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Jenny Behnisch, die Leiterin der gleichnamigen Klinik, kann einfach nicht mehr. Sie weiß, dass nur einer berufen ist, die Klinik in Zukunft mit seinem umfassenden, exzellenten Wissen zu lenken: Dr. Daniel Norden! So kommt eine neue große Herausforderung auf den sympathischen, begnadeten Mediziner zu. Das Gute an dieser neuen Entwicklung: Dr. Nordens eigene, bestens etablierte Praxis kann ab sofort Sohn Dr. Danny Norden in Eigenregie weiterführen. Die Familie Norden startet in eine neue Epoche! Ich bin keine Diebin! Maria Strauss schloss mit spitzen Fingern die Knöpfe ihres Arbeitskittels. Sie war in Eile, denn heute war sie ausnahmsweise wenige Minuten zu spät zur Arbeit erschienen. Maria war immer pünktlich, auf sie konnte man sich verlassen. Aber vorhin hatte sie im Aufzug Frau Dr. Felicitas Norden getroffen, als sie auf dem Weg zu den Umkleideräumen für die Putzkräfte an der Behnisch-Klinik war. Sie waren ins Plaudern gekommen und dabei vergingen die letzten Minuten, die Maria immer als Zeitpuffer bis zu ihrem Arbeitsbeginn einplante. Die nette Ärztin war nicht nur die Leiterin der Pädiatrie in der Behnisch-Klinik, sondern auch die Ehefrau des Chefarztes Daniel Norden. Sie stieg mit ihr im Untergeschoss aus und stellte die Fragen, die so typisch für die einfühlsame Ärztin waren. »Wie geht es denn Ihren beiden Kindern, Paul und Sandra?«, wollte sie wissen. Maria wusste, dass sich Frau Dr. Norden tatsächlich für ihre Antwort interessierte und die Frage nicht nur aus Höflichkeit stellte. »Ach ganz gut, danke. Paul kommt im Gymnasium prima mit, er ist sogar bei den Klassenbesten dabei«, erklärte sie stolz. »Das ist ja wunderbar«, freute sich Felicitas. »Er müsste doch jetzt schon fast 14 Jahre alt sein, oder?« »Ja, richtig.
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Seitenzahl: 112
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Maria Strauss schloss mit spitzen Fingern die Knöpfe ihres Arbeitskittels. Sie war in Eile, denn heute war sie ausnahmsweise wenige Minuten zu spät zur Arbeit erschienen. Maria war immer pünktlich, auf sie konnte man sich verlassen. Aber vorhin hatte sie im Aufzug Frau Dr. Felicitas Norden getroffen, als sie auf dem Weg zu den Umkleideräumen für die Putzkräfte an der Behnisch-Klinik war. Sie waren ins Plaudern gekommen und dabei vergingen die letzten Minuten, die Maria immer als Zeitpuffer bis zu ihrem Arbeitsbeginn einplante. Die nette Ärztin war nicht nur die Leiterin der Pädiatrie in der Behnisch-Klinik, sondern auch die Ehefrau des Chefarztes Daniel Norden. Sie stieg mit ihr im Untergeschoss aus und stellte die Fragen, die so typisch für die einfühlsame Ärztin waren.
»Wie geht es denn Ihren beiden Kindern, Paul und Sandra?«, wollte sie wissen. Maria wusste, dass sich Frau Dr. Norden tatsächlich für ihre Antwort interessierte und die Frage nicht nur aus Höflichkeit stellte.
»Ach ganz gut, danke. Paul kommt im Gymnasium prima mit, er ist sogar bei den Klassenbesten dabei«, erklärte sie stolz.
»Das ist ja wunderbar«, freute sich Felicitas. »Er müsste doch jetzt schon fast 14 Jahre alt sein, oder?«
»Ja, richtig. Er ist jetzt 13. Und Sandra ist 11. Sie ist auch ganz gut in der Schule, aber sie hat leider nicht den Ehrgeiz ihres großen Bruders.«
»Sie wird ihren Weg gehen, glauben Sie mir, Maria. Das habe ich ja bei meinen fünf Kindern gesehen … obwohl die jüngsten bis jetzt noch nicht so genau wissen, was sie aus ihrem Leben machen wollen. Aber jetzt tut sich endlich was, ich denke die beiden entscheiden sich momentan für eine Richtung. Lassen Sie Sandra noch etwas Zeit, bei ihr wird der Knoten auch noch platzen und außerdem gebe ich Ihnen die Worte meiner Großtante mit auf den Weg, die immer gesagt hat, dass nicht jeder ein Professor werden kann.« Felicitas Norden lächelte bei ihren Worten.
Maria machte sich tatsächlich ein wenig Sorgen um ihre Tochter. Sandra brachte ihrer Meinung nach nicht genug Fleiß auf. Ihre Kinder mussten an den Nachmittagen alleine ihre Hausaufgaben machen, denn Maria war in dieser Zeit bei der Arbeit. Auf ihren Sohn Paul konnte sie sich immer verlassen, aber Sandra schwindelte sie schon hin und wieder mal an, wenn Maria beim Abendessen die Frage stellte, ob denn die Hausaufgaben gemacht seien.
»Die beiden sind mitten in der Pubertät, das muss man auch berücksichtigen.« Felicitas Worte taten Maria gut, trotzdem hatte sie jeden Nachmittag das ungute Gefühl, dass sie ihren Kindern nicht genug Aufmerksamkeit schenken konnte. Aber es nützte nichts. Maria musste arbeiten. Seit ihrer Scheidung vor einigen Jahren musste sie alleine für den Lebensunterhalt der kleinen Familie sorgen. Eine abgeschlossene Ausbildung hatte sie nicht, nicht einmal einen Schulabschluss konnte sie vorweisen. Als sie damals in der Behnisch-Klinik für den Putzdienst eingestellt wurde, war das für sie eine große Chance, die sie mit beiden Händen ergriff. Der Verdienst war nicht gerade üppig, aber zusammen mit den Unterhaltszahlungen ihres geschiedenen Mannes für die beiden gemeinsamen Kinder reichte das Geld, um über die Runden zu kommen.
Der Plausch mit Frau Dr. Norden hatte Maria zu viel Zeit gekostet. Sie war ohnehin erst knapp vor ihrem Dienstbeginn in die Klinik gekommen und nun musste sie sich sputen, um von ihrer Vorgesetzten, Frau Dabrowski, keine Ermahnung zu riskieren. Sie durfte auf keinen Fall ihre Arbeit verlieren. Sie wusste zwar, dass Zuverlässigkeit und Gründlichkeit beim Putzen zu ihren großen Stärken gehörten, die auch von ihrer Chefin sehr geschätzt wurden, sie wusste aber auch, dass ein Krankenhaus wie die Behnisch-Klinik unbedingt einen funktionierenden Servicebereich brauchte und dass die Anforderungen an die Mitarbeiterinnen deshalb sehr hoch waren.
Im Laufschritt eilte sie zur Inneren, wo sie heute eingesetzt war. Noch auf dem Weg band sie ihre schulterlangen Haare zu einem Pferdeschwanz zusammen und kontrollierte nochmal den Sitz ihres Arbeitskittels. Ein Blick auf ihre Armbanduhr jagte ihr einen Schrecken ein. Sie war drei Minuten zu spät!
»Ach, auch schon da?«, kommentierte Frau Dabrowski süffisant, als Maria mit gerötetem Gesicht und außer Atem im Putzraum der Inneren ankam.
Sie hatte nicht erwartet, dort auf ihre Chefin zu treffen und entschuldigte sich sofort. »Es tut mir leid, kommt nicht wieder vor«, stammelte sie. Dass sie mit Frau Dr. Norden im Gespräch die Zeit vertrödelt hatte, behielt sie für sich. Sie wollte die liebenswerte Ärztin nicht dafür verantwortlich machen, dass sie nicht genug Disziplin aufgebracht hatte. Sie hätte einfach sagen müssen, dass sie keine Zeit für einen Plausch hätte. Maria biss sich auf die Lippen. Da war es wieder, das Gefühl, in jeder Hinsicht unvollkommen zu sein.
»Ja, ist schon gut, Maria.« Frau Dabrowski hatte ihr offensichtlich angesehen, dass es Maria ehrlich leid tat. »So viel zu spät bist du ja nicht. Ich habe auf dich hier gewartet, weil du gleich etwas Dringendes erledigen musst. Bevor du die anderen Zimmer putzt, kümmerst du dich bitte zuerst um Zimmer 14. Da kommt heute ein Neuzugang, eine Verlegung von der Intensiv und das Zimmer ist erst heute frei geworden. Es muss sofort geputzt werden, hörst du? Dann erst ist die übliche Routine dran. Ich verlasse mich auf dich.« Damit war Frau Dabrowski auch schon wieder weg und Maria war erleichtert, dass ihre Chefin nur deswegen hier war, um ihr den Auftrag zu geben. Obwohl es noch nie einen Anlass dafür gegeben hätte, war Maria stets in Sorge, dass sie ihren Arbeitsplatz verlieren könnte.
Sie holte aus der hinteren Ecke ihren Putzwagen hervor und bestückte ihn sorgfältig mit allem, was sie benötigte. Putzmittel, Müllbeutel, Staubtuch, mehrere Einsätze für den Bodenwischer, Handschuhe, Desinfektionsmittel … Maria arbeitete hoch konzentriert, bis sie sicher war, alles dabei zu haben. Jetzt brauchte sie nur noch die beiden Wasserbehälter an ihrem Putzwagen mit heißem Wasser zu füllen, Putzmittel hineinzugeben und schon konnte es losgehen.
Sie schob den Wagen durch den langen Flur bis zum Zimmer 14 und begann unverzüglich mit ihrer Arbeit. Wenn der neue Patient von den Intensivstation hier ankam, musste alles fertig sein. Maria arbeitete zügig und wurde gerade in der Sekunde fertig, als Pfleger Tobias den Kopf durch die Tür steckte.
»Können wir?«, fragte er.
»Ja, bin fertig«, antwortete Maria erleichtert.
Pfleger Tobias öffnete beide Flügel der Zimmertür, damit das Bett durchpasste, das er nun zusammen mit Schwester Lore in das Zimmer schob. Der Patient sah ziemlich blass aus, fand Maria. Kein Wunder, dachte sie. Er kam ja als Verlegung von der Intensivstation. Aufmunternd lächelte sie den Mann an. Allerdings erhielt sie nicht die Reaktion, die sie erwartet hatte.
»Was soll denn der Putzwagen da draußen«, blaffte der Patient. »Und wer sind Sie?«, fuhr er die perplexe Maria an. »Die Putzfrau? Sind Sie gerade erst fertig geworden? Das heißt, der Fußboden ist noch feucht? Was ist, wenn jemand ausrutscht und stürzt?«
Maria war einiges gewöhnt. Sie wusste, dass Menschen oft unerwartet reagieren, wenn sie Angst oder Schmerzen haben. Aber derart angefahren zu werden, war für sie nun doch überraschend.
»Sie können doch gar nicht aufstehen, Herr Bornemann«, beschwichtigte Pfleger Tobias den aufgebrachten Patienten.
»Oh doch, ich könnte sehr wohl. Man hat es mir nur verboten. Frechheit ist das!« Der Patient hatte einen hochroten Kopf und war offensichtlich sehr aufgebracht.
»Nur zu Ihrem Besten, Herr Bornemann. Sie dürfen vorerst nur in Begleitung aufstehen. Sie haben eine schwere Operation am Herzen hinter sich, das vergessen Sie bitte nicht.« Pfleger Tobias redete beruhigend auf den Patienten ein, während er zusammen mit Schwester Lore das Bett in die richtige Position rückte, den Nachttisch daneben schob und die Tasche mit den Habseligkeiten des Patienten auf den Tisch stellte.
»Wir packen das später aus, Herr Bornemann. Oder bekommen Sie Besuch von Angehörigen? Dann könnten die das vielleicht erledigen?«, fragte Schwester Lore.
»Das wäre ja noch schöner. Demnächst sollen die Angehörigen auch noch das Bett beziehen und Essen mitbringen.«
Schwester Lore und Pfleger Tobias wechselten genervte Blicke. »Sie wissen sicher, dass wir Pflegekräfte immer unter Zeitdruck stehen, aber selbstverständlich versorgen wir unsere Patienten in allen Belangen. Dann gedulden Sie sich bitte ein wenig, wir kommen sofort wieder und räumen Ihre Sachen ein.«
»Soll ich vielleicht Ihre Reisetasche auspacken?«, bot Maria an.
Bevor Pfleger Tobias antworten konnte, regte sich Herr Bornemann schon wieder auf. »Sie?!«, schrie er. »Die Putzfrau hat hier Zugriff auf das Patienteneigentum? Das wird ja immer schöner.«
Das reichte Maria, um wortlos das Krankenzimmer zu verlassen. Sie hatte noch genug zu tun und beschloss, mit diesem unverschämten Patienten ihre Nerven nicht zu belasten und schon gar keine Zeit zu verschwenden.
Im Hinausgehen hörte sie noch, wie Schwester Lore den Patienten aufforderte, sich zu beruhigen. »Nach Ihrer Herzoperation ist Aufregung genau das Falsche«, sagte sie und verließ zusammen mit ihrem Kollegen ebenfalls das Zimmer. Draußen raunte sie Maria noch zu, sie solle sich das Ganze nicht zu Herzen nehmen. »Danke, dass Sie das Zimmer vorgezogen haben. Wir wissen, dass alles außerhalb der Routine den Zeitplan belastet. Aber Sie sehen ja wie schwierig der Patient ist. Wir wurden schon vorgewarnt, auf der Intensiv hat er die Kollegen auch schon ziemlich genervt. Nicht auszudenken, wie er reagiert hätte, wenn er im Bett liegend auf dem Flur hätte warten müssen.«
Maria nickte nur und winkte ab. Für sie war der Vorfall schon halb vergessen. Sie konzentrierte sich bereits auf das nächste Patientenzimmer, im dem zum Glück zwei sehr nette Damen lagen, die sich jeden Tag freuten, sie zu sehen und mit ihr sogar ein wenig plauderten.
*
»Na, mein liebes Feelein, wie hast du den Vormittag verbracht?« Der Chefarzt der Klinik, Dr. Daniel Norden hatte sich gefreut, als seine Frau ihn fragte, ob er Zeit für ein schnelles Mittagessen im Bistro der Klinik hätte. Ihre gemeinsame Zeit war knapp bemessen und obwohl er ständig unter Zeitdruck litt, nahm er sich für seine geliebte Frau sehr gern eine halbe Stunde für eine Pause frei.
»Ach, alles wie immer. Routine. Keine besonderen Vorkommnisse und das ist ja eigentlich eine gute Nachricht«, antwortete sie lächelnd. »Ich habe Maria Strauss getroffen und mit ihr ein wenig geplaudert. Stell dir vor, ihr Sohn ist bei den Klassenbesten in seinem Jahrgang. Immerhin geht er aufs Gymnasium, das ist schon sehr beachtlich.«
»Maria wer?«, fragte Daniel.
»Maria Strauss«, antwortete Felicitas, die von Familie und Freunden Fee genannt wurde. Sie amüsierte sich über ihren Mann, der sich zwar immer viel Mühe gab, es aber nie schaffte, wirklich alle Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen der Klinik mit Namen zu kennen. »Sie gehört zum Hausservice«, half sie ihm auf die Sprünge.
»Ah, ich erinnere mich. Sie ist so eine flinke Person. Immer freundlich und zuverlässig. Stimmt´s?«
»Genau. Und ihre Haare hat sie meistens zum Pferdeschwanz gebunden«, ergänzte Fee. »Anfang Dreißig schätze ich.«
»Und was war bei dem Gespräch so wichtig, dass du mir davon erzählen möchtest?«
»Ach eigentlich nichts. Ich war nur beeindruckt, wie sie ihr Leben im Griff hat und alles schafft. Die Situation ist für sie als Alleinerziehende ja nicht so ganz einfach. So etwas bewundere ich immer.«
Daniel tätschelte ihre Hand. »Du hast ja auch einiges gestemmt und tust es immer noch. Fünf Kinder sage ich nur, alle sind gut geraten. Und als ob das noch nicht reicht, bist du jetzt auch noch die Leitende Ärztin der Pädiatrie und leistest jeden Tag Großes!«, lobte er.
Fee lächelte glücklich. »Ja schon, aber weißt du, alle Frauen, die ihren Alltag meistern und dabei noch für ihre Familie da sind, leisten viel. Egal, ob sie einen Beruf haben oder nicht. Und dann gibt es ja noch das Engagement für die Gesellschaft. Da sind es ja auch oft die Frauen, die wichtige Arbeit leisten, zum Beispiel im Ehrenamt. Wir Frauen sind einfach Allround-Talente. Ach ich muss schon wieder zurück, die Pause ist vorbei.« Sie sprang auf, hauchte ihrem Mann einen Kuss auf die Stirn und eilte davon. Ihr Tablett mit dem leeren Teller ließ sie stehen. Daniel würde sich kümmern, das wusste sie.
Für den Weg zu ihrer Station nahm sie bewusst einen Umweg. Sie hatte heute einen Bürotag und saß die meiste Zeit auf ihrem Stuhl. Ein bisschen Bewegung tat ihr gut. Hätte sie, wie sonst, den direkten Weg und den Aufzug gewählt, wäre ihr der heftige Schlagabtausch entgangen, den sich auf der Inneren Schwester Lore mit einem Patienten lieferte. So aufgeregt hatte sie die sonst so besonnene Schwester selten erlebt. Es war nicht nur die Neugierde, die Fee aufmerksam werden ließ. Ein solches Verhalten war inakzeptabel und auch wenn sie nicht die leitende Ärztin der Inneren war, sondern Dr. Alexander Schön, fühlte sie sich verantwortlich.
»Was ist denn hier los?«, fragte sie, nachdem sie den langen Flur entlang geeilt war und nun vor der offenen Tür zu Zimmer 14 stand. Drinnen stritten sich lautstark Schwester Lore und der Patient.
»Nun hören Sie mir doch endlich mal zu«, rief Schwester Lore aufgebracht. »Ich packe Ihre Sachen sofort aus, aber nun wartet der Leitende Arzt auf mich. Er braucht mich zur Visite und wenn wir durch sind, packe ich Ihre Tasche aus. Das kann doch nicht so schwer sein, zu verstehen. Sie brauchen doch jetzt sowieso nichts von Ihrer Kleidung.«
»Ja, Sie brauchen es mir nicht immer wieder unter die Nase zu reiben!«, blaffte der Patient. »Das schreckliche Krankenhaushemd werde ich nicht länger tragen. Ich bestehe darauf, meinen eigenen Schlafanzug anziehen zu können. Mein Sohn hat gestern extra die Sachen gebracht und nun will ich mich umziehen. Helfen Sie mir!«, gab er im Befehlston an.
Schwester Lore bemerkte jetzt erst, dass Felicitas an der Tür stand. »Frau Doktor, bitte erklären Sie Herrn Bornemann, dass wir Pflegekräfte keine Kammerdiener sind!«, schrie sie.
»Schwester, Sie können zur Visite, ich übernehme hier«, gab Fee zurück. Diese Situation musste unbedingt entschärft werden. Auch wenn der Patient unangemessene Ansprüche zu haben schien, eine derart heftige Reaktion von Schwester Lore konnte nicht toleriert werden. Sie trat zur Seite, als Lore an ihr vorbeistampfte. Ihre Wut war nicht zu übersehen.
»Was ist denn los, Herr …«, sie schaute auf das Etikett am Fußende des Bettes, aber der Patient wartete nicht ab, bis sie den Namen lesen konnte.
»Bornemann! Horst Bornemann! Können Sie nicht lesen?«, fuhr er sie an.
»Doch, Herr Bornemann. Nun kenne ich ja Ihren Namen, vielen Dank, dass Sie sich mir vorgestellt haben. Ich bin Doktor Felicitas Norden, Leiterin der Pädiatrie.«
»Kinderklinik? Soll das ein Witz sein?«
»Keineswegs.« Fee blieb vollkommen ruhig. »Ich kam zufällig hier vorbei und dachte mir, dass meine Unterstützung vonnöten sein könnte.«
»Soso, na dann unterstützen Sie mich und räumen Sie meine Tasche aus, den Inhalt in den Schrank bitte und den blauen Schlafanzug zu mir. Anziehen kann ich ihn alleine.«
Fee rührte sich nicht vom Fleck. »Wie Ihnen unsere Schwester Lore ja schon ankündigte, wird sie, sobald sie Zeit dazu hat, Ihre Tasche auspacken. Gibt es sonst noch ein Problem?« Sie setzte ihr freundlichstes Lächeln auf und wandte ihren Blick nur für einen kurzen Moment ab, um das Geburtsdatum vom Etikett abzulesen. Demnach war der Patient beinahe 70 Jahre alt. Sie fand, er sah älter aus, aber das konnte auch an seiner Krankheit liegen.
»Darf ich fragen, was Sie zu uns geführt hat?«, fragte sie.