Der zweite Marburger Krimi-Cocktail - Rainer Güllich - E-Book

Der zweite Marburger Krimi-Cocktail E-Book

Rainer Güllich

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  • Herausgeber: BookRix
  • Kategorie: Krimi
  • Sprache: Deutsch
  • Veröffentlichungsjahr: 2023
Beschreibung

 DER ZWEITE MARBURGER KRIMI-COCKTAIL   Neue kriminelle Kurzgeschichten     "Dumm gelaufen" können die meisten Protagonisten des zweiten Marburger Krimi-Cocktails sagen. Trotz erheblicher Energie scheitern ihre kriminellen Projekte an ihrem jeweiligen Missgeschick. Mag es unzureichende Planung oder Dummheit sein, ihre Unternehmungen enden in der persönlichen Katastrophe. Einige der Kurzgeschichten erzählen jedoch von schicksalhaften Begebenheiten, die ebenfalls kein gutes Ende finden. Wieder hat uns der Autor einen Krimi-Cocktail zusammengestellt, dessen fruchtig-herben Geschmack man genießen wird. 

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Rainer Güllich

Der zweite Marburger Krimi-Cocktail

Neue kriminelle Kurzgeschichten

Für PatriciaBookRix GmbH & Co. KG81371 München

Inhalt

Die Entführung                                                     

                        

Schnellschuss                                                

                                  

Freitag, der 13.                                               

                                              

Rosenmontag                                                    

                                  

Der Rollstuhlfahrer                                        

                                  

Der Retter                                                      

                                              

Das Muttersöhnchen                                       

                       

Schwarze Sterne                                            

                                  

Therapie                                                                        

                      

Unter Druck                                                        

                                  

Die Probefahrt                                                     

                    

Nichtrauchen                                                        

                                

Friedhofsstreife                                                 

                    

Das Mettbrötchen

Die Entführung

 Claudia Sommer parkte ihren Yaris auf dem Gelände der Gärtnerei in der Stephan-Niderehe-Straße ein. Der Kleintransporter, der ihr mit Beginn der Fahrt gefolgt war, hielt neben ihr. Es stieg aber niemand aus. Komisch, dachte sie, schloss ihren Wagen, nahm sich einen der Einkaufswagen und betrat das Gartencenter.

Ihre Mutter hatte sie gebeten, für das Grab der Großmutter eine Schale mit Blumen zu kaufen. Claudia kannte sich mit Pflanzen nicht aus, im Center würde sie aber bestimmt etwas finden. Doch so sehr sie auch schaute, entdeckte sie keine der bepflanzten Gefäße. Da sie im vorderen Bereich des Gartenmarktes keinen Verkäufer sah, ging sie weiter nach hinten in das Gewächshaus, um dort jemanden anzusprechen.

Gleich an der ersten Gestellreihe stand einer der Angestellten, erkennbar an seinen grünen Gärtnerklamotten. Er hielt ein Klemmbrett in der Hand. Schien Inventur oder sowas zu machen. Jedenfalls zählte er die vor ihm stehenden bepflanzten Blumentöpfe.

Auf ihre Frage nach einer fertigen Schale war er etwas ungehalten, doch konnte er Claudias freundlichem Lächeln nicht widerstehen und sagte ihr, er könne ihr eine Schale bepflanzen. Dass viele ihrer Mitmenschen positiv auf ihr Äußeres reagierten, wusste Claudia schon lange. Sie war schlank, hatte langes blondes Haar und hellblaue Augen. Sie war der Meinung, dass sie ein bisschen zu viel Oberweite hatte. Wie sie wusste, waren die meisten Männer da anderer Ansicht. Das änderte aber nichts an ihrem Blickwinkel.

Sie war neunzehn Jahre alt, ging noch zur Schule. Was sie nach dem Abitur machen wollte, wusste sie nicht. Seit dem letzten Jahr wurde sie von einigen Mitschülern öfter mit dem ihr unterstellten Wunsch aufgezogen, eine Modelkarriere anzustreben. Sie hatte nämlich aus Spaß an einem Schönheitswettbewerb teilgenommen und war tatsächlich zur „Miss Hessen“ gewählt worden. Dadurch hatte sie einen ziemlich hohen Bekanntheitsgrad in der Region erlangt. Es lag ihr aber wirklich fern, später als Model zu arbeiten. Der Schönheitswettbewerb hatte einfach Spaß gemacht und fertig. Aus den Mitschülern, die sie damit hänselten, sprach nur der Neid.

Der Gärtnereiangestellte fragte, welche Blumen er für die Schale verwenden solle, Claudia meinte, sie würde es ihm überlassen. Der Angestellte nickte nur kurz und hatte im Handumdrehen ein ansehnliches Gesteck zusammengestellt. Claudia bedankte sich, marschierte an die Kasse, bezahlte und ging zu ihrem Wagen.

Bevor sie ihn aufschließen konnte, sprangen aus der Seitentür des Kleintransporters zwei vermummte Gestalten. Eine presste Claudia die Arme an den Körper, die andere stülpte ihr ein Tuch über den Kopf. Sie hörte noch das dumpfe Brechen der tönernen Schale, dann wurde sie in den Transporter geschleppt. Das Tuch wurde hochgehoben und ihr wurde ein mit einer beißenden Flüssigkeit getränkter Lappen auf Mund und Nase gepresst. Sofort schwanden ihr die Sinne.

 

Peter Sommer ging ruhelos auf und ab. Seine Frau Regina saß reglos in ihrem Ruhesessel vor dem Großbildfernseher und sah ihren Mann an. „Nun lauf nicht ständig hin und her. Das macht mich ganz nervös. Die Frage ist, sollen wir die Polizei verständigen oder nicht?“

Es war Samstagabend. Sie hatten ausnahmsweise zusammen frei. Vor wenigen Minuten war ein Anruf angekommen. Sie nahmen beide an, dass es die Klinik sei, doch war eine dumpf klingende Stimme am Telefon gewesen, die mitgeteilt hatte, dass sie ihre Tochter Claudia in der Gewalt habe. Sie forderte hunderttausend Euro, die Montagabend im Papierkorb am Taxenstand vor dem Hauptbahnhof zu deponieren seien. In einer braunen Papiertüte. Eine Stunde später würde der Entführer ihre Tochter freilassen und mitteilen, wo sie abgeholt werden könne. Wenn sie die Polizei einschalten würden, hätte das Claudias Tod zur Folge.

Peter blieb stehen und schaute Regina an. „Natürlich nicht. Ich werde Claudia nicht in Gefahr bringen. Oder bist du anderer Meinung?“

„Nein. Sicher nicht. Hunderttausend Euro. Ich hätte mit einer höheren Lösegeldforderung gerechnet. Das Geld werden wir ohne Probleme von der Bank bekommen. Und Henning wird auch dichthalten.“

Henning Welfers war der Bankdirektor. Peter und er kannten sich schon aus der Schulzeit und waren seither eng befreundet.

„Ja, mit dem Geld wird es keine Probleme geben. Sicherheiten haben wir genug. Dass der Betrag nur diese Höhe hat, hängt wahrscheinlich damit zusammen, dass der Täter richtig einschätzt, was uns möglich ist. Bei einer überzogenen Forderung hätten wir die Polizei mit einbeziehen müssen. Diese Herangehensweise lässt mich hoffen, dass die Entführung ohne Komplikationen über die Bühne geht und der Täter Claudia nach Erhalt des Geldes freilässt.“

Regina Sommer seufzte. „Ich hoffe, du hast Recht. Ruf doch Henning schon mal an. Dann weiß er, was er Montag zu tun hat.“

Peter Sommer griff zum Telefon.

 

Claudia kam zu sich. Sie versuchte, sich zu erinnern. Zwei vermummte Männer hatten sie überfallen. Sie war betäubt worden.

Sie lag auf einer mit einem fleckigen Laken bezogenen Schaumstoffmatratze. Hände und Füße waren mit Kabelbindern gefesselt. Irgendein Klebeband verschloss ihren Mund. Sie bekam aber genug Luft durch die Nase. Ihr war übel. Wahrscheinlich von dem Chloroform oder was auch immer die Entführer zum Betäuben benutzt hatten. Sie schaute sich in dem Raum um. Viel zu sehen gab es nicht.

Ihr gegenüber ein zusammenklappbarer Campingtisch, davor ein simpler Stuhl aus Holz. An der Decke eine nackte Glühbirne, die ein schummriges Licht verbreitete. Links von ihr ein Fenster, der Rollladen war heruntergelassen.

Sie konnte es kaum glauben. Nie hätte sie gedacht, dass sie einmal Opfer einer Entführung werden könnte. Sicher verdienten ihre Eltern, die leitende Ärzte an der Uniklinik waren, ganz ordentlich, aber doch nicht so viel, dass jemand auf den Gedanken kommen könnte, dass sich eine Geiselnahme lohnen würde.

Von draußen ließ sich Verkehrslärm hören. Wer weiß, wo sie hier gelandet war. Sie konnte nicht sagen, ob es Tag oder Nacht war. Auch wie lange sie schon hier war, hätte sie nicht gewusst.

Da öffnete sich rechts von ihr die weiß gestrichene Tür. Eine schlanke Gestalt trat herein. Sie trug Jeans, ein schwarzes Hemd und eine Sturmhaube, die den Kopf verdeckte. Nur Öffnungen für Augen und Mund waren vorhanden.

„Sie an. Unser Täubchen ist ja wachgeworden.“

Der Mann hatte eine raue Stimme. Sie klang jung, war kraftvoll.

„Pass auf. Wir haben dich entführt. Ist ja klar. Dir wird nichts passieren. Du wirst einige Tage hier verbringen müssen. Wenn deine Eltern das Lösegeld gezahlt haben, lassen wir dich laufen. Das darfst du mir glauben. Mach deshalb keinen Stress und verhalte dich still. Wenn du mir versprichst, dass du ruhig bist, binde ich dich los und löse das Klebeband ab. Nicke einfach mit dem Kopf und ich erlöse dich von den Fesseln. Solltest du Radau machen, schlage ich dich so zusammen, dass du dir wünschst, du wärst nie geboren worden.“

Was das Zusammenschlagen betraf, glaubte Claudia ihm aufs Wort. Sie nickte.

Der Maskierte trat auf sie zu, riss ihr das Klebeband mit einem kräftigen Ruck vom Mund. Dann zog er einen Seitenschneider aus einer Gesäßtasche und durchschnitt die Kabel.

Claudia atmete tief ein und rieb sich die Handgelenke. Eine Wohltat. Die Kabelbinder hatten tief in die Haut eingeschnitten.

„Hast du Hunger?“

Claudia verspürte zwar keinen Hunger, es war aber mit Sicherheit besser, etwas zu sich zu nehmen. Wer wusste, wann sie das nächste Mal zu essen bekam.

„Ja, ich möchte was essen und trinken. Doch vorher muss ich auf die Toilette.“

Der Mann blies hörbar die Luft aus seinen Lungen. „Okay, dann warte einen Moment.“

Er verschwand und kam in kurzer Zeit mit einem Wollschal wieder, den er Claudia um Kopf und Augen band.

„Ich führ dich aufs Klo. Und lass den Schal, wo er ist, sonst gibt es Ärger.“

Der Mann führte sie nach rechts durch eine Tür. Hier benutzte sie die Toilette. In diesem Moment war sie froh, dass sie den Mann nicht sehen konnte, der ihr in dieser Situation so nah war.

Wieder im Zimmer band der Mann den Schal ab. „Ich bin gleich mit etwas zu essen da.“

Claudia ging zum Fenster. Sie könnte versuchen, den Rollladen leise nach oben zu ziehen und einen Blick nach draußen werfen. Vielleicht konnte sie etwas erkennen, was ihrer Orientierung diente. Sie griff das Rollladenband und wollte es langsam nach oben ziehen. Das ging aber nicht. Sie stieß auf Widerstand. Der Rollladen war wohl von außen gesichert. Ja, hätte sie sich denken können. So blöd würden die Entführer ja nicht sein und ihr Gelegenheit geben, sich umzusehen.

Da kam der Mann auch schon wieder zur Tür herein. Er hatte ein Tablett mit Brot, Käse und einem großen Glas Milch dabei.

„Übrigens“, sagte er, „falls du den Rollladen hochziehen willst, um rauszuschauen, das kannst du dir sparen. Er ist außen festgemacht.“

Claudia spürte, wie ihr die Schamröte ins Gesicht schoss. Der Mann lachte.