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In diesem Buch voller phantasievoll-witziger Geschichten für Kinder wohnen: Herr Wendelin Wurz, der zum Teufel geschickt wird und ihn auch wirklich in Magdeburg findet, Herr Niemand, der kein Niemand mehr sein möchte, das Mädchen Billa, das den Geist der Bibliothek sucht, Lobesam Globetrott, der verführerische Prahlhahn, der mit seinem Hühnervolk im Schlamassel endet, der Vornamenverkäufer Jakob Spiegel, König Heulsuse, Zwerg Gnatzebart, Oma Pemmelhus, Hexe Lucinde, Roboter Leopold, Bücherwurm, Leseratte und viele andere merkwürdige Wesen aus dem Bekanntenkreis des Magdeburger Vers- und Geschichtenmachers Reiner Bonack.
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Seitenzahl: 142
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Wie Wendelin Wurz zum Teufel ging
Wie Wendelin Wurz zum Teufel ging
Wie Wendelin Wurz seine Zeit verlor
Wie Wendelin Wurz zu den Bäumen ging, die ein Wald sind
Wie Wendelin Wurz in die Berge fuhr und einen besonders bärtigen Bergbewohner traf
Wendelin Wurz und das wunderbar bunte Laub vor dem Haus
Wie Wendelin rot und keinen Kauz sieht
Keine Geschichte
Die vorerst letzte Geschichte von Wendelin
Wie Herr Niemand nach dem schönsten Wort der Welt suchte
Wie Herr Niemand nach dem schönsten Wort der Welt suchte
Die Geschichte von Alois und dem Vornamenverkäufer Jakob Spiegel
Billa und der Geist der Bibliothek
Roboter Leopold spielt verrückt
Die Geschichte von der Straße, in der ich, der Geschichtenschreiber, vor über einem halben JahrhundertKind war, und über meinen Besuch bei der Hexe Lucinde
Wie meine Phantasie flöten ging
Wie Weihnachtsmann Ruprecht den großen Schnupfen bekam
Lobesam Globetrott und die Hühner
Wie Weihnachtsmann Ruprecht den großen Schupfen bekam
König Heulsuse
Die verwunschene Prinzessin
Das Märchen von Zwerg Gnatzebart und dem Hasen Mümmel
Die Fabel von der Ameise
Bücherwurm und Leseratte
Wendelin Wurz ist ein Mensch, der alle Menschen beim Wort und alle Wörter wörtlich nimmt.
Sagt jemand: Lieber Herr Wurz, Sie können mir mal im Mondschein begegnen, dann wartet und wartet Wendelin nachts vor seinem Haus und ist bitter enttäuscht, wenn der andere nicht auftaucht und sein Versprechen einlöst, bevor der Mond hinter den Bäumen wieder schlafen geht.
Oder sagt ein zweiter Jemand: Bitte, Herr Wurz, man läuft nicht bei Rot über die Straße, schreiben Sie sich das hinter die Ohren.
Dann zieht Wendelin einen Stift aus der Tasche und notiert äußerst kunstfertig diesen Satz an den genannten Orten, nämlich hinter den Ohren.
Eines Tages, als Wendelin Wurz wieder einmal sehr viele Wörter wörtlich genommen hatte, geschah es, dass ihn ein dritter Jemand zum Teufel wünschte: Gehen sie doch zum Teufel mit ihrer ewigen Wortklauberei oder meinetwegen auch zu seiner Großmutter, schrie dieser dritte Jemand wütend.
Das ließ sich Wendelin selbstverständlich nicht zweimal sagen.
Wo, fragte er jeden, dem er auf der Straße begegnete, wo, bitteschön, wohnt der Herr Teufel, ich benötige dringend seine Adresse.
Doch die Leute schüttelten nur die Köpfe oder zeigten ihm einen Vogel.
Vögel jedoch wollte Wendelin Wurz nicht sehen. Vögel kannte er längst. Den Teufel aber kannte er noch nicht, und er war ziemlich neugierig auf ihn.
Also stieg Wendelin in eine Straßenbahn und fuhr in Richtung der fernen, fast bis in den Himmel ragenden Domtürme. Ein Dom ist ja immerhin die größte Kirche in einer Stadt, dachte er.
Wo, wenn nicht dort, wird man Antwort auf meine Frage wissen.
Die Bahn fuhr mit dumpfem Dröhnen über die Strombrücke. Auf dem Wasser der Elbe glitzerten unzählige Sonnenfunken. Wendelin schien es, als tanzten dort Heerscharen winziger Teufel mit wild blitzenden Augen.
An der Station hinter der Himmelreichstraße sprang Wendelin aus der Straßenbahn und ging mit schnellen Schritten an den glaskalten Fassaden in Richtung des Jahrhunderte alten Gemäuers.
Während er noch überlegte, wen er wohl ansprechen könnte, sah er einen schwarzgekleideten Herrn mit einem schweren und ebenfalls schwarzen Buch aus der Paradiespforte in Richtung Domplatz schreiten. Der weiß Bescheid, dachte Wendelin und trat auf ihn zu. Sie entschuldigen ...
Warum und bei wem soll ich Sie entschuldigen, fragte der schwarze Mann.
Wendelin war es peinlich, dass er, der doch alle Leute beim Wort nahm, nun ebenfalls beim Wort genommen wurde.
Nichtssagende Wörter sind wie Keime einer ansteckenden Krankheit, sagte Wendelin widerwillig, selbst ich bin nicht ganz dagegen immun. Aber ich wehre mich, fügte er hinzu und fragte, wo denn in dieser großen Stadt Magdeburg der Teufel zu finden sei.
O Gott! Der schwarz gekleidete Herr erbleichte. Der Teufel? Tja, um es vielleicht ein wenig märchenhaft auszudrücken, der Teufel ward, so geht die Mär, zuletzt vor über 800 Jahren in dieser Stadt gesehen. Zu jener Zeit, so meinten damals jedenfalls nicht wenige Bürger, soll er nach Nacht und Nebel den alten Dom, der einst hier stand, mit einer Pechfackel in Brand gesetzt haben.
Es dauerte ein paar Jahrhunderte, ehe der neue Dom, also der, den Sie jetzt vor sich sehen, und der nun auch schon wieder ziemlich alt aussieht, fertig gestellt werden konnte.
Wendelin schwieg bekümmert. Seit über 800 Jahren sollte in Magdeburg kein einziger Teufel mehr aufgetaucht sein?
Unglaublich!
Da staunen Sie Bauklötzer, was, fragte der Mann in Schwarz und lächelte.
Nein, antwortete Wendelin, die Fähigkeit Bauklötzer zu staunen ist mir leider nicht in die Wiege gelegt worden. Die Bauklötzer, die ich als Kind besaß, wurden allesamt von meinen Eltern im Spielzeugwarengeschäft gekauft.
Der schwarze Mann wischte sich mit einem schneeweißen Taschentuch den Schweiß von der Stirn. Sind Sie vielleicht mit dem Herrn Eulenspiegel verwandt, der uns Magdeburger einst gehörig an der Nase herumführte?
Nein, ich bin Wendelin Wurz, entgegnete Wendelin Wurz. Nie und nimmer würde ich mir erlauben, jemanden an der Nase herumzuführen.
Er verabschiedete sich und ging vom grauen Dom in Richtung des kunterbunten Hundertwasserhauses, wo auf Balkonen und aus Fenstern Bäume wachsen und im Sommer auf dem Dach eine duftende Blumenwiese blüht. Der Zauberhauserfinder mit den 100 Wassern in seinem Namen hatte es in diese vorher doch recht farblose Stadt hineingeträumt.
Wendelin stand eine Zeit lang wie gebannt, als würde er mit dem nächsten Schritt in ein nie zuvor betretenes Wunderland eintreten.
Er sah Zwiebeltürme mit golden funkelnden Kugeln darauf. Und er sah das hohe, steinerne Schneckenhaus, aus dessen im Licht tanzenden Fenstern die Mieter hinunter in die vielen Fotoaugen schauten, die von früh bis Abend zu ihnen hinaufblitzten.
Etwas später ging Wendelin über die Huckel und Buckel der Innenhöfe.
Da!
Plötzlich ...
Er erstarrte.
Vor einem kleinen Laden, in dessen Schaufenster winzige Flammen flackerten, fegte ein fast schwebendes Wesen – rotes Haar mit grünen Strähnen, lila Kleid bis zu den Knöcheln – mit einem Besen aus Reisig das bucklige Pflaster.
Ein Teufelsweib, flüsterte Wendelin begeistert, vielleicht sogar seine Tochter. Wer, wenn nicht sie, kennt bestens den Aufenthaltsort des Gehörnten.
Wendelin sprach sie an und stellte seine Frage nach der Wohnanschrift des Höllenfürsten.
Wollen Sie mich auf den Arm nehmen, fragte das Teufelsweib erbost.
Gern, erwiderte Wendelin. Er breitete die Arme aus, um diese schlanke und deshalb sicherlich nicht sehr schwere Person hochzuheben.
Geh mir von der Wäsche! Du tickst wohl nicht richtig!?
Sehe ich etwa aus wie eine Uhr, fragte Wendelin gekränkt zurück.
Mit den Leuten hier ist ja kein Reden, dachte er. Abrupt wandte er sich um, trat auf den Breiten Weg hinaus und ging über die Straße auf die alte Post zu. Aber die alte Post war keine Post mehr, und so fuhr Wendelin mit der Bahn bis zum Alten Markt, um dort in einer Telefonzelle in einem Telefonbuch die Adresse des Gesuchten zu finden. Es müsste doch mit dem Teufel zugehen, wenn er die nicht irgendwie rauskriegte.
Wendelins Zeigefinger fuhr über die Seiten mit dem Anfangsbuchstaben T. Seltsame Leute wohnen in dieser Stadt, dachte er.
Tadeus Tintentief,
Thomas Tortenbein,
Theodor Tranig ...
Er blätterte hin und her. Endlich fand er den gesuchten Namen:
Teufel, Balduin, Rechtsanwalt, Engelsstraße 7 e.
Diesmal war Wendelin sehr lange mit der Straßenbahn unterwegs, denn die Engelsstraße befindet sich weitab vom Zentrum in einem Dörfchen, wo sich vor kurzem noch Fuchs und Hase gute Nacht sagten, und das erst vor wenigen Jahren mit der großen Stadt Magdeburg zusammengewachsen war.
Endlich angekommen, musste Wendelin eine ihm fast endlos erscheinende Zeit zwischen den weißen Wänden eines Vorzimmers warten.
Schwarzgekleidete Wesen huschten vorüber.
Dicke Luft, bitte haben sie ein wenig Geduld, sagte eines von ihnen mit leiser Stimme zu Wendelin.
Wendelin reckte seine Nase und schnupperte. Unsinn, dachte er, die Luft ist weder dünn noch dick, sie riecht weder nach Pech noch nach Schwefel, die Luft riecht wie Luft, also ganz normal.
Jetzt erst wunderte er sich, dass der Teufel in Magdeburg einen so überaus angesehenen und gefragten Beruf ausübte. Wann fand der eigentlich Zeit für all das Böse, das man ihm nachsagte?
Da wurde Wendelins Name aufgerufen: Herr Wendelin Wurz bitte!
Er betrat ein hohes Zimmer, das keinerlei Ähnlichkeit mit der Hölle oder einem anderen Ort der Unterwelt aufwies.
Nirgendwo loderten Feuer. Nirgends waberte Qualm. Niemand warf Wendelin in einen Kessel mit siedender Brühe.
Balduin Teufel saß hinter einem breiten Schreibtisch und schaute dem Besucher durch eine Brille mit dicken Gläsern ins Gesicht.
Sie wünschen?
Man hat mich zu ihnen geschickt.
In welcher Angelegenheit?
In keiner, sagte Wendelin.
Ja, um Himmels willen, was wollen Sie dann bei mir? Sie stehlen meine kostbare Zeit!
Das verbitte ich mir, rief Wendelin verletzt, ich bin ein ehrlicher Mensch, ich stehle nie!
Raus, sagte Rechtsanwalt Teufel, treiben Sie ihre Späßchen woanders. Er wies mit dem Zeigefinger zur Tür.
Doch so leicht lässt sich ein Wendelin Wurz nicht abwimmeln. Er hatte schließlich den Auftrag zum Teufel zu gehen, und ein Auftrag muss erfüllt werden.
Wenn Sie selbst, verehrter Herr Teufel, sozusagen höchstpersönlich und auch bei sorgfältigster Suche keine Zeit für mich finden, dann, bitteschön, nähme ich natürlich auch mit ihrer Großmutter vorlieb.
Warum sagen Sie das nicht gleich? Rechtsanwalt Teufel atmete auf. Meine werte Frau Großmutter befindet sich im Garten.
Wendelin bedankte sich für die Auskunft, stand auf und verließ das Büro.
Des Teufels Großmutter war eine freundliche Frau. Sie fuhrwerkte mit einem Dreizack zwischen den Beeten und sah erst auf, als Wendelin dicht neben ihr stand.
Worum geht’s, fragte sie.
Als Wendelin sagte, dass ihn der Herr Rechtsanwalt höchstpersönlich hergeschickt habe, lächelte sie und reichte Wendelin wie selbstverständlich den Dreizack.
Dann mal los, junger Mann!
Das habe ich nicht gelernt, sagte Wendelin mit trauriger Mine, ich stand nämlich noch nie in Diensten des Teufels. Außerdem widerstrebt es mir, meine Mitmenschen mit einem solchen spitzen Werkzeug an gewissen hinteren Körperstellen zu necken.
Des Teufels Großmutter lachte schallend: Ich mag lustige Menschen, aber jetzt graben Sie bitte den Rest des Beetes um. Ich gehe inzwischen in die Küche. Der Teufel will schließlich pünktlich sein Essen.
Wendelin tat wie geheißen und folgte der Frau nach einer Weile ins Haus, fand aber die Küche nicht sogleich.
Wo, bitteschön, fragte Wendelin zwei spielende Kinder im Flur, wo, bitteschön, befindet sich des Teufels Küche? Ihr wisst schon, das ist dort, wo solche Teufelsbraten wie ihr im Kessel schmoren.
Die Kinder blickten ihn mit angstgeweiteten Augen an und liefen schreiend davon. Mutti, Mutti, da ist ein Mann, der will uns im Kessel schmoren!
Durch den Lärm aufgeschreckt schaute des Teufels Großmutter aus einer der Türen. Kommen Sie, hier geht’s lang.
Wendelin fand sich in einer ganz normalen Küche mit elektrischen Herdplatten wieder – auch hier kein Höllenfeuer, keine Kessel darüber, keine kleinen Teufel, die darum herumtanzten.
Das habe ich mir aber anders vorgestellt, sagte Wendelin Wurz.
Vorsicht, mahnte des Teufels Großmutter und reichte ihm eine Mütze. Bitte aufsetzen, wir wollen doch nicht, dass der Teufel ein Haar in der Suppe findet.
Wendelin setzte die Mütze auf.
Etwas später nahm des Teufels Großmutter einen hölzernen Löffel vom Haken an der Wand. Sie rührte die Suppe im Kochtopf um, summelte dabei ein paar unverständliche Worte – aha, der Zauberspruch dachte Wendelin – und sagte anschließend: Wenn Sie kosten möchten?
Wendelin zögerte.
Nur zu, ermunterte ihn die alte Frau, Sie tun gerade so, als ob wir hier einen Teufelstrank gebraut hätten.
Die Suppe brannte auf der Zunge, und Wendelin war nicht sicher, ob die Auskunft der Großmutter des Rechtsanwalts der Wahrheit entsprach. Kein Teufelstrank? So, so!
Wer mit dem Teufel zu Mittag essen will, der braucht einen langen Löffel – das wusste Wendelin schon von seiner Großmutter, und die war eine ganz normale Großmutter gewesen.
Jedenfalls hatte es in seiner Verwandtschaft niemals einen Gehörnten gegeben. Und weil nun der Löffel in seiner Hand nicht sehr groß und auch nicht sehr lang war, gab Wendelin ihn schnellstens zurück.
Plötzlich erbebte das Haus. Geschirr klirrte. Eine Sirene heulte.
Reifen quietschten. Autotüren klickten, klackten und wurden zugeschlagen. Wie von Blitzen eines Gewitters zuckte blaues Licht durch die Scheiben.
Jetzt war Wendelin endgültig davon überzeugt, dass hier, in Teufels Küche, nunmehr sein letztes Stündlein geschlagen habe.
Als der Höllenlärm verebbte, pochte jemand lautstark an die Tür. Aufmachen! Polizei!
Des Teufels Großmutter öffnete. Wo brennt ‘s denn, fragte sie den baumlangen Polizisten vor ihr.
Nirgends. Der Polizist betrachtete Wendelin von Kopf bis Fuß und meinte dann zu seinem Kollegen: Das ist das Früchtchen.
Er sieht genauso aus, wie die Kinder ihn beschrieben haben, bestätigte der zweite Polizist und fügte dann mit diensternster Stimme hinzu: Folgen Sie uns auf die Wache, aber ohne Sperenzchen. Dort wird sich schon klären, wer hier wen schmoren lässt.
Sie irren sich, wollte Wendelin entgegnen, ich bin keinesfalls eine Frucht oder ein Früchtchen, mein Name ist Wendelin Wurz.
Doch der baumlange Polizist schob ihn in den Flur und zog ihn neben sich her bis zum Polizeiwagen, der mit eingeschaltetem Blaulicht am Straßenrand parkte.
Ich werde meinem Enkel, Rechtsanwalt Teufel, Nachricht geben, der paukt Sie wieder raus, rief des Teufels Großmutter.
Aber Wendelin winkte ab. Schicken Sie bitte bloß die Pauke ins Gefängnis. Den Rest mache ich selbst.
In drei Teufels Namen, wir kümmern uns drum, versprach die Großmutter und eilte ins Haus.
So kam es, dass Wendelin Wurz seinen Auftrag zum Teufel zu gehen zwar auf das Gewissenhafteste erfüllte, jedoch einen sehr hohen Preis dafür zahlen musste. Seit vielen Tagen sitzt er nun hinter einem vergitterten Fenster und weigert sich, der Aufforderung nach Hause zu gehen nachzukommen.
Die Pauke, sagt Wendelin leise, wenn ihn jemand bittet, das Gefängnis doch endlich zu verlassen, des Teufels Großmutter hat versprochen, mir die Pauke zu schicken, damit ich mich selbst aus diesem Loch herauspauken kann.
Erst langsam, und es wird wohl noch ein Weilchen dauern, erst langsam begreift er, dass man sich weder auf den Teufel noch auf seine Großmutter verlassen kann. Und vielleicht, ist ja möglich, sollte man nicht alle Wörter immer zu wörtlich nehmen, sonst gerät man, ohne es zu wollen, wieder und wieder in Teufels Küche.
Wendelin geht zum Fundbüro. Er tritt an den Tresen, doch es ist niemand zu sehen.
Hallo, ruft Wendelin, ist denn hier niemand?
Er erhält keine Antwort.
Vielleicht ist irgendetwas passiert, denkt er, und geht hinter den Tresen, um nachzuschaun.
Da kommt ein kleiner runder Mann aus der Tür neben dem Tresen. Was haben Sie hier verloren, fragt er.
Hier? Nichts, sagt Wendelin. Im Fundbüro verliert man doch nichts – oder?
Bitte gehen Sie hinter den Tresen zurück, sagt der kleine, runde Mann. An seiner Jacke ist ein Kärtchen angeheftet. Darauf steht: Fundbüro-Team, Herr Pfand.
Also, worum geht es, fragt Herr Pfand vom Fundbüro-Team.
Ich habe etwas verloren, sagt Wendelin.
Also doch! Über das Gesicht von Herrn Pfand vom Fundbüro-Team huscht ein schadenfrohes Lächeln. Um welchen Gegenstand handelt es sich, fragt er.
Um keinen.
Wie bitte?
Es handelt sich um keinen Gegenstand, sagt Wendelin.
Herr Pfand ist irritiert. Für Tiere sind wir hier nicht zuständig.
Es handelt sich auch nicht um ein Tier, erklärt Wendelin.
Ja, um Himmels willen, worum handelt es sich denn sonst? So lassen sie sich doch bloß nicht jedes Wort einzeln aus der Nase ziehen. Wendelin betrachtet wortlos seine Nase in einem Taschenspiegel.
Er kann jedoch nichts Auffälliges an und in ihr entdecken. Und ein Wort steckt schon gar nicht drin.
Bitte legen Sie den Spiegel zurück, fordert Herr Pfand, der Spiegel ist eine Fundsache, und ich bin für all die verlorenen Dinge, die hier lagern, verantwortlich.
Also auch für jenen Verlust, den ich erlitt, stellt Wendelin triumphierend fest.
Was haben Sie denn verloren!? Reden Sie endlich, bitte!
Ich habe Zeit verloren, antwortet Wendelin.
Sie meinen, Sie haben ihre Uhr verloren, vermutet Herr Pfand.
Nein, Zeit, sechzig Minuten, eine ganze Stunde meiner wertvollen Zeit.
Herr Pfand atmet tief durch. Zeit, also wirklich, sagt er mit mühsam unterdrücktem Zorn, Zeit ist keine Fundsache. Sie wird demzufolge auch nicht im Fundbüro abgegeben und aufbewahrt. Lassen Sie sich das gesagt sein.
Vielleicht könnten Sie dennoch einmal ganz unverbindlich in all ihren Kisten, Kästen, Koffern, Kartons und Regalen nachsehen?
Bitte!
Herr Pfand stöhnt wie unter einer schweren Last. Da könnte ja jeder kommen.
Ich bin nicht jeder; ich bin Wendelin Wurz, sagt Wendelin Wurz.
Gut, gut, gut, willigt Herr Pfand vom Fundbüro-Team ein. Weil Sie es sind - bitte überzeugen Sie sich selbst. Er öffnet Kisten, Kästen, Koffer, Kartons und zieht Schubladen auf.
Wendelin erblickt verlorene Ringe, Ketten, Uhren, Brillen, Schlüssel, Regenschirme, Geldbörsen, Handys, Fahrräder, eine Hundeleine, eine Tüte Katzenfutter, einen Nachttopf, eine Trompete und sogar einen Rasenmäher.
Herr Pfand verwandelt sein Gesicht in ein Fragezeichen. Naaa, fragt er gedehnt, sehen Sie hier irgendwo auch nur eine einzige Minute ihrer verlorenen Zeit? Und jetzt habe ich andere Dinge zu tun, als ihren Grillen nachzujagen.
Das ist ein Missverständnis, sagt Wendelin, es geht mir nicht um die Jagd auf Grillen. Und überhaupt, ich bin ich ein Gegner der Jagd. Einfach auf wehrlose Tiere schießen – finden Sie das etwa mutig?