Durchschnittsnote 3 - Rainer Güllich - E-Book

Durchschnittsnote 3 E-Book

Rainer Güllich

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Beschreibung

"Befriedigend (3) ist zu erteilen, wenn es sich um tüchtige Leistungen des guten Durchschnitts handelt, die von größeren Fehlern frei sind. Sie bringt Zufriedenheit mit der Leistung und damit eine gewisse Anerkennung zum Ausdruck."   So steht es unter "Erläuterungen der Zensuren" im Zeugnisheft des Autors. Diese Durchschnittsnote begleitete ihn seine gesamte Schulzeit über. Selbstverständlich gab es auch Fächer, in denen er besser oder schlechter abschnitt, der Notenspiegel 3 in den Zeugnissen aber blieb. Im Buch "Durchschnittsnote 3" erzählt uns der Autor aus seiner Schulzeit der 1960er-Jahre.

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Rainer Güllich

Durchschnittsnote 3

Erinnerungen an eine Schulzeit in den 1960er-Jahren

Für meine Enkel Theo, Lutz, Frida und SkadiBookRix GmbH & Co. KG81371 München

Kurzes Vorwort

 

Vor Kurzem nahm ich an einem Onlineschreibkurs teil. Ich hatte meinen letzten Krimi beendet, noch kein neues Schreibprojekt für mich entdeckt und mit dem Schreiben stockte es.

Ich hoffte, die Teilnahme an dem Schreibkurs würde mich inspirieren können. Und es gelang. Während des Kurses geriet mir immer mehr meine Jahrzehnte zurückliegende Schulzeit vor Augen. Es gab da einiges, was ich niederschreiben könnte. Ich hatte schon eine Anthologie mit Kurzgeschichten aus meinem Berufsleben als Ergotherapeut herausgebracht. Warum sollte das nicht mit den Erinnerungen an meine Schulzeit möglich sein? Dieser Gedanke ging mir nicht mehr aus dem Sinn.

So entschloss ich mich, die Sache anzugehen und stand vor meinem neuen Schreibprojekt. Es entstanden vierundzwanzig Kurzgeschichten aus meiner Schulzeit.

Ich besuchte von 1960-1969 die Hauptschule und absolvierte danach eine zweijährige Berufsfachschule für das Nahrungs- und Gaststättengewerbe bis 1973. Die Zeit von 1960 - 1969 beinhaltete zwei Kurzschuljahre. Weshalb ich trotzdem bis 1973 die Schule besuchte, erfährt der Leser in einer der Geschichten.

Mein Schulbesuch war eine Zeit in meinem Leben, die mir gut gefallen hat. Ich habe unter meinen Schulkameraden viele Freunde gefunden und vieles lernen können. Es gab Höhen und Tiefen, doch ich bin jeden Tag gern in die Schule gegangen.

Ich hoffe, es gelingt mir, mit meinen Schulgeschichten die Leser*innen in die sechziger und siebziger Jahre des vorigen Jahrhunderts entführen zu können und Erinnerungen an ihre eigene Schulzeit zu wecken.

 

 

1. Einschulung

 

Ich wurde im Frühjahr 1960 eingeschult. Das war das Jahr, als John F. Kennedy in den USA zum Präsidenten gewählt wurde und der Mossad Adolf Eichmann in Buenos Aires entführte. Nikita Chruschtschow trommelte vor der UNO-Vollversammlung mit einem Schuh auf das Pult, um für Ruhe zu sorgen. Nicht, dass mich so etwas interessiert hätte, ich bekam so was nur über meine Eltern mit, wenn sie sich über solche Ereignisse unterhielten. Das Meiste verstand ich sowieso nicht.

Mit meinen fünfeinhalb Jahren war ich mit der Schule ein bisschen früh dran. Der Schuldirektor, der mit meinem Großvater befreundet war, „begutachtete“ mich während einem seiner Besuche in unserer Familie und befand mich für schulfähig. Ein Gutachten, dem ich später leider nicht gerecht werden sollte. Unter Schule konnte ich mir nicht direkt etwas vorstellen. Einen Kindergarten hatte ich nie besucht. Es war damals nicht unbedingt üblich, Kinder in eine solche Einrichtung zu geben.

Ich weiß nicht mehr wie ich die Mitteilung, nun die Schule besuchen zu müssen, aufgenommen habe, ich kann mich nur erinnern, dass man mir sagte, ich würde an diesem Tag eine Schultüte mit Überraschungen darin erhalten. Das war eine Sache, die Freude in mir erweckte und die Zeit vor der Einschulung mit Spannung erfüllte.

Zur Einschulung wurde mir ein weißes Hemd mit gestärktem Kragen angezogen und die gehassten elastischen Hosenträger fehlten auch nicht. Ich weiß bis heute nicht, wieso ich diese Dinger immer tragen musste, wenn ich ein weißes Hemd anhatte. Die Hosenträger in Verbindung mit dem kratzenden Hemdkragen sorgten nicht gerade für gute Laune bei mir. Beide waren jedoch schnell vergessen, als mir meine Mutter die Schultüte in die Hände drückte. Es war eine Spitztüte aus Pappe, mit knallrotem Glanzpapier überzogen. Zusätzlich hatte sie eine »Halskrause« aus blauem Krepppapier, an der sie zugeschnürt war. Sie war mit bunten Bildern beklebt, auf denen Kinder mit ebensolchen Tüten abgebildet waren. Mir erschien sie riesengroß. Ich war ein kleines, dünnes Kerlchen und konnte sie kaum in meinen Armen halten. Das hatte ich auch überhaupt nicht vor. Ich wollte die Schultüte gleich öffnen, um zu schauen was denn für tolle Sachen darin enthalten waren. Das kam natürlich bei meiner Mutter schlecht an. Sie nahm mir die Tüte gleich wieder ab, nahm mich bei der Hand und ging mit mir den kurzen Weg zur Schule unseres Ortes. Das ging nicht ganz ohne Gequengel von meiner Seite ab, doch konsequent, wie meine Mutter war, hatten wir die Aula der Schule schnell erreicht. Hier reihten wir uns in die Schar der anderen Schulanfänger mit ihren Müttern ein und ich bekam meine Schultüte wieder in die Hände gedrückt.

Vor und neben mir sah ich einige meiner Spielkameraden aus unserer Straße. Auch sie hielten stolz ihre obligatorischen Tüten in den Armen. Meine war mit Abstand die beste und schönste Tüte. Heute glaube ich aber, dies hat jeder von meinen Freunden über seine Schultüte gedacht.

Die älteren Schuljahrgänge, die vor uns aufgereiht waren, sangen unserer Einschulung zu Ehren ein Lied, dann hielt der Schuldirektor eine Rede, von der ich nichts verstand und die mich nicht interessierte. Dann war die Angelegenheit erledigt. Meine Mutter ging mit mir wieder nachhause, mein Großvater machte mit seinem Fotoapparat ein Bild von mir. Mit Schultüte und mit extra herbeigeschafftem Schulranzen, den ich mir auf den Rücken schnallen musste. Dann war es endlich so weit. Ich durfte meine Schultüte öffnen.

Was kamen da nicht alles für Schätze zu Tage: obenauf eine Packung Buntstifte, Radiergummi und Bleistiftspitzer. Dubble-Bubble-Kaugummi, Brausepulver und Brausebonbons folgten. Doch das war nicht alles. Als Nächstes tauchten Dauerlutscher und eine Tüte mit Zitronenbonbons auf. Der Clou kam zuletzt: Eine Plastiktüte, die einige meiner geliebten Indianerfiguren enthielt. Toll! So eine Einschulung hatte es in sich!

Der Tag endete mit dem Verzehr einiger Bonbons und des Brausepulvers, das ich mit der Zunge aufschleckte und natürlich mit einem spannenden Spiel mit meinen Indianerfiguren. Selig legte ich mich abends ins Bett. Ein ereignisreicher, befriedigender Tag war zu Ende.

Das Erwachen am nächsten Morgen war um so schlimmer. Ich war erstaunt, als meine Mutter mich in aller Frühe weckte und mich mit Schulranzen und ohne Schultüte in die Schule brachte. Ich kann mich absolut nicht erinnern, dass mir jemand gesagt hätte, dass ich ab jetzt jeden Tag in die Schule gehen musste!

 

 

2. Erste Probleme

 

Schon im ersten Schuljahr lief es nicht richtig rund für mich. Allein schon die Tatsache, dass ich erfuhr,  nun jeden Tag in die Schule zu müssen, frustrierte mich zutiefst. Da hatte ich ja keine Zeit mehr, mit meinen geliebten Cowboy- und Indianerfiguren zu spielen und auch das Kneten fiel flach. Ich formte nämlich gern Tiere und Menschen aus Knetmasse. Im Jahr meiner Einschulung heiratete König Badouin von Belgien die spanische Adlige Fabiola Mora y Aragon. Dieses Ereignis wurde im Fernsehen übertragen und ich verfolgte dies mit meiner Großmutter. Ich war von der Braut, die ich für wunderschön hielt, so begeistert, dass ich sie aus Knetmasse formte und damit spielte. Gut, dass Königin Fabiola diese Knetfigur nie sah. Die Figur war dick und unansehnlich.

Aber es half alles nichts. Jeden Morgen machte ich mich zusammen mit meinem Cousin, der mit mir in eine Klasse ging, auf den Weg. Ich war ein halbes Jahr jünger als er. Wie es dazu kam, dass ich mit fünfeinhalb schon zur Schule ging, habe ich schon berichtet. Ich war aber tatsächlich nicht reif genug für die Schule. Die Klassenlehrerin Frau Pietsch hatte dies auch bemerkt und sagte bei einem Elternabend dementsprechend zu meinen Eltern: »Immer, wenn sich an einem der Fenster etwas bewegt, stürzt ihr Junge dorthin, um zu schauen, was sich dort tut.«

Ich fiel aber noch anders auf. So musste ich eines Tages vor dem Schuldirektor erscheinen, um mir eine Ermahnung abzuholen. Klaus-Peter, der eine Klasse über mir war, war in der großen Pause zu mir gekommen und sagte: »Du bist doch der von Güllichs. Deine Mutter war nicht verheiratet, als du geboren wurdest. Meine Oma erzählt das. Das stimmt doch? Du bist unehelich.« Er lachte gehässig. Ich stellte mich auf meine Zehenspitzen, denn er war etwas größer als ich und drosch ihm mit meiner rechten Faust fest mitten ins Gesicht. Er ging in die Knie, schrie und hielt sich die Hand vor die Nase. Blut quoll zwischen den Fingern hervor. Das hast du davon, dachte ich, und wollte meiner Wege gehen. Doch der Lehrer, der Pausenaufsicht hatte, hielt mich fest. Er war nach dem Schrei direkt herbeigestürmt. »Was hast du Flegel denn da gemacht? Bleib hier stehen.« Das tat ich. Der Lehrer versorgte die Nase von Hans-Peter mit einem Taschentuch. »Du entschuldigst dich jetzt«, sagte der Lehrer, ein älterer Mann mit einem sehenswerten Bauch, wie ich fand, »und dann geht ihr beide in eure Klassen.«

Ich sagte Hans-Peter, dass es mir leidtäte, was aber nicht der Fall war. Er hatte mich zutiefst beleidigt. Es war eine Tatsache, dass ich unehelich geboren war, doch musste man mir das nicht unbedingt auf die Nase binden. Ich empfand diese Tatsache als Makel und so konnte etwas wie das Geschehene eben passieren.

Mein Vater hatte meine Mutter erst ein halbes Jahr, nachdem ich geboren war, geheiratet. Über die Gründe weiß ich nichts, jedenfalls waren die Schwangerschaft und meine Geburt für meine Mutter damals in den Fünfzigern wohl ein ziemliches Spießrutenlaufen gewesen. Von einer Tante habe ich in späteren Jahren erfahren, dass mich eine Nachbarin immer »der Bankert« genannt hatte.