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Der Autor behandelt in diesem Werk die naturmystischen und schamanischen Aspekte des Wolfs. Dabei geht es dem Autor darum, ein ganz neues, positives Verhältnis zum Symboltier der Wildnis zu entwickeln. Schamanische Visionen, Reisen, Anrufungen und "Wolfsrituale" runden das Bild ab. Die reale Rückkehr der Wölfe in Deutschland ist ein Prozess, der noch nicht abgeschlossen ist. So versteht der Autor auch sein Werk als einen Prozess der Entwicklung einer Spiritualität der Natur.
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Seitenzahl: 203
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Wissenschaftler beanspruchen für sich, ein rein objektives, neutrales Interesse an einer Sache zu haben. Tatsache ist jedoch, dass sehr viele Wissenschaftler direkt oder indirekt von Geldgebern abhängig sind, die sehr wohl Interessen haben. Völlig neutrale Wolfsforschung, kann es diese geben? Wenn man die Wölfe nur Wölfe sein lassen will – und das würde ich begrüßen – dann könnte man sie jetzt und in Zukunft komplett in Ruhe lassen. Keine Überwachungskameras, keine Halsbänder, nichts mehr! Man könnte Forschungen auch beenden.
Die Betreiber von Tierparks und die Anbieter von Reisen in die übrig gebliebene echte oder scheinbare Wildnis haben ein Geschäftsinteresse. Sie möchten damit ihren Lebensunterhalt verdienen. Ein Geschäftsinteresse verändert immer die Umwelt. Yellowstone ist eine Pseudowildnis.
Ich selbst habe ein spirituelles Interesse. Die Tatsachen der Wolfsforschung muss ich selbstverständlich zur Kenntnis nehmen. Dennoch geht es mir als Künstler und naturspiritueller Mensch um den seelischen Gewinn, die seelische Bereicherung des Menschen. Dabei muss logischerweise immer der Respekt und die Achtung des wilden Tieres gewahrt bleiben, das Zweck für sich ist und immer eine eigene Welt hat und haben wird.
Mir geht es um ein neues spirituelles Verhältnis zum Wolf – und auch zu anderen wilden Tieren wie dem Raben oder dem Adler. Wir können zwar von den alten Mythologien etwas lernen, aber im Grunde müssen wir etwas ganz Neues schaffen und entwickeln. Dazu möchte ich beitragen.
Der Wolf und ich selber
Der Wolf in meinen Gemälden
Die Philosophie des Wolfs
Falsche Beziehungen
Der Steppenwolf - Das Wilde in der Seele
Wolfsblut - Die gnadenlose Wildnis
Der Wolf in der germanischen Mythologie –
Odins Wölfe
Der Wolf in der indianischen „Religion“ am Beispiel der
Cheyenne
Spirit Wolf
– schamanisches Krafttier
Neues Verhältnis zum Wolf
Der Wolf in einem neuen, feinfühligen Schamanismus
Der Wolf in der Oberwelt
Wolfsrituale
Anrufungen (Invokationen)
Wölfe der Wälder
Warum heißt jemand nach einem Tier? Warum nennen Eltern ihr Kind nach einem wilden Tier? Haben sie damit eine bewusste Absicht verfolgt? Oder nur unbewusst gehandelt? Was haben sie sich dabei gedacht? Welche Intentionen hatten sie, welche Vorstellungen?
Eigentlich kann sich jeder Mensch diese Fragen stellen, auch wenn er nicht ein Tier in seinem Namen trägt. Wolf, Wolfram, Wolfgang, Ulf, Wolf-Dieter – Eltern denken, glaube ich, nicht unbedingt an das Tier. Sie hatten und haben nur selten eine indianische Einstellung und verbinden das Wesen eines Tieres mit dem Wesen ihres Kindes. Der Name mag für sie nett klingen, en vogue sein, mehr ist es oft nicht. Vielleicht haben sie an Mozart gedacht, an Wolfgang Amadeus, oder an Goethe, an Johann Wolfgang, vielleicht auch nicht.
Notgedrungen muss man ja seinen Vornamen, und auch seinen Zunamen, akzeptieren. Er wurde einem aufgezwungen. Man hat ihn nicht selbst gewählt, man hat sich ihn nicht ausgesucht, man hat ihn nicht erworben, z.B. auf einer Visionssuche, nein, man hat ihn wie einen Stempel von der Behörde erhalten. Jetzt heißt Du so. Punkt!
Viele Namen sind nur stereotype Formeln. Paul und Hans, Heinz und Werner, Bernd und Wolfgang. Es gibt Tausende davon. In den frühen fünfziger Jahren wurden viele „Wolfgang“ genannt. Warum? Was haben sich damals die Mütter und vielleicht auch die Väter dabei gedacht? Ich weiß es nicht. Ich weiß auch nicht, ob man das überhaupt herausfinden kann. Heute sind die Väter und Mütter längst tot. Man kann sie nicht mehr fragen.
Wer sich irgendwann in seinem Leben mit Spiritualität befasst, fragt sich, ob sein Name diese zum Ausdruck bringt oder nicht, ob sein Name zu der eigenen Spiritualität passt oder nicht. „Wolf“ oder „Wolfgang“ ist kein christlicher Name, nicht so wie Johannes, David, Daniel, Josef, Thomas – das sind jüdische Namen, also Namen, die aus dem hebräischen Sprachraum kommen. Es sind keine germanischen, deutschen Namen, wie Gerhard, Siegfried, Friedrich, Heinrich, Hermann, Willy, Bernhard etc.
Meine Eltern waren keine Christen, auch wenn sie der evangelischen Kirche angehörten, aber im Grunde waren sie Atheisten. Sie glaubten an nichts Höheres, nur an ihr eigenes, kleines Glück. Eigentlich bin ich froh, dass ich keinen christlichen Namen habe, weil diese Namen keinen Bezug zur Natur haben. Es geht oft nur um einen Gott, der wohl mal alles geschaffen hat, aber jetzt keinen rechten Bezug zur Natur mehr hat, schon gar nicht zur Wildnis.
Um es klar zu sagen: Ich bin kein Wolf. Damit meine ich natürlich nicht das Tier, sondern das Wesen des Wolfes. Ich bin kein Rudeltier, kein „Alphawolf“, also kein Anführer eines „Rudels“. Eher bin ich ein „Omegawolf“ gewesen, wenn ich an meine Berufszeit denke. Menschen sind ja gewissermaßen Gefangene in einem Käfig, der oft aus entfremdeter Arbeit und sozialen Rollen besteht. Sie leben nicht frei wie Wölfe in einer unberührten Wildnis. Sie können schon sehr lange nicht mehr frei herumwandern, um sich vielleicht ein leeres Territorium, ein eigenes Zuhause zu suchen.
Als Andersdenkender, als alternativ denkender Mensch, als „Querdenker“, wie es die anderen nennen, ist man am unteren Ende der Hierarchie eines Kollegiums angesiedelt, eben ein „Omegawolf“. Man dient dann oft als Projektionsfläche für alles Mögliche, vor allem dann, wenn man sehr ungewöhnliche Ideen und Gedanken hat. Projektionen sind das Problem derjenigen, die auf einen anderen etwas projizieren. In einer Behörde darf man eigentlich keine eigenen Ideen haben, sondern man muss Vorgaben erfüllen. Die braven Untertanen haben ihre wilde Freiheit längst verloren. Die Hierarchie von Alpha bis Omega scheint mir vor allem unser menschliches Problem zu sein.
Als Andersdenkender ist man aber selbstständig und kann seinen eigenen Weg gehen. Man ist frei und unabhängig von den anderen, man ist kein Mitläufer in einer Marschkolonne. Als Andersdenkender kann man sich erlauben, ein „Wolf“ zu sein.
Der Wolf ist ein Tier der Wildnis, nicht der Zivilisation. Es sind sicher nicht viele wirklich Wölfe, die den Wolf in ihrem Namen tragen. Dass man einen Namen trägt, der im Grunde nichts sagt, gehört zur kulturellen Degeneration des Menschen. Man müsste sich seinen Namen erwerben und er müsste das Wesen eines Menschen ausdrücken. Irgendeinen Namen aussuchen und dann bleibt das ein Leben lang so, das hat einfach kein Niveau. Aber es ist typisch für eine Gesellschaft, die auf echte Individualität keinen Wert legt. Die Gesellschaften der Menschen brauchen Arbeiter, Soldaten, Angestellte, funktionierendes Personal etc., aber keine Individuen. Das ist die Wahrheit. Ein Wolf ist immer für die Wahrheit, auch wenn sie hart und schonungslos ist. So gesehen, bin ich ein Wolf. Was das soziale System betrifft, wie oben gesagt, jedoch nicht.
Als Einzelgänger habe ich ein anderes Krafttier. Mein eigentliches Wesen drückt sich in einem anderen Krafttier aus. Um welches es sich handelt, ist hier nicht von Belang. Es geht mir um den Gegensatz: Man wird nach einem Tier benannt, das man gar nicht ist. Ist das Dummheit, Naivität, Unwissenheit? Sind es falsche Vorstellungen, Illusionen, denen sich Eltern hingeben? Ist es typisch für das „Affenerbe“ in uns, dass wir uns Träumen und Illusionen hingeben? Kinder als Projektionsfläche unserer eigenen Träume sehen? Möchten manche einen Wolf haben oder einer sein, obgleich sie nur ein folgsamer Hund sind, also degeneriert, was die eigentliche Natur betrifft? Gibt es eine Sehnsucht zurück zur eigentlichen Natur?
Vielleicht ist es das: Die Sehnsucht des Menschen. Christen sehnen sich nach einer göttlichen Dimension, sie möchten diese ausdrücken. Dann nennen sie ihre Tochter Maria, weil sie so sein sollte, wie Maria es gewesen ist, rein und selbstlos, oder Michael, „Wer ist wie Gott?“. Johannes, „Gott ist gnädig“, ist die Sehnsucht nach einem gnädigen und gütigen Gott.
Adolf, der Name des großen Bösewichts, ist eine Verkürzung des Namens Adalwolf. Die volle Namensform bedeutet: „Der edle Wolf“. An sich keine böse Sehnsucht, nur wenn man sie mit Gewalt und Terror durchsetzen will, dann wird sie böse.
Menschen sehnen sich oft nach dem, was sie selbst nicht sind. Ihre Kinder sollen ihre eigenen Träume realisieren. Sei ein Adolf, ein edler Wolf, lieber Junge. Adolf Kolping, der in der katholischen Kirche immer noch sehr verehrt wird, war es geworden. Adolf Menzel, der deutsche Maler, vielleicht auch. Der „böse Wolf“ des zwanzigsten Jahrhunderts mit Sicherheit nicht.
Was lernen wir daraus? Die Sehnsucht kann gut sein und zur Vollendung gelangen, wenn sie richtig verfolgt wird. Dann kann man zu einem „Gottesgeschenk“, Matthias, werden. Die meisten, die Matthias heißen oder hießen, waren sicher nur normale, durchschnittliche Menschen.
Wer den Bezug zur Natur verloren hat, und wir Menschen haben ihn schon sehr lange verloren, der sehnt sich zurück nach der alten, magischen Verbundenheit mit der wilden Natur. Dann mag er sein Kind nach dem Wolf benennen. Kein anderes Tier repräsentiert so die Wildnis wie der Wolf. Der Wolf bleibt immer Wolf. Alle gezüchteten Hunde des Menschen sind am Ende doch nur traurige Kopien, abhängig vom Menschen und vor allem von seinen Bedürfnissen. Sie erreichen niemals das Original. Der Wolf ist das Original.
Es gibt ein sehr interessantes Buch von Mark Rowlands, der mit einem Wolf gelebt hat. Siehe das Literaturverzeichnis im Anhang. Wer also wissen möchte, wie man mit einem Wolf leben kann, was man von ihm lernen kann, dem sei dieses Buch empfohlen.
Ich hatte Katzen. Katzen sind immer das Original, denn sie sind und bleiben immer eigenständig und gehen ihre eigenen Wege. Man hat auch keine Katze, weil man eine Katze nicht besitzen kann. Die Katze entscheidet sich, ob sie bei einem leben möchte – oder nicht. Es gibt zwar Frauen, die Kathi oder Katja heißen, aber der Name kommt nicht von der Katze, sondern von Katharina. Katharina ist ein griechischer Name und bedeutet die „Reine“. Mir ist nicht bekannt, dass Frauen nach Katzen benannt werden, eher heißen sie „Mausi“, was natürlich äußerst stereotyp ist.
Was hat die Katze mit dem Wolf zu tun? Eigentlich nichts. Es sind unterschiedliche Tiere, die in unterschiedlichen Welten leben. Ihre Sozialsysteme differieren sehr stark voneinander. Aber Katzen benehmen sich vielleicht so, wie unsere Vorstellung von einem Wolf sein mag: Eigenständig, eigensinnig, unabhängig, wild und unberechenbar.
Die Katze ist der Wolf unserer Träume. Katzen sind oft verträumte Wesen, die in einer Traumwelt leben. Das würden wir oft auch gerne, besonders dann, wenn uns die harten Realitäten der Geschäftswelt quälen. Wir leben zwar in dieser Welt und ertragen sie brav, hündisch und sklavisch, aber eigentlich hassen wir sie, wenn wir ehrlich zu uns selbst sind. Wir wären lieber eine selbständige Katze oder ein wilder Wolf. Deshalb brauchen wir einen Ersatz, um das repressive Leben in der Anpassung und Unterordnung ertragen zu können
Ich bin kein Wissenschaftler, kein Biologe. Ich bin auch kein Praktiker wie Shaun Ellis, der ein ungewöhnliches und umstrittenes Buch über seine Erfahrungen mit Wölfen geschrieben hat.
„Die meisten Menschen wollen die Tiere, die sie lieben, den Menschen ähnlicher machen; ich hatte immer den Tieren, die ich liebte, ähnlicher sein wollen.“ (Ellis, S.138)
Dieser Satz fasst das Anliegen von Shaun Ellis zusammen. Wissenschaftler wollen immer distanziert bleiben, denn das gehört zu ihrem Credo der Objektivität. Praktisch orientierte Menschen suchen eine tiefe und enge Beziehung zu ihrem Gegenüber, in diesem Fall also dem Wolf. Sie haben kein Studienobjekt, auch wenn sie Leben und Verhalten der Tiere durchaus studieren.
Viele Künstler haben nur ein distanziertes Verhältnis zu ihrem Sujet. Deshalb haben viele Künstler auch alles Mögliche gemalt: Menschen, Blumen, Landschaften und vieles mehr. Oft ist es ein thematisches Sammelsurium.
Als schamanischer Künstler habe ich ein tiefes und enges Verhältnis zu meinen Themen. Wenn ich keinen tiefen, seelischen Bezug habe, dann kann und will ich es auch nicht malen.
Wie gesagt, ich habe keine praktischen Erfahrungen im Umgang mit Wölfen. Ich bin kein Wolfsmann, oder neutraler formuliert: Wolfsmensch – das ist z.B. Werner Freund. Ich habe jedoch eine innere, seelische Verbundenheit mit dem Wolf und seiner wilden Welt. Um den oben zitierten Satz von Shaun Ellis zu modifizieren, könnte ich sagen, dass ich der wilden Welt immer näher, ähnlicher sein wollte.
Die Stadt interessiert mich nicht. Die Zivilisation interessiert mich nicht. Die Welt der Shows, des Showbusiness, der Partys, der Gesellschaftstreffen, der Feste und Feiern – all das interessiert mich nicht. Ich verstehe Shaun Ellis sehr gut, dass er in die Wildnis gegangen ist, um dort mit und bei den Wölfen zu leben. Das ist extrem. Das ist hart und brutal. Das geht an die Grenze des Lebens und Überlebens. Ich hätte das niemals gekonnt, schon allein aus körperlichen Gründen, denn man muss dazu unglaublich hart im Nehmen sein.
Ein schamanischer Künstler mag demgegenüber nur ein Träumer sein. Aber ich denke, dass er ein guter Träumer ist. Meine Gemälde sind realistisch gemalt, nicht vage, verschwommen, aber es sind Träume von der wilden, ursprünglichen Natur. Es sind Träume von einer Gegenwelt zu einer overcivilized world. Und das ist die Wahrheit: Die moderne Welt ist keine Welt der Zivilisation mehr, sondern der Über-Zivilisation, der Über-Technisierung, der totalen Über-Wachung etc. Wer genau hinschaut, weiß das. Es ist der realisierte Traum einer totalen Kontrolle der Welt, wobei logischerweise nur die tatsächlich Mächtigen und Reichen kontrollieren, und 99% der Weltbevölkerung nur Objekte und Material zur Ausbeutung sind.
Mein schamanischer Künstler-Traum hat ein anderes Ziel. Wie auf dem Gemälde, ist meine Traum-Welt leer und ursprünglich. Der Fluss, die Berge, die Steine, die Bäume, der Himmel. Es gibt nur Bäume, keine Mobilfunkmasten, die es heutzutage überall gibt! Es gibt keine Windräder und keine Straßen, sondern nur Pfade, die man kaum erkennen kann oder die unsichtbar wie eine Geruchsspur sind.
Im Zentrum dieser Welt steht das freie und wilde Tier: der Wolf.
Für die ach so klugen Psychologen mag das nur eine Projektion sein. Na und? Was wollen sie damit sagen oder erreichen? Dass man sich den Gesellschaftsmenschen und ihren Feiern anpassen muss? Die meisten Psychologen halte ich nur für Anpassungstechniker. Sie wollen einem eine Anpassungsmethode verkaufen – oder einen sogar zwingen, indem sie einem „Drogen“ verabreichen. Ihre Medikamente sind alles „Drogen“, und sonst gar nichts. Sie nennen ihr Handeln wissenschaftlich, aber es ist doch eher eine chemische Anpassungsmethode.
Im Zentrum meiner Gemälde steht oft ein Tier der unabhängigen Naturkraft, das nicht anzupassen ist. Man könnte es nur erschießen. Das wird weltweit praktiziert. Man erschießt alle großen Tiere, die einen stören und die man nicht haben will. Der Rassismus der heutigen Zeit richtet sich gegen die Tiere! Pumas, Kojoten, Leoparden, Bären, Wölfe, Elefanten etc., alles wird überall erschossen. Der Mensch ist ein Killer.
Menschen, die mit wilden Wölfen gelebt haben, sind eine Ausnahme. Es gibt weitere Menschen, die mit Bären, Geparden, Löwen, Affen etc. gelebt haben. Aber, wie gesagt, das sind mehr die positiven Ausnahmen, die uns ein besseres, edleres Menschenbild vermitteln. Für mich sind sie Vorreiter einer ganz anderen Art von „Zivilisation“, die erst noch kommen wird.
Es geht mir in meinen Gemälden darum, das Tier als Wert und Zweck für sich zu respektieren. Es gehört sich selbst, absolut. Es ist nicht für uns da, nicht für mich, für niemanden. Es steht und lebt ganz und gar nur für sich. Es kann dem Betrachter eine Botschaft vermitteln, durchaus, aber es bleibt dabei immer noch eine zu respektierende Persönlichkeit aus dem Reich der Tiere.
Bei diesem Gemälde wollte ich einmal eine harmonische Gruppe darstellen, eine innige Gemeinschaft. Meistens habe ich nur einzelne Tiere gemalt. Luchse sind Einzelgänger, aber Wölfe leben in der Gruppe. Der Wolf des ersten Bildes mag als ein Leit-Wolf oder als Jäger gesehen werden. Oder man deutet ihn als Krafttier, das aus einer anderen Welt über den Grenzfluss in die Welt der Menschen kommt.
In diesem Gemälde geht es nicht mehr um den Einzelnen, sondern um die Gemeinschaft. Als Künstler ging es mir hier nicht um unterschiedliche Rollen innerhalb einer Wolfsfamilie, sondern um die höhere Einheit der ganzen Gruppe.
Dieses Gemälde (hier ein Ausschnitt von der linken Hälfte) habe ich Ende der neunziger Jahre gemalt und „Die Rückkehr des Wolfes“ genannt. Die Rückkehr der Wölfe ist seit den neunziger Jahren des letzten Jahrhunderts ein Thema. Mir geht es dabei natürlich nicht nur um die real existierenden Wölfe, sei es in der Lausitz oder in der Lüneburger Heide, das auch, auf jeden Fall, sondern mir geht es um die Rückkehr von der Wildnatur. Ohne größere Freiräume einer wild belassenen Natur können Wölfe nun einmal nicht existieren. Man muss das akzeptieren. Bis heute ist jedoch die Tendenz mehr die, noch mehr Straßen, noch mehr Autobahnen, noch mehr Gewerbegebiete, noch mehr Wohngebiete zu bauen. Wo soll da ein Wolf, eine Wolfsfamilie ihren Raum haben?
Dieses Gemälde (hier ein Ausschnitt von der rechten Hälfte) habe ich Anfang 1995 gemalt und damals „Spirit Wolf, protector of a sacred site“ genannt. Heute würde ich es eher „Die Wölfin“ nennen. Es geht um den mütterlichen Schutz der elementaren, ursprünglichen Natur. Der Geist des Wolfes bzw. der Wolf als ein Tier des Geistes ist der Schützer, das schützende, hütende Element der Erde. Man kann die Wölfin auch als die Repräsentantin von „Mutter Natur“ sehen. Wie weit wir heute, 2014, davon entfernt sind, brauche ich nicht zu sagen. Der Mensch, der vom Affen abstammende und sich immer noch zänkisch und gierig aufführende Primat, ist dazu bisher nicht in der Lage oder will es nicht sein. Er ist unwillig. Die Ausnahmemenschen des Hütens müssten die Regel werden. Als Alibi einer Ausbeutungskultur taugen sie nicht, bzw. so sollte man sie nicht benutzen. Mir ging es in dem Gemälde jedenfalls um echtes, wirkliches Hüten der Erde.
Der Titel dieses kleineren Ölgemäldes (50x60 cm, 1994) lautet: Der „Weise Wolf“. Es geht um die Weisheit der Natur. Es geht um Stille und Ruhe, um Gelassenheit und Besonnenheit. Hier ist der Wolf für mich das stille Tier, nicht das aggressive und kämpferische. Sicher, wir wissen, dass es diese Seite gibt. Das ist keine Frage. Aber in diesem Gemälde sollte sie keine Rolle spielen. Es ist nicht der Wolf, der Probleme mit seiner Aggression gegen Artgenossen und gegen die ganze Welt hat, sondern der Mensch, der seit Jahrtausenden permanent Kriege führt. Die Mondsichel, der kleine Zweig und das magische Symbol stehen für das schamanische Weltbild.
Das Anschauen von Filmen hat dazu geführt, dass wir uns nichts mehr lange anschauen können. Die Filme sind so gestaltet, dass die Szenen schnell wechseln. Es werden zwar von den Filmemachern sehr viele Stunden gedreht, aber dann wird alles so zusammengeschnitten, dass es 45 Minuten Tierfilm ergibt. Die Tatsache, dass es heute sehr viele Fotos gibt, hat ebenfalls dazu geführt, dass das einzelne Foto eigentlich nicht mehr so wichtig ist. Wenn man einen Bildband über den Wolf durchblättert, dann bleibt man nicht unbedingt länger bei einem der vielen Fotos hängen, auch wenn sie wirklich sehr gut sind. Der Bildband von Shaun Ellis und Monty Sloan ist, was die Fotos betrifft, sehr gut. Man kann es nicht besser machen. Das ganzseitige Foto z.B. am Anfang des Kapitels „Der Geist der Wölfe“ ist ausgesprochen gut.
Die Gemälde von mir, die ich oben abgedruckt habe, erfordern viel Zeit. Der Prozess des Malens zieht sich über viele Stunden, meist über viele Tage hin. Während des Prozesses vertieft man sich als Maler in die Thematik, geht ganz in ihr auf. (Tierfotografen müssen stundenlang draußen sitzen und auf das richtige Bild warten.) Das Malen eines Tieres ist ein Annäherungsprozess, ein Versenkungsprozess in die Welt des Wolfes.
Man kann keinen Menschen dazu zwingen, sich ein Gemälde länger anzuschauen, aber eigentlich wäre das die richtige Verhaltensweise. Sich vor ein Bild zu setzen und es in Stille 15 und mehr Minuten anzusehen. Ein kurzer Blick reicht jedenfalls nicht aus. Ein kurzer Blick führt dazu, dass man es schnell in eine Schublade packt: Schon mal Ähnliches gesehen, ah, ja, ein Wolf. Und das war es dann. So findet keine innere Auseinandersetzung statt.
Die Schublade „Realismus“ ist sehr oberflächlich. Meine Gemälde sind realistisch, aber nicht fotorealistisch, wie die Gemälde von Robert Bateman beispielsweise. Es geht mir immer auch um eine persönliche, emotionale und vor allem spirituelle Note im Gemälde. Diese kann man nicht unbedingt so schnell erfassen. Wenn man nichts über die schamanische Bedeutung von Steinen, Bergen und Bäumen weiß, dann müsste man sich zunächst dieses Wissen erwerben. Das gilt auch für die schamanische Bedeutung von Tieren im Allgemeinen. Tiere sind für den Schamanen nicht nur Tiere, sondern weit mehr als nur eine andere Spezies. Sie sind Tiere der Kraft, übermitteln eine Botschaft, können Helfer und Heiler sein.
Gemälde stehen immer in einem geistigen, kulturellen, spirituellen Kontext. Wenn man diesen nicht kennt, dann versteht man das Gemälde nicht. Um ein simples Beispiel zu nennen, das sicher jeder versteht: Wenn man nichts über das Christentum weiß, dann kann man die christliche Kunst nicht verstehen. Das Verständnis haben viele moderne Menschen nicht, weil sie keine Ahnung vom Christentum haben. Wissen, das einmal selbstverständlich gewesen ist, ist es schon lange nicht mehr.
Die normale, alltägliche Wirklichkeit ist eine Dimension. Die Wirklichkeit der Naturkräfte und der Naturgeister ist eine andere Dimension. Mir ging und geht es um letztere. Das muss man schon wissen, wenn man sich meine Gemälde anschaut.
Man muss praktisch auf die andere Seite schauen.
Man darf sie also nicht monodimensional betrachten. In dem Fall sieht man nur schöne Naturszenen. Denkt vielleicht, dass die moderne Welt so nicht ist und tut es als „Naturidylle“ ab.
Man muss sich auf die beseelte Welt der Natur einlassen. Ohne die Voraussetzung, dass man die Natur als beseelte Welt ansieht, geht das logischerweise nicht. Wenn man das Dogma einer toten Materie-Natur vertritt, verbaut man sich a priori den Zugang. Man kann dann gar nicht mehr offen sein.
Moderne Menschen beharren gerne auf dem, was sie als „meine Meinung“ bezeichnen. Oft sind sie darauf fixiert. Das gilt nicht nur für orthodoxe religiöse Leute, die eine andere Sichtweise meist kategorisch ausschließen. Das gilt auch für Naturwissenschaftler, die angeblich immer die offensten Menschen sein sollen. Mitnichten. Sie haben auch ihre Dogmen, nur eben andere als die Orthodoxen.
Wenn jemand meine Gemälde einfach nur schön findet, dann ist das für mich in Ordnung. Die Darstellung einer schönen und harmonischen Welt und Natur ist mir ein Anliegen. Darüber hinaus geht es mir jedoch weiter um eine beseelte Welt und eine Welt der Naturgeister. Der so genannte „heilige Geist“ der Christen ist mir zu abstrakt, zu abgehoben, zu ungreifbar und vor allem zu wenig naturverbunden. Das Christentum war in seiner bisherigen Geschichte keine naturverbundene Religion. Das Gegenteil war eher der Fall. Daran hat sich bis heute nichts geändert und ich sehe auch nicht, dass man daran etwas ändern will.
Wer die Natur wirklich liebt und einen engen, persönlichen Bezug zu ihr hat, sieht das Wirken von Naturgeistern in ihr. Die enge Verbundenheit bis zur Identität von Geist und Natur ist keine Meinung, kein Theorem, sondern eine Sache der Erfahrung. Der Mensch der Natur erfährt es, wenn er in der Natur ist.
Er ist auch nur in der Natur ein richtiger Mensch der Erde.
Das Buch „Der Philosoph und der Wolf“ von Mark Rowlands ist mit Sicherheit kein Buch für Leute, die vor allem an der wildbiologischen Seite des Wolfs interessiert sind. Bei diesem Buch muss nach nachdenken und mitdenken wollen.
Das Nachdenken, das gründliche, kritische Nachdenken ist nicht die Sache von vielen. Heute vielleicht sogar noch weniger als in früheren Zeiten. Man will Spaß und Unterhaltung, man will Vergnügen und Lachen über Anekdoten, aber man will sich und die Welt nicht kritisch hinterfragen. Man will seine Religion, seine politische Position, das gesellschaftliche System und die Wirtschaft nicht in Frage stellen. Man will sich nett einrichten und sein kleines Vergnügen haben.
Ich habe, nicht zuletzt als Lehrer, das muss ich leider sagen, wenig kritische Menschen kennengelernt. Viele wollten grundsätzliche Kritik überhaupt nicht, viele wollten sie nur in einem kleinen, ausgegrenzten Bereich, viele diffamierten sie gleich als „verkopft“ oder es war schlicht und einfach eine Spaßbremse für sie. In einer Vergnügungskultur ist das logischerweise eine Art Blasphemie. Man darf keine Spaßbremse sein. Du sollst keine Spaßbremse sein, so könnte ein Gebot dieser Kultur lauten.
Die Zeitepoche (1967-1970), die mich geprägt hat, war eine kritische. Das ganze System wurde von uns grundsätzlich in Frage gestellt. Ich halte das immer noch für richtig. Die negativen Auswirkungen des Systems sind mehr als deutlich. Umweltzerstörung, soziales Elend und die Klimakatastrophe. Auch die Autoren, die mich geprägt haben, waren alles kritische Autoren.