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Jenny Behnisch, die Leiterin der gleichnamigen Klinik, kann einfach nicht mehr. Sie weiß, dass nur einer berufen ist, die Klinik in Zukunft mit seinem umfassenden, exzellenten Wissen zu lenken: Dr. Daniel Norden! So kommt eine neue große Herausforderung auf den sympathischen, begnadeten Mediziner zu. Das Gute an dieser neuen Entwicklung: Dr. Nordens eigene, bestens etablierte Praxis kann ab sofort Sohn Dr. Danny Norden in Eigenregie weiterführen. Die Familie Norden startet in eine neue Epoche! »Felicitas? Bist du es wirklich?« Dr. Felicitas Norden brauchte einen Moment, bis sie sich angesprochen fühlte. Wie so oft war auch heute ihr Zeitplan knapp bemessen. Sie konzentrierte sich daher voll und ganz auf ihren Einkauf im Supermarkt. In einer Stunde musste sie in der Behnisch-Klinik sein. Als Leiterin der Fachrichtung Kinderheilkunde wollte und konnte sie sich keine Verspätung erlauben. Was sie von ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erwartete, musste sie auch selbst erfüllen. Das verlangte sie auch unbedingt von sich. Ihr Ehemann Daniel war bereits an seinem Arbeitsplatz. Er war der Chefarzt der renommierten Behnisch-Klinik in München und was Außenstehende häufig infrage stellten, war für sie beide überhaupt kein Thema. »Kann das gut gehen, wenn man als Ehepaar in derselben Firma arbeitet und noch dazu einer der beiden der Chef ist?« Diese Frage mussten sich der Chefarzt Dr. Daniel Norden und seine Frau Felicitas häufig gefallen lassen. Aber die beiden lächelten jedes Mal nachsichtig und beteuerten, wie wertvoll für sie die Arbeit in der Klinik sei und dass es ihrer glücklichen Ehe überhaupt nicht schadete, miteinander zu arbeiten. »Felicitas?« Endlich drang die weibliche Stimme zu ihr durch. Erstaunt drehte sie sich um und schaute in ein strahlendes Augenpaar, das ihr irgendwie bekannt vorkam. »Entschuldigung?«
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»Felicitas? Bist du es wirklich?«
Dr. Felicitas Norden brauchte einen Moment, bis sie sich angesprochen fühlte. Wie so oft war auch heute ihr Zeitplan knapp bemessen. Sie konzentrierte sich daher voll und ganz auf ihren Einkauf im Supermarkt. In einer Stunde musste sie in der Behnisch-Klinik sein. Als Leiterin der Fachrichtung Kinderheilkunde wollte und konnte sie sich keine Verspätung erlauben. Was sie von ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern erwartete, musste sie auch selbst erfüllen. Das verlangte sie auch unbedingt von sich.
Ihr Ehemann Daniel war bereits an seinem Arbeitsplatz. Er war der Chefarzt der renommierten Behnisch-Klinik in München und was Außenstehende häufig infrage stellten, war für sie beide überhaupt kein Thema.
»Kann das gut gehen, wenn man als Ehepaar in derselben Firma arbeitet und noch dazu einer der beiden der Chef ist?« Diese Frage mussten sich der Chefarzt Dr. Daniel Norden und seine Frau Felicitas häufig gefallen lassen. Aber die beiden lächelten jedes Mal nachsichtig und beteuerten, wie wertvoll für sie die Arbeit in der Klinik sei und dass es ihrer glücklichen Ehe überhaupt nicht schadete, miteinander zu arbeiten.
»Felicitas?« Endlich drang die weibliche Stimme zu ihr durch. Erstaunt drehte sie sich um und schaute in ein strahlendes Augenpaar, das ihr irgendwie bekannt vorkam.
»Entschuldigung?«, fragte sie vorsichtig. »Wir kennen uns, aber ich weiß jetzt nicht woher, tut mir leid.«
»Agnes. Agnes Fink. Kennst du mich nicht mehr? Ich weiß, es liegt lange zurück, warte mal … das dürfte schon ein paar Jahrzehnte her sein, seit du mit meiner großen Schwester Veronika befreundet warst? Erinnerst du dich? Ich bin die kleine Schwester, die euch immer genervt hat, wenn Veronika auf mich aufpassen musste.«
»Agnes … jetzt erkenne ich dich!« Felicitas erinnerte sich tatsächlich. »Du warst die kleine Agnes, die sich von uns mit Süßigkeiten bestechen ließ, damit du den Eltern nichts davon erzählst, wie wir Teenager den Nachmittag verbrachten. Wir hatten so viele Ideen – außer Schulaufgaben.« Felicitas lachte über ihre eigenen Erinnerungen. »Ihr habt ein paar Häuser weiter gewohnt … ach wie schön, dass wir uns hier treffen. Wie geht es dir und meiner lieben Schulfreundin Veronika? Ich muss zugeben, wir haben uns gründlich aus den Augen verloren.«
»Trinken wir einen Kaffee zusammen? Hast du Zeit?«, fragte Agnes. »Gegenüber ist ein kleines Bistro, da bekommen wir bestimmt einen schnellen Espresso oder so.«
»Ich muss eigentlich in die Klinik, Agnes«, wandte Felicitas ein.
»In die Klinik?« Agnes wirkte betroffen.
»Nicht, was du denkst«, beeilte sich Felicitas zu sagen. »Ich arbeite dort und mein Einkauf muss unbedingt jetzt erledigt werden, später habe ich keine Zeit mehr dafür.«
»Ach je, das klingt ja schwer nach Stress. Umso wichtiger wäre es, wenn wir uns jetzt ein paar Minuten nehmen, denn wenn ich es richtig einschätze, hast du morgen oder übermorgen erst recht keine freie Minute für einen Kaffee.« Sie warf ihr schulterlanges volles Haar mit Schwung zurück über die Schultern nach hinten und strahlte.
»Du siehst gut aus«, sagte Felicitas anerkennend.
»Du aber auch«, gab Agnes zurück, und an ihrem Blick konnte Felicitas erkennen, dass ihre Freundin aus der Jugend es durchaus ernst mit dem Kompliment meinte.
»Also gut, ich lasse mich gerne breitschlagen. Dann treffen wir uns in ein paar Minuten im Bistro gegenüber? Ich bringe nur noch schnell meine Einkäufe ins Auto. Und nenne mich bitte Fee, wie alle meine Freunde.«
»Fee? Das passt zu dir. Gerne, also dann, Fee. Schön, dass du mich noch zu deinen Freunden zählst. Ich freue mich, bis gleich.«
Agnes schob ihren Einkaufswagen weiter in Richtung Kasse und Fee schaute ihr einen Moment nach. Sie bewunderte die schlanke und trotzdem weibliche Figur ihrer Jugendfreundin. Ein gerade geschnittener kniekurzer Rock gab den Blick auf wohlgerundete Waden frei. Fee überlegte, ob die dezent gemusterte Bluse wohl aus edler Seide war. Der zarte Schimmer des weich und fließend fallenden Stoffes ließ darauf schließen. Ein modischer Ledergürtel hielt das Oberteil in der schmalen Taille zusammen. Die offen getragenen schulterlangen Haare fielen in schweren Locken über ihre Schultern. Selbst im kalten Licht der künstlichen Supermarktbeleuchtung glänzte die Pracht in einem fast golden wirkenden Bernsteinton.
»Du bist eine sehr schöne Frau, ich darf das sagen, als alte Freundin«, sagte Fee später im Bistro anerkennend. »Das kleine vorlaute und ständig mies gelaunte Mädchen von damals ist kaum wieder zu erkennen. Und wie du strahlst! Dir geht es gut, nicht wahr?«
Agnes lachte. Sie war ihrer älteren Freundin ganz bestimmt nicht böse. »Du sagst ja nichts als die Wahrheit, liebe Fee. Ich war damals wirklich etwas … sagen wir mal … anstrengend. Und ja, uns trennen ungefähr zehn Jahre, stimmt`s? Aber wenn es um eine wunderschöne Ausstrahlung und ein umwerfendes Lächeln geht, brauchst gerade du was sagen.« Agnes zeigte beim Lachen ihre makellos weißen Zähne. Um die Augen herum bildeten sich zarte Lachfalten und Fee fand, dass sie das Gesicht ihrer zufällig wiedergetroffenen Freundin nur noch schöner machten.
»Ach, danke dir, keine falschen Komplimente bitte«, antwortete sie, aber innerlich freute sie sich über die anerkennenden Worte. »Ich bin glücklich in meinem Leben, habe einen wundervollen Ehemann und fünf äußerst wohlgeratene Kinder. Dazu noch einen Beruf, der mich voll und ganz ausfüllt. Wie sollte ich da nicht glücklich sein. Aber nun erzähl von dir. Gibt es eine Familie? Bist du verheiratet? Für welchen Beruf hast du dich entschieden? Und ich möchte auch wissen, was aus Veronika geworden ist. Von ihr habe ich ewig nichts mehr gehört. Ich sagte es vorhin schon, irgendwie haben wir uns aus den Augen verloren.«
»Ob wir all diese Fragen in fünf Minuten klären können?«, fragte Agnes. »Ich versuche es mal in Kurzform.« Sie nippte an ihrem Espresso und stellte die Tasse klirrend auf dem Unterteller ab. »Veronika lebt mit ihrem Ehemann in den Vereinigten Staaten, kein Wunder, dass ihr den Kontakt verloren habt. Aber es geht ihr gut. Ich selbst hatte weniger Glück in Bezug auf Ehemänner. Stell dir vor, ich bin zweimal geschieden, Kinder habe ich keine. Beruflich bin ich in die Fußstapfen meines Vaters gestiegen.«
»Dein Vater war Hausmeister, erinnere ich mich richtig?«, fragte Fee.
»Genau. Später, als wir Kinder erwachsen waren, hat er seine eigene Firma gegründet. Eine Art Handwerker- und Hausmeisterservice. Zunächst als Ein-Mann-Betrieb, aber mittlerweile beschäftigen wir fast zwanzig Mitarbeiter.« Agnes lehnte sich zurück und machte eine Pause, als warte sie auf Anerkennung.
»Das ist ja toll!«, rief Fee auch tatsächlich aus. »Und du bist in die Firma eingestiegen, wenn ich dich richtig verstehe?«
»Genau. Nach meinem Abitur habe ich erst Betriebswirtschaft studiert und danach habe ich bei meinem Vater im Büro angefangen. Dieses Jahr noch werde ich die Firma ganz übernehmen, wenn sich mein alter Herr endlich in den Ruhestand verabschiedet. Er ist ja schon längst im Rentenalter, aber du weißt ja vermutlich selbst, wie es ist, wenn man brennt für das, was man tut und nicht loslassen kann.«
Fee überlegte einen Moment, ob sie und ihr Mann Daniel sich in ein paar Jahren ebenso schwer von ihren Aufgaben trennen würden, die für sie beide längst viel mehr bedeuteten, als damit ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Die Behnisch-Klinik war ihr Lebenswerk und Fee bekam eine Ahnung davon, was Agnes vermutlich gemeint hatte. Versonnen nickte sie. »Du hast recht. Schön, dass du deinem Vater die Zeit gibst, die er braucht und noch schöner finde ich, dass du offensichtlich in deinem Beruf glücklich bist.«
»Das bin ich«, stimmte Agnes strahlend zu.
»Du machst auf mich einen derart positiven Eindruck. Kaum zu glauben, dass du Single bist, oder hab ich vorhin etwas falsch verstanden?«
»Willst du damit sagen, dass man als Single nicht glücklich sein kann?«, gab Agnes mit einem Augenzwinkern zurück.
»Oh, doch, man kann auch als Single glücklich sein. Das ist immer eine Frage der eigenen Lebenseinstellung. Aber immerhin hast du es zweimal versucht. Wirst du es ein drittes Mal wagen, zu heiraten?«
»Wenn der Richtige kommt, vielleicht. Aber eigentlich … ach ich weiß nicht. Es wird im Laufe der Zeit schwierig. Man lässt sich nicht mehr so leicht wie in jungen Jahren auf einen neuen Mann im Leben ein. Früher war ich nicht so kritisch eingestellt, habe nicht so viel nachgedacht und infrage gestellt. Heute hänge ich die Messlatte ziemlich hoch und es hat in den vergangenen Jahren kaum einer geschafft, überhaupt in die engere Wahl zu kommen.«
»Das klingt so, als hätte es nicht an Bewerbern gemangelt, was mich nicht wundert. Du bist eine tolle Frau. Die Männer müssen doch bei dir Schlange stehen. Da wird doch einer dabei sein, der deinen Ansprüchen genügt.«
»Mal sehen, vielleicht ist heute Abend einer dabei«, sagte Agnes mit einem verschwörerischen Unterton.
»Heute Abend? Hast du ein Date gleich mit mehreren Männern?«, fragte Fee amüsiert.
»Nein, natürlich nicht. Oder vielleicht doch.« Bevor sie weitersprechen konnte, kam der Kellner an den Tisch, um abzukassieren.
Fee zahlte für beide und warf einen Blick auf ihre Armbanduhr. »Oh weh, schon so spät. Und dabei hätte ich noch so gerne erfahren, was du heute Abend vorhast«, sagte sie, während sie sich erhob.
»Schon mal was von Speed Dating gehört?«
»Hm ja, ich glaube schon. Sag bloß, du gehst heute Abend zu einer solchen Veranstaltung?«
»Genau!« Agnes lächelte breit. »Und weißt du was? Wir treffen uns morgen und ich erzähle dir, wie es war. Hast du vielleicht in deinem engen Zeitplan eine Viertelstunde Zeit für eine alte Freundin? Ich komme auch in die Klinik, ihr werdet doch bestimmt eine Cafeteria haben?«
Fee überlegte kurz. Wenn Agnes es schaffte, sich eine kurze Auszeit vom Alltag zu nehmen, sollte ihr das auch möglich sein. »Morgen Mittag um zwölf?«, schlug sie vor.
»Bis dann«, rief ihr Agnes noch zu, bevor sich die beiden Frauen trennten.
*
Agnes war daran gewöhnt, hohe Schuhe zu tragen. Aber heute war sie ein wenig unsicher auf den Beinen. Sie musste sich beeilen, denn sie war spät dran, was daran lag, dass sie vor dem Weggehen viel zu lange vor dem Spiegel stand und sich nicht entscheiden konnte, was sie anziehen sollte. Normalerweise wählte sie für ein Date entweder ein figurbetontes Kleid mit gefährlich tiefem Ausschnitt oder eine superenge Lederhose und dazu eine ihrer geliebten Seidenblusen. Meistens hatte ihr aufreizendes Outfit die gewünschte Wirkung auf die Männer, mit denen sie sich traf. Trotzdem endete ein solcher Abend nicht immer in trauter Zweisamkeit in einem Hotel oder bei ihr zuhause. Sie legte es nicht unbedingt darauf an, einen Liebhaber zu finden und schon gar nicht einen für nur eine einzige Nacht. Aber es kam ab und zu trotzdem vor, dass ein Mann mit seinen eindeutigen Avancen bei ihr Erfolg hatte und der Abend nicht gleich nach dem Essen im Restaurant zu Ende war. Fast immer bereute Agnes am nächsten Morgen, dass sie sich hinreißen ließ. Das lag nicht etwa daran, dass die Nacht zuvor nicht aufregend gewesen wäre. Nein! Vielmehr lag der Grund für ihre schlechte Laune in ihrer Erkenntnis, dass sie sich zu früh hingegeben hatte. Sie fühlte sich nahezu immer in ihrer Vermutung bestätigt, dass es den Männern nur um »das Eine« ging. Eine feste Beziehung, so wie sie das anstrebte, wollte keiner von ihnen. Sie vermutete, dass einige von ihren bisherigen Dating-Partnern sogar eine Ehefrau zu Hause hatten. Zumindest diejenigen, von denen sie nach einer solchen gestohlenen Nacht nie mehr etwas hörte.
Sie lernte die Männer auf verschiedenen Onlineplattformen kennen. Agnes war bei mehreren Singlebörsen angemeldet. Ihr Profil war sehr beliebt bei den Herren und sie konnte sich die Männer aussuchen, mit denen sie sich meistens sehr schnell für ein Date zum Kennenlernen verabredete. Aber entweder war sie – wenn sie ehrlich zu sich selbst war – nicht bereit für eine ernsthafte Beziehung oder der Richtige war tatsächlich bisher noch nicht dabei gewesen. Vielleicht aber lag es auch ihrem selbstbewussten Auftreten. Ihr war schon lange aufgefallen, dass sich manche Männer schlagartig nicht mehr besonders für sie interessierten, wenn ihnen klar wurde, dass sie sowohl finanziell als auch persönlich auf eigenen Beinen stand. Wenn bis zu diesem Moment noch ein Funke Interesse bestand, erlosch dieser meist in derselben Sekunde. Einem sinnlichen Abenteuer waren die Männer trotzdem nicht abgeneigt, und Agnes sprang oft genug über ihren Schatten und ließ sich darauf ein. In solchen Momenten sagte sie sich, dass sie frei und niemandem Rechenschaft schuldig sei. Es gab für sie keinen Grund für ein schlechtes Gewissen.
Der heutige Abend war Neuland für sie. An einem Speed Dating hatte sie noch nie teilgenommen und sie war gespannt, was wohl auf sie zukommen mochte. Sie nahm sich vor, diesmal alles anders zu machen und vor allem nicht gleich alle Karten auf den Tisch zu legen. Soviel sie von solchen Veranstaltungen wusste, hatte sie für ein Gespräch mit einem der männlichen Singles nur etwa sieben Minuten Zeit. Das war ohnehin nicht besonders lang und deshalb sollten ihr Beruf und ihre Unabhängigkeit nicht unbedingt die erste Rolle spielen.