Die Haidehexe - Nataly von Eschstruth - E-Book

Die Haidehexe E-Book

Nataly von Eschstruth

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Beschreibung

"Auf dem wildesten, zerklüftetsten und unwirtlichsten Felsen Schottlands thronte Schloss Lilan-Rook. Düster und schwerfällig, wie die ganze Natur ringsum, lag der mächtige Turmbau hoch droben in den Steinmassen eingekeilt, wie ein vorzeitliches Riesennest, von welchem wilde Unholde herabstiegen, die Talgründe auszurauben und mit Feuer und Schwert heimzusuchen. Und ein wildes, wüstes Geschlecht hauste auch heutigen Tages noch auf dem Lilan-Rook. ..." So unheilverheißend beginnt die dramatische Novelle "Des Teufels Anteil". Der Band enthält die folgenden Erzählungen: Die Haidehexe. – Des Teufels Anteil. – Chrysta. – Wenn man nicht rechnen kann! – Diana.-

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Nataly von Eschstruth

Die Haidehexe und andere Novellen

Saga

Die Haidehexe

© 1894 Nataly von Eschstruth

Alle Rechte der Ebookausgabe: © 2016 SAGA Egmont, an imprint of Lindhardt og Ringhof A/S Copenhagen

All rights reserved

ISBN: 9788711487396

1. Ebook-Auflage, 2016

Format: EPUB 3.0

Dieses Buch ist urheberrechtlich geschützt. Kopieren für andere als persönliche Nutzung ist nur nach Absprache mit Lindhardt und Ringhof und Autors nicht gestattet.

SAGA Egmont www.saga-books.com – a part of Egmont, www.egmont.com

Die Haidehexe.

Wär’ ich geblieben doch auf

meiner Haiden.

Da hätt’ ich nichts verspürt

von all’ dem Leiden!

Wär’ ich daheim doch nur!

wär’ ich geblieben,

Da hätt’ ich nichts gewusst

von all’ dem Lieben!

Bleiben, ach, darf ich nicht,

und kann nicht scheiden;

Wär’ ich geblieben doch auf

meiner Haiden!

(Schröer.)

So hatte sie’s gern! — just — so. — Grau in grau, — stürmisch, wild und kalt, ganz das Spiegelbild ihres Herzens. —

Sie sass auf dem eingefallenen Hügel, unter welchem der junge Bursch lag, den sie vor langen Jahren als Deserteur hier erschossen hatten, und sie kauerte sich tief zusammen, zog die Kniee empor, dass sich das braune Kinn darauf stützen konnte, und faltete die Hände um die Beine. — So sass sie stets, ob in der Sonnenglut oder den kalten Regenschauern, — träge, einsam, fern ab von der Welt. — Aber die Sonne liebte sie nicht, die stand so siegesfreudig am Himmel und strahlte und lachte — und die schwarze Marian war doch Allem, was da lacht und glückselig ist, spinnefeind. — So wie heut, so sollte es immer sein! —

Hui, wie die Wolkengespenster am Himmel jagten, so schwarz und drohend, als wollten sie jeden Augenblick herniederbrechen, um die ganze Welt zu zermalmen! Der Sturmwind packte sie in wüstem Kampf und fetzte sie auseinander, so wie die Hexen-Marian so brennend gern einmal die bunten Staatskleider der Dorfweiber gekrallt hätte, sie mit Zähnen und Nägeln in Lumpen zu zerreissen, in ebensolche Lumpen, wie sie ihr selber um den jungen, schmiegsamen Leib hingen! —

Weit gedehnt, — endlos sich gen Nord und Westen streckend, lag die Haide wie unter grauen Dunstschleiern. Nach Süd und Osten grenzte sie der Wald, und der stand jetzt auch finster und schwarz, als seien seine sturmgezausten Föhren feindliche Heermassen, die sich raubend, plündernd und sengend drüben aufs Haidedorf stürzen wollen. — Hei! sie sollten nur kommen! Die schwarze Marian, die verfluchte Haidehex’, die wollte ihnen schon den Weg zeigen, dass ihnen auch keine Schindel auf dem Dach entgehen sollte! — Sonst lacht sie nie, — höchstens in bitterm Hohn und in grausigem Spott mit verzerrten Lippen, — wenn aber im Dorf drüben die Sturmglocke läuten würde, wenn sie alle schrien und heulten vor Todesangst, die reichen, stolzen Bauern, — ja, dann wollte sie lachen, — so recht aus vollem Halse, so recht aus tiefstem Herzen heraus! — Und sie würde die Narben an ihrem Körper streicheln, — die langen, schrunstigen Narben, die ihr die Steinwürfe jener Dörfler gerissen, und würde sagen: „Anitzt ist die Vergeltung gekommen, — nun mögt ihr verharschen!“

Wie der Sturm in den Lüften aufgellt! — Die rote Haideblüte neigt sich zitternd, Schmetterlinge und Käfer haben sich scheu ins Moos geduckt, und nur die Krähen streichen mit heiserm Schrei zu ihren Häupten hin. Regentropfen klatschen gross und einzeln hernieder, — und wo sie auffallen, pfeift der Sturm drüber hin und trocknet sie, noch ehe sie nässen können.

Es ist kalt. Marians nackte, braune Füsse bohren sich mechanisch in den Sand, und das zerrissene Zwilchröckchen flattert drüber hin. Sie friert nicht; sie ist’s weit schlimmer gewohnt. — Sie schauert nicht einmal zusammen. Im Gegenteil, — ein gewisses grausiges Behagen kriecht ihr wie eine Schlange durch die Glieder. Sie ist eine Hexe, — sie ist eine „Totenkiekern,“ sie steht mit dem Satan im Bund. Wär’s noch wie vor hundert Jahren, so hätte man sie längst gerichtet und verbrannt, ebenso wie ihre Grossmutter, die Teufelskatrein, der sie als letzte Hexe in der Stadt drüben den Prozess gemacht. Von der ist schon viel schwarze Kunst auf die Tochter übergegangen, und von der Mutter hat’s die Marian geerbt. — Aber die Marian ist die schlimmste: die ist Gottverflucht und sieht’s vier Wochen vorher, wenn im Dorfe ein’s stirbt. An den Kreuzweg stellt sie sich zur Nacht, und dann kommt der Leichenzug, und sie sieht’s mit wachen Augen und entsetzt sich nicht einmal vor dem Höllenspuk. —

Landein bekannt ist sie dafür. — Mancherlei gelehrte Herren mit Brille und Regenschirm sind gekommen und haben mit der schwarzen Dirne ein eifrig Verhör angestellt und sie beschworen, um der Wissenschaft willen lautere Wahrheit zu sagen, wie ihr solch ein Sterben im Dorf angezeigt werde. Manche sind gut, manche bitter schlecht bei ihr angekommen. Alle aber haben in der Dorfschenke erzählt, dass die schwarze Marian keine Hexe und Zauberin sei, sondern nur eine wunderbare Geistesgabe, das „zweite Gesicht,“ besitze, so wie es in Schottland öfter anzutreffen sei.

Die Bauern aber schüttelten die Köpfe und fluchten und wetterten nach wie vor gegen die Haidehex’, die vermaledeite, der es ein teuflisch Vergnügen sei, jählings vor einen Menschen hinzutreten und mit schriller Stimme zu schreien: „Hollah! mach dich bereit, zwischen heut und vier Wochen zimmern sie deinen Sarg!“ — Totschlagen haben sie den schwarzen Satan wollen, — aber die gelehrten Leute aus der Stadt haben ein Augenmerk auf sie, — und wegen der Teufelin mag’s keiner mit den Gerichten zu thun bekommen. Aber nicht Pestilenz und Galgen sind scheuer gemieden, wie die Marian! Da geht Niemand mehr über die Haide, der es nicht absolut nötig hat, — und wenn sie die zerfallene Hütte sehen, wo ehemals der alte Imker Claasen Sommers über seine Bienen bewachte, dann schlagen sie ein Kreuz und geben eilends Versengeld. — Der Claasen war der Marian Grossvater, und als er starb, blieben ihr die Bienen und die Lehmhütte als einzig Erbteil. Da lebt sie nun, trotz ihrer jungen Jahre, mutterseel verlassen in der Haide und hütet ihre Bienen. Einmal, als sie nach der Stadt war, den Honig zu verkaufen, haben sie ihr die Hütte in Brand gesteckt und gedacht: „nun zieht sie ihres Weg’s davon!“ Aber sie irrten sich. Die Marian hat mit ihren eigenen Händen den Schutthaufen wieder aufgebaut, und seit der Zeit ist der Satan in ihr völlig lebendig geworden! Im Dorf hat’s von Stund an so oft gebrannt, dass den Bauern ein Entsetzen angekommen ist, und als die Marian wieder mal zur Stadt war und kam heim, da hat sie ihre Hütte fein säuberlich hergerichtet gefunden, sogar ein Paar Hühner und ein Ferkel dabei. — Obwohl die Letztern anderen Tags tot beim Grossbauer Sören auf dem Miste wiedergefunden wurden, und die Leute in der Nacht ein schauerlich Gelächter in der Strasse gehört haben, hat’s doch aufgehört mit der Feuersnot. —

Die Haide aber ist noch verlassener gewesen wie eh und vollends, seit des Sören Pferde vor der Marian Hütte gescheut und geradeswegs in das Moor gerast sind, dass sie darin umkamen, und der Sören nur mit knapper Not sein Leben rettete, seit jener Zeit ist für die Bauern von Hollecamp die Welt da zu Ende, wo der roten Erika Reich beginnt.

Dunkler — und immer dunkler wards. Rot und gelb gefärbtes Herbstlaub wirbelte von dem Bäumchen herüber, welches als Warnungszeichen für nahes Moorland einsam aus dem Ginsterkraute empor strebte. Es bog sich und knarrte im Winde, und die braunen Brombeerranken klammerten sich im Kampf gegen das Unwetter an sein schwankes Stämmlein an.

Hoha! wie das struppige Riedgras zu Boden gepeitscht wird! wie die Wolkenschatten über das Haideland jagen! fern am Horizont birst die schwarze Dunstwand noch einmal auseinander, und ein greller, blutigroter Strich kündet an, dass dort die Sonne gesunken ist. Wie ein Flammenblitz glüht’s auf, und das starre, regungslose Angesicht Marian’s ist sekundenlang wie mit Purpur überhaucht.

Ein seltsames, wildes Mädchengesicht. Pechschwarze Augen lohen darin wie ein Höllenbrand, — unstät und flackernd, oder in beinah stierem Schauen wie geistesabwesend ins Leere gerichtet. Braun, frisch, wie eine rot durchleuchtete Aurikelblüte runden sich die sammetigen Wangen, und doch sind es seltsam scharf und fein gezeichnete Züge, welche dem kleinen Gesicht mit den grossen Augen etwas vogelartiges, beinah übernatürlich kluges geben. Das Haar ist schwarz glänzend, als habe es seine Farbe von der Tollkirsche geliehen, wirr und wild, in langen, windzerzausten Strähnen flattert es um Hals und Schultern.

Lumpen decken den schlanken Körper, und an einem Bindfaden hängt ein geheimnisvolles Ledersäckchen auf der Brust —: „Darin trägt sie die Teufelsklaue und die Hexensalbe, welche ihr von der gerichteten Grossmutter überkommen ist!“ raunte man sich im Dorfe in die Ohren.

Sie kennt solches Gerede und nickt dazu und lächelt, dass einem vor Grauen das Blut erstarrt. Dem Hütejungen, mit dem sie eine Zeit lang gut Freund gewesen, weil der arme Schelm den Bluthusten hatte — und froh war, wenn er eine Seele fand, die ihm die Schafe bewachte, dieweil er bei Sturm und Wetter in des Claasen Hütte unterkroch, — dem Hütejungen Hinrik hat sie es ja selber erzählt, dass sie allerlei Zauber verstände.

Als er einstmals jählings seinen Zufall bekommen, so dass das Blut kaum zu stillen war, hat sich die Marian neben ihn gekauert und hat ihm zwei Kreuzdornzweiglein kreuzweis über die Lippen gehalten und also gesprochen:

„Unser Herr Jesus ging über das Land,

Da begegnet ihm das wilde Feuer, das Blut

und der Brand. —

Sprach er zum wilden Feuer: „geh“ — sprach

er zum fliessenden Blute: „steh“

Und es stand.“ —

Da hat des Hinrik Elend auch wirklich nachgelassen, und er ist eine Zeitlang wieder zu Kräften gekommen. Abends aber hat die schwarze Marian plötzlich auf der Thürschwelle bei des Jungen Mutter gestanden und hat mit hohler Stimme gesprochen: „Holet den Bub ein; — seine Wangen sind zwar wieder rot, aber binnen drei Nächten holt ihn der Tod.“ —

Und als der Hinrik gestorben war, da gab es Niemand mehr auf Gottes weiter Welt, der eine Gutthat von der Marian gemocht oder solche empfangen hätte.

Das Feuerzeichen am Himmel erlosch, und es ward frühe, schwarze Herbstnacht. Wilder heulte der Sturm über die Haide, und der Regen fiel kalt, als wolle er auf des Mädchens nacktem Hals und Arm zu Eis erstarren.

Da erhob sich die Einsame, reckte und streckte die Glieder, wie ein Mensch, der nicht aus dem Schlaf kommen kann, und schlich mit vorgestrecktem Kopf, wie eine Mondsüchtige zur Hütte.

Sie wollte Feuer aufreiben, aber sie hielt den Zunder träge in der Hand und starrte wie geistesabwesend darauf nieder. Gewaltsam riss sie sich empor, ein-, zweimal, — endlich prasselte das Reisig auf. Wie Blei legte es sich in ihre Glieder — nur nach den Augen und dem Hirn stieg’s wie heisse, fiebrische Glut empor. Ja, sie fühlte es, — es kam! .. es kam!! ...

Ein Aufstöhnen rang sich, wie voll wilder Verzweiflung, von ihren erbleichenden Lippen. Sie warf sich nieder an der Wand und krallte sich mit den Händen an dem morschen Balken fest. — Ihre Brust hob sich unter keuchenden Atemzügen; leise, überhastig murmelte sie vor sich hin: „Nein — nein — ich will’s nicht! ich will’s nicht! ich mag’s nicht mehr sehen ... ich graue mich ... ich bleibe hier! ... Was nützt es, ob ich die bleichen Totenschädel erblicke? .. o du lieber Herrgott ... lass mich daheim!“ Und sie presste die kalten Hände gegen die Stirn und ward ruhiger. — Horch — wie der Wind tobt; — ja, es kommt! es kommt! und da ist keine Rettung, sie hat sich schon so oft hier festgeklammert, und doch ist’s über sie gekommen wie eine furchtbare, dämonische Gewalt, die hat sie emporgerissen und hinausgetrieben an den Kreuzweg.

Und so kommt’s auch jetzt. Immer dunkler, immer unheimlicher wird die Nacht, und Marian hebt das Haupt und lauscht. Ihr Antlitz ist leichenfarben, unnatürlich gross und gläsern werden ihre Augen. Langsam, mit den scheuen, sich schmiegenden und windenden Bewegungen eines Raubtiers richtete sie sich auf, höher und höher. Die Nasenflügel beben und blähen sich schnaufend auf, ihre Hände bekommen etwas Starres und Gekrampftes. — Es ist kein wacher, bewusster Zustand mehr, in welchem sie sich befindet, sie steht mit Leib und Seele unter dem Einfluss einer fremden, unheimlichen Gewalt.

Sie tastet nach der Thüre, stösst sie auf und tappt wie eine Trunkene in die Nacht hinaus.

Sie will nicht — sie muss. Weiter, weiter durch Regen und Sturm.

Hui, wie es in den Lüften gellt und tobt! Mit Hussa und Trara zieht ein Geisterheer über ihr hin, sie hört das Klatschen der triefenden Mäntel, hört das Heulen und Schrillen, hört das wilde Aufschnaufen der Rosse! Fürchtet sie sich? — Nein; da ist kein Tropfen lebenswarmes Blut mehr, welches in ihren Adern kreist. Eiskalt, selber wie ein ruheloser Geist, ohne Grauen und Schaudern, jagt sie mit den bleichen Gespenstern um die Wette über die brausende Haide. — Nur in ihrem Hirn, da glüht’s und fiebert’s, aber sie hat kein klares Gefühl davon, sie hat nur einen Gedanken, den, des unwiderstehlichen wilden Dranges, vorwärts zu stürmen bis zu jenem Kreuzweg, dem schauerlichen, wo es abermals wie Leichengeruch durch die Luft zieht, — wo sie stehen muss — wie gebannt stehen und schauen, wen die hohläugigen Spukgestalten zu Grabe tragen! —

Wenn’s nur daher kommen wollte als Leichenzug! das ist ein friedliches, frohes Schauen; die Leute haben verklärte, glückstrahlende Gesichter, und derjenige, welcher im Sarg liegt, wird nicht sterben, sondern im künftigen Jahre Hochzeit machen. Aber die Hochzeitszüge! — Wehe — die sind grauenvoll!

Wenn Marian am hellen Tageslicht einsam in der blühenden Erika sitzt und solches Hochzeitszuges, den sie in der Nacht geschaut, gedenkt, dann erstarrt ihr wohl das Blut vor Entsetzen, in der Nacht aber, wenn ihr Wahnsinn sie fasst, dann kennt sie kein Grauen, dann ist sie selber ein fleischloser Schatten, welcher ruhelos über das Land rast!

Huh — wie es zischt und pfeift, wie die Nacht so rabenschwarz und unheimlich ist! — Die Wolken knäulen sich und steigen empor wie wilde Schreckgestalten, der Mond kämpft an gegen sie — manchmal bricht ein falber Strahl gespenstisch durch sie hin. Dort ist der Kreuzweg.

Ein Wegweiser schimmert wie eine winkende Erscheinung vom Rain herab. Da teilt sich die Fahrstrasse. Gradaus geht’s zum Dorf, links führt der schmale Pfad ab, welcher durch Moor und andere Sumpflachen führt, und der manchem ahnungslosen Wanderer zum letzten Gang geworden. Rechts winkt die Chaussee zur Stadt.

Marian steht keuchend und presst die eisigen Hände gegen die Brust. Das Brombeergestrüpp zerfetzt ihren Rock und reisst ihr die nackten Füsse blutig, sie wirft sich neben dem Wegweiser nieder, und die Nässe trieft von den Heckenrosenranken über sie herab. Feucht, wie glänzende Schlangen ringelt sich das Haar um ihren Nacken und klebt auf der Stirn, — sie hebt mit lauten, fast stöhnenden Atemzügen das Haupt und starrt in die Dunkelheit. Kommt’s?! — hört ... sieht sie noch nichts? .. Horch .. da .. vom Dorf her .. Allbarmherziger Gott, ja, das sind wieder Hochzeitsklänge!! —

Leise — undeutlich .. sturmzerrissen tönts ihr entgegen. Heia! eine lustige Fiedel!

Marian krallt die Finger in die schlammige Erde; ihr Körper zuckt und windet sich, als erdulde sie physische Qual, — aber ihr Auge flimmert, und es glüht mehr und mehr auf in unheimlicher Freude, — Hochzeitsjubel! — juchhe!!

Die Wolkenwand zerreisst, — im bleichen Mondenlicht liegt der einsame, sandige Haideweg. Durch die Blumen und Gräser geht’s wie ein Zittern und Frösteln — zwei Käuzchen fliegen mit schrillem „Kiwitt! Kiwitt!“ als Hochzeitsbitter voraus.

Da naht’s .. da schlängelt sich der Zug heran! Vorauf schreiten zwei Gerippe, die streichen die Fiedeln mit Menschengebein, und tanzen und hüpfen zur lustigen Melodie! und dann kommen die Kranzelburschen mit den Jungfern, die sind gar festlich gekleidet und tanzen und hüpfen auch, — aber sie tragen sämtlichst die Köpfe unter’m Arm! — Huh — grauenvoll ist’s anzusehen!

Nun aber das Brautpaar! — — wo ist’s?!

Marian streckt in stierem Schauen den Kopf vor. Die Braut wandelt auch ohne Haupt, aber der Bräutigam .. der ist der Einzige im ganzen Zug, der es lachend auf den Schultern trägt, — und darum schreitet hinter ihm der Tod.

Wer ist’s? — Marian blickt starr dem Nahenden entgegen. Ein Fremder! Sie kennt ihn nicht! — Hoch und schlank ist seine Gestalt, sein Antlitz so schön und so glückstrahlend, wie die Haidehexe noch keines je zuvor gesehn. Ihr ist’s, als schreie ihr Herz auf voll brennenden Weh’s. Da wendet er das Haupt und sieht sie an. Durch Mark und Bein geht ihr dieser wundersam strahlende, gütige, sanfte Blick!

Allbarmherziger Gott — erbarme Dich seiner! — So jung, so schön — so glücklich und doch schon sterben!! —

In langem, schattenhaften Zug folgen die Hochzeitsgäste ohne Fleisch und Bein, — Marian aber steht und sieht nur Einen — ihn, den Tod geweihten Bräutigam. Wehe! der Zug biegt in den Pfad ein, welcher zum Moor führt, — also dort! — dort wird ihn sein Schicksal ereilen, — dort lauert sein Verderben, er wird im Moore untergeh’n!

Mit einem Schrei will Marian vorwärts stürzen, den Unglücklichen von jenem Weg zurück zu reissen, umsonst, — ihre Füsse stehen wie angewurzelt, ihre Stimme versagt den Dienst. — Aber seltsam — der Bräutigam wendet jählings das Haupt und sieht noch einmal nach ihr zurück, — und diesmal ist sein Blick wie ein Hilfeschrei voller Todesangst.

Mit dumpfem Aufröcheln bricht Marian zusammen, ihr Antlitz sinkt auf das nasse Haidekraut, — vor ihren Ohren klingen die Hochzeitsfiedeln wie gelle Schreckensrufe ... dann wird’s still. Nur der Sturm jagt heulend über sie hinweg.

Regungslos liegt sie. Sie weiss nichts von sich. — Dann fühlte sie es warm zum Herzen strömen, und mit der lebensfrischen Wärme kommt ein Frösteln über sie. Mit wirrem Blick schaut sie auf und reibt sich die Stirn. Ist’s Regen oder Angstschweiss, welcher in dicken Tropfen auf ihrer Stirn perlt?

Sie richtet sich auf. Eine Erschlaffung und Mattigkeit lähmt ihre Glieder, als habe sie eine schwere Krankheit überstanden. Wo ist sie?

Vor ihr liegt einsam und grabesstill die weite, nächtige Haide; leer und öde glänzt der Weg im Mondlicht. Der grauenvolle Spuk ist verschwunden.

Laut aufstöhnend schlägt die schwarze Marian die Hände vor das Antlitz. Sie hat abermals ein Opfer des Todes geschaut, — aber so wild aufgeschrieen vor Weh, wie dieses Mal, hat ihr Herz noch nie zuvor. Wer ist jener wundersam schöne Mann mit den Augen, den einzigen, welche sich jemals voll Güte und Liebe auf sie gerichtet? — Dort hin — dort im Moor muss sie ihn suchen!

Sie richtet sich voll wilder Entschlossenheit empor und starrt nach dem Weg, welchen der Geisterzug soeben genommen. Schrillen noch immer die Geigenklänge? . nein .. horch .. was ist das? ..

Marian reisst sich gewaltsam von den Knieen auf und klammert sich an den Wegweiser. — Da .. da wieder .. „Hilfe! — Hilfe!“ klingts fern her zu ihr herüber, — und das war eine Menschenstimme, welche rief, — das war er!

Die schwarze Haidehex’ kennt jeden Schritt dort in den umheimlichen Sümpfen, sie geht sicher am Rande des Verderbens hin und findet ihre Furten durch das Moor, ob’s auch stockdunkle Nacht ist! — Dort ringt der Todgeweihte mit dem Verderben! Aber darf sie ihn retten? — Wehe! Wehe und Untergang über den Leichenseher, welcher dem Tod seine Beute entreisst!

Marian weiss es; sie hat schon so viele hier am Kreuzweg vorüber wandeln sehen, die nach wenig Tagen die Erde deckte, und wenn sie auch hätte warnen und retten können, — sie that es nicht, — denn wer im Zug des Todes geschritten, gehört dem Grab, und die Hand, welche sich nach solchem Opfer ausstreckt, es zurückzuhalten, muss selber verdorren und faulen. — Auch jenen Fremden darf sie nicht retten, sie darf’s nicht! —

„Hilfe! Hilfe!“ — hallt’s abermals im Wind zu ihr herüber.

Ein Zittern durchläuft die junge Dirne vom Scheitel bis zur Sohle. — Sie schliesst die Augen, — und sieht dennoch sein schönes, lächelndes Angesicht!

„Hilfe!“

Sie ringt verzweifelt die Hände, „Herrgott — lass mich taub werden!“ schluchzt sie auf, — aber sie hört es dennoch. — „Hilfe!“ —

Seine Augen! seine flehenden, verzweifelt blickenden Augen!!

Ein dumpfer Schrei bricht über ihre Lippen. Die Arme weit öffnend, in Alles vergessender Leidenschaft stürzt sie haltlos vorwärts. —

„Hier! .. ich komme! ..“ gellts durch den Sturm. — Der Haidehexe sind Flügel gewachsen, — wie die Windsbraut selber rast sie über das Flachland. Das Sumpfwasser zischt auf und spritzt um ihre Füsse ... hoha! — Sie kennt jeden Schritt, — sie fliegt sicher dahin durch das kurze knisternde Röhricht. Er ist’s, der dort mit dem Verderben ringt, und sie fragt nicht mehr, ob sie’s darf, sie rettet ihn, wenn sie noch retten kann! —

Die Wolken jagen vor dem Mond vorüber, nur wie flackernder Lichtschein fallen die einzelnen Strahlen bleich und unsicher über das Moorland. Das kurzstruppige Schilf rauscht und knistert, in dem Röhricht schrillt der Schrei aufgeschreckter Vögel, und die schwarze Marian stürmt atemlos dahin und antwortet noch einmal mit der vollen Kraft ihrer Lunge: „Hier! hier bin ich! wer ruft um Hilfe?!“

Und dann steht sie mit vorgestrecktem Haupt, zitternd in banger Ahnung und lauscht in die Nacht hinaus.

„Hilfe! — Hilfe!“ —

Sie zuckt frohlockend empor. Dort! — Gottlob! dort ist die Gefahr nicht so gross wie auf jener Seite! und sie wendet sich und rast abermals, ohne rechts und links zu blicken, dem Klang der Stimme nach. Endlich steht sie. Ein heller Jubelschrei schallt durch den Sturm. Im Mondlicht zeichnet sich scharf die hohe, dunkle Gestalt eines Mannes gegen den heller werdenden Himmel ab. Er wendet sich ihr zu und hebt die Arme: „Vorsicht! ich stehe mitten in Sumpflachen, der Boden schwankt unter meinen Füssen!“ — Wie klar und frisch seine Stimme klingt, — ein alter Mann ist’s nicht.

„Wartet, bis ich komme, rührt Euch nicht!“ antwortet die Marian hastig, und sie setzt behutsam Fuss um Fuss und nähert sich ihm.

Wieder leuchtet der Mond. „Barmherziger Gott, eine junge Dirne?“ ruft er entsetzt, „zurück, Kind! — ich beschwöre Dich, es ist Dein Verderben! Du kennst die Gefahr nicht!“

Sie lacht laut auf und springt furchtlos näher. „Tretet bei Leibe nicht zur rechten Seite hin, da bricht’s unter Euch zusammen, — aber hierher ... grad’ wo ich die Hand hinhalte, da springt mit einem grossen Satz herüber.“ Er zaudert und starrt sie an. „Unmöglich, Kind, — die Erde trägt mich nicht, — ich werde zu schwer im Sprung, und die Erschütterung, ist zu gross!“ —

Sie wirft ungeduldig die nassen Haare zurück. „Ich sag’ Euch — springt! — fühlt Ihr nicht, dass Eure Füsse immer tiefer sinken? Noch ein paar Minuten, und es ist zu spät!“

Er krampft die Hände zusammen und presst sie gegen die Brust. „Gott im Himmel“ — stöhnt er — „Du hast recht, — ich sinke!“ —

Da schreitet sie prüfend noch um zwei Schritte näher, beugt sich jäh vor und umklammert mit eiskalten, bebenden Fingern seine Hand, die sich ihr wehrend entgegenstreckt.

„Herüber zu mir!“ kreischt sie auf und reisst ihn mit der Kraft der Verzweiflung näher. Da ringt sich ein abgebrochener dumpfer Laut von seinen Lippen, er packt ihre Hand mit eisernem Griff und springt. Bis an die Kniee bricht er in das spritzende Sumpfwasser ein, und abermals gellt sein Schreckensschrei durch Nacht und Sturm. Marian aber greift zu, fasst ihn an dem Oberkörper, welcher nach ihr hingesunken und reisst ihn mit übermenschlichen Kräften zu sich heran. — Er arbeitet sich heraus und schiebt sich auf den Knieen noch einen Schritt vorwärts, dann bricht er, halb bewusstlos vor Ermattung und Todesangst, neben der sturmzerzausten Gestalt seiner Retterin zusammen.

„Ho! ho! noch ist’s keine Zeit zum ruhen!“ schüttelt ihn die Haidehexe ungestüm an beiden Schultern. — „Ihr seid ein grosser, schwerer Mann, und der Boden ist für uns Beide auch hier noch unsicher! — Rafft Euch zusammen — dort — zehn Schritte weit — und wir sind völlig in Sicherheit!“ — Sie schüttelt ihn mit kraftvollen Händen, und schaudernd schrickt er empor.

„Stützt Euch auf mich! ich kenne jeden Schritt hier!“ und Marian strebt ihm hastig voran —: „Legt Eure Arme um meinen Hals — ich schleppe Euch! Denkt Ihr, ich sei eine Binse, die keinen Tautropfen tragen kann? .. Haha, ich habe schon ein grösseres Kreuz auf dem Nacken gehabt, denn Eure paar Pfund Knochen!“ —

Sie lacht — aber er hört doch ihre Herzensangst durch dieses Lachen beben, das macht ihn wieder stark.

„Reich mir nur Deine Hand, Du braves Kind! ich bin wieder bei Kräften — so .. und nun leite mich, Du lieber Schutzengel, den mir Gott gesandt!“

Er fühlt nicht, wie sie zusammen zuckt. — Beide schreiten behutsam und dennoch voll fiebrischer Aufregung durch das rauschende Riedgras. Oft erzittert der Boden unter ihnen und wird schwammig weich — es schwankt, als gehe man auf einem Bund Gras, das auf Wasser schwimmt — aber Marian tröstet lachend: „Unbesorgt, hier ist’s nicht mehr schlimm, zur Not sinken wir bis an die Hüften ein — aber grundlos ist’s nicht mehr! — Seht Ihr ... jetzt wird’s schon fest, und ich fühle Haidekraut unter den Füssen .. nun sei Gott gelobt — hier ist fest Land —! nun sind wir geborgen!“

Der Fremde tritt fest auf, bleibt stehen und presst einen Augenblick die Hände gegen die Schläfen, dann reisst er den Hut vom Haupt, kniet nieder und faltet die Hände.

Marian steht stumm und regungslos zur Seite.

Der Sturm braust über sie hin, und das Mondenlicht fällt voll und klar auf die Züge des Betenden. Die Haidehexe wagt kaum zu atmen, sie neigt sich vor und starrt ihn an.

Er ist es! — er! —

Wie ein leises Aufschluchzen schüttert’s durch ihren Körper, sie fühlt ihr Herz hoch im Halse schlagen, sie blickt auf ihn nieder mit dem einzigen zitternden Verlangen: „Ach, wollt er mich nur einmal ansehn!“ — Und wie sie’s denkt, wendet er das Haupt und blickt ihr in die Augen. Beide Hände reicht er ihr dar und murmelt mit halb erstickter Stimme: „Gott segne Dich, Du braves, mutiges Kind!“

Wie ein Aufschrei unaussprechlichen Entzückens geht’s durch ihre Seele — ja, das sind die Augen des Todgeweihten, welche ihr hier entgegen strahlen, die Augen jenes Mannes, welchen sie eigenwillig dem Grabe entrissen und welcher darum ihr selber zum todbringenden Verhängnis geworden ist!

Sie lächelt und hebt triumphierend das Haupt — und dann zuckt sie plötzlich zusammen, wie unter tiefem Weh und fragt leise: „Wo soll ich Euch nun unterbringen?“ Er richtet sich auf und hält ihre rauhen, wetterharten Finger noch immer in seiner Rechten.

„Zum nächsten Obdach, Kind. Ich bin müde und matt zum Umsinken. Ich habe eine Stunde lang Brust an Brust mit dem Tode gerungen, und das hat mich schwach gemacht wie einen Kranken.“

„Das Dorf ist aber eine Stunde weit von hier — und die Ziegelbrennerei hinter dem Wald drüben hat drei Typhuskranke in der Kammer.“

„Und wo wohnst Du?“

„Ich?“ — das klang beinah wie ein Schrei des Schreckens.

„Ja Du, mein braves Kind! Wenn ein Mädchen um Mitternacht mutterseelallein in Haide und Moorland zu finden ist, so kann ihre Heimat wohl nicht allzufern von hier sein!“ —

Sie steht einen Augenblick schweigend, ihre Zähne schlagen zusammen — sie reisst ihre Hände los und knäult ihr langes, schwarzes Haar darum her.

„Seid Ihr ein Fremder hier?“

„Nein — ich bin seit drei Wochen drunten in der Dorfpfarre.“ —

Sie lacht scharf auf: „Und habt noch nichts von der Haidehex’, der schwarzen Marian, gehört — der Zauberin und der „Totenkiekern,“ vor der die Bauern sich bekreuzigen?!“

Er tritt ihr hastig einen Schritt näher und starrt ihr in das Antlitz; bitterer, herber Spott und Trotz verzerrt es.

„Marian! — wahrlich die Marian! Dass mir der Gedanke nicht längst gekommen! Gewiss habe ich von Dir gehört, Du wildes, armes Kind, und darum weiss ich auch, dass Du in des Imker Claasen Hütte wohnst! Sie ist doch gewiss nicht weit von hier, Marian, und darum sei barmherzig und nimm den Mann, dem Du das Leben rettetest, nun auch zur Herberge unter Dein Dach!“ —

Da geschah ein Seltsames. Einen Augenblick stand die braune Dirne und zitterte an allen Gliedern wie Espenlaub, dann kam’s über sie wie die Wildheit einer Waldkatze. Sie sprang auf ihn zu, packte mit beiden Fäusten seine Schultern so leidenschaftlich und hitzig, als wolle sie die Nägel in sein Fleisch graben. Ihre Augen funkelten dicht vor den seinen, glühender Atem streifte sein Antlitz.

„Du! .. Du hast’s gewusst, dass ich die Haidehex’ bin — Du weisst’s, dass Du jetzt vor der schwarzen Marian stehst — und doch — doch willst Du über meine Schwelle treten?!“

Sie schrie die Worte laut wie eine Trunkene und schüttelte ihn dabei, als wolle sie seine hohe Gestalt hernieder brechen.

Langsam und sanft löste er ihre eiskalten, umklammernden Finger: „Ei, Marian, was ficht Dich an!“ — schüttelte er den Kopf, „glaubst Du in Wahrheit, ich sei ein so thörichter, abergläubischer Mensch, dass ich mich von blödem Bauerngeschwätz ängstigen liesse? — Ja, man hat mir gar manch grausig Ding von der Haidehex erzählt, und dennoch lege ich mein Haupt furchtlos zum Schlaf in Deinen Schoss! Weiss ich’s denn nicht besser, dass meine Lebensretterin viel eher ein guter Engel, denn eine Teufelin ist?“ —

Sie wich zurück von ihm, krampfte die Hände zusammen und presste sie gegen die Brust. — Ein Schüttern und Schluchzen ging durch ihre schlanke Gestalt, als ob der Sturmwind sein Spiel mit einer Weide treibt, — sie wankte und brach vorn über auf die Knie: — „Herrgott .. lieber Herrgott!“ schrie sie auf, — und in diesen drei Worten sprach sie das längste Gebet ihres Lebens. —

Das Haupt tief herabgeneigt, als wolle sie den Saum seines Rockes küssen, so lag sie regungslos. —

„Marian, — sei nicht wunderlich“ — bat er sanft: — „ich bin zum Sterben müd’ und matt!“ —

Da schnellte sie empor und warf wie in jauchzendem Frohlocken die nassen Haare in den Nacken zurück. „Kommt!“ — sprach sie kurz und eilte ihm voraus wie auf Windesflügeln.

Er vermochte nicht so schnell zu folgen. Sie schlug sich wie in rauher Selbstzurechtweisung hart gegen die Stirn und blieb wartend stehn. Zögernd, fast scheu, bot sie ihre Schulter dar: „Stützt Euch fest auf mich, lieber Herr, ich habe Kraft.“

Er thats, — seine Füsse versagten fast den Dienst.

„Legt den Arm lieber um meinen Hals!“ — sprach sie nach wenig Schritten, „da schreitet Ihr sichrer.“

„Gute Marian!“ — murmelte er wie im Traum, und ihr schmächtiger Körper beugte sich tief unter der Wucht des halb bewusstlosen Mannes, welchen mehr und mehr die Schwäche nach der so lange ausgestandenen Qual und Todesnot übermannte. Aber sie biss die Zähne zusammen und keuchte vorwärts. —

Wie schwer sein Arm auf ihrem Nacken lag; Marian’s Kniee zitterten, — da umfasste sie ihn sonder Besinnen und hielt ihn aufrecht und schritt nun auch selber leichter dahin. Aber sie ging Arm in Arm mit ihm, auf demselben schmalen Sandweg, auf welchem vor kurzer Zeit noch der gespenstige Hochzeitszug an ihr vorübergezogen war. —

Nun wandelte sie an Stelle der Braut und hielt gleich wie diese den Bräutigam im Arm. — Aber er war kein Todgeweihter mehr, — sie hatte ihn dem Verderben entrissen. Um welchen Preis? — Nun schritt der Tod hinter ihr.