Die Iden des Jumi - Ute-Marion Wilkesmann - E-Book

Die Iden des Jumi E-Book

Ute-Marion Wilkesmann

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Beschreibung

Willis Doktorvater sammelte alle Schriftwerke, die er mit der Post erhielt, in einer großen Holzkiste. Nachdem Anecken für tot erklärt worden war, packte er diese Kiste in einen geteerten wasserdichten Jutesack und versenkte sie in einer kleinen Zeremonie im Fundersee am Stadtrand von Wusselei. So blieb dann Aneckens Dissertation sein einziges Werk, das je veröffentlicht wurde.

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Seitenzahl: 166

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Inhaltsverzeichnis

Prolog

Jumi? Wer oder was ist das?

Quersumme

Namen

Das Kind Emma

Linguistische Forschung

Archäologie

Mehr zur Archäologie I

Archäologie II – Minipelogie

Alpha Centauri I

Archäologie III – Sechtarismologie (Sektenkunde)

Alpha Centauri IV

Archäologie IV – Axiologologie

Das Tagebuch – ein Auszug, Teil I

Die Kiste I

Mein Wissen vom Jumi I

Das Tagebuch – ein Auszug, Teil II

Linguistische Forschung II

Das Tagebuch – ein Auszug, Teil III

Die Entführung der kleinen Emma

Archäologie V – Bergologie

Mittelwort

Linguistische Forschung III

Leserbriefe

Forensische Regionallinguistik

Rezensionen

Die Kiste II

Die Kistenkonferenz

Nachwort – Bitte an die Leser

Meine Bücher bisher

Stichwortverzeichnis

Prolog

Die Doktorandin steht am Schreibtisch der Professorin. Die Professorin schaut hoch: „Was kann ich für Sie tun? Haben Sie die Korrekturfahnen gegengelesen?“ Doktorandin: „Ja, habe ich, und ich habe jetzt beim elften Durchgang nicht mehr viele Fehler gefunden. Allerdings habe ich gesehen, dass Sie den Titel geändert haben.“ Die Professorin blickt ihre Studentin gelangweilt an: „Ja, und?“

„Nun, da steht jetzt Die Iden des Jumi. Aber das geht doch nicht!“ – „Wieso soll das nicht gehen? Der Klang des Titels ist vorzüglich.“

„Aber im Buch kommen gar keine ‚Iden‘ vor. Ich meine, Iden des Jumi ist doch eine klare Anspielung auf die Iden des März. Dieser Ausdruck steht seit mehr als zweitausend Jahren konsequent für das Ende einer tyrannischen Herrschaft. Dieses Datum, nämlich der 15. März 44 v. Chr., bezeichnet den Tag des Mordanschlags auf den Diktator Julius Caesar. Er wurde auf dem Höhepunkt seiner Macht von zahlreichen Senatsmitgliedern umgebracht. Vorher war er noch vor den Iden, der Monatsmitte, gewarnt worden. Im Buch steht doch nichts, was dazu passt!“

„Ereifern Sie sich bitte nicht so. Oder anders: Welchen Titel würden Sie denn vorschlagen?“

Die Doktorandin hat sofort etwas parat: „Der Jumi: der verlorene Monat im Lichte archäologischer regionaler, nationaler und internationaler Erkenntnisse auf der Grundlage von sechs Steinplatten“. Die Professorin seufzt: „Wer glauben Sie denn, wird ein Buch mit solch einem vor Langweile triefenden Titel kaufen? Mit Ausnahme vielleicht von ein paar besonders interessierten Kollegen. Ja, jetzt gucken Sie kleinlaut. Niemand kauft das. Aber die Iden des Jumi – da springen doch alle Intellektuellen drauf an, die etwas auf ihre Bildung halten. Dann kommt das Buch in die Bestsellerlisten, und dann wird es wieder von Menschen gekauft, die alles lesen, was in diesen Listen oben steht. Es wird auch mit Sicherheit ein paar kluge Rezensenten geben, die diesen Titel im Werk widergespiegelt sehen. Statt zehn Exemplaren – drei für Kollegen, je eins für uns beide und fünf für die Bibliothek – verkaufen wir Tausende!“

„Mag sein, dass wir so mehr verkaufen. Aber erstens ist es eine Vortäuschung falscher Tatsachen, und zweitens ist es wissenschaftlich unsauber.“

Die Professorin seufzt erneut. „Warten Sie ab, wenn Sie die erste Überweisung auf Ihrem Konto sehen. Dann werden Sie Ihre Skrupel schnell vergessen!“

Die Doktorandin dreht sich um und geht. An der Tür murmelt sie, nahezu unverständlich: „Schön wär’s. Wie immer sammeln Sie die Lorbeeren und den Großteil des Erlöses ein. Und ich muss weiter katzbuckeln.“

Jumi? Wer oder was ist das?

Es gibt Wörter, die man nicht nennen darf. Im Moment fallen da allen, die darauf angesprochen werden, N-Wort und Z-Wort ein. Und jeder weiß: Das N-Wort verwenden wir nicht mehr, und hier sind nicht Nebel, November oder Neandertaler gemeint. Ähnliches gilt für das Z-Wort, seine Bedeutung ist noch bekannt. Eines Tages werden die Menschen rätselnd vor einem Text sitzen und lesen: „Das N-Wort wurde fälschlicherweise von der Außenministerin verwendet.“. Sie wissen aber nicht, was denn das N-Wort war. Wollte die Frau den Nagellack aus ihrem Leben verbannen?

N-Wort und Z-Wort werden eines Tages nicht mehr Teil des Wortschatzes sein. Dann braucht man auch den Ausdruck ‚N-Wort‘ nicht mehr. Und jetzt komme ich zum springenden Punkt: So war das auch mit dem Jumi. Es begann damit, dass er zum J-Wort wurde. Als der Jumi dann endlich vergessen war, entfiel die Notwendigkeit für die Bezeichnung ‚J-Wort‘. Übrigens: J-Wort kann jetzt etwas Neuem zugeordnet werden.

Die Forschungsfrage dieses Kapitels ist damit keineswegs beantwortet. Das kommt später. Erst einmal üben wir ein wenig zusammen. Bitte schreiben Sie neben das Wort immer die ursprüngliche Bedeutung:

A-Wort B-Wort C-Wort D-Wort E-Wort F-Wort G-Wort H-Wort I-Wort J-Wort K-Wort L-Wort M-Wort N-Wort O-Wort P-Wort Q-Wort R-Wort S-Wort T-Wort U-Wort V-Wort W-Wort X-Wort Y-Wort Z-Wort

Interessant ist das A-Wort. Das ist heutzutage obsolet, sprich: veraltet. Wer meidet heute noch das Wort ‚Arschloch‘ und sagt stattdessen ‚A-Wort‘? Die Zeiten sind vorbei.

Wir wissen, dass Eskimos Inuit sind. Aber noch gibt es die Bezeichnung E-Wort nicht. Das wird sich bestimmt bald ändern. Genau wie die Indianer. Noch drei Karl-May-Aufschreie, und wir sehen in der Besetzungsliste der Karl-May-Festspiele in Bad Segeberg: Natschinu, Häuptling der I-Wort.

Sollte der Platz oben nicht reichen, weil vielleicht deine Handschrift zu groß ist, um mit dem Zeilenabstand zurechtzukommen, darfst du die Liste solange vergrößern, bis der Abstand reicht. Ich erhebe keinen Anspruch auf Copyright.

In diesem Buch benutze ich auf den ersten Seiten das programmierte Lernen. Das heißt, ab und zu stelle ich euch eine ‚Testfrage‘. Je nach eurer Antwort werdet ihr weitergeleitet.

Testfrage

Habt ihr alle Plätze für -Wörter ausfüllen können?

Testantwort

Ja? Das ist wunderbar, weiter geht’s im Text.

Nein? Sorry, dann bitte nochmal vorn anfangen.

Bevor wir in die Historie einsteigen, hier noch ein paar linguistische Feinheiten.

Jumi – Jimu – Miju – Muji.

Langes u, mittellanges i.

Imuj – Umij – Ujim – Ijum.

Ijul. Ijun.

Quersumme

Was ist die Quersumme von Jumi? Einfache Frage, einfache Antwort: Es ist eine Primzahl, die 53. Die Quersumme von 53 wiederum ist 8. Jetzt kann man sich streiten, ob die echte richtige Zahl 53 oder 8 ist. Im Bus Linie 310 entspinnt sich darüber ein Streitgespräch:

A murmelt vor sich hin: „Quersumme .... ist ...., ja, schließlich 8.“

B: „Auf keinen Fall. Es ist 53.“

A: „Woher wollen Sie das denn wissen?“

B: „Ich kenne mich mit Quersummen aus.“

A: „Ach ja, und woher wollen Sie jetzt wissen, woraus ich die Quersumme errechnet habe?“

B triumphiert: „Sie haben die Buchstaben des Wortes Muji im Zahlenwert addiert, und davon die Quersumme genommen.“

A: „Stimmt. Na und?“

B: „Das ist nicht erlaubt!“ Sie stampft mit dem rechten Elchschuh-Fuß auf den Boden.

A: „Blödsinn. In Ihrem Alter wissen Sie doch nichts über Quersummen.“

B: „Pöh. Sie haben keine Ahnung!“

A verdreht die Augen: „Ihre Haare sind gefärbt, Sie tragen Kontaktlinsen und Einlagen in den Schuhen. Also alles Fake.“

B öffnet ihren Rucksack, entnimmt ihm eine Packung Gummibärchen und bietet den Umsitzenden freundlich die Tüte an. Nur zu A dreht sie sich nicht um.

A: „Sie versuchen, Stimmung gegen mich zu machen. Ziemlich billiger Trick. Sie sind bestimmt Lehrerin.“

B: „Und Sie haben Vorurteile. Sie sind bemitleidenswert.“ Sie steckt die fast leere Gummibärchentüte wieder in den Rucksack und verschließt ihn, wobei sie durch die Zähne pfeift.

A: „Und es ist 8!“

B: „53!“

Hinter den beiden sitzt ein älterer Herr. Gediegen gekleidet, in dezenten Beige- und Brauntönen. Er trägt eine Brille mit Goldrand. Auf seinem Mantel ist ein hellgrüner Stoffaufkleber festgenäht. Darauf steht Senior. Er beugt sich nach vorne zu den beiden Streithähnen bzw. dem Streithahn und dem Streithuhn und lächelt.

Senior: „Also wenn Sie Ihre Zahl wirklich berechnen wollen, kommen Sie auf 86. Sonst können sie ihn doch nicht vom Juni und Juli unterscheiden.“

A guckt betreten zur Seite. „Alte weiße Männer, immer dasselbe.“

B giftet den Senior an: „Sie haben ja Komplexe, weil Sie schon kein produktives Mitglied der Gesellschaft mehr sind. Was soll das Ganze?“

Ein kleiner Junge, der zwei Bänke weiter hinten neben seiner Mutter sitzt, lutscht an einem Lolli. Seine recht gewichtige Mutter nickt ihm aufmunternd zu, ihre kastanienbraunen Locken wippen mit. Der Junge schüttelt den Kopf und flüstert seiner Mutter was ins Ohr.

B ruft: „Das habe ich gehört! Ihr vorlauter Junge hat Jumau gesagt!“

Namen

Namen sind Schall und Rauch, auch ohne Schmauch. Wer seinen Namen verschallt und verraucht, muss also keine Sorge haben, dass dieser Vorgang Schmauchspuren hinter den Ohren oder auf dem Hinterkopf hinterlässt.

Der Jumi zeichnet sich u. a. dadurch aus, dass Eltern von in diesem Monat Geborenen in der Namensgebung festgelegt sind. Das ist eine alte Tradition. Den schon früh angekündigten Ausblick auf die Historie des Jumis habe ich übrigens nicht vergessen. Aber alles hat seinen Platz in diesem Buch.

Geeignete Mädchennamen im Jumi sind: Umrike, Brumihilde, Ajumate, Jumina, Numole, Jumera, Sieguminde, Jumanne, Jumika und Umily. Für Jungennamen gilt: Umirich, Sumifried, Erumi, Manjumid, Artumi, Jumig, Mumtin, Jömau, Jumas, Walumiar.

In Jahren, in denen in diesem verschollenen Monat mehr als zehn Mädchen oder zehn Jungen geboren werden, dürfen Eltern nach einem Test selbst Namen wählen. Der Test überprüft, ob sie das System der Jumi-Namen durchschaut haben. Für jedes Geschlecht müssen die Eltern fünf neue Beispiele geben, die nicht in der Pflichtliste erfasst sind. Ihren Lieblingsnamen dürfen sie mit einem kleinen rosafarbenen oder hellblauen Häkchen markieren.

An dieser Stelle sind die Leser angesprochen, die sich fragen sollen, ob sie überhaupt mitbekommen, welche Bedeutung dieser Monat einmal hatte und wieder bekommen sollte.

Testaufgabe:

Finden Sie drei weibliche und drei männliche Vornamen, die sich für den Jumi eignen.

Testlösung:

Haben Sie die Aufgabe geschafft?

Ja – Sie dürfen weiterlesen.

Nein – Sie müssen dreizehn weitere Namen finden

und damit die Testaufgabe erneut durchlaufen.

Versuchen Sie, zur Lösung der Aufgabe bitte nicht zu schummeln. Beauftragen Sie damit daher keine Suchmaschine, KI oder Wikipedia. Der Jumi ist bereits so lange verschollen, dass Sie Ihr eigenes Gehirn benutzen müssen. Sonst kommen Sie noch darauf, dass der Jumi ein zarter Ziegenkäse aus silofreier Milch ist, der im Emmental hergestellt wird. Diese Ziegenkäse sind nichts weiter als billige Betrüger, die glauben, jetzt wieder ins Rampenlicht zu rücken, wo der Jumi wissenschaftlich vorgestellt, erforscht und beschrieben wird.

Das Kind Emma

Emma geht ins zweite Schuljahr. Eines Montags kommt sie wie immer nach der vierten Stunde heim. Sie begibt sich sofort an ihre Hausaufgaben. Derweil schiebt die Mutter zwei Fertiglasagnen, zwei Spinatkartoffelgratins und eine Salamipizza in den Heißluftofen und erhitzt sie. Pünktlich um 13 Uhr stellt sie die heißen Speisen auf den Tisch. Sie schaut in die Kamera und sagt: „Ich bin gern Hausfrau! Ich gehe wirklich auf in dieser Tätigkeit.“ Dann drückt sie auf Absenden. Dabei schiebt sie unmerklich, wie sie meint, mit dem Fuß ein paar Kuscheltiere unter den Tisch.

Die Familie trudelt ein. Emma schnappt sich sofort die Salamipizza.

„Emma!“, sagt ihre Mutter vorwurfsvoll, „Die Pizza ist für Papa!“

Emma reißt sich unbeeindruckt ein Stück aus der Pizza und beginnt sie zu verschlingen. Ihre Mutter wirft dem Vater einen hilflosen Blick zu. Er sieht verstört aus. Er nimmt sein Handy in die Hand, drückt auf den Button ‚Aufnahme‘: „Was mache ich, wenn mir meine Tochter mein Essen wegnimmt, obwohl sie genau weiß, dass ich sonst von dem Krempel nichts mag? Ihr werdet gleich sehen, wie ich das hinkriege.“

Mit der rechten Hand hält er das Handy hoch, sodass er seine jüngste Tochter im Blick hat.

„Sag mal, Emma, ist in der Schule irgendwas Besonderes passiert?“

Emma guckt hoch. Sie will gerade etwas erzählen, da herrscht ihre ältere Schwester Nadine sie an: „Ey, mit vollem Mund spricht man nicht!“ – „Tut man doch, zumindest macht Papa das immer, wenn er Pizza isst.“ Während die beiden sich streiten, reißt sich der Familienvater ein großes Stück aus seiner Pizza. Siegesgewiss strahlt er mit vollem Mund in die Kamera, drückt auf den Auslöser und sendet das Video ab.

Emma bemerkt die fehlende Ecke ihrer Pizza, lässt von Nadine ab und beginnt lauthals zu jammern. Ihre Mutter hat die erste Lasagne aufgegessen und macht sich an einen Spinatkartoffelauflauf. Gleichzeitig füttert sie die beiden Zwillinge Markus und Helge mit Lasagnestückchen. Schließlich hat sie keine Lust mehr, die Kleinen zu füttern, und schiebt ihnen die Lasagne hin. Die beiden patschen begeistert in die Nudelmasse. Nadine, die erst zwei Löffel von ihrem Auflauf gegessen hat, springt auf. „Das ist ja voll eklig hier, ich habe keinen Hunger mehr! Außerdem, Mama, was ist das für ein schrottiger Fertigmist, den würde man ja keinem Hund vorsetzen!“ Dann läuft sie raus.

Die Mutter nimmt kurzerhand den Auflauf und geht nach draußen. Dort sitzt Kuno, der Hausdackel. „Hier, zeig Nadine, wie lecker das ist!“, dabei schmeißt sie ihm die Alupackung vor die Nase. Kuno schnüffelt daran, probiert einen Happen und läuft, ohne zu zögern, rasch zu einem Strauch neben dem Eingang. Erst spuckt er alles aus, dann zuckt er am ganzen Körper und fällt um. Das hat die Mutter nicht mehr gesehen, sie sitzt schon wieder am Esstisch.

„Zeit für Nachtisch!“, ruft Papa. Die Kinder sind begeistert und schieben die Essensreste in den Eimer mit der Aufschrift Kompost. Papa holt dreizehn Eispäckchen verschiedener Geschmacksrichtungen aus dem Tiefkühlfach und wirft sie auf den Tisch. Es beginnt ein kleiner Streit, weil alle das Orangencremeeis mit der Mandelschokohülle haben wollen. Papa ist der Sieger und genießt sein Eis. Emma und die Zwillinge heulen, weil sie verloren haben. „Immer kriegt Papa das beste, ich hasse ihn!“, ruft Emma.

„Ach, Emma, lass mich doch auch mal gewinnen. Du wolltest doch von der Schule erzählen.“ Nadine kommt wieder rein und nimmt sich ein Himbeereis.

„Ja, also, in der Schule, da haben wir zwei Neue. Das sind auch Zwillinge. Aber ein Junge und ein Mädchen.“

„Und wie heißen die?“, erkundigt sich Mama.

„Jumannes und Jumiane“, antwortet Emma und fährt fort: „Und sie kommen von Alpha Centauri, ihr Raumschiff haben sie in einem Versteck gelassen.“

Nadine lacht höhnisch.

Emma: „Was lachst du so blöde?“ – „Das ist doch gelogen, ganz offensichtlich. Meine Güte, du glaubst auch allen Mist!“ – „Was soll daran gelogen sein?“ – „Ich bitte dich. Wer heißt denn als Junge Jumannes? Das ist einfach lachhaft.“ – „Aber Jumiane findest du wohl okay, oder ist das auch gelogen?“ – Nadine lächelt überlegen. „Natürlich nicht. Das ist ganz klar ein Mädchen, das im Jumi geboren wurde.“ Mit diesen Worten nimmt sie sich das zweite Himbeereis, das leicht vertropft in der Mitte des Tisches liegt, und verlässt das Zimmer wieder. Sie dreht sich noch mal um und ruft: „Emma, echt, Jumannes, du bist zu blöde für diese Welt!“ – Emma streckt ihr die Zunge raus. Ihr Vater herrscht sie an: „Bitte! Du sollst nicht immer deine Zunge rausstrecken. Vor allem beim Essen ist das unappetitlich.“

„Wo ist eigentlich Kuno?“, fragt plötzlich die Mutter. Alle drehen den Kopf und rufen: „Kunooooo“, aber kein Schwanz wedelt, niemand bellt. Markus wirft sein Eis auf den Tisch und düst nach draußen. Er sieht Kuno unter dem Strauch liegen, läuft hin und tritt ihn mit dem Fuß. Kuno reagiert nicht. Markus schüttelt den Hundekörper, aber nichts passiert. Der Junge begreift langsam, dass sein kleiner Liebling tot ist. Er reißt den Mund auf, bis sein Gesicht eine große rote Öffnung ist, und schreit und heult.

Der Vater kommt rausgelaufen, zieht Markus den toten Hund aus den Armen. „Du darfst keine toten Tiere anfassen, das ist giftig.“ – Markus schluchzt: „Ohne Kuno will ich auch nicht mehr leben!“ Helge hört das und nimmt sich hoffnungsfroh das letzte Eis. Wenn Markus nicht mehr lebt, will er sicher kein Eis mehr.

Papa inspiziert den Hund und sagt mit Kennerblick: „Der hat keine äußeren Verletzungen. Den hat bestimmt jemand vergiftet.“ Markus schreit: „Das war bestimmt die doofe Frau nebenan“, läuft rüber und wirft einen Stein in ihr Fenster. Papa seufzt. Die Nachbarin wird wieder nicht verstehen, dass hier die Not des Jungen spricht, es quasi ein Hilfeschrei ist. Aber sie wird wie immer behaupten, die Jungen – seine Jungen – seien völlig unerzogen. Das Leben als Vater ist schwer.

Emma hat sich zurückgezogen. Sie mochte Kuno nicht besonders. Markus’ Heulen dringt bis zu ihrem Schreibtisch. Sie schließt das Fenster. Sie wird morgen mal Jumannes fragen, ob es denn auf Alpha Centauri (α Cen) mehr Monate gibt. Weil er ja im Jumi geboren ist.

Und so spricht sie den neuen Mitschüler in der großen Pause an. Sie hatte sich über Nacht etwas anderes überlegt. Sie fragt Jumannes: „Sag mal, wenn du vielleicht bald nach Alpha Centauri zurückfliegst, kannst du mich da mitnehmen? Zu Hause kriege ich nie eine Salamipizza für mich allein.“

Jumannes schüttelt den Kopf: „Nee, sorry, du. Ich will da nicht hin zurück. Die haben da noch den Jumi, das heißt: Geburtstag nur alle 13 Monate. Da kannst du dir selbst ausrechnen, dass innerhalb von 13 Jahren ein ganzer Geburtstag ausfällt.“

Emma überlegt und versucht, das nachzurechnen. Es gelingt ihr aber nicht. Sie ist maßlos enttäuscht. Jumannes sieht das und tröstete sie: „Wünsch dir doch einfach zum nächsten Geburtstag eine Salamipizza nur für dich!“ – „Du kennst meine Familie nicht. Die reißen mir die einfach weg.“ – „Okay, in drei Jahren bin ich hier mit der Schule durch und fange eine Lehre als Werkzeugmechaniker an. Dann lade ich dich von meinem ersten Gehalt zu einer Salamipizza ein.“ – „Echt?“ – Jumannes nickt: „Großes Ehrenwort!“

Emma ist erst einmal beruhigt. Aber die Idee mit der Reise hat sie sich noch nicht aus dem Kopf geschlagen.

Linguistische Forschung

Schaut man sich Wörter im Laufe ihrer Geschichte an, so kann man daraus lehrreiche Schlüsse ziehen. Was bedeuteten sie früher? Wurden sie aus einer anderen Sprache entlehnt, entweder mit oder ohne Bedeutungsveränderung?

Bei der Untersuchung der Kalendernamen fallen drei aufgrund ihrer ähnlichen Struktur ins Auge: Juni, Jumi und Juli. Zwei Silben, keine Doppelbuchstaben in den Silben. Lesen wir sie doch mehrmals laut vor. Dann wird es klar: Im Gegensatz zu Januar, Februar, März, April, Mai, August, September, Oktober, November und Dezember haben diese drei einen anderen, fast mythischen Klang. Wer ein bisschen Sinn für Fremdsprachen hat, wird nicht lange suchen müssen: Juni, Jumi und Juli inklusive ihrer Ersatznamen Juno, Jumau und Julei klingen zweifelsfrei chinesisch.

Um mehr zu erfahren, wandte mich daher an den bekannten Sinologen Prof. Dr. Hans-Walter Ritter-Schmetterbach. Meine folgenden Ausführungen basieren auf seinen Hinweisen. Ich danke dem Professor von tiefstem Herzen!