Die Luftschlacht um das Ruhrgebiet - Kilian Schneider - E-Book

Die Luftschlacht um das Ruhrgebiet E-Book

Kilian Schneider

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Beschreibung

DIE LUFTSCHLACHT UM DAS RUHRGEBIET Die Luftangriffe auf das Ruhrgebiet, die von der britischen Royal Air Force und den US Army Air Forces im Luftkrieg im Zweiten Weltkrieg geflogen wurden, hatten das Ziel, durch verschiedene Bomberoffensiven mit unterschiedlichen Strategien die Produktion und den Transport kriegswichtiger Güter in und aus dem Ruhrgebiet, der „Waffenschmiede des Reiches“, zu behindern. Darüber hinaus richteten sich die Angriffe gegen die Moral der Zivilbevölkerung in diesem Ballungszentrum. Dieses Werk beschreibt dieses gewaltige Ringen über dem Himmel des Deutschen Reichs. Es beschreibt Flugzeuge, Taktiken, Technik und Auswirkungen auf die Krieg führenden Parteien. Viele zeitgenössische Bilder ergänzen dieses Buch.

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Veröffentlichungsjahr: 2024

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Die Luftschlacht um das Ruhrgebiet

 

 

 

IMPRESSUMAutor: Kilian Schneider

 

Herausgeber: Juergen.PommersbergerHaendelstr 1793128 Regenstauf

[email protected]

 

 

 

 

Einleitung

 

Die Luftangriffe auf das Ruhrgebiet, die von der britischen Royal Air Force und den US Army Air Forces im Luftkrieg im Zweiten Weltkrieg geflogen wurden, hatten das Ziel, durch verschiedene Bomberoffensiven mit unterschiedlichen Strategien die Produktion und den Transport kriegswichtiger Güter in und aus dem Ruhrgebiet, der „Waffenschmiede des Reiches“, zu behindern. Darüber hinaus richteten sich die Angriffe gegen die Moral der Zivilbevölkerung in diesem Ballungszentrum.

 

Wegen der zentralen wirtschaftlichen Bedeutung waren erste Planungen zum Luftkrieg im Ruhrgebiet bereits zum Ende des Ersten Weltkriegs erfolgt. Die alliierten Bombardierungen beschränkten sich nicht ausschließlich auf den Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk, sondern umfassten die gesamte heutige Metropolregion Rhein-Ruhr. Das Flächenbombardement hatte seine Höhepunkte in den Jahren 1943 und 1944, so zum Beispiel in den fünf Monaten der Battle of the Ruhr (Schlacht um die Ruhr) des RAF Bomber Command. Nach dem Ruhrkessel und der Einnahme des Ruhrgebiets durch die US-Armee im April 1945 endeten die Luftangriffe. Zerstörung und Wiederaufbau hatten vielfältige, heute noch spürbare und teilweise intensiv diskutierte Auswirkungen.

 

Altlastenbeseitigungs- und Kampfmittelräumungsdienste sind bis zur Gegenwart mit den Folgen der Luftangriffe in der Region beschäftigt.

 

 

Vorspiel - Erster Weltkrieg

 

Der Erste Weltkrieg wurde von 1914 bis 1918 in Europa, dem Nahen Osten, Afrika und Ostasien geführt und forderte rund 17 Millionen Menschenleben. Der Krieg wurde zunächst zwischen den Mittelmächten und der Entente ausgetragen. Die machtpolitischen Gegensätze der europäischen Großmächte entluden sich nach einer enormen Aufrüstung. Zum Ende des Krieges befanden sich 25 Staaten und deren Kolonien, in denen insgesamt 1,35 Milliarden Menschen lebten, also etwa drei Viertel der damaligen Erdbevölkerung, im Kriegszustand. Im Hungerwinter 1916/17 war die Lebensmittelversorgung im Deutschen Kaiserreich katastrophal, worunter besonders die Menschen im Ballungsraum des Ruhrgebiets litten.

 

Tagesanlagen der Zeche Sterkrade um 1913: von Aspdin - Own work by uploader (own original personal amateur photograph by ancestor), CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=4331168

Luftangriffspläne im Ersten Weltkrieg

Bereits vor dem Ersten Weltkrieg galt das Ruhrgebiet als die Waffenschmiede des Deutschen Reiches. Die Familie Krupp und der Krupp-Konzern waren hierfür Synonyme. Die Kriegspläne der Entente sahen Langstreckenangriffe der Royal-Navy-Marineflieger und des Royal Flying Corps auf die deutsche Rüstungsindustrie im Rhein-Ruhr-Gebiet vor. So kam es 1914 in Köln und 1915 in Essen zu ersten Bombenabwürfen. Im Herbst 1916 entstanden Ansätze einer koordinierten Strategie gegen das Deutsche Reich, allerdings fehlten vorerst die technischen Möglichkeiten und organisatorischen Voraussetzungen zur Realisierung. Im April 1917 wurde mit der Royal Air Force (RAF) eine eigenständige Teilstreitkraft geschaffen, nicht zuletzt auch als Reaktion auf die folgenschweren Angriffe von Gotha-G.IV-Langstreckenbombern der kaiserlichen Luftstreitkräfte auf London. Das britische Kriegskabinett verabschiedete im Juli 1918 eine verbindliche Bombenangriffsstrategie, die eine hohe Zielpriorität für das Rhein-Ruhr-Gebiet beinhaltete. Man versprach sich hiervon auch Auswirkungen auf die Moral der deutschen Zivilbevölkerung. Die Zielpläne für das Ruhrgebiet enthielten einen Flugplatz in Gelsenkirchen-Rotthausen, Maschinenbaubetriebe in Duisburg und Rheinhausen, zwei große Stahlwerke in Dortmund, je ein weiteres in Oberhausen, Hagen und Mülheim. Die Akkumulatoren Fabrik (heute VARTA) in Hagen, die Essener Werke der Friedrich Krupp AG und die Hasper Hütte erhielten als Lieferanten zum U-Boot-Bau eine sehr hohe Zielpriorität.

 

Im November 1918 wurde die Eröffnung einer umfassenden Luftoffensive mit schweren Bombern beschlossen, die im ersten Quartal 1919 neben dem Rhein-Ruhr-Gebiet auch Berlin zum Angriffsziel haben sollte. Der Aufbau einer schlagkräftigen Luftflotte wurde durch die für Langstreckenflüge noch unausgereifte Doppeldecker-Technologie erschwert. Diskussionen über die völkerrechtlichen Fragen der Luftkriegskonzepte, die den Abwurf von Bomben auf bevölkerungsreiche Städte vorsahen, wirkten sich ähnlich auf die militärische Umsetzung der Pläne aus. Der Waffenstillstand am 11. November 1918 brachte die Operationen zum Erliegen. Der von der RAF 1918 in Dienst gestellte Bomber Handley Page H.P.15 kam nicht mehr zum Einsatz.

 

Britischer Bomber Handley Page H.P.15

 

Luftverteidigung

Die militärische Führung des Deutschen Reiches traf ab 1915 verstärkt Vorbereitungen gegen Luftangriffe auf das Rhein-Ruhr-Gebiet. Ab Sommer 1916 wurde die Bevölkerung der gefährdeten Städte durch die Presse und große Plakate zu „luftschutzgemäßem Verhalten“ aufgefordert. Im Frühjahr 1917 kam es zu ersten Verdunkelungsmaßnahmen, deren Einhaltung das Luftschiff LZ 93 der Kaiserlichen Marine im Mai mehrmals überprüfte. Im September 1917 ordnete das VII. Armeekorps Münster eine generelle nächtliche Verdunklung für die Städte und Industrie- und Verkehrsanlagen am Rhein sowie im westlichen Ruhrgebiet an.

 

Die Stationierung von Flugabwehr-Einheiten und Jagdflieger-Verbänden erhielt hohe Priorität. Im Jahre 1917 wurden in Essen, Dortmund und Düsseldorf drei Flugabwehrkanonengruppen stationiert, die per telefonischer Feuerleitung mit den wichtigsten Industrie-, Verkehrs- und Kommunalbetrieben in ihren Regionen verbunden waren. Ein umfassendes System von Alarmierungseinrichtungen erstreckte sich über das Ruhrgebiet und die angrenzenden Regionen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Zwischenkriegszeit

 

Aus der Novemberrevolution am Ende des Ersten Weltkrieges ging die Weimarer Republik hervor. Die Ruhrbesetzung war 1923 der Höhepunkt eines politisch-militärischen Konfliktes zwischen dem Deutschen Reich und belgisch-französischen Besatzungstruppen.

 

 

Im Jahr 1932 erreichte die Weltwirtschaftskrise ihren Höhepunkt, und die Arbeitslosenquote im Ruhrgebiet stieg auf 31,2 Prozent. Seit Beginn der Krise 1929 war die exportorientierte Produktion der Montanindustrie von Eisen, Stahl und Kohle um etwa 60 Prozent eingebrochen. Im Januar 1933 gelang es den Nationalsozialisten unter der Führung Adolf Hitlers die Regierungsgeschäfte zu übernehmen. Es folgte eine Umwandlung der Weimarer Republik in eine Diktatur.

 

 

 

Das Ruhrgebiet

 

Im Allgemeinen sind die Grenzen des Ruhrgebiets auf den im Jahr 1920 gegründeten Siedlungsverband Ruhrkohlenbezirk zurückzuführen, den heutigen Regionalverband Ruhr. Die regionale ökonomische Strukturierung des Ruhrgebiets wird in der Literatur unterschiedlich gesehen, daher sind die genauen Grenzen interpretationsabhängig.

 

Von Threedots (Daniel Ullrich), CC BY-SA 3.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=24871

 

Das Ruhrgebiet wird dort oft als Regierungsbezirk Arnsberg und Regierungsbezirk Düsseldorf (der „Schreibtisch des Ruhrgebiets“) definiert, wobei hier das im Regierungsbezirk Münster liegende rheinisch-westfälische Industriegebiet nicht berücksichtigt wird, aber ganz anders strukturierte Regionen am Niederrhein und im Bergischen Land mit einbezogen werden. Die nördlichen Ausläufer der Kölner Bucht reichen bis in das westliche Ruhrgebiet, und obwohl Köln und Düsseldorf nicht im Ruhrgebiet liegen, waren sie Teil und Ziel derselben regionalen alliierten Luftkampagnen.

 

Panzerproduktion

Von Bundesarchiv, Bild 183-L04352 / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=5434827

 

Das Ruhrgebiet spielte eine bedeutende Rolle in der Wirtschaft im nationalsozialistischen Deutschen Reich. Der Montanverbund, die Konzentration von Montanindustrie und Rohstoffvorkommen, sowie das einhergehende dichte Netz von Verkehrswegen an Rhein und Ruhr und die exponierte Lage des Ballungsraums in Reichweite der feindlichen Bomberflotten wurde von der deutschen Führung im Hinblick auf die militärische Sicherung kritisch gesehen. Hitler betonte am 23. November 1939 vor den Oberbefehlshabern im Vorfeld des Angriffs auf Frankreich:

 

„Hinter der Armee steht die stärkste Rüstungsindustrie der Welt. […] Wir haben eine Achillesferse; das Ruhrgebiet. Vom Besitz des Ruhrgebietes hängt die Kriegsführung ab. Wenn England und Frankreich durch Belgien und Holland in das Ruhrgebiet vorstoßen, sind wir in höchster Gefahr. Das könnte zum Erlahmen des deutschen Widerstandes führen.“

 

Das Heereswaffenregiment hatte bereits im Jahr 1933 festgestellt, dass das ab Dezember dieses Jahres geplante „63-Divisionen-Kriegsheer ohne das Ruhrgebiet überhaupt nicht lebensfähig“ sei. Ab 1934 trat das Ruhrgebiet mit dem Ruf eines Grundstoff- und Halbzeuglieferanten im Zuge der Aufrüstung der Wehrmacht und der Wehrhaftmachung der deutschen Wirtschaft in den Fokus der Rüstungsbeschleunigung. Der Vierjahresplan forderte die Einsatzfähigkeit der deutschen Armee und die Kriegsfähigkeit der deutschen Wirtschaft in vier Jahren. Im Rahmen der Autarkiepolitik erlebte auch die chemische Industrie im Ruhrgebiet eine Hochphase. Deutschland sollte mit synthetischen Stoffen auf Kohlebasis vor allem in den Bereichen Treib- und Schmierstoffe, Textilfasern und Kautschuk sowie Ersatzstoffe für Metall (Kunststoffe) unabhängig gemacht werden.

 

Die Eisen- und Stahlindustrie konnte gegenüber dem Produktionstief der Weltwirtschaftskrise ihre Produktion bis 1939 mehr als verdreifachen. Der Eisenerzbedarf der Stahlwerke an der Ruhr wurde zu fast drei Vierteln durch Importe aus Schweden gedeckt, mit einem Volumen von 11 Millionen Tonnen im Jahr 1939. Fritz Thyssen bemerkte in einem vertraulichen Bericht an Hitler und Göring, dass der Ausgang des Krieges vom Eisenerz in Nordschweden abhängig sei. Zwischen 1935 und 1938 steigerte sich die Roheisenproduktion von 9,9 auf 10,2 Millionen Tonnen, und die Rohstahlproduktion von 10,7 auf 12,6 Millionen Tonnen. Die Rüstungsausgaben wurden wesentlich erhöht, und die Zahl der Rüstungsbetriebe im Ruhrgebiet stieg stark an; es wurden unter anderem Munition, Fliegerbomben, Minen, Infanteriewaffen aller Art, Ausrüstung für Soldaten, Teile für den Schiffbau, Abwurfgeräte für die Luftwaffe, Halbzeuge und Spezialstahl für Kampfflugzeuge und Panzer (ohne Motoren und Geschützvorrichtungen) gefertigt.

 

Rüstungsproduktion, Frauenarbeit an Bohrmaschinen

Von Bundesarchiv, Bild 146-1981-023-18A / Kisselbach / CC-BY-SA 3.0, CC BY-SA 3.0 de, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=5419216

 

Die Rüstungsabhängigkeit der Wirtschaft im Ruhrgebiet lag bei 70 Prozent. Berlin hatte mit 20,2 Prozent den größten Anteil an den Aufträgen der Wehrmacht, das Ruhrgebiet lag bei 15,3 Prozent. Die auch bei den Alliierten verbreitete Vorstellung vom Ruhrgebiet als zentraler Waffenschmiede des Dritten Reiches beruhte unter anderem auf den Erfolgen der Firma Friedrich Krupp AG beim Export von Waffen und Stahlprodukten seit der Mitte des 19. Jahrhunderts. Dieser Begriff wurde im September 1937 während eines Staatsbesuch des italienischen Ministerpräsidenten Benito Mussolini weiter geprägt. Hitler besuchte mit dem Verbündeten am 27. September die Krupp-Werke in Essen, wo 70.000 Menschen für den Führer und den Duce anlässlich der Besichtigung der Geschütz- und Panzerproduktion Spalier standen. Das Hotel Handelshof war mit einem Spruchband geschmückt worden: „Herzlich willkommen in der Waffenschmiede des Reiches“.

 

 

Kriegswichtige Unternehmen

 

AFA, die spätere VARTA AG – Batterien für U-Boote, Torpedos, Flugzeuge und Raketen

 

Bayer (Kautschuk, Öl- und Schmierstoffe, Gase) und Chemische Werke Hüls (Buna) im Verbund der I.G. Farben

 

Firmen des Flick-Konzerns – Stahl, Kohle, Rüstungsgüter

 

Gutehoffnungshütte – Stahl, Brückenbauten, Dieselmotoren für Schiffe der Kriegs- und Handelsmarine

 

Hoesch – Stahl- und Montanunternehmen

 

Klöckner – Panzer, Lkw, Kettenfahrzeuge

 

Mannesmann – Erz- und Kohlezechen, Stahlproduktionen, Maschinenbau

Rheinmetall (Gepanzerte Fahrzeuge, Artilleriesysteme) wurde während des Zweiten Weltkriegs verstaatlicht und in die Reichswerke Hermann Göring integriert.

 

Rheinmetall Werk Düsseldorf, 1922

 

Die Vereinigten Stahlwerke VESTAG entstanden 1926 durch die Fusion der Thyssen-Gruppe (Anteil 26 Prozent), der Phönix-Gruppe (Anteil 26 Prozent), der Rheinischen Stahlwerke (Anteil 8,5 Prozent) sowie den Unternehmen der zur Rhein-Elbe-Union gehörenden Deutsch-Luxemburgische Bergwerks- und Hütten-AG, Bochumer Verein und Gelsenkirchener Bergwerks-AG (Anteile zusammen 39,5 Prozent). Das Unternehmen gehörte in den 1930er Jahren zu den größten deutschen Konzernen und galt zeitweise als größter Stahl-Konzern Europas und zweitgrößter Stahlkonzern der Welt. Der Konzern beschäftigte zwischenzeitlich über 250.000 Beschäftigte, produzierte rund 40 Prozent des im Deutschen Reich hergestellten Stahls und förderte über 20 Prozent der deutschen Kohle.

 

Viele Vorstände und Aufsichtsräte waren in der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei gut vernetzt, während andere, teils jüdischer Abstammung, den Nationalsozialisten kritisch gegenüberstanden. Die Ruhrlade (eine Interessenvereinigung der zwölf einflussreichsten Ruhrindustriellen) beherrschte nicht selten das wirtschaftliche und politische Geschehen dieser Zeit. 27 Industrielle, darunter einige aus der Region an Rhein und Ruhr, fanden sich zu einem Geheimtreffen im Februar 1933 mit Adolf Hitler zur Finanzierung des Wahlkampfes der NSDAP ein. Die Vorstellungen der Industriellen an Rhein und Ruhr gingen nicht von einer unbegrenzten heimischen Hochrüstung aus, sie waren eher an der Freigabe der lukrativen Rüstungsexporte interessiert. Einige der Industriellen profitierten außerdem von der von den Nationalsozialisten betriebenen Arisierung.

 

 

Der Ruhr-Plan 1937–1939

Bereits 1935 wurde in Großbritannien das Bomber Command der RAF als offensive Luftstreitmacht im Hinblick auf eine zu befürchtende militärische Auseinandersetzung mit dem Deutschen Reich gegründet. Bis zum Beginn des Zweiten Weltkriegs im September 1939 wurden einige britische Bombardierungspläne erstellt, darunter auch der sogenannte Ruhr-Plan. Dieser sah Angriffe auf 19 Elektrizitätswerke und 22 Kokereien im Rhein-Ruhr-Gebiet vor, so zum Beispiel das Pumpspeicherkraftwerk Koepchenwerk am Hengsteysee bei Hagen, das Gersteinwerk an der Lippe bei Werne und das Kraftwerk Dortmund der Vereinigten Elektrizitätswerke Westfalen (VEW). Auch der Bahnhof Hamm, der Rangierbahnhof in Schwerte, der Hauptbahnhof Duisburg, der Duisburger Hafen, der Hafen Dortmund, und mehrere Stahlwerke an Rhein und Ruhr waren bereits 1937 und 1938 potentielle Ziele der RAF.

 

Der Hafen von Dortmund – um 1920

 

Die Rüstungsindustrie im Rhein-Ruhr-Gebiet sollte im Falle eines militärischen Konflikts mit dem Deutschen Reich durch massive Luftangriffe schnellstmöglich ausgeschaltet werden, um so die Angriffskraft der deutschen Truppen gegen Frankreich zu schwächen. Allerdings überschätzten die britischen Zielplaner dieses Konzept, da es im Sommer 1939 noch an Maschinen, Personal und geeigneten Bomben zur Durchführung des Western Air Plans fehlte.

 

 

 

 

Zweiter Weltkrieg / Politische Situation

 

Nach dem deutschen Überfall auf Polen am 1. September 1939 erklärten Frankreich und das Vereinigte Königreich am 3. September Deutschland den Krieg. In dieser Nacht konnte die deutsche Flugabwehr nicht verhindern, dass 19 zweimotorige schwere Armstrong-Whitworth-Whitley-Bomber Flugblätter abwarfen und militärische Aufklärung betrieben.

 

Armstrong Whitworth Whitley Mk.V

 

Über dem Rheinland und dem Ruhrgebiet wurden Millionen von Flugblättern mit dem Titel Warnung – Großbritannien an das deutsche Volk abgeworfen. Im Vorfeld hatte der oft großspurig auftretende Reichsminister der Luftfahrt Hermann Göring noch am 9. August 1939 in Essen versprochen, dass das Ruhrgebiet „nicht einer einzigen Bombe feindlicher Flieger ausgeliefert“ und er sich persönlich um jede zusätzliche Flakbatterie kümmern würde, die im Ruhrgebiet zum Einsatz kommen sollte. Von ihm stammt auch die vollmundige Aussage, er wolle Meier heißen, wenn es einem feindlichen Bomber gelänge, Bomben auf das Reichsgebiet abzuwerfen. Zum Leidwesen der deutschen Bevölkerung wurde er schon bald Lügen gestraft.

 

Die britischen Lufteinsätze, unter anderem mit Bristol-Blenheim- und Vickers-Wellington-Bombern, beschränkten sich bis in den Winter 1939/40 im Wesentlichen auf Aufklärungsflüge und einzelne Bombereinsätze auf deutsche Marineziele. Sie zeigten aber, dass die Planungen zur Luftkriegsführung bisher unzureichend gewesen waren.

 

Bristol Blenheim Mk IV Bolingbroke

Erste größere Luftangriffe bei Tag, wie am 18. Dezember 1939 gegen den Marinestützpunkt Wilhelmshaven, waren verlustreich für das Bomber Command. Angriffe bei Nacht boten einen besseren Schutz vor der deutschen Jagdabwehr und Flak, allerdings bewirkte die Verdunkelung des Deutschen Reichs Probleme bei der Navigation und Orientierung. Diese Phase des Krieges wurde auch als Phoney War oder Sitzkrieg bezeichnet.

 

London, 7. September 1940

 

Die deutschen Luftangriffe auf Wieluń, Frampol und Warschau in Polen 1939 gelten als die ersten Flächenbombardements im Zweiten Weltkrieg. Den Bombenkrieg auf gegnerische Städte im Westen eröffnete das Deutsche Reich unter anderem

 

- mit dem Luftangriff auf Rotterdam am 14. Mai 1940 (800 bis 900 Tote, 80.000 Obdachlose; einen Tag später kapitulierten die Niederlande),

- den Luftangriffen auf Coventry am 14. November 1940 und 8. April 1941 (1236 Tote, 1746 Verletzte) und

- dem Blitz auf London zwischen August / September 1940 bis Mai 1941 (insgesamt etwa 43.000 Tote bei deutschen Luftangriffen auf London, Hunderttausende obdachlos).

 

Die Briten verteidigten sich jedoch erfolgreich gegen die angekündigte deutsche Invasion, das Unternehmen Seelöwe. Unter anderem dank ihrer Luftüberlegenheit behielten sie in der Luftschlacht um England die Oberhand.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Beginn des strategischen Bombenkriegs

 

Winston Churchill bildete am 10. Mai 1940 eine Allparteienregierung unter Einschluss der Labour Party. Er übernahm neben dem Amt des Premierministers auch das des Kriegsministers. Die britische Luftkriegsführung wurde im Sommer 1940 wesentlich offensiver. Churchill sah nach der Kapitulation Frankreichs in den Luftangriffen das einzige Mittel Großbritanniens den Krieg in das deutsche Reichsgebiet zu tragen.

 

Das britische Air Ministry verfolgte 1940 und 1941 das Konzept von Angriffen einzelner Flugzeuge und kleiner Bomberverbände. Unmittelbar nach dem Beginn des deutschen Westfeldzuges am 10. Mai 1940 begannen die nächtlichen Luftangriffe auf das Rhein-Ruhr-Gebiet. Beim ersten großen Schlag gegen das Ruhrgebiet in der Nacht vom 15. auf den 16. Mai 1940 zielten die 99 britischen Flugzeuge vor allem auf die Hydrierwerke zur Kohleverflüssigung in Oberhausen, Castrop-Rauxel, Wanne-Eickel, Dortmund, Gelsenkirchen und Bottrop. Von Mai bis in den Winter 1940/1941 waren die Verschiebebahnhöfe in Hamm, Soest, Schwerte, Osnabrück, Münster, Duisburg, Köln und Düsseldorf zusammen mit Hydrierwerken, Kokereien, Flugzeugwerken und anderen Betrieben der Rüstungsindustrie, vor allem die Krupp-Werke in Essen, wiederholt Ziel britischer Luftangriffe. Die Luftangriffe gegen das Deutsche Reich und besonders das Rhein-Ruhr-Gebiet fanden Nacht für Nacht bis in den Winter 1940/1941 statt. Die Bombardierungen führten tatsächlich zu schweren Sachschäden in Industriebetrieben, die aber 1940 und 1941 relativ geringe Produktionsverluste zur Folge hatten.

Angriffsverbände

Im Winter 1940/41 wurde die bisherige Taktik, einzelne Flugzeuge und kleinere Verbände gegen einzelne Ziele zu senden, aufgegeben. Seit Januar 1941 ging das Bomber Command in größeren geschlossenen Angriffsverbänden gegen Einzelziele vor, wodurch eine größere Schadenswirkung erzielt werden sollte; eine Taktik, welche auch die deutsche Luftwaffe in ihren Angriffen auf britische Städte anwandte. 135 britische Flugzeuge bombardierten in der Nacht vom 9. auf den 10. Januar 1941 im geschlossenen Verband die Hydrierwerke Scholven und Gelsenberg bei Gelsenkirchen. Doch auch diese Operation konnte, wie schon die über 30 vorausgegangenen Angriffe, nur geringe Schäden anrichten.

 

Zielmarkierer De Havilland DH.98 Mosquito

Allerdings zeigte sich ein erneuter Angriff auf Gelsenkirchen am 14./15. März 1941 als wesentlich erfolgreicher. Nachdem das Hydrierwerk Scholven von zahlreichen Spreng- und Brandbomben getroffen wurde, war es für zwei Wochen teilweise lahmgelegt. Dieses Ergebnis zählte für das Bomber Command zu den Ausnahmen. Bereits Ende 1940 wurde ein Plan zur Ausschaltung der deutschen Hydrierwerke ausgearbeitet, aber bis 1944 zugunsten der Flächenbombardierungen ad acta gelegt. Bei der Abkehr von Industriezielen kamen verschiedene Faktoren zum Tragen. In der Rhein-Ruhr-Region erschwerte oft eine dichte wolkenartige Schicht aus Industriesmog und Bodennebel gezielte Angriffe aus der Luft, die unter Nachtflugbedingungen so zusätzlich erschwert wurden. Bis zur Einführung von Radar und Funkleitverfahren 1942 war diese sogenannte Tarnkappe über dem Rhein-Ruhr-Gebiet für die britischen Bomber ein erheblich größeres Hindernis als die massive Abwehr durch Flak-Batterien in dieser Region.

 

 

Hinwendung zu Flächenangriffen

Auf dem europäischen Kriegsschauplatz ergab sich durch das Unternehmen Barbarossa, den deutschen Überfall auf die Sowjetunion am 22. Juni 1941, eine neue politische und strategische Situation. Churchill wollte dem neuen sowjetischen Verbündeten glaubwürdige Erfolge der bis dahin wenig erfolgreichen britischen Luftkriegsführung gegen Deutschland demonstrieren. Das westdeutsche Eisenbahnnetz wurde Ziel der Transport Directive (deutsch Verkehrs-Direktive) vom 9. Juli 1941, wodurch der Nachschubverkehr zwischen Westdeutschland und der damals auf dem östlichen Kriegsschauplatz noch erfolgreichen deutschen Wehrmacht behindert werden sollte. Wie schon die Atlantic Directive vom März 1941, in der auch naval targets (deutsch zur Marine gehörige Ziele) im Binnenland wie Hagen, Mannheim, Stuttgart und Köln aufgenommen wurden, legte auch die Transport Directive fest, dass mit den Bombardierungen auch die Kriegsmoral der Bevölkerung in den Städten getroffen werden sollte. Ab Juni 1941 griff das Bomber Command verstärkt Eisenbahnanlagen in Westdeutschland an, mit operativem Fokus auf wichtige Eisenbahnzentren wie Köln, Düsseldorf, Duisburg, Hamm, Soest, Osnabrück und Schwerte.

 

Bahnhof Hamm – das alte Empfangsgebäude (1906)

 

Das Bomber Command musste sich aber wegen der damals noch unzureichenden elektronischen Navigations- und Zielfindungsverfahren vor allem auf Angriffe gegen Städte im Rheinland beschränken. Im Sommer und Herbst 1941 wurden zum Beispiel Köln, Düsseldorf und Duisburg mehrfach bombardiert. Die Stadt Hamm mit ihrem großen Verschiebebahnhof, und die ebenfalls hoch eingestuften Eisenbahnanlagen von Schwerte und Soest wurden hingegen zu dieser Zeit nur selten angeflogen.

 

Das Bomber Command war zu Kriegsbeginn aufgrund der fehlenden Erfahrungswerte davon ausgegangen, mit nur 240 zweimotorigen schweren Bombern die gesamte deutsche Treibstoffversorgung und die eisenbahngestützte Verkehrsinfrastruktur des Ruhrgebietes ausschalten zu können. Nach den Ansichten von Air Marshal Ludlow-Hewitt aus dem Jahr 1938 war eine Ausschaltung der Elektrizitätsversorgung des Ruhrgebietes binnen vier Nächten bei 1.500 Einsätzen und 88 Verlusten möglich. Dabei wurde davon ausgegangen, dass eine 500-Pfund-Bombe ausreichen würde, um ein 100 m × 100 m großes Gebäude zu zerstören. Die deutsche Luftwaffenführung ging von der vierfachen Bombenmenge aus um ein solches Gebäude zerstören zu können. Die Angriffe auf Industrie und Großstädte im Rhein-Ruhr-Gebiet erwiesen sich nicht als so erfolgreich wie von den Planern erhofft. Bis Anfang 1942 standen die Auswirkungen der britischen Luftangriffe in keinem Verhältnis zum materiellen Aufwand und den Personalverlusten. Der Butt-Report bestätigte diese Sicht durch detaillierte Auswertungen von Angriffs- und Aufklärungsfotos im August 1941. Nur bei einem Viertel der nächtlichen Einsätze über Deutschland trafen die Bomben ihre Ziele innerhalb eines Radius von fünf Meilen, im Ruhrgebiet sogar nur bei einem Zehntel. Der Bericht berücksichtigte nicht die Einsätze, bei denen Bomben auf Grund von Versagen der Ausrüstung, Feindeinwirkung, Wetter, oder Verirren der Piloten nicht abgeworfen werden konnte. Unter Einbeziehung dieser Daten trafen insgesamt nur 5 Prozent der Bomber ihre Ziele.

---ENDE DER LESEPROBE---