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Nach dem Gedichtband „Blauer Grund der Sirenen“ (2011), einem Band mit Nachdichtungen aus dem Dänischen („Lichte Nächte“) sowie drei Kinderbüchern legt der Magdeburger Autor Reiner Bonack erneut eine Auswahl seiner Gedichte vor. Die Spanne seiner Erkundungen reicht dabei von der Kindheit durch die zu Jahrzehnten erwachsenen Jahre bis zur Schwelle des Alters, reicht vom persönlichen Erleben bis zu erfahrener Zeit, Welt und Geschichte. Überzeugend: Der Variationsreichtum und die gewachsene Bildkraft der Sprache, die Ernst wie auch gelassene Heiterkeit und satirische Sichten zu vermitteln vermag. Eine berührende, eindringliche, thematisch vielfältige Neuerscheinung!
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Seitenzahl: 46
Wo ende ich wo beginne ich?
Nâzim Himet
I
Als
Resistenz
Ein grünes Auge glühte
Und ich erinnere
Damals
Damals, allmählich
Zwischen Lübbenau und Senftenberg
Rand der Grube
An Sonntagen, damals/
Jahrmarkt/
Volksfest, ein Kutscher
Wirf endlich/
Der alte Bahnhof/
Die guten Schuhe, Kind
Verloren
Nicht fand ich
II
Wer bin ich
Yesterday
Die erwachsenen Jahre
Schichten
Weißt du noch, sage ich fast
Abschied, Gesang
Idyll, Olvenstedt
Ich ging
M.
Statistische Erhebung, Magdeburg
Glücksgöttin
Die Lotophagen
Das Singen der Nachtigall in das Dunkel
Die Ahnung eines unbestimmten Verlustes
Dunkler Punkt
Dieselben Sterne, kann sein
III
Fahrt
Verlorene Zeichen
Die Dinge
Fragen I
Fragen II
Moment des Glücks
Es kann
Preislied, unvollständig
Ohne Gewicht
Romantische Veränderung
Zuweilen
Paradies, etwas nördlich
Im Amt
Trauriges Ende
IV
Vollmond im Herbst
Uninspirierte Elegie
Polyphonie
Ich hörte den Vortrag
Am Rand des Gedichts
Ohne Deutung I-III
Glätte
Gespinste der Spinnen, Stille am Ufer
Unter dem Pressebaum, einst
Auf dem Pressebaum, einst
Der Pressebaum
Existenz
Nichts
V
Vor Verdun
Brandung Widerschein Rilkes Stimme
Fontaine-de-Vaucluse
Wurzeln – wie Hände/
Während du schreibst /
Vor der Ruine, der Soldat
Im Traum ein Bild
Montagmorgen
Pirschzeichen
Nur
VI
Hotel
Am Meer stehen
Verse vom Meer
Ach Meer
Fern/
Als klängen Glocken noch
Hier legten sie an/
Nach Wintern im Eis
Mittag/
Unter den Nebeln aus Lichtstaub und Sternen
Stimmlos
Refugium
Ablagerung
Schattenplatz
Nachtfalter prallten
Im Garten
Gartengedicht, unpolitisch
Der Schreber
Letzte Handgriffe
VII
post festum
Kindergeburtstag /
Altenheim /
Frühlingsnebel
Vor dem Winter
Die Herbstnacht
Im Eis
Morgens Alt
Vor dem Verlöschen
Wart
Vor der Ermüdung
Nach mir
Epilog
Als die bummelnden Züge, manchmal
auf freier Strecke hielten (Blumenpflücken still
schweigend erlaubt)
Als die Kaiser noch keine neuen Kleider trugen, kein Bettelmann
nachsichtig wegsah oder erblindete
Als die schlotternden Fahnen an Schloten
allmählich ihr Rot verloren
Als ich die Sprache lernte, die alles benannte was alle benennen
nur nicht das Schweigen, Verschweigen, sich selbst
Als ich Zuflucht fand vor den kettenden Blicken der Großen
im Heu einer Scheune (bleib ja auf dem Hof)
Als Großmutter, Häkchen, gekrümmt, über Wellen des Waschbretts
Lauge die Haut ihrer Hände zerfraß
Als ich die Arme breitete unter den hölzernen Schwalben auf
der Leine,
über die Wiese flog, und der Nachbar am Zaun sagte Früher
früher, wenn die Zigeuner kamen, mussten wir schnellstens
die Wäsche abnehmen – das ist jetzt vorbei
Als ich noch nicht wusste: Sie waren
längst Rauch
Unter der grauen Haut
aus dem Staub
der Fabriken, Gruben
war ich lange das Kind
das immer hörte, aufsah
nie mit vollem Mund sprach
schnell ins Haus lief
vor jedem Regen
und, später, davontrieb
durch Sommer und Seen
Straßen, Zeilen und Jahre
als könnte sich, was sich verwuchs
lösen für alle Zeit
Ein grünes Auge glühte
an den Abenden auf in der Küche
Der letzte Ton des Zeitzeichens löschte
das Ticken der Zeit in der Uhr
In allen Steckdosen, hörst du, nisten
giftige Schlangen
Wenn ich nicht aufaß, zerrte
draußen der Schwarze Mann an den Läden
Früh, bis zum Tor, verschlossen
lief ich dem Schatten des Hauses davon
entkam nicht den Blicken
der Brillengläser hinter Glas
In einem Winkel des Hofes aber
momentlang, blitzten
die kleinen, versteckten Kiesel
der Sterne in meiner Hand
Nachts, im Fenster
die zuckenden Irrlichter
über der Wüste
vor der Stadt S.
ein Mond
zerschrundene Haut
in der schwarzen Kohle
des Alls
Sonntags
an der Hand
auf dem gewundenen Pfad
an verbliebenen Wiesen zum rost-
farbenen Wasser der Elster
nicht mehr auffindbare
Tränenfährte, Abglanz zögernd
gewährter Entdeckungen
Die blaue Blume
im Koschenberg war
Abraum längst
Manchmal aber
auf dem Küchentisch
das Meer, der Wald, die Fluren
Deutsche Heimat, Reise
um die Welt, Der stumme Film
eingesteckt in
sorgsam aufbewahrte Alben
Und ich erinnere
das staubige Apfelrot
mancher Abende, die Statue
der alten Katze vor dem Napf
Damals lebte ich
mit der Weckuhr des Hahns
dem Geläut der Glocke
vom Auto des Milchmanns
dem Echo eines wie ich
sprechenden Vogels
zu Kohlenstaub
getrockneten Tränen
unter den Augen
Blicken, horizontlos
in einer von Rauch-
fahnen dumpfen Luft
und die Lokomotiven
riefen noch, nachts
bis in den Schlaf und weckten
das Traumblau der Ferne
nahm auf den Leinen
die schwarze Wäsche ab
löste sich unter den Decken
der Keller gestaute Angst
brachte der Postbote die Post
als ginge es nicht mehr um Leben und Tod
zogen sich Brunnen
aus den Höfen des Viertels zurück
gaben Bänke an den Stirnen der Häuser
den Feierabendgeist auf
verwandelten sich Nachbarn
in ihre Schatten hinter den Fenstern
vergilbten die Stimmen
der Feldpostbriefe in den Kommoden
während Großmutter Muster zeichnete
legte ich unsichtbare Spuren
vom Grab zum wispernden Grün
hinter versteinertem Flügel
des Engels, zerrte
an ihrer Hand
Auf der hinteren Plattform des Bummelzugs
stand ich als Junge oft und sah
wie die Bäume, Masten, einarmigen Signale