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Jenny Behnisch, die Leiterin der gleichnamigen Klinik, kann einfach nicht mehr. Sie weiß, dass nur einer berufen ist, die Klinik in Zukunft mit seinem umfassenden, exzellenten Wissen zu lenken: Dr. Daniel Norden! So kommt eine neue große Herausforderung auf den sympathischen, begnadeten Mediziner zu. Das Gute an dieser neuen Entwicklung: Dr. Nordens eigene, bestens etablierte Praxis kann ab sofort Sohn Dr. Danny Norden in Eigenregie weiterführen. Die Familie Norden startet in eine neue Epoche! "Typisch Mann! " Felicitas Norden verdrehte halb amüsiert, halb verärgert die Augen und kringelte verspielt eine ihrer blonden Locken um den ausgestreckten Zeigefinger. "Was willst du mir denn damit sagen? ", konterte ihr Ehemann Daniel. "Nur weil ich eine harmlose Frage gestellt habe, für die vermutlich jeder Ehemann der Welt Verständnis aufbringen würde? Ich wollte lediglich wissen, ob du dann auch noch Zeit für mich hast, wenn du künftig Abend für Abend deine Aufmerksamkeit auf Stricknadeln und Wolle konzentrierst. "Du meinst das wirklich so, oder? " Fee konnte die Reaktion ihres Mannes nicht fassen. "Du glaubst allen Ernstes, dass mein Strickzeug eine Konkurrenz für dich darstellen könnte? Wenn das nicht so ernst wäre, müsste ich direkt lachen. "Lach nur. Mir ist es ernst, mein liebes Feelein. Wir haben doch sowieso nicht besonders viel Zeit für uns, als Paar, meine ich. Wenn du dann deine kostbare Freizeit auch noch damit verbringst, 'zwei links zwei rechts eine fallen lassen' in die richtige Reihenfolge zu bringen … wo bleibt da noch unsere Quality Time als Paar? "Uuhhh Quality Time …" Fee ahmte amüsiert seine Stimmlage nach. "Mach dich nicht lustig über mich", bat Daniel. Er war noch ernster geworden und griff nach ihrer Hand. "So wie wir zum Beispiel jetzt hier am Feierabend nebeneinander auf unserem Sofa sitzen, ein Glas Rotwein vor uns, ganz nah beieinander und ungestört … da könnten wir doch ganz andere Sachen machen als stricken. Beziehungsweise, du strickst und ich schaue zu oder wie hast du dir das vorgestellt? Am Ende fallen mir noch die Arme ab, weil ich dir jeden Abend beim Wolleaufwickeln helfen muss.
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Seitenzahl: 108
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„Typisch Mann!“ Felicitas Norden verdrehte halb amüsiert, halb verärgert die Augen und kringelte verspielt eine ihrer blonden Locken um den ausgestreckten Zeigefinger.
„Was willst du mir denn damit sagen?“, konterte ihr Ehemann Daniel. „Nur weil ich eine harmlose Frage gestellt habe, für die vermutlich jeder Ehemann der Welt Verständnis aufbringen würde? Ich wollte lediglich wissen, ob du dann auch noch Zeit für mich hast, wenn du künftig Abend für Abend deine Aufmerksamkeit auf Stricknadeln und Wolle konzentrierst.“
„Du meinst das wirklich so, oder?“ Fee konnte die Reaktion ihres Mannes nicht fassen. „Du glaubst allen Ernstes, dass mein Strickzeug eine Konkurrenz für dich darstellen könnte? Wenn das nicht so ernst wäre, müsste ich direkt lachen.“
„Lach nur. Mir ist es ernst, mein liebes Feelein. Wir haben doch sowieso nicht besonders viel Zeit für uns, als Paar, meine ich. Wenn du dann deine kostbare Freizeit auch noch damit verbringst, ‚zwei links zwei rechts eine fallen lassen‘ in die richtige Reihenfolge zu bringen … wo bleibt da noch unsere Quality Time als Paar?“
„Uuhhh Quality Time …“ Fee ahmte amüsiert seine Stimmlage nach. „Der Herr benutzt jetzt Fremdwörter …“
„Mach dich nicht lustig über mich“, bat Daniel. Er war noch ernster geworden und griff nach ihrer Hand. „So wie wir zum Beispiel jetzt hier am Feierabend nebeneinander auf unserem Sofa sitzen, ein Glas Rotwein vor uns, ganz nah beieinander und ungestört … da könnten wir doch ganz andere Sachen machen als stricken. Beziehungsweise, du strickst und ich schaue zu oder wie hast du dir das vorgestellt? Am Ende fallen mir noch die Arme ab, weil ich dir jeden Abend beim Wolleaufwickeln helfen muss. Ich kann mich genau an meine Kindheit erinnern. Das war das Schicksal meines armen Vaters und sobald ich alt genug war, musste ich diese Aufgabe übernehmen.“
„Die Zeiten sind zum Glück vorbei, wo Neues nur aus Altem entstehen konnte. Heutzutage kauft man neue Wolle im Laden, das kann sich jeder leisten. Obwohl … was ich so gesehen habe, ist Wolle mittlerweile auch wieder ganz schön teuer geworden. Aber zu deinem anderen Argument: Ich würde doch nicht ununterbrochen die Nadeln klappern lassen“, versuchte sie, ein Gegenargument in die Diskussion zu werfen.
„Das ist das Stichwort!“, unterbrach er sie. „Klappern! Das klirrende, schrille Geräusch von kaltem Metall, das rhythmisch aufeinander schlägt, regt mich auf. Das macht mich nervös. Schon früher war das so, als meine Mutter strickte und die ganze Familie damit nervte. Besonders meinen Vater.“
„Soso, ich weiß aber auch, dass du die selbst gestrickten Socken, die du noch als Erwachsener jahrelang von deiner Mutter jedes Jahr zu Weihnachten geschenkt bekommen hast, wie einen Schatz gehütet hast. Ich habe noch dein Gejammer im Ohr, als sie uns damals verkündete, dass die Arthrose in ihren Fingern es leider nicht mehr zuließ, weiter zu stricken.“
„Darin muss ich dir allerdings recht geben“, bekannte Daniel kleinlaut. „Ich habe noch zwei oder drei Paar davon in meiner Schublade, sie sind schon ziemlich mitgenommen. Selbstgestrickte Socken sind einfach besser, angenehmer als gekaufte. Viel wärmer und gemütlicher.“
„Du merkst jetzt aber schon, dass du dir soeben selbst die besten Argumente dafür geliefert hast, mich in meinem Vorhaben zu unterstützen?“ Fee lächelte amüsiert. Sie wusste ganz genau, dass Daniel ihr keinen Wunsch abschlagen konnte.
„Dann muss ich wohl damit einverstanden sein“, gestand er. „Gibt es eigentlich auch mittlere Maschen?“
„Wie bitte? Mittlere Maschen?“, fragte Fee.
„Na ja, wenn es rechte und linke gibt, gibts vielleicht auch mittlere. Was weiß denn ich.“
„Darüber mach dir mal keine Gedanken, mein Liebling. Du bekommst von mir ein wunderbar warmes und flauschiges Paar Socken. Wie die gestrickt werden, braucht dich gar nicht zu interessieren.“
„Ha! Erwischt!“, rief Daniel aus. „Du weißt es selbst nicht, wie Sockenstricken geht, stimmt`s? Ich kenne dich doch, mein Schatz. Dieser Unterton sagt mir, du hast nur ein ganz kleines bisschen mehr Ahnung als ich. Gib es ruhig zu.“ Er verzog seine Lippen zu einem Lächeln, das halb nach Schadenfreude aussah und halb nach liebevoller Zuwendung.
„Das ist eine Unterstellung“, widersprach Fee gespielt ernst. „Ich weiß es sehr wohl … ich bin lediglich aus der Übung. Aber morgen suche ich nach einem Handarbeitsgeschäft, dort werde ich beraten und bekomme eine Anleitung. Lass mich nur machen.“
„Na, da bin ich ja mal gespannt. Dann ist heute also der letzte Abend, wo ich meiner Frau nicht erst die Stricknadeln aus der Hand nehmen muss, wenn ich sie küssen will.“ Zärtlich legte er den Arm um sie und zog sie näher an sich heran. Obwohl Fee solche Momente liebte, war sie diesmal nicht ganz bei der Sache.
Sie war froh, dass sie mit Daniels Zustimmung rechnen konnte. In letzter Zeit fühlte sie sich unausgeglichen. Die Arbeit in der Klinik war zusammen mit ihrer Familie einfach alles für sie. Einen anderen Beruf hätte sie sich niemals vorstellen können. Aber in ihrer Funktion als leitende Ärztin der Pädiatrie war sie hohen Anforderungen ausgesetzt. Das Schicksal ihrer kleinen Patienten ging ihr oft noch nach Dienstschluss durch den Kopf. Das Abschalten fiel ihr zunehmend schwerer. Dass Daniel nicht nur ihr Ehemann, sondern auch der Chefarzt derselben Klinik war, machte vieles leichter – aber auch manches schwerer, denn es blieb nicht aus, dass sie sich abends, eigentlich in ihrer Freizeit, noch über die Belange der Klinik unterhielten und sich austauschten. Immer häufiger konnte sie nachts nicht schlafen, weil sie mit ihren Gedanken in der Kinderklinik war. Sie wusste, dass sie dringend einen Ausgleich brauchte. Irgendwann kam ihr die Idee, ihre Strickkenntnisse wieder aufzufrischen. Sie versprach sich viel davon, sich aufs Maschenzählen und auf schwierige Muster konzentrieren zu müssen und damit ihre Gedanken in eine andere Richtung zu lenken. Aber nun, in diesem Augenblick, war nur Daniel wichtig. Sie liebte ihren Mann und ihre Familie über alles.
*
Hildegard Kreidinger sortierte sorgfältig die letzte Lieferung für ihr kleines Wollgeschäft in die Verkaufsregale. Ihr war es wehmütig ums Herz. Mit ihren neunundsechzig Jahren hatte sie bereits einige Jahre länger gearbeitet als ursprünglich vorgesehen, aber sie hatte bisher noch keine Nachfolgerin für den Laden gefunden, der den treffenden Namen „Wollparadies“ trug. Über vierzig Jahre lang hatte sie mit Hingabe ihr Geschäft geführt. Ganz klein hatte sie angefangen. Mit viel Fleiß und Disziplin hatte sie sich mit Wolle, Garnen, Strickanleitungen und fertig gestrickten Modellen eine Existenz aufbauen können. Schließlich konnte sie sogar das Haus mit dem Geschäft im Erdgeschoss und einer kleinen Wohnung im Obergeschoss kaufen. Rückblickend bereute sie keine einzige Sekunde. Wolle war ihre Leidenschaft! Sie liebte ihre Arbeit, auch wenn sie ihr zu manchen Zeiten ganz schön viel abverlangt hatte. Nie war Zeit für die Liebe gewesen, jedenfalls redete sie sich das ein. Es hatte hin und wieder einen Mann in ihrem Leben gegeben, aber keiner hatte Verständnis dafür gehabt, dass sie wegen ihres Ladens oftmals zeitlich zu eingespannt war. So war sie also unverheiratet und kinderlos geblieben.
Nun stand sie vor dem Moment, in dem sie entweder ihren Laden für immer schließen oder ihn an die einzige Bewerberin übergeben musste, die sich ernsthaft dafür interessierte. Sie konnte nicht länger warten, denn ihre Gesundheit spielte nicht mehr mit. Nachdem sie einige Wochen lang ständig Oberbauchschmerzen hatte, unter Appetitlosigkeit und nächtlichen Schweißausbrüchen gelitten hatte, war sie endlich zum Arzt gegangen. Die Verdachtsdiagnose hatte ihr erst Angst eingejagt. Dann sagte sie sich, dass für jeden Menschen einmal die Zeit käme und nun müsse sie eben herausfinden, ob ihre vielleicht schon jetzt gekommen sei oder ob es wirksame Behandlungsmethoden gäbe. Die Wirkung der Worte „Tumor“ und „Bauchspeicheldrüse“ hatte sich bedrohlich und dunkel in ihr breitgemacht. Es fiel ihr schwer, nicht in das tiefe Loch zu fallen, das sich vor ihr auftat. In den nächsten Tagen hatte sie einen Termin in der Behnisch-Klinik beim Chefarzt Dr. Daniel Norden. Er war ihr als Experte empfohlen worden. Sie brauchte unbedingt eine zweite Meinung.
Hildegard schaute auf ihre Armbanduhr. Franziska Greller, die junge Frau, die sich für ihren Laden interessierte, müsste bald da sein. Am Telefon hatte sich alles ganz gut angehört. Sie war fünfundzwanzig Jahre alt, alleinerziehende Mutter einer siebenjährigen Tochter und ausgebildete Einzelhandelskauffrau. Derzeit arbeitete sie in der Handarbeitsabteilung eines Kaufhauses. Hildegard war bereit, ihr bei der Ablöse für den Laden entgegenzukommen, aber ganz verzichten konnte sie nicht darauf. Als Selbstständige bezog sie eine kleine Rente und die Miete für den Laden sowie die Ablöse waren fest in ihre Zukunftsplanung einkalkuliert. Sie hatte bereits alles durchgerechnet. Als Miete musste sie mindestens 1000 Euro verlangen. Für derartige Gewerbeflächen in München war das noch ein günstiger Preis, sie wusste aber auch, dass mit Wolle dieser Betrag nicht so leicht erwirtschaftet werden konnte. Bei der Ablöse durfte sie keinesfalls unter 25.000 Euro gehen. Hoffentlich verfügte Frau Greller über eine entsprechende Summe, denn wenn sie einen Kredit dafür aufnehmen müsste, könnte es schwer für sie werden, den Laden langfristig zu halten.
„Ah, da sind Sie ja“, rief Hildegard erfreut aus, als eine Frau ihren Laden betrat. Im selben Moment wusste sie, dass es sich nicht um Franziska Greller handeln konnte. „Oh entschuldigen Sie, ich dachte, Sie seien jemand anderes“, setzte sie sofort nach, als ihr bewusst wurde, dass die Dame wesentlich älter als 25 sein musste. „Was kann ich für Sie tun?“
Fee sah sich neugierig um. „Ich suche Sockenwolle und eine Anleitung, die ich auch als Anfängerin verstehe“, antwortete sie.
„Wenn Sie Anfängerin sind, sollten Sie vielleicht nicht gleich mit Socken beginnen. Vielleicht versuchen Sie sich erst einmal mit einem Schal?“, schlug Hildegard freundlich vor.
„Nein, ich möchte Socken stricken“, antwortete Fee nahezu trotzig. „Ich brauche nur wieder etwas Übung, dann komme ich schon wieder rein. Dunkel soll sie sein.“
Hildegard führte ihre Kundin zu einem deckenhohen Regal, prall gefüllt mit Sockenwolle in allen Farben und in unterschiedlicher Stärke. Sie wies mit der Hand in Richtung der dunkel gehaltenen Farben. „Wenn Sie sich entschieden haben, suche ich eine Anleitung für Sie heraus.“
„Ich hatte gehofft, Sie könnten mir vielleicht zeigen …“
„Das geht leider nicht, es sei denn, Sie stricken die Socken in den nächsten Tagen. Ich muss leider mein Geschäft aufgeben. Sonst gern.“ Hildegard hätte gern mehr dazu gesagt, von ihren Stricknachmittagen mit Tee und Keksen erzählt, vom Strickkreis der Damen, die schon seit Jahren zu ihr kamen oder davon, dass ihre Kundinnen jederzeit mit ihren Problemen zu ihr kommen konnten. Das alles war jetzt nicht mehr möglich, und dieser Gedanke schnitt tief in ihr Herz. „Ob ich eine Nachfolgerin habe, weiß ich leider noch nicht“, ergänzte sie.
Fee erahnte ihren Schmerz – und sie sah auch noch etwas anderes. Auch wenn sie Kinderärztin war, so erkannte sie doch auf den ersten Blick, dass die Frau, die vor ihr stand, ernsthaft krank war. Die blasse Haut, die trüben Augen … alles wies darauf hin, dass es nicht nur das Alter war, was die Ladenbesitzerin gezeichnet hatte.
Mitfühlend suchte sie nach Worten, die Frau Kreidinger Mut und Zuversicht vermitteln sollten, aber sie hatte vorerst keine Gelegenheit dazu. Die quietschende Ladentür ließ erkennen, dass weitere Kundschaft das Geschäft betreten hatte.
„Ich bin gleich wieder bei Ihnen, suchen Sie in Ruhe aus“, sagte Hildegard, während sie sich bereits der neuen Kundin zuwandte. „Sie müssen jetzt aber Frau Greller sein“, rief sie erfreut aus. „Und wer bist du?“
„Ich bin Leni“, antwortete das Mädchen.
„Meine Tochter“, ergänzte ihre Besucherin. „Der Hort hat geschlossen, ich musste sie mitbringen. Mit ihren sieben Jahren lasse ich sie nicht gerne alleine zu Hause.“
„Kommen Sie mit nach hinten, bitte. Dort können wir alles besprechen“, forderte Hildegard die junge Frau auf, die ihr Kind fest an der Hand hielt und sich neugierig umschaute. Mit ‚hinten‘ meinte sie ihr kleines Büro, einen von zwei Nebenräumen, die zum Geschäft gehörten. Den Zweiten nutzte sie als Lager.
Fee konzentrierte sich wieder auf das Wollregal vor ihr. Welche Farbe sollte sie nur nehmen? Braun, Beige, Dunkelblau?
„Nehmen Sie eine melierte Wolle“, hörte sie Frau Kreidingers Stimme. Sie hatte die junge Frau und das Kind offenbar im Nebenraum allein gelassen. Es war unübersehbar, dass sie mit dem, was sie zu besprechen hatten, warten wollten, bis Fee den Laden verlassen hatte. „Bei melierter Wolle sieht man nicht gleich, wenn die Maschen vielleicht mal nicht so gleichmäßig sind.“
Das leuchtete Fee ein. Sie entschied sich für ein dunkles Blau, das mit einigen hellen Farbakzenten aufgelockert war. Dann brauchte sie noch ein Nadelspiel in Stärke 3. Ein Heft mit Anleitungen für Socken bekam sie gratis dazu. Für ihren Geschmack musste sie den Laden viel zu schnell verlassen. Gerne hätte sie sich intensiver beraten lassen, aber nun sagte sie sich, dass sie mit der Anleitung sicherlich klarkommen würde.
*