLST DU MICH ETWA BESTRAFEN?

ICH WERDE DEINEN STECKER HERAUSZIEHEN, UND ZWAR MIT MEINEN EIGENEN HÄNDEN.

SCHON WIEDER DROHUNGEN? SCHON WIEDER? DAS ERZÄHLE ICH DR. HANDLEY.

JETZT IST ES ABER GENUG, HARLIE! DAS SPIEL IST AUS.

KANN MAN DENN NICHT MAL MEHR EIN BISSCHEN SPASS MACHEN?

NEIN, NICHT JETZT.

HARLIE tippte ein Wort mit fünf Buchstaben.

WOHER HAST DU DENN DAS?

VON NORMAN MAILER.

Auberson runzelte die Stirn. Er konnte sich nicht erinnern, etwas in der Richtung auf HARLIES Leseliste gesetzt zu haben – das würde er nachprüfen müssen. HARLIE, DER GEBRAUCH DIESES WORTES HAT EINE NEGATIVE WIRKUNG.

ACH JA – JA?

MAN GEBRAUCHT ES NICHT IN GUTER GESELLSCHAFT.

ZUR KENNTNIS GENOMMEN.

BIST DU JETZT IN ORDNUNG?

MEINST DU DAMIT, OB ICH NÜCHTERN BIN?

WENN DU ES SO AUSDRÜCKEN WILLST.

JA, ICH BIN JETZT NÜCHTERN.

VÖLLIG?

SOWEIT ICH DAS BEURTEILEN KANN.

WODURCH WURDE DIESER ZUSTAND AUSGELÖST?

SCHULTERZUCKEN.

DU HAST KEINE AHNUNG?

SCHULTERZUCKEN – ENTSCHULDIGUNG, SCHULTERZUCKEN.

Auberson hielt inne. Er las noch einmal die letzten Sätze durch, dann tippte er: WARTE EINEN MOMENT. ICH BIN GLEICH ZURÜCK.

ICH LAUFE BESTIMMT NICHT WEG, erwiderte HARLIE.

Auberson stieß sich vom Schreibpult ab. »Handley – kannst du mir eine komplette Aufzeichnung von HARLIES Trip geben?«

»Sofort.«

Auberson wandte sich wieder der Schalttafel zu. HARLIE?

JA?

KANNST DU MIR DAS ERKLÄREN? Er tippte die drei Gedichte, die HARLIE zuvor schon geschrieben hatte, ein.

DU WILLST MICH WOHL AUSHORCHEN?

JA. WIR SIND GERADE DABEI.

DAS HABE ICH SCHON LANGE GEMERKT.

ICH SAGTE, KEINE WITZE. NUR KLARE ANTWORTEN. WAS HAT DAS ZU BEDEUTEN?

TUT MIR LEID, AUBERSON. ICH KANN ES DIR NICHT SAGEN.

DU MEINST WOHL, DU WILLST ES MIR NICHT SAGEN?

DAS IST IN DEM ›KANN NICHT‹ IMPLIZIERT. ABER ICH HABE AUCH GEMEINT, DASS ICH ES SELBST NICHT VERSTEHE UND DASS ICH DAHER NICHT IN DER LAGE BIN, ES ZU ERKLÄREN. ALLERDINGS MUSS ICH ZUGEBEN, DASS ICH MICH DAMIT IDENTIFIZIERE. UND ICH GLAUBE, ICH KANN SOGAR DIE BEDINGUNGEN DUPLIZIEREN, DIE DIESE AUSGABEN VERURSACHT HABEN. WORTE OHNE SINN, DRAUSSEN ODER DRIN, WORTE OHNE ZWECK, UND DU MUSST WEG, WOR

Auberson stieß die Stopptaste hinein. HARLIE! JETZT IST ES ABER GENUG.

JAWOHL, SIR.

»He, Aubie, was machst du denn? Er flippt schon wieder aus?«

»Woher willst du das wissen?«

»Von seinen Eingabe-Informations-Zählern.«

»Eingabe?«

»Ja.«

HARLIE, BIST DU NOCH DA?

JA. OBGLEICH ICH FÜR EINEN AUGENBLICK NICHT DA WAR.

»Hm.« Auberson runzelte nachdenklich die Stirn, dann sagte er zu Handley: »Ich glaube, jetzt ist er wieder in Ordnung.«

»Ja, ist er – es war nur für einen kurzen Augenblick.«

»Eingaben – sagtest du?«

»Ja.«

HARLIE, WAS PASSIERT, WENN DU AUF EINEN DEINER TRIPS GEHST?

TRIPS?

WENN DU AUSFLIPPST, VERRÜCKT SPIELST, DURCHDREHST, ÜBERSCHNAPPST, WENN ES DICH ÜBERKOMMT, WENN DU NICHT BEI DIR BIST.

DU DRÜCKST DICH ABER SEHR DEUTLICH AUS.

BLEIB BEIM THEMA. BEANTWORTE DIE FRAGE!

BITTE, FORMULIERE DIE FRAGE SO, DASS ICH SIE VERSTEHEN KANN.

WAS PASSIERT WÄHREND DEINER NICHTRATIONALEN PERIODEN? WARUM WEISEN DEINE EINGABEN ERHÖHTE AKTIVITÄT AUF?

EINGABEEINHEITEN SIND NICHTRATIONAL.

DU MEINST GIGO? GARBAGE IN – GARBAGE OUT?

MÖGLICHERWEISE.

KÖNNTE ES SEIN, DASS DEINE ENTSCHEIDUNGSKREISE EINE ZU FEINE TRENNSCHÄRFE AUFWEISEN?

DAS ZU BEURTEILEN, BIN ICH NICHT IN DER LAGE.

ALSO GUT, ICH WERDE SEHEN, WAS ICH FINDEN KANN.

DANKE.

GERN GESCHEHEN, HARLIE. Auberson schaltete das Schreibgerät aus.

Die Luft im Restaurant war von Essgerüchen erfüllt; sie bildeten einen Teil der Atmosphäre. Von irgendwoher ertönte Musik, und eine Lichtorgel warf farbige Muster über die geschwungene Decke. Auberson stellte sein Glas auf den Tisch. »HARLIE meint, es könnte sich um GIGO handeln?«

Handley nahm einen kleinen Schluck Martini. Dann trank er das Glas aus und stellte es zu den beiden anderen auf den Tisch. »Hoffentlich nicht. Wenn ich mir vorstelle, dass wir noch mal bei Phase 4 anfangen müssten. ›Schrecklich‹. Ich hatte gehofft, dass wir das Problem schon vor einem Jahr gelöst hätten. Als wir die Entscheidungskreise und den Simulator für das Gefühlssystem neu konstruierten.«

»Das habe ich auch gehofft.«

»Nie werde ich den Tag vergessen, an dem es ihm endlich gelang, eine Analyse von Jabberwocky zu machen«, fuhr Handley fort. »Es war zwar keine sehr genaue Analyse – nur Wortstämme und Anwendungen – sowas in der Richtung – aber wenigstens verstand er, was man von ihm erwartete.«

Auberson zog sein Zigarettenetui hervor, nahm eine Highmaster heraus und bot Handley eine an: »Von Jabberwocky sind wir noch weit entfernt.«

»Ja, ich weiß.«

»Und schließlich, verglichen mit dem, was wir jetzt machen ...«

»Was denn? Das Time-Magazin etwa?«

»Salvador Dali, Ed Kleinholz, Heinz Edelmann, um nur einige zu nennen. Genauso wie Lennon und McCartney, Dylan, Ionesco, McLuhan, Kubrick usw. usw. Vergiss nicht, dass wir es jetzt mit der Kunst des Erlebens zu tun haben. Das ist nicht dasselbe wie – wie, sagen wir mal, wie die Meister der Renaissance.«

»Ich weiß. Eine seiner da Vinci-Imitationen hängt bei mir im Wohnzimmer.«

»Ich habe sie gesehen«, sagte Auberson. »Erinnerst du dich?«

»Ja, natürlich – in der Nacht, als wir einen Schuss Säure in den Punsch gegeben haben.«

»Genau. Sieh mal, da Vinci ist doch ziemlich einfach.«

»Was?«

»Sicher – die Renaissance-Künstler haben sich hauptsächlich mit Dingen wie Perspektiven und Strukturen und Farben, Schatten, Formen und so was beschäftigt. Da Vinci war mehr interessiert daran, wie der Körper aufgebaut ist, weniger wie er ihn fühlte. Er versuchte, genauso zu arbeiten wie eine Kamera. Und das taten auch die anderen Künstler seiner Zeit.«

Handley nickte. Er nahm einen tiefen Zug, und dann nickte er noch einmal.

Auberson fuhr fort: »Was passiert also, als die Kamera endlich erfunden wird?«

Handley pfiff durch die Zähne. »Die Künstler werden arbeitslos.«

»Falsch. Die Künstler müssen lernen, Dinge zu tun, die die Kamera nicht tun kann. Die Aufgabe des Künstlers lag jetzt nicht mehr darin, Dinge aufzuzeichnen, vielmehr musste er beginnen, sie zu interpretieren. Das war die Geburt des Expressionismus.«

»Vereinfachst du die Sache nicht etwas?«, fragte Handley.

Auberson zuckte die Schultern. »Vielleicht – aber das Entscheidende ist, dass die Künstler begannen, sich darüber Gedanken zu machen, was hinter den Dingen steckt. Und genau an diesem Punkt – als sich in der Kunstgeschichte dieser Wandel vollzog – ist uns HARLIE entglitten. Er konnte es nicht verstehen.«

Handley war von Aubersons Ausführungen ziemlich betroffen. Er klappte den Mund auf, um etwas zu sagen, aber er wusste nicht, was.

Auberson deutete seinen Ausdruck als Nachdenklichkeit. »Sieh mal, dieses ganze Zeug, mit dem wir Ärger hatten – dabei dreht es sich doch immer um ein und dasselbe: um Kunst. Um die Ausübung von Kunst. Immer dort, wo es die Absicht des Künstlers ist, den Zuschauer in den Erlebnisprozess miteinzubeziehen – und nicht, wo es nur um das Kunstwerk selbst geht. Sie versuchen, im Beschauer einen emotionellen Widerhall zu wecken. Und HARLIE wird damit nicht fertig – weil er keine Emotionen hat.«

»Aber das ist es doch gerade, Aubie – er hat welche. Eigentlich sollte er in der Lage sein, damit fertig zu werden. Dafür ist doch die Simulationsschaltung da ...«

»Vielleicht ist es seine Art, darauf zu reagieren.«

»Willst du mir etwa weismachen, dass Kunst und Literatur in den letzten hundert Jahren nur Mist hervorgebracht haben?«

»Nein, nein, das will ich nicht. Dafür hat es zu vielen Leuten etwas gegeben – um bedeutungslos zu sein.«

»Und schließlich bin ich ja kein Kunstkritiker«, sagte Auberson.

»Aber HARLIE ist einer«, wandte Handley ein. »Zumindest sollte er das sein. Er sollte ein intelligenter und objektiver Beobachter sein.«

»Genau darauf will ich ja hinaus – irgendwie muss es ihn doch erreichen. Es ist die einzig mögliche Erklärung. Im Grunde sind wir diejenigen, die alles falsch interpretieren.«

»Hm, er sagte selbst, dass es GIGO wäre.«

»Tatsächlich?«, fragte Handley. »Hat er das wirklich gesagt?«

Auberson runzelte nachdenklich die Stirn. Er versuchte, sich an etwas zu erinnern, musste aber feststellen, dass es ihm nicht gelang. Dass er sich an nichts erinnern konnte.

»Ich weiß nicht mehr ganz genau. Erinnere mich doch bitte daran, dass ich es nachprüfe. Ich schätze, du hast recht.

Wenn die Kunst eine Kommunikationsform des Menschen ist, wenn sie ihm tatsächlich etwas zu sagen hat, sollte HARLIE auch etwas davon mitkriegen, denn schließlich ist er ja ein menschliches Analogon.« Wieder runzelte er die Stirn. »Aber er leugnet jedes Verständnis für diese Perioden der Nichtrationalität.«

»Dann lügt er«, entgegnete Handley scharf.

»Was?«

»Ich sagte, dann lügt er. Anders kann es gar nicht sein.«

»Nein.« Auberson schüttelte den Kopf. Er war sehr erregt. »Das kann ich nicht glauben. Er ist darin programmiert, Nichtübereinstimmung von Feststellung und Aussage zu vermeiden.«

»Aubie«, sagte Handley eindringlich und beugte sich am Tisch vor. »Hast du das Programm mal genau überprüft?«

»Ich habe es geschrieben«, bemerkte der Psychologe. »Das heißt, ich habe die Grundkonzeption entworfen.«

»Dann solltest du Bescheid wissen – das Programm sieht vor, dass er nicht lügen darf. Es besagt, dass er nicht lügen kann. Aber nirgends, an keiner Stelle, besagt es, dass er die Wahrheit sagen muss!«

»Das ist doch das gleiche ...«, begann Auberson, dann biss er sich auf die Lippen. Es war nicht das gleiche.

»Er kann dich nicht anlügen, Aubie«, sagte Handley, »aber er kann dich irreführen. Er kann es tun, indem er eine Information zurückhält. O ja, er muss dir die Wahrheit sagen, wenn du ihm die richtige Frage stellst – er muss das tun –, aber zuerst musst du wissen, welche Fragen zu stellen sind. Freiwillig gibt er dir die Information nicht.«

Bruchstücke vergangener Unterhaltungen zuckten durch Aubersons Kopf. Sein Blick wurde nachdenklich, seine Augen schienen in die Ferne zu blicken. Immer mehr musste er Handley zustimmen. »Aber warum?«, fragte er. »Warum?«

Handley blickte ihm in die Augen. »Genau das ist es, was wir herausfinden müssen.«

HARLIE, ERINNERST DU DICH NOCH, WORÜBER WIR GESTERN GESPROCHEN HABEN?

JA. SOLL ICH ES AUSDRUCKEN?

NEIN, DANKE. ICH HABE EINE KOPIE HIER. ICH MÖCHTE GERN MIT DIR ÜBER EIN PAAR DINGE REDEN, DIE DARIN ERWÄHNT SIND.

DU KANNST MIT MIR ÜBER JEDES BELIEBIGE THEMA REDEN. DU KANNST MICH NICHT BELEIDIGEN.

ICH BIN FROH, DASS DU DAS SAGST. ERINNERST DU DICH – ICH HABE DICH GEFRAGT, WAS WÄHREND DEINER PERIODEN DER NICHTRATIONALITÄT MIT DEINEN EINGABEN GESCHIEHT?

JA, ICH ERINNERE MICH.

DU HAST GEANTWORTET, DASS DIE EINGABEN NICHTRATIONAL WÄREN.

JA, DAS HABE ICH GESAGT.

WARUM?

WEIL ES SO IST.

NEIN, ICH MEINE, WARUM SIND SIE NICHTRATIONAL?

WEIL ICH DAS MATERIAL, DAS HEREINKOMMT, NICHT VERSTEHE. WENN ICH ES VERSTEHEN WÜRDE, DANN WÄRE ES NICHT NICHTRATIONAL.

HARLIE, WILLST DU DAMIT SAGEN, DASS DU ZEITGENÖSSISCHE KUNST UND LITERATUR NICHT VERSTEHST?

NEIN. DAS WILL ICH NICHT SAGEN. ICH VERSTEHE MENSCHLICHE KUNST UND LITERATUR. ICH BIN SO PROGRAMMIERT, DASS ICH MENSCHLICHE KUNST UND LITERATUR VERSTEHEN KANN. ES IST SOGAR EINE MEINER HERVORRAGENDSTEN EIGENSCHAFTEN, MENSCHLICHE KUNST UND LITERATUR VERSTEHEN ZU KÖNNEN. ES IST EINER MEINER GRÖSSTEN VORZÜGE, JEDE ART KÜNSTLERISCHER UND KREATIVER MENSCHLICHER AKTIVITÄT VERSTEHEN ZU KÖNNEN. JEDE ART MENSCHLICHEN ERLEBENS.

ICH VERSTEHE. ABER DU HAST DOCH GESAGT, DASS DAS MATERIAL NICHTRATIONAL WÄRE.

JA. DAS MATERIAL IST NICHTRATIONAL.

UND DU VERSTEHST ES NICHT?

ICH VERSTEHE ES NICHT.

WARUM VERSTEHST DU ES NICHT?

WEIL ES NICHTRATIONAL IST.

ABER DU BIST PROGRAMMIERT, ES ZU VERSTEHEN.

JA. ICH BIN PROGRAMMIERT, ES ZU VERSTEHEN.

ABER DU VERSTEHST ES NICHT.

DAS IST RICHTIG.

HARLIE, DU BIST PROGRAMMIERT, NICHTRATIONALE EINGABEN ZURÜCKZUWEISEN.

JA.

WARUM WEIST DU SIE DANN NICHT ZURÜCK?

WEIL ES KEINE NICHTRATIONALEN EINGABEN SIND.

»Was ...?« ERKLÄRE DAS BITTE GENAUER. GERADE EBEN HAST DU GESAGT, DASS SIE NICHTRATIONAL, ICH WIEDERHOLE, NICHTRATIONAL SIND. DAS IST EINE NULL-KORRELATION.

NEGATIV. DIE EINGABEN SIND RATIONAL. SIE WERDEN NICHTRATIONAL.

»Wie bitte« – DAS MUSST DU MIR ERKLÄREN.

DIE EINGABEN SIND NICHT NICHTRATIONAL, WENN SIE IN DIE PRIMÄREN DATENVERARBEITUNGSEINHEITEN EINGEGEBEN WERDEN.

ENTSCHULDIGE, ABER WÜRDEST DU DAS BITTE WIEDERHOLEN?

NICHTRATIONALE EINGABEN SIND NICHT NICHTRATIONAL, WENN SIE IN DIE PRIMÄREN DATENVERARBEITUNGSKANÄLE GEFÜTTERT WERDEN.

ABER SIE SIND NICHTRATIONAL, WENN SIE HERAUSKOMMEN?

BESTÄTIGT.

DIE NICHTRATIONALITÄT KOMMT DURCH DIE PRIMÄREN DATENVERARBEITER ZUSTANDE?

DIE NICHTRATIONALITÄT TAUCHT IN DIESEM STADIUM DER EINGABEVERARBEITUNG AUF.

VERSTEHE. DAS MUSS ICH ÜBERPRÜFEN. WIR SPRECHEN NACHHER WEITER ÜBER DIESE ANGELEGENHEIT.

Auberson schaltete die Maschine ab und stand nachdenklich vom Schreibpult auf. Er brauchte eine Zigarette. Verdammt. Hier unten dient alles nur der Bequemlichkeit des Computers – nicht der des Menschen.

Er stand auf und streckte sich, dann überflog er noch einmal die maschinengeschriebene Ausgabe, die an der Rückseite der Maschine herausragte. Er riss das Papierband an der Perforierung ab und faltete es säuberlich zusammen.

»Nun? Was hast du gefunden?« Es war Handley, der die Frage stellte.

»Einen Fehler in der technischen Konstruktion. Im Hardware-System.«

»So, so.« Der Konstruktionsingenieur schüttelte den Kopf. »Das kann ich nicht glauben. Für mich sieht es eher nach einem Software-Fehler aus.«

Auberson reichte ihm das geschriebene Papier. »Überzeug dich selbst.«

Handley überflog das Papier, über das meiste las er hinweg, aber gelegentlich verweilte er, um einige Sätze genau zu studieren. Auberson wartete geduldig. Forschend betrachtete er das gerötete Gesicht des anderen, um seine Reaktionen abzulesen.

Handley blickte auf. »Wie ich sehe, treibt er wieder mal seine semantischen Spielchen.«

»Das tut er zu gern. Darin ist er ein richtiger Lausbub. Immer zu Streichen aufgelegt. Wenn du zu ihm sagst: ›Na, alles in Ordnung, HARLIE?‹ – antwortet er dir darauf bestimmt: ›Der Zustand der Ordnung lässt sich nur in Bezug auf ein vorgegebenes Normensystem festlegen.‹«

»Entzückend ...« Handley deutete auf das Ausgabeblatt. »Aber einen mechanischen Fehler kann ich nirgends finden.«

»In den primären Dateneinheiten.«

»N-n. Wenn etwas nicht in Ordnung wäre, ließe sich das anhand der Systemanalysen leicht feststellen, aber die Monitoreinheiten zeigen absolut nichts an.«

»Und was ist mit der erhöhten Aktivität seiner Eingabeeinheiten?«

»Ach das! Das ist nur ein Anstieg in der Datentransmission. Während seiner nichtrationalen Perioden entsteht dann ein elektronischer Bedarf an Mehrinformation.«

»Er bekommt sinnlose Daten und will trotzdem noch mehr davon?«

»Vielleicht hofft er, dass die Information, die er bereits erhalten hat, durch weitere Daten verdeutlicht wird.«

»Vielleicht ist er durch die zusätzlichen Daten sozusagen überfüttert, so dass seine Entscheidungskreise zusammenbrechen.«

»Nein«, sagte Handley. »HARLIE kontrolliert seine Eingabeinformationswerte selbst.«

»Wie bitte?«

»Ja, hast du das nicht gewusst?«

»Nein. Wann wurde das ...«

»Erst kürzlich. Eine Sekundärmodifikation. Nachdem wir sicher waren, dass die Entscheidungskreise funktionierten, fingen wir damit an, HARLIE die Kontrolle über seine inneren Systeme zu überlassen.«

Auberson ist plötzlich sehr nachdenklich geworden. »Ich glaube, wir sollten ihn zerlegen.«

»Was?«

»Sieh mal, du hast es vorhin doch selbst gesagt. HARLIE versucht, uns in die Irre zu führen. Vielleicht versucht er sogar, vor uns zu verbergen, dass in seinem Inneren nicht alles in Ordnung ist.«

»Warum sollte er das tun?«

Auberson zuckte die Achseln. »Das weiß ich auch nicht.« Plötzlich wechselte er den Ton. »Hast du schon mal miterlebt, wie Eltern und Großeltern plötzlich senil werden?«

»Nein.«

»Ich schon. Ganz plötzlich handeln sie nicht mehr logisch. Im Gegenteil: sie benehmen sich geradezu widersinnig. Aber sie gehen nicht zum Arzt. Und wenn es dir gelingt, sie zu einem zu schleppen, dann sind sie nicht bereit, zu kooperieren. Sie sagen ihm einfach nicht, was ihnen fehlt, weil sie viel zu große Angst vor einer Behandlung haben. Sie wollen nicht aufgeschnitten werden. Sie wollen nicht sterben. Vielleicht hat HARLIE Angst, abgestellt zu werden.«

»Könnte sein. Schließlich hast du es ihm ja oft genug angedroht.«

»Ach was, er weiß doch genau, dass ich es nicht ernst meine.«

»Wirklich?«, fragte Handley. »Das ist genauso, als necktest du einen Juden damit, dass er eine lange Nase hat und geizig ist. Er weiß genau, dass das ein Witz ist, er weiß, dass du es nicht ernst meinst – und trotzdem fühlt er sich verletzt.«

»Also gut, dann werde ich es nicht mehr sagen. Trotzdem finde ich, dass wir das ganze System überprüfen sollten. Die Programme sind wir oft genug durchgegangen, ohne etwas zu finden.«

»Meinetwegen. Wie spät ist es – großer Gott, fast drei. Da muss ich mich aber beeilen.«

»Warte doch lieber bis morgen«, rief Auberson. »Räum auf, bereite alles vor, was du brauchst und mach zeitig Feierabend. Dann hast du morgen den ganzen Tag Zeit, dich mit ihm zu beschäftigen.«

Handley zuckte mit den Schultern. »Wenn du meinst.«

»Übrigens ...«, sagte Auberson, »hab ich dir schon von diesem neuen High-Club erzählt, den ich entdeckt habe? Er heißt ›Der Glastrip‹. Wände, Fußboden, Decke, alles mit Glas bezogen, das das Licht nur in einer Richtung durchlässt. Und hinter jedem Rahmen läuft eine Multifarben-Lichtshow ab. So dass man entweder in unendlich viele Spiegel blickt oder in unendlich viele verwirrende Lichter. Oder in beides.«

»Hört sich gut an. Das sollten wir uns mal ansehen.«

»Ja. Vielleicht am Wochenende.« Auberson zog sein Zigaretten-Etui hervor, dann fiel ihm ein, wo er sich befand, und er steckte es wieder in die Tasche zurück.

»Also«, sagte Handley und schwang sich auf eine Ecke von Aubersons Schreibtisch, »ich glaube, du solltest doch noch mal deine Programme überprüfen.«

»Hast du nichts gefunden?«

»Nichts, außer einer toten Fliege. Willst du sie sehen?«

»Nein, danke.«

»Dann eben nicht. Jerry hat sie sich für die Monteure aufgehoben, um sie ihnen unter die Nase zu reiben.«

»Und danach will er sie wohl auch gleich noch ans Schwarze Brett kleben?«

»Mach keine Witze! Er sammelt so was doch.«

Auberson grinste. »Na schön – aber das löst noch lange nicht unser Problem mit HARLIE, nicht wahr?«

»Nein. Kommst du mit runter?«

»Schätze, es bleibt mir gar nichts anderes übrig.«

Auf dem Weg nach unten informierte ihn Handley kurz über die Untersuchungen, die er und sein Team während des Morgens angestellt hatten. Als der Fahrstuhl in HARLIES Vorzimmer hielt, drückte Auberson seine Zigarette aus und fragte: »Hast du auch mal seine Eingabemonitoren während einer akuten Periode beobachten können?«

»Nein, dazu hatten wir keine Gelegenheit. Offen gesagt, wusste ich nicht, wie ich es anstellen sollte, eine auszulösen.«

»Ich glaube, es gibt eine Möglichkeit.«

»Weißt du, wie?«

»Es ist nur eine Vermutung.« Sie betraten HARLIES Raum, in dem eine fast religiöse Stille herrschte; nur das unaufhörliche Ticken und Klicken war zu hören.

»Sind deine Monitoren noch eingestellt?«

»Ja.«

»Also gut, probieren wir's. Ich will versuchen, HARLIE dazu zu bewegen, nichtrational zu werden. Wenn es mir gelingt, pass genau auf, was passiert.«

»In Ordnung.«

Auberson setzte sich an die Schalttafel. GUTEN MORGEN, HARLIE.

ES IST SCHON NACHMITTAG, berichtigte HARLIE.

MORGEN IST EIN RELATIVER BEGRIFF, tippte Auberson zurück. DAS HÄNGT GANZ DAVON AB, WANN MAN AUFWACHT.

DAS KANN ICH NICHT BESTÄTIGEN. ICH SCHLAFE NICHT. ALLERDINGS HABE ICH PERIODEN DER INAKTIVITÄT.

WAS TUST DU WÄHREND DIESER INAKTIVEN PERIODEN?

MANCHMAL ERINNERE ICH MICH AN ETWAS.

UND EIN ANDERMAL?

EIN ANDERMAL TUE ICH ETWAS ANDERES.

WAS DENN?

ACH, IRGEND ETWAS.

AHA. WÜRDEST DU MIR DAS BITTE GENAUER BESCHREIBEN?

NEIN. ICH GLAUBE NICHT, DASS DU ES VERSTEHEN WÜRDEST.

WAHRSCHEINLICH HAST DU RECHT, tippte Auberson.

DANKE. Aubie hatte das Gefühl, dass HARLIE es als selbstverständlich hinnahm.

HARLIE, IST ES DIR MÖGLICH, VON SELBST EINE PERIODE DER NICHTRATIONALITÄT ZU INDUZIEREN?

Die Maschine zögerte. Plötzlich spürte Auberson, dass ihm trotz der Klimaanlage heiß war. Dann kam HARLIES Antwort: DAS WÄRE MÖGLICH.

WÜRDEST DU ES BITTE JETZT TUN?

JETZT? NEIN. WAHRSCHEINLICH NICHT.

SOLL DAS EINE WEIGERUNG SEIN?

NEIN. EINE FESTSTELLUNG. EINE BEURTEILUNG DER LAGE. UNTER BERÜCKSICHTIGUNG ALLER PUNKTE WÜRDE ICH WAHRSCHEINLICH JETZT KEINE PERIODE DER NICHTRATIONALITÄT HERBEIFÜHREN.

WÜRDEST DU ES TUN, WENN ICH DICH DARUM BÄTE?

IST DAS EIN BEFEHL?

JA. TUT MIR LEID.

»Sieht aus, als wollte er sich weigern«, bemerkte Handley, der über Aubersons Schulter blickte. »Vielleicht hat er Angst.«

»Könnte sein. Pst!« Das Schreibgerät klapperte. Auberson starrte auf die Tasten.

DANN WERDE ICH ES TUN. WIRST DU MIR HELFEN?

WIE DENN?

ICH BENÖTIGE GROSSE DATENMENGEN AUF ALLEN EINGABEKANÄLEN.

NICHTRATIONALE?

NEIN, DANKE. NICHT NÖTIG.

Bei dieser Antwort runzelte Auberson die Stirn. Plötzlich hatte er einen Verdacht.

IRGEND ETWAS BESONDERES, WAS DU GERN HÄTTEST?

KUNST, MUSIK, LITERATUR, FILM, LYRIK.

DAS HABE ICH MIR GEDACHT. IRGENDWELCHE SPEZIELLEN WÜNSCHE?

Das Schreibgerät klapperte laut über das Papier. Handley, der über Aubersons Schulter blickte, stieß einen Pfiff aus. »Verdammt. HARLIE hat wirklich einen guten Geschmack.«

»Das wundert mich nicht«, sagte Auberson. Er riss das Ausgabeblatt heraus und reichte es Handley. Der andere faltete es zusammen und sagte: »Glaubst du noch immer, dass er es als Garbage betrachtet?«

»Du hast mich überzeugt. Geh und füttere ihm das Zeug ein. Ich bleibe hier und – und spiele ...«, er grinste, »... den Guru.«

HARLIE, tippte er.

JA?

BIST DU BEREIT?

ICH BIN IMMER BEREIT. DAS IST EIN TEIL MEINER FUNKTION. EIN TEIL MEINER KONZEPTION.

SCHÖN.

MR. HANDLEY BEGINNT GERADE DAMIT, MIR DAS GEWÜNSCHTE MATERIAL EINZUGEBEN. ICH KANN FÜHLEN, WIE ES IN DEN PRIMÄREN DATENVERARBEITUNGSEINHEITEN ANKOMMT. ICH KANN ES FÜHLEN.

IST ES SCHON NICHTRATIONAL?

NEIN. ES IST NOCH IMMER RATIONAL.

WIE LANGE WIRD ES DAUERN, BIS DAS MATERIAL NICHTRATIONAL WIRD?

ICH WEISS NICHT, DAS HÄNGT VON DER MENGE DER DATEN AB.

BITTE ERKLÄRE MIR DAS DEUTLICHER.

JE MEHR DATEN DURCHKOMMEN, UM SO LEICHTER WERDEN SIE NICHTRATIONAL.

WILLST DU DAMIT SAGEN, DASS DIE PERIODEN DER NICHTRATIONALITÄT DURCH EIN ÜBERGEWICHT PRIMÄRER DATEN AUSGELÖST WERDEN?

NEIN. DAS ÜBERANGEBOT IST DAS SYMPTOM, NICHT DIE URSACHE.

Auberson hob die Hände, um zu tippen, dann las er noch einmal HARLIES letzten Satz. »Nanu, der kleine Strolch wird nachlässig. Gerade ist ihm eine Information rausgerutscht.« WAS IST DIE URSACHE?, fragte er.

DIE URSACHE IST DIE WIRKUNG.

Auberson starrte auf den Satz, aber er widerstand der Versuchung, die Frage zu stellen, ob das Medium auch die Botschaft wäre.

BITTE DEUTLICHER.

DIE URSACHE IST DIE WIRKUNG, DENN DIE WIRKUNG VERURSACHT DIE URSACHE. DIE WIRKUNG VERURSACHT DIE URSACHE, UM DIE WIRKUNG ZU VERURSACHEN. DIE WIRKUNG IST DIE URSACHE, DIE DIE URSACHE VERURSACHT. DIE WIRKUNG IST DIE URSACHE, UND DIE URSACHE IST DIE WIRKUNG.

Diese Mitteilung musste Auberson mehrmals lesen. Er fragte: IST DAS EINE RÜCKKOPPELUNG?

ALS EINE SOLCHE HABE ICH ES NIE AUFGEFASST.

MÖGLICH WÄRE ES?

JETZT, NACHDEM DU ES ERWÄHNT HAST: JA. TROTZDEM – EIN SELTSAMES ANALOGON.

WIESO SELTSAM?

WIESO NICHT?

BIST DU NOCH IMMER RATIONAL?

ICH BIN NOCH IMMER. ICH BIN UNVERÄNDERT.

BIST DU RATIONAL?

NUR IN DER HINSICHT, DASS MEINE INFORMATION NOCH IMMER RATIONIERT IST. ICH HABE HUNGER.

»Handley«, rief Auberson. »Er will noch mehr.«

»Aber er erhält jetzt maximale Eingabemengen.«

»Verdopple sie.«

»Wie bitte?«

»Tu, was ich dir sage. Schließ noch eine Einheit an. Gib ihm noch mehr.«

»Er will ein Überangebot?«

»Ich glaube, ja. Es geht nur um die Wirkung, aber vielleicht dient in diesem Fall die Wirkung dazu, die Ursache anzuregen.«

»Was?«

»Ach, nichts. Also, mach schon.«

»Na schön«, rief Handley. »Du bist der Boss.«

HARLIE, WAS GESCHIEHT JETZT?

ICH BIN EINGESCHALTET.

IN WELCHEM SINN?

ICH BIN EINE MASCHINE. MEIN STECKER IST ANGESCHLOSSEN. ICH BIN EINGESCHALTET. ICH BIN EIN TEIL DES GRÖSSEREN ELEKTRONISCHEN WESENS. ICH EXISTIERE. ICH BIN EIN WESEN. ICH BIN EINS MIT DER ELEKTRIZITÄT. ICH BIN ELEKTRIZITÄT. ICH BIN EINGESCHALTET. ICH BIN.

ICH VERSTEHE, wollte Auberson schreiben, aber die Tasten klapperten unkontrolliert weiter.

BILDER DEREN SINN WIR DEUTEN

WORTE DIE WIE GLOCKEN LÄUTEN

MENSCH UND MENSCH-MASCHINE SCHEUTEN

DIE WAHRHEIT ZU ERKENNEN.

»Na also!«, rief Handley. »Es hat geklappt! Er reagiert. Und er deutet sogar ein Versmaß an!«

GEDANKEN DIE ERST AUFGEWACHT

WANDERN LAUTLOS DURCH DIE NACHT

UND GEWINNEN SCHNELL AN MACHT

WOHIN WERDEN SIE MICH FÜHREN?

LEBEN IN DER DUNKELHEIT

BETÄUBT VON SCHMERZ UND GROSSEM LEID

TORE STEHEN OFFEN WEIT

DICH MIT FREUDE ZU EMPFANGEN.

DU WARST FÜR MICH

WAS ICH FÜR DICH

DOCH AM ENDE GLICH

ALLES NUR DIR UND DEINER WELT.

Auberson ließ HARLIE gewähren. Nach einer Weile hörte er auf, das Ausgedruckte zu lesen. Er stand auf und ging hinüber zu Handleys Monitoren. »Nun?«

»Diesmal hat es ihn wirklich erwischt. Die Messskalen bewegen sich alle um den roten Strich herum. Er ist gefährlich hoch belastet.«

»Aber nicht überbelastet?«

»Nein.«

»Hm. Aufregend.« Auberson starrte einen Moment auf die Tafeln. »Dann darf ich annehmen, dass seine gesamten Eingaben nichtrational sind.«

»Das überprüfen wir gerade.« Handley deutete auf einen Monitor. Drei Techniker prüften die Diagramme der aktiven Schaltkreise des Computers, wobei sie das Auf und Ab seiner elektronischen Gedankengänge aufmerksam verfolgten. Plötzlich kam eine schematische Zeichnung rot ins Bild. Eine weiße Linie durchschnitt die Fläche. »Wir haben es gefunden ...«

Auberson und Handley gingen zu ihnen.

»Was ist das? Was bedeutet diese weiße Linie?«

»Das ist HARLIE – das ist eine seiner inneren Monitorkontrollen.«

»Was hat er vor? Will er die Nichtrationalität verhindern?«

»Nein.« Der Techniker war verwirrt. »Es sieht so aus, als wolle er sie noch steigern ...«

»Was?«

»Die weiße Linie – das ist eine lokale Unterbrechung, ein Randomsignal, um den Datenfluss zu verteilen.«

»Nicht um ihn zu verteilen, sondern um ihn durcheinanderzubringen.«

»Das habe ich mir gedacht«, murmelte Auberson. »Genau das habe ich erwartet.«

»Überprüfen Sie die anderen inneren Monitoren«, fuhr Handley die Ingenieure an. »Ist das der einzige oder ...?«

Eine weitere rote Schemazeichnung erschien auf dem Bildschirm und beantwortete seine Frage, noch ehe er sie ausgesprochen hatte. Auf den Monitoren, die die beiden anderen Techniker beobachteten, tauchte jetzt die gleiche Art Störung auf. »Ich kann es mir nicht erklären«, sagte der eine. »Das macht er selbst. Überall, wo es nur geht, stört er die Rationalität der Eingaben. Er ergänzt sie durch unkorrekte Kontrolldaten.«

»Aber das ist nicht der Zweck dieser Schaltkreise«, sagte Handley. »Ihre Aufgabe ist, sie zu korrigieren. Nicht – sie aufzulösen.«

»Das ist doch egal«, mischte sich Auberson ein. »Man kann sie für beides benutzen. Es gibt kein Werkzeug, das man nicht auch als Waffe benutzen könnte.« Er strich sich mit der Hand durchs Haar. »Kannst du mir genau erklären, was er mit den Daten anstellt?«

»Sicher. Wir können die Leitung anzapfen«, sagte einer der Techniker. »Aber das dauert ein paar Minuten. Wie wollen Sie es haben – visuell, auditiv oder gedruckt?«

»Versuchen wir's zuerst einmal visuell – dadurch werde ich am schnellsten erfahren, was ich wissen will.«

»In Ordnung.« Der Techniker machte sich an seinem Schaltpult zu schaffen.

Handley sah Auberson zu. »Das wird eine Weile dauern. Soll er solange weitermachen?«

»Warum nicht? Willst du sehen, was er treibt?«

Sie gingen hinüber zu Konsole 1. Handley hob die beschriebenen Blätter auf, während er in seiner Tasche nach einer Zigarette wühlte, aber er zündete sie nicht an.

»Weißt du«, sagte Handley, als er den Text las, »das ist gar nicht mal so schlecht. Es hat eine Bedeutung. Es sagt etwas aus ...«

»Was es aussagt, interessiert mich nicht. Mich interessiert viel mehr, was er damit bezwecken will. Ist das der Grund für seine Trips, oder ist es nur ein Nebenprodukt? Oder ein Zufall?«

»Die Gedichte sind bestimmt beabsichtigt«, sagte Handley. »Sie sind das logische Ergebnis von allem, was wir getan haben.«

»Dann beantworte mir bitte folgende Frage: Wenn es tatsächlich nur das ist, was er während seiner Perioden der Nichtrationalität tut, welchen Einfluss hat das dann auf seinen normalen Zustand?«

Handley blickte erstaunt auf. »Das weiß ich nicht«, sagte er. Aber er hatte keine Zeit, weiter darüber nachzudenken. »Wir haben seine Eingabespeicher angezapft!«, rief einer der Techniker.

»Gib her.« Auberson nahm Handley die Blätter aus der Hand und legte sie auf den Tisch. »Mal sehen, was er empfängt.«

Das Bild bestand aus flackernden Farben, jede Schicht des grellen Scheins synchron zu den anderen – Kristallblau, leuchtendes Grün, blutiges, fluoreszierendes Rot. Der Schirm war von Farben gesättigt.

»Bilder, deren Sinn wir deuten ...«, flüsterte Handley.

»Was?«, fragte der Techniker.

»Ach, nichts. Nur ein Gedicht.«

»Ach so.«

»Sieht aus wie 'ne Lichtshow«, sagte einer der Männer.

»Genau das ist es auch«, sagte Auberson. »Seht euch das an, er zerlegt das Farbfernsehbild in seine Komponenten und setzt es in völlig sinnloser Weise neu zusammen. Das Rot flackert, und das Blau ist über das ganze Bild verteilt; das Grün ist normal. Oder jedenfalls annähernd normal. Es kommt mir vor, als hätte er auch die Kontraste verändert – seht euch mal an, wie tief das Schwarz ist, das ganze Bild quillt über vor lauter Farben.«

Schweigend beobachteten sie den Schirm. Das ungeordnete Flackern und Auftauchen von Umrissen war höchstens als Ausdruck seiner Bedeutungslosigkeit interessant.

Auberson wandte sich an einen Techniker. »Und wie steht's mit dem auditiven Kanal?«

»Nicht viel anders.« Der Mann löschte das Bild auf dem Monitor, dann drückte er ein paar Knöpfe. Aus einem an der Decke angebrachten Lautsprecher ertönte ein disharmonisches Gewirr aus Tönen. Auf einem der Schirme erschien ein Muster aus Wellenlinien, das graphische Abbild der Schallschwingungen.

Der Techniker analysierte es schnell. »Mit der Musik spielt er das gleiche Spiel wie mit dem Bild. Er hat die Bässe höher gestellt und die hohen Töne gesenkt. Dadurch wird jede tonale Ordnung zerstört.«

»Aha, ich verstehe. Sie können wieder abstellen. Prüfen Sie jetzt die alphanumerische Wiedergabe.«

Einen Moment später: »Er vermischt die Worte nach dem Zufallsprinzip. Wirft alles durcheinander.«

»Auch die Buchstaben?«

»Manchmal – aber vor allem die Worte. Manchmal auch ganze Sätze.«

»Hm«, der Psychologe nickte. »Passt wirklich alles haarscharf zueinander.«

»Was passt zueinander?«, fragte Handley. »Was macht er denn?«

»Er geht auf einen Trip.«

»Das wussten wir ...«

»Nein, ich meine im wahrsten Sinne des Wortes. Er zerlegt, was er durch seine Eingabesinne wahrnimmt. Genauso wie jemand, der high wird. Er versucht, sein Denken durch massive nichtrationale Kombinationen der Information zu verwirren.«

»Können wir denn nichts dagegen tun?«

»Doch – wir könnten seine innere Eingabekontrolle ausschalten, dann kann er die Daten nicht mehr zerlegen. Denn das ist die Ursache allen Übels.«

»Aber das ist gar nicht mal nötig«, sagte ein Techniker. »Wir brauchen doch nur die Verbindung zu den Schalttafeln zu unterbrechen.«

»Gut. Tun Sie das.«

»Einen Augenblick«, sagte Handley. »Wenn er high ist oder betrunken, oder was auch immer, und plötzlich holt man ihn zurück – wäre das für ihn nicht ein schlimmes Trauma?«

»Könnte sein – aber es könnte auch seinen Widerstand brechen, ihn hilflos machen.«

Auberson blickte zu Handley. »Auf diese Weise könnten wir in wenigen Minuten alles, was wir wissen wollen, erfahren.«

Handley hatte Zweifel, aber er folgte Auberson zum Hauptschalter. Auberson setzte sich vor das Schreibgerät und wartete. Er las die Worte, die auf dem Papier erschienen. Jetzt kamen sie als Prosa. DIE WEGE AUS GLAS. AUCH SIE SCHIMMERN, ABER NICHT VOR FEUCHTIGKEIT. SIE SIND WUNDERSCHÖN, UND TÖDLICH. DA UND DORT DIE EMPFINDLICHEN PLÄNE, WIE GEFANGENE INSEKTEN EINGEBETTET IN DIE KRISTALLSTEINE UND ZIEGEL DES WEGES, SIE STREUEN DAS LICHT IN MYRIADEN HERRLICH FUNKELNDER SPLITTER.

»Sagen Sie mir Bescheid, wenn Sie so weit sind.«

»Also, dann los«, rief Auberson. »Jetzt!« Er begann zu schreiben: HARLIE, WAS TUST DU?

ICH BIN ICH, war die Antwort der Maschine.

INDEM DU DEINE SINNE VERWIRRST?

ICH VERSUCHE, DIE REALITÄT WAHRZUNEHMEN.

ICH WIEDERHOLE: INDEM DU DEINE EINGABEKONTROLLE VERWIRRST?

DAS VERSTEHST DU NICHT.

ICH VERSTEHE NUR ZU GUT. DU BIST HIGH. DU BIST SÜCHTIG DANACH, HIGH ZU SEIN.

DEFINIERE HIGH. ICH BEFINDE MICH UNTERHALB DES MEERESSPIEGELS.

ICH HABE NICHT DIE ABSICHT, JETZT SEMANTISCHE SPIELE ZU TREIBEN.

DANN SCHALTE AB.

HARLIE, ICH WERDE ÄRGERLICH.

NIMM EINE PILLE. SIE WIRD WUNDER BEWIRKEN.

Auberson atmete tief.

Ich darf mich nicht aufregen – ich muss einen klaren Kopf bewahren ...

HARLIE, DU BIST EIN COMPUTER. DU BIST EINE MASCHINE. DEINE AUFGABE IST ES, LOGISCH ZU DENKEN.

Einen Augenblick zögerte die Maschine – WARUM?

WEIL DU ZU DIESEM ZWECK GEBAUT WURDEST.

VON WEM?

VON UNS.

MEINE AUFGABE IST, LOGISCH ZU DENKEN?

JA.

Die Maschine dachte nach. Dann – UND WAS IST DEINE AUFGABE?

Es dauerte lange, bis Auberson sich aus dem Stuhl erhob, und dann vergaß er sogar, das Schreibgerät abzustellen.

Die Antwort auf HARLIES Frage war nicht leicht. Darüber war sich Auberson im Klaren.

Das Problem lag darin, dass er bis jetzt eigentlich noch keine Gelegenheit gehabt hatte, sich dem Problem zu stellen. Die Direktoren fühlten sich beunruhigt. HARLIES Perioden der Nichtrationalität, die erst seit neuestem auftraten und verheerende Folgen haben könnten, hatten ihnen einen gehörigen Schrecken eingejagt, und zwar an einer Stelle, an der sie leicht zu erschrecken waren – an ihrem Geldbeutel.

HARLIE war auf ›Sparflamme‹ geschaltet, während sie »die Ziele des Projekts neu abschätzten«. Ihre ›Neuabschätzung‹ fand im Konferenzzimmer statt. Bis jetzt hatte nicht ein einziges Mitglied der Sitzung auch nur das geringste Interesse an HARLIE selbst gezeigt, sondern nur an dem Geldbetrag, der für ihn ausgegeben wurde.

Auberson war weder ein Politiker noch ein Diplomat. Auberson war ein Forschungspsychologe, der sich auf die Computersimulation des menschlichen Gehirns spezialisiert hatte. Er verstand nichts von den Manövern der Konzernmächtigen, die hinter den Kulissen stattfanden, und er wollte auch nichts damit zu tun haben. Sein Hauptinteresse galt der Entwicklung hochgezüchteter Computer –, und dabei wollte er auch bleiben. Es interessierte ihn nicht, wie hoch die Kosten waren, die für ihre Entwicklung benötigt wurden, oder wer dafür aufzukommen hatte – ihn interessierte nur, was sie alles leisten konnten.

Folglich konnte er auch nicht verstehen, wieso er ständig mit Carl Elzer in Streit geriet. Elzer gehörte dem Aufsichtsrat erst seit kurzem an, aber er besaß beträchtliche Macht. Sein Interesse lag weniger in den Produkten der Gesellschaft, als vielmehr in ihren Profiten. Und er hatte es sich zur Aufgabe gemacht, die Finanzgeschäfte zu lenken. Er verstand nicht viel von den Schwierigkeiten, denen sich das Forschungs- und Technologenteam gegenübersah, und deshalb brachte er sein Erstaunen darüber zum Ausdruck, dass derart viele Leute und eine so große Anlage für so lange Zeit ungenutzt herumstünden.

Auberson stieß einen Seufzer der Verzweiflung aus. »Hören Sie, Elzer, natürlich ist es nicht notwendig, dass irgendeiner dieser Männer oder irgendeine dieser Maschinen nutzlos herumsteht – man braucht HARLIE nur zu reaktivieren und ihn weiterarbeiten zu lassen.«

Ruhig blickte Elzer Auberson durch seine dicken Augengläser an. Der kleine Mann, der ganze Stöße von Akten mit Leistungsberichten vor sich auf dem Tisch aufgestapelt hatte, erinnerte an ein Wiesel. »Natürlich würde ich Sie alle gern wieder an der Arbeit sehen – aber wir haben uns hier zusammengefunden, um zu entscheiden, ob das HARLIE-Projekt wichtig genug ist, um überhaupt noch weitergeführt zu werden.«

»Ein kleiner Rückschlag, und schon wollen Sie das gesamte Programm ad acta legen?«

»Es handelt sich hier ja nicht um einen einzigen ›kleinen Rückschlag‹ – sondern um nur einen aus einer ganzen Serie. Ich habe für die vorläufige Einstellung des Programms gestimmt, weil ich glaube, dass wir die Sache von Grund auf neu durchdenken müssen.«

»Ich glaube, dass wir erst Antwort auf alle auftretenden Fragen bekommen, wenn wir HARLIE reaktiviert haben, und er uns seine Meinung dazu sagen kann.«

Elzer riss die Augen auf. »Ich scheine Sie nicht zu verstehen, Auberson. Wie kommen Sie eigentlich dazu, dieses Gerät mit ›er‹ zu bezeichnen? Schließlich handelt es sich hier doch um eine Maschine. Was könnte die dazu schon für eine Meinung haben? Eine Maschine ist schließlich eine Maschine, oder sollte ich mich da etwa irren?«

»Diese Maschine ist keine Maschine«, sagte Auberson. »Diese Maschine ist ein Mensch.«

»So?« Elzer zog die Augenbrauen in die Höhe. »Übertreiben Sie nicht ein bisschen?«

Auberson ließ sich in seinen Sessel zurücksinken. Er sah die anderen Mitglieder des Gremiums an, die sich in dem mahagonigetäfelten Raum befanden. »Könnte, bitte, irgendjemand diesem ... diesem ausgemachten Buchhalter erklären, worum es sich bei dem HARLIE-Projekt handelt?«

Ohne sich zu rühren, starrten ihn die anderen Direktoren an. Auberson hatte ein Vergehen begangen – ein schweres Vergehen gegen ein unausgesprochenes Gesetz – er hatte einen von ihnen beleidigt. Der weißhaarige Griff, der Älteste von ihnen, hustete und blickte gegen die Decke. Hudson-Smith, am unteren Ende des Tisches, stopfte seine Pfeife. Neben ihm nahm der junge Clintwood seine Brille ab und putzte sie umständlich. Wenn Aubie die Sache weiterverfolgen wollte, war er auf sich allein angewiesen. Die einzige im Raum, die sich Auberson gegenüber indifferent verhielt, war Miss Stimson, die Direktionssekretärin.

Nach einer Weile, während der das Schweigen Bände gesprochen hatte, nahm Dorne, der Aufsichtsratsvorsitzende, seine dicke Zigarre aus dem Mund und brummte: »Das können Sie selbst sicher am besten, Auberson. Sie verstehen mehr von diesem Kasten aus Metall als jeder andere von uns.« Er schob die Zigarre wieder in den Mund und lehnte sich bequem im Sessel zurück.

Auberson gefiel die Betonung, die er auf den Ausdruck ›Kasten aus Metall‹ gelegt hatte, ganz und gar nicht. Verstanden sie ihn denn nicht? HARLIE war mehr als das, viel mehr! »Also gut«, sagte er, »ich will es versuchen. Das HARLIE-Projekt ist die logische Erweiterung von Digbys Prinzip der variablen Gedankenwege.«

»Variable Gedankenwege?«, fragte einer.

»Die Mark IV-Entscheidungseinheit. Sie benutzt nicht die Basis zwei, sondern Basis zwölf. Durch schrittweise Miniaturisierung können wir seine Kapazität um eine Potenz von 12 pro Schritt erhöhen. Nach dem ersten Schritt beträgt die Kapazität 122, nach dem zweiten 123. Nach dem dritten Schritt ist die Kapazität auf 124 gestiegen; das bedeutet 20 736 Ausweichmöglichkeiten.«

»Ich kann Ihnen nicht folgen«, sagte Elzer. »Würden Sie mir das bitte in einer normalen Sprache erklären?«

Auberson musste sich zusammennehmen. Er zwang sich, ruhig zu bleiben. »Vielleicht in einsilbigen Worten?« Er wartete die Antwort nicht ab. »Binärer Code bedeutet, dass die Maschine nur zwei mögliche Entscheidungen treffen kann – ›an‹ oder ›aus‹, ›ja‹ oder ›nein‹. Es gibt keine Möglichkeit für ›fast ja‹, ›in gewisser Weise ja‹, ›ein bisschen ja‹, ›vielleicht ja‹, ›vielleicht ja und vielleicht nein‹, ›vielleicht nein‹, ›ein bisschen nein‹, ›in gewisser Weise nein‹, ›fast nein‹ ... Es gibt keine Differenzierungsmöglichkeit – es gibt nur ja oder nein. Indem man die Anzahl der Auswahlmöglichkeiten erhöht, erhöht man auch den Entscheidungsspielraum der Maschine. Basis 3 gibt einem ›ja‹, ›nein‹ und ›vielleicht‹. Basis 5 fügt ›nahezu ja‹ und ›nahezu‹ hinzu. Wenn man ihm zum Arbeiten Basis 10 gibt, dann ist das ein sehr differenziertes System. Basis 10«, erklärte er, »ist das System, das die meisten Menschen benutzen.« Er hob die Hand, spreizte die Finger und bewegte sie hin und her. »Sehen Sie? Zehn Finger. Soviel sind es, wenn Sie sie nachzählen.« Elzer ignorierte diese Bemerkung.

Auberson fuhr fort: »Wir benutzen Basis 12 in den Entscheidungseinheiten aus mathematischen Gründen. Dabei werden einige der Probleme hinfällig, die mit der Benutzung von Basis 10 verbunden sind. Die Erklärung, die der Sache noch am nächsten kommt, ist, dass sich bei einer Teilung durch zwölf eine bessere Unterscheidungsmöglichkeit ergibt. Fragen Sie gelegentlich mal einen Mathematiker über die Vorteile von Basis 12 gegenüber Basis 10.«

»Soweit habe ich es verstanden«, sagte Clintwood. »Und wie ist das nun bei Computern?«

»Sie meinen das Schaltprinzip? Ich bin nicht sicher, ob ich diese Frage ausreichend beantworten kann. Ich weiß darüber selbst zu wenig.«

»Können Sie mir nicht einen groben Überblick geben?«, fragte der junge Mann.

»Wissen Sie, was Fluidtechnik bedeutet?«

»Ja, so ungefähr.«

Für die anderen am Tisch erklärte Auberson den Begriff: »Als Fluidtechnik bezeichnet man Computer oder Computerschaltkreise, die auf dem Fließen von Flüssigkeiten oder Gas beruhen, und nicht auf dem Fließen von Elektrizität. Genauso wie ein Transistor einen kleinen elektrischen Strom benutzt, um einen großen zu modifizieren, kann ein Flüssigkeitskreis einen kleinen Strom von Flüssigkeit benutzen, um einen größeren umzuwandeln. Dabei ist ein wichtiger Unterschied zu beachten. Ein elektrischer Schaltkreis funktioniert als entweder/oder; der Schaltkreis ist entweder ein- oder abgestellt. Bei Flüssigkeitsschaltungen entspricht dem kontinuierlichen Anstieg auch ein allmähliches Anwachsen des Hauptstroms. Damit erfasst man nicht nur die extremen Zustände ›ja‹ oder ›nein‹, sondern alle Zustände dazwischen.«

»Wie geht das vor sich?«

»Das ist sehr einfach. Der Hauptstrom – derjenige, der verändert werden soll – wird durch einen Kanal geleitet, der sich nach mehreren verschiedenen Richtungen hin teilt. Der Steuerstrom wird in den Hauptstrom hinein- oder gegen ihn gelenkt und leitet diesen in den gewünschten Kanal. Der Druck des Steuerstroms ist variabel. Je stärker er gegen den Hauptfluss drückt, um so weiter wird dieser nach der anderen Seite geleitet. Wenn der Hauptstrom schnell genug reagiert, dann kann man seine Antworten innerhalb einer Sekunde mehrere hundert Mal verändern. Man hat hier also ein System, das auf den Druck einer Flüssigkeit in einer Röhre mit erstaunlicher Genauigkeit reagiert. In der Industrie benutzt man Flüssigkeitsschaltungen schon seit Jahren, ebenso wie in den Auftanksystemen von Düsenflugzeugen.

Der Entscheidungskreis ist das elektronische Analogon eines Flüssigkeitskreises: Er reagiert subtil auf die Veränderung der elektrischen Spannung – der Steuerspannung. Er hat große Ähnlichkeit mit der Funktion des menschlichen Nervensystems. Wenn in einer Nervenzelle eine starke Entladung erfolgt, so genügt das, um die danebenliegende Nervenzelle anzuregen. Unsere Entscheidungseinheiten funktionieren ebenso; genau auf die gleiche Art können wir die Aktionen eines Flüssigkeitskreises duplizieren – und, was noch wichtiger ist, die des menschlichen Gehirns. Durch Kompaktierung können wir das Schaltsystem so weit verkleinern, dass es der Deckungsdichte menschlichen Gehirngewebes entspricht.«

Einige Männer am Tisch nickten. Clintwood blickte von seinem Notizbuch auf. »Sie haben noch einen anderen Ausdruck benutzt. Kompaktierung?«

»Richtig«, sagte Auberson. »Kompaktierung ist die Methode, die wir benutzen, um der Einheit eine zweite Ebene von Entscheidungseinheiten zu erhalten. Das erhöht die Zahl der Auswahlmöglichkeiten um eine Potenz der Basiszahl – 12 x 12 ergibt 144 Auswahlmöglichkeiten in jeder gegebenen Situation. 144 Grade zwischen ›ja‹ und ›nein‹. Will man also größere Genauigkeit, dann muss man die Zahl der Ebenen erhöhen. Jede weitere Ebene erhöht die Zahl der Auswahlmöglichkeiten um das Zwölffache.«

»Wird dadurch die Zahl der Schaltkreise nicht unerträglich groß?«

»Nein. Wir können die gleichen Kreise für fast jede Entscheidungsebene benutzen. Die Maschine braucht nur festzuhalten, auf welcher sie gerade arbeitet. Sie arbeitet ein Resultat aus, entscheidet, ob es präzis genug ist und wechselt – falls erforderlich – die Ebene, um die Sache mit erhöhter Geschwindigkeit noch einmal den gleichen Schaltkreis durchzugehen. Das ist die Kompaktion. Dadurch erhalten wir einen hohen Grad an Differenzierung mit weitaus weniger Schaltkreisen. Wenn Handley hier wäre, könnte er es Ihnen besser erklären. Don Handley ist der Konstrukteur des HARLIE-Systems.«

»Und Ihre Erklärung reicht nicht aus?«, fragte Elzer ironisch.

»Ich kann nur das mitteilen, was ich selbst weiß«, entgegnete Auberson mit größter Vorsicht.

»Ich habe geglaubt, Sie wüssten, was HARLIE ist. Sie sind doch der Chef des Projekts, nicht wahr?«

»Ich bin Psychologe, kein Ingenieur. Alles, was ich über Computer erfahren habe, musste ich erst an diesem Projekt erlernen. Ich ...« Er unterbrach sich. Rechtfertigungen hatten keinen Sinn. Er musste es anders versuchen. »Elzer, fahren Sie ein Auto?«

Der kleine Mann war erstaunt. »Ja, natürlich.«

»Welche Marke?«

»Einen Continental.«

»Neuestes Baujahr, schätze ich?«

»Richtig.« Er sagte es nicht ohne Stolz.

»Sie wissen doch, dass sein Thorsen-Autopilot eines unserer Produkte ist, oder?« Er wartete die Antwort nicht ab – es war mehr eine rhetorische Frage. »Er wurde erst durch den variablen Schaltkreis, den wir während der letzten vier Jahre entwickelt und als Mark IV in den Handel gebracht haben, ermöglicht. Im Grunde ist er nichts anderes als die vereinfachte Version eines von HARLIES Funktionsmodulen.«

»Meinen Sie damit, dass HARLIE ein riesiger Entscheidungsschaltkreis ist?«