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Khalfani hat es geschafft und sitzt auf den Thron. Ägypten erblüht wieder in seiner alten Pracht und doch verändert der Pharao sich grundlegend. Er lässt alle Kreaturen, Magier und Drachen gleichermaßen, in Ketten legen oder töten und stürzt sein Land erneut in Chaos. Als die Wüstenwinde auch noch komplett vernichtet werden, sehen die Drachen keinen anderen Weg, als Kalil um Hilfe zu rufen. Sie hoffen, dass der kleine Dieb den Pharao wieder zur Vernunft bringt.
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Inhaltsverzeichnis
Kapitel 1: Der Dieb und der Pharao
Kapitel 2: Der rote Magier
Kapitel 3: Die Mär vom Drachen und dem Magier
Kapitel 4: „... denn er weiß nicht, was er tut!“
Kapitel 5: „... wenn du stirbst, wirst du wieder als Südwind frei sein.“
Kapitel 6: Im Dunkeln liegt der Weg derer...
Kapitel 7: ... denen im finsteren Chaos das Leben geschenkt wurde
Kapitel 8: Die Zeit steht still
Quellennachweis
Impressum
Eine Handvoll Männer brachten ihre schweiß überströmten Pferde vor dem Wasser in dem Felsental zum Stehen. Andere Männer kamen angerannt und versorgten die Tiere, welche einfach nur am Ende ihrer Kräfte waren.
Es war das Tal der Wüstenwinde. Seth war einer der soeben angekommenen Reitern. Er war hundemüde und am Ende seiner Kräfte.
Seit drei Monaten machten die Truppen des Pharaos... oder halt Männer im Namen des Pharaos Jagd auf die Wüstenwinde. Sämtliche Verstecke bis auf das Felsental und ein Tal tief im Gebirge im Gebiet der Drachen waren zerstört wurden. Seth hatte auch sehr viele Männer verloren. Von ursprünglich fünfunddreißig Leuten zählte er nur noch ganze Fünfzehn! Es war schrecklich!
Der Machtwechsel war jetzt nun zwei Jahre her. Es ging alles ganz schnell und unkompliziert, dank Issas Vorbereitungen. Seth hatte Khalfani noch fast ein halbes Jahr lang unterstützt, bis er sich zurück zog. Khalfani hatte eine sehr schwere Last. Er reiste ununterbrochen durch das Land, um seinen Untertanen Mut zuzusprechen, den Schaden zu begutachten, den Ramses verursacht hatte und seine Feinde im Keim zu vernichten. Wie viele Attentate gab es auf den Pharao! Und nur sehr langsam gewann Khalfani die Oberhand über seine Feinde.
Erst jetzt im zweiten Jahr seiner Regentschaft erkannte man die ersten Früchte seiner harten Arbeit: Die Landwirtschaft florierte, die Kornkammern füllten sich und das einfach Volk feierte wieder ausgelassen Feste.
Und nun schien es, dass sich wieder Feinde und Verräter als Vertraute des Pharaos eingeschlichen haben. Denn diese organisierten Raubüberfälle auf die Leute Khalfanis und ließen es wie das Werk der Wüstenwinde aussehen. Lange hatte der Pharao seine Hand schützend über Seth und seine Leute gehalten, doch schien es, dass die Hand langsam ermüdete.
Denn seit drei Monaten wurden die Attacken immer heftiger und grausamer. Khalfani hatte versprochen, immer ein Ohr und Hilfe für Seth übrig zu haben. Und so hatte dieser, sich darauf verlassend, seinen besten Reiter als Boten zu dem Pharao geschickt.
Leise verfluchte Seth, dass er Kalil seit nun über zwei Jahren nicht mehr gesehen hatte. Denn er war eigentlich der beste Reiter im ganzen Land! Und, wie er von dem weißen Drachen gehört hatte, auch mittlerweile ein sehr anerkannter, zuverlässiger und vertrauenswürdiger Bote. Er hatte sogar zwei Aufträge vom Hof erhalten gehabt. Allerdings war Kalil nie direkt in die Nähe des Pharaos gekommen. Wo allerdings Seth glaubte, dass Kalil es nicht wollte. Es reichte dem Kleinen wohl vollkommen zu, dass er wieder ein normaler Mensch sein durfte und nicht mehr sein Brot mit Raub oder Diebstahl verdienen musste.
Seth verzog sich in die kühle Höhle, aß und trank eine Kleinigkeit und legte sich hin. Er wollte noch etwas schlafen. Sein Bote musste eigentlich jeden Augenblick zurückkommen.
Seth schreckte hoch, als er laute Stimmen und empörte Rufe hörte. Was war los? Er erhob sich und trat aus der Höhle. Sein Bote war angekommen. Als er jedoch sah, wie dieser mit zusammengekniffenen Lippen direkt auf Seth zusteuerte, ahnte er nichts Gutes.
„Und?“, kam er daher gleich zur Sache.
„Keine Chance! Sie haben den Verstand des Pharaos so sehr vernebelt, man kommt nicht mehr durch. Er gab mir mit auf den Weg, dass wir unsere Tätigkeiten einstellen und ihm öffentlich Treue schwören sollen, damit wir wieder ungeschoren leben können. – Außerdem hat er beschlossen sämtliche Drachen in Ketten zu legen – oder zu töten!“
Seth starrte sein Gegenüber an. Hatte er richtig gehört?
„Wir reden aber von Khalfani? – Wieso sollte er auf einmal so grausam sein?“
„Ich weiß es nicht. Ich habe es auch eigentlich Issa zu verdanken, dass ich heil aus der Stadt gekommen bin. Khalfani hätte mich fast in den Kerker werfen lassen. Dein Weißer ist geblieben. Er meinte, er wolle versuchen Khalfani wieder zur Vernunft zu bringen und ihm die Augen über seine wahren Feinde zu öffnen. Außerdem hat dein Weißer den Rotauge losgeschickt, dass er Kalil in die Stadt bringen soll!“
Seth wurde blass. Sein Weißer... Ein Drache... griff ein! Und er hat sogar Kalil bestellt. Sollte alles umsonst gewesen sein? War Khalfani gar nicht der Pharao, von dem die Mythen erzählten? Sollte er wirklich nur...
Seth schüttelte den Kopf. Sie mussten einen Weg finden, die falschen Berater zu vernichten, bevor es zu spät war. Und dazu musste er mit seinem Drachen reden! Seth gab rundum Befehle, suchte sich ein frisches Pferd und jagte auch schon davon – in das Hoheitsgebiet und die Stadt des Pharaos!
„Hallo Kalil,
da ich leider nicht weiß, wo du dich aufhältst, lass ich dir folgendes nun durch diese Zeilen bestellen:
Der Machtwechsel ist sehr leicht vonstatten gegangen und ganz ohne Blutvergießen. Natürlich beginnt die eigentliche Arbeit jetzt erst. Wir müssen durch das Land reisen und alles wieder aufbauen.
Ich wollte dir mit diesem Schreiben sagen, dass du aus deinen Schattendasein austreten kannst. Du kannst wieder normal leben. Ich habe dich als Boten bei den hofeigenen Priestern empfohlen. Also du kannst jederzeit als Bote oder Kundschafter nun dein Geld verdienen.
Ich vermisse dich, mein kleiner Dieb! Und es würde mich freuen, wenn es dich mal an den Hof des Pharaos verschlagen würde.
Falls du jemals Hilfe benötigen solltest, dann kannst du sie jederzeit bei mir anfordern.
Sharif“
Kalil lag unterm Sternenhimmel am Ufer des Nils, als er diese Zeilen zum wiederholten Male in den Händen hielt und durchlas. Er hatte diesen Brief seit nun fast zwei Jahren und jedes Mal, wenn er Sehnsucht nach Sharif hatte, las er sich ihn durch. Er hatte dann das Gefühl, dass der Ältere neben ihn sitzen würde.
Der junge Mann hatte einen Auftrag erledigt gehabt - er musste ein Paket voller Diamanten nach Alexandria bringen – und war nun wieder auf den Rückweg. Dies war die letzte Nacht am Nil. Morgen würde er die weite Wüste betreten. Eigentlich könnte er ja an dem großen Strom bleiben, aber durch den Wüstenritt würde er drei Wochen einsparen. Und Kalil hatte sich fest vorgenommen an den Königshof zu reiten und Sharif endlich zu besuchen. Vielleicht bekam er ja auch eine Audienz beim Pharao.
Wie aus der Ferne vernahm er das freudig aufgebrachte Fiepen und Surren von Riu. Was war los? Mühsam versuchte sich Kalil aus dem Land der Träume zu kämpfen. Ein sanftes Knurren erklang und dann war wieder Ruhe. So fiel er wieder in Tiefschlaf. Irgendwann jedoch wurde er durch das Gurren von Riu geweckt.
„Riu...!“, grummelte Kalil genervt, als er halb verschlafen zu seinem kleinen Greif blickte. Dieser blickte ihn gerade mit seinen großen gelben Augen und... Kalil fuhr hoch.
„Rotauge!“, rief er freudig überrascht und warf sich auch schon mit einer stürmischen Umarmung an den Hals des Drachens. Geduldig ließ dieser den Gefühlsausbruch über sich ergehen. Es war noch ungewohnt für ihn, von Menschen angefasst zu werden. Da er jedoch seine Gedanken mit den von Kalil sofort vernetzt hatte, als er hier gelandet war, wusste er, was der Kleine dachte und fühlte – also keine Gefahr für den großen Drachen.
„Wie geht es dir, Kalil?“, fragte der Drache sanft, als sich der Kleine wieder beruhigt hatte und sich zu den Füßen des großen schwarzen Drachens niedersetzte. Er senkte seinen Hals und sein Kopf, so dass er auf Augenhöhe mit dem kleinen Menschen war.
„Wie soll es mir gehen? Ganz gut. Habe gerade einen Botenauftrag erfolgreich ausgeführt und mache mich nun auf den Weg in den Palast des Pharaos. Will Sharif endlich wieder sehen!“
Die roten Augen des Drachen zuckten minimal zusammen. Kalil stutzte.
„Was ist los?“, fragte er misstrauisch. Der Drache grinste.
„Narbengesicht schickt mich. Er braucht deine Hilfe, um den Pharao wieder zu Vernunft zu bringen.“
„Narbengesicht? Wer ist Narbengesicht?“, fragte Kalil verwirrt.
„Der Weiße mit der Narbe...“, raunte Rotauge geduldig. Kalil schaute verblüfft in die blutroten Augen des Drachen. Dann legte er eine Hand zwischen die Nüstern des Schwarzen.
„Erzähl...“
Und der Drache erzählte. Er sprach mit Bildern in Kalils Gedanken:
~ Der Weiße hatte gerade Seths Boten wieder zu den Wüstenwinden geschickt, da erhob er sich in die Lüfte. Khalfani wollte also sämtliche Drachen versklaven oder töten! Nur weil einige Menschen falschen Bericht erstatteten. Vielleicht sollte er mal den Pharao wachrütteln und wirklich etwas Zerstörung übers Land bringen?
Mit einem großen Lichtblitz zerstörte er das nächstgelegene Feld und damit die Ernte eines ganzen Dorfes. Natürlich achtete der Drache darauf, dass niemand zu Schaden kam.
„Was machst du da?“, fauchte der Rotauge, der den Ruf des Weißen gefolgt war und diese Zerstörung mit angesehen hatte.
„Ich mache nur das, was uns Drachen vorgeworfen wird!“, knurrte der Weiße gefrustet.
„Aber warum? Wenn der Pharao falsche Berater hat, denen er vertraut, dann ist doch deine Reaktion genau das, was sie wollen! Du gibst ihnen den Grund, uns zu jagen!“
„Ich suche mir nur einen Weg, um in die Nähe des Pharaos zu kommen. Wenn ich das tue, was die Menschen behaupten, dann wird er mir Einhalt gebieten wollen und ich komme in seine Nähe! – Tu mir den Gefallen und bring Kalil her. So schnell wie möglich!“, bat der Weiße zum Schluss und verschwand. Rotauge blieb verwirrt zurück und machte sich Kopfschüttelnd auf den Weg. ~
Kalil schwieg lange zu dem, was der Drache ihm in Bildern gezeigt hatte.
„Er ist doch lebensmüde! Sie werden ihn umbringen!“, entfuhr es dem Kleinen endlich empört.
„Er ist es müde mit ansehen zu müssen, wie seine Freunde leiden...“
Kalil blickte auf.
„Freunde? Ist was mit Seth?!“
Der Rotauge wandte seinen Blick ab.
„Rotauge! WAS ist los?!“, fauchte Kalil nun außer sich.
Ein tiefes Seufzen entrang sich der Brust des Drachens.
„Die Wüstenwinde wurden fast völlig vernichtet, weil es Leute gibt, die zwischen den Pharao und ihnen intrigieren. Seth hat den Pharao um Hilfe ersucht, wurde jedoch abgewiesen. Die Wüstenwinde haben auch zu uns den Kontakt abgebrochen, um uns nicht in Gefahr zu bringen.“
Kalil war entsetzt über das, was er gerade erfuhr. Gab es denn keinen Weg... Da bemerkte der Kleine den Brief Sharifs, den er immer noch in der Hand hielt. Richtig! Sharif hatte ihn jederzeit Hilfe zugesagt!
„Bring mich zu den Weißen!“, befahl Kalil und saß schon auf den Rücken des Drachen. Riu sprang ebenfalls auf den Drachen. Dieser erhob sich mit einem wehmütigen Blick in die Lüfte. Der Rotauge machte sich tiefe Sorgen, wie Kalil reagieren würde, wenn er sah, dass Sharif ihm die Hilfe verweigern würde!
Die Sonne brannte bereits vom Himmel und der Drache flog immer noch.
„Schneller!“, drängte Kalil den Rotaugen, der bereits wie ein Pfeil durch die Luft schoss. Der kleine Dieb war innerlich unruhig: Der Weiße hatte um Hilfe gerufen und vor Schmerzen aufgeschrien.
Der Rotauge gab sein Bestes. Auch er hatte den Ruf seines Gefährten vernommen. Tränen der Verzweiflung rannen ihm aus den Augen. Der gesamte Körper des Drachen war mittlerweile schweißbedeckt und er funkelte im Sonnenlicht wie ein schwarzer Diamant. Das Herz drohte zu explodieren ob dieser Anstrengung und endlich... endlich sahen sie die weite Sandebene zwischen der Stadt und der Felswüste. Und dort lag auch der Weiße verletzt nur wenige hundert Meter vom Rand der Felswüste entfernt am Boden. Seine Verfolger kamen soeben aus der Stadt geritten. Mit einer letzten Kraftanstrengung schoss der Rotauge so nah am Boden und dem verletzten Drachen vorbei, dass Kalil mit seinem Riu gefahrlos abspringen konnte. Der Schwarze zog sich in den Schatten der Felswüste zurück, um erst einmal zu verschnaufen. Er konnte einfach nicht mehr!
Der weiße Drache riss seine eisblauen Augen weit auf, als er die Gedanken des Jungen spürte. Blitzschnell schoss ein schwarzer Pfeil an den Drachen vorbei und der Junge und sein Riu landeten sicher neben den Weißen auf den Füßen.
„Du bist tatsächlich gekommen...“, flüsterte er schwach.
Kalil zögerte kurz, doch dann umarmte er den Hals von diesen mächtigen Wesen.
„Wenn ein Freund ruft, komme ich sofort! – Alles wird gut, Sharif wird uns helfen!“, versuchte Kalil den Drachen zu beruhigen. Auch Riu sang beruhigend auf den Weißen ein. Dieser schloss seine Augen. Er hatte sich noch nie so sicher gefühlt, wie bei diesem Jungen. Und es tat ihm innerlich Leid, dass der Kleine durch eine sehr harte Schulung gehen würde, wenn der Pharao jetzt nicht einlenkte!
So verharrten sie einen Moment, als Kalil hinter sich laute Stimmen und Hufgetrappel hörte. Langsam erhob er sich und stellte sich schützend vor den Drachen. Es waren Soldaten des Pharaos. An dessen Spitze ritt Issa. Als dieser Kalil erkannte, zügelte er abrupt sein Pferd und gab seinen Männern ebenfalls den Befehl anzuhalten. Der kleine Dieb stand einem Heer von fast fünfzig Soldaten gegenüber.
„Tritt zur Seite, kleiner Dieb! Dieser Drache hat dem Königreich großen Schaden zugefügt und den Pharao verhöhnt. Er muss bestraft werden!“
Kalil blickte mit kalten und harten Augen zu Issa.
„Ach... Und wer sagt das?“, war seine leise, aber weithin vernehmbare und warnende Antwort. Issas Augen zuckten minimal zusammen.
Respekt! Der kleine Dieb hatte sich in den letzten zwei Jahren zu einer enormen Persönlichkeit entwickelt! Das gefiel ihm! Endlich mal ein ebenbürtiger Gegner!
„Der Pharao hat den Befehl erteilt diesen Drachen entweder in Ketten zu legen oder seinen Kopf auf den Silbertablett zu servieren!“
Kalils Augen weiteten sich vor Entsetzen.
„Nur über meine Leiche!“, fauchte er unbeherrscht.
Issa grinste über die Herausforderung. Eine Handbewegung und ein dunkler Magier erschien neben dem Offizier.
„Vernichte den Jungen und schwäche den Drachen!“
Der Magier zögerte kurz. Kalil sah, dass er ein Halsband trug. Der Magier würde gehorchen, ob er wollte oder nicht. Der Kleine war verwirrt. Sollten die Monster nicht friedlich neben den Menschen leben? Warum waren dann hier welche versklavt?
Der Magier machte sich zum Angriff bereit und blitzschnell schoss er einen dunklen Strahl auf Kalil. Dieser lächelte selbstgefällig, als er in Gedanken nur „Riu“ rief. Die Magieattacke prallte gegen eine Wand aus kleinen Dämonengreifen.
„Leih mir deine Kraft“, bat Kalil weiter in Gedanken den Weißen. Dessen Augen blitzten belustigt auf und er schoss einen Lichtblitz auf den Magier.
„Riu! Die Dämonenleiter!“, befahl da Kalil laut und Riu verband sich mit dem Lichtblitz des Drachen und leitete diese Attacke in Form eines aus Totenschädeln gepflasterten Steges so um, dass sie den Magier im Rücken traf. Dieser schrie schmerzgepeinigt auf und brach schwerverletzt zusammen.
Issa war geschockt. Die Person, die vor ihm stand, war definitiv nicht mehr der kleine Dieb von vor zwei Jahren. Das hier war ein eiskalter Krieger!
„Issa! Ich verlange nach Sharif!“, befahl da Kalil lautstark. Issa stutzte. Sharif? Sollte der Kleine immer noch nicht wissen, wer Sharif wirklich war?
„Was geht es mich an, nach wem du verlangst!“, konterte er lautstark. Kalils Mundwinkel verzogen sich zu einem überheblichen Grinsen.
„Ich habe hier ein Schreiben, dass mir freies Geleit und die Hilfe Sharifs sichert. Also?“
Issa zögerte.
„Wie du willst...“, knirschte er schließlich mit den Zähnen und er wollte sich gerade abwenden, um „Sharif“ zu holen, als hinter ihnen Tumult entstand.
Seine Soldaten machten ehrfürchtig eine weite Gasse frei. Auf zehn schwarzen Hengsten ritt die Leibwache Khalfanis vor und baute sich rechts und links neben Issa auf, dabei Kalil und den Drachen fest im Blick.
Auf zehn weißen Pferden kamen die Priester des Pharaos, begleitet von Monstern, meist Zauberer und Magier. Zu Kalils Entsetzen hatten ALLE Monster Halsbänder um. Auch die Priester teilten sich und bauten sich neben der Leibwache auf und machten somit eine Gasse für den Pharao frei.
„Verneige dich vor dem Pharao!“, raunte Issa leicht spöttisch. Kalil spie aus und trat noch einen Schritt vor.
Hocherhobenen Hauptes und mit stolzgeschwellter Brust wartete Kalil. Der Pharao ritt durch die Gasse. Sein schwarzer Hengst war über und über mit Gold und Geschmeide behangen. Kalil erkannte sofort das Pferd. Es war der Hengst von Sharif. Sein Blick ging nun in freudiger Erwartung zum Reiter. Was Kalil erkannte, war der Schmuck, den der Reiter trug. Allerdings das Gesicht konnte er nicht erkennen, weil ihm die Sonne so blendete. Aus einem Instinkt heraus sagte er noch einmal laut zu Issa.
„Issa! Ich verlange nach Sharif!“
Der Reiter hatte die Worte gehört und zögerte kurz, dann näherte er sich dem Kleinen und endlich erkannte Kalil das Gesicht. Es war Sharif! Für einen Bruchteil der Sekunde verlor sich Kalil in den Smaragden des Reiters. Doch irgendetwas war anders. Die Augen waren kalt und hart. Der kleine Dieb wich erschrocken einen Schritt zurück. Das war doch nicht Sharif oder?
„Tritt zur Seite, Kalil. Der Drache ist gefährlich!“, erklang die sanfte, warme Stimme. Kalil schüttelte den Kopf.
„Was wird dem Drachen vorgeworfen?“, begehrte er auf. In dem Moment holte ein Leibwächter mit einer großen Peitsche aus.
„Tu, was der Pharao dir befohlen hat!“, fauchte er. Kalil starrte entsetzt zu dem Leibwächter und der Peitsche. Zu schnell war diese, als dass selbst Khalfani es hätte verhindern können. Brutal schlug die Peitsche auf den Flügel des weißen Drachen, der diesen schützend vor Kalil gespannt hatte, und zerfetzte die empfindliche Flughaut. Der Drache schrie vor Schmerzen auf. Blut tränkte den Wüstensand. Kalil starrte auf das Blut.
„Sharif...“
„Nein, Kalil. Sharif war nur der Name, der mich schützte, bis ich wieder auf dem Thron bin. Ich bin Khalfani, der Pharao“, sprach Khalfani sanft. Kalil blickte mit kindlichen Augen verwirrt auf. Dann erschien ein strahlendes Lächeln.
„Endlich sehe ich dich wieder!“, hauchte Kalil voller Freude. Khalfani beobachtete fasziniert seinen kleinen Dieb und ein warmes Gefühl machte sich in seiner Magengegend breit.