Die Matrix der alten Geschichte - Pfister Christoph - E-Book

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Pfister Christoph

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Beschreibung

Unsere Geschichte ist zweigeteilt: Geschichte und Vorgeschichte. Die erstere kennen wir, die zweite glauben wir zu kennen. Aber die ältere Geschichte, also die Griechen und Römer, das Mittelalter und die Neuzeit, sind alles Sagen und Legenden, stellen eine gewaltige literarische Erfindung oder Fälschung dar. Die Analyse der historischen Inhalte zeigt, dass diese Geschichten nach einer Matrix, nach ein paar wenigen Wörtern, Namen und Textbüchern geschaffen wurden. Die plausible Vergangenheit unserer Kultur ist viel kürzer, beginnt erst im Laufe des 18. Jahrhunderts.

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Mottos

Le dottrine devono cominciare da quando cominciano le materie che trattano.

Die Wissenschaften müssen dort einsetzen, wo der Stoff, den sie behandeln, beginnt.

Giambattista Vico: Principi di una scienza nuova

Toutes les histoires anciennes, comme le disait un de nos beaux esprits, ne sont que des fables convenues.

Alle antiken Geschichten sind, wie das einer unserer klugen Köpfe zu sagen pflegte, nur allgemein anerkannte Fabeln.

Voltaire: Jeannot et Colin

They stand between the mountains and the sea:

Awful memorials, but of whom we know not!

Sie (die Tempel von Paestum) stehen zwischen den Bergen und dem Meer: Schreckliche Monumente! Aber wir wissen nicht von wem!

Der englische Dichter Samuel Rogers in: Italy, A Poem (1830)

Ignoramus et ignorabimus.

Wir wissen es nicht und werden es nicht wissen.

Erich Heinrich du Bois-Reymond: Über die Grenzen der Naturerkenntnis, 1872

Humanismus, Renaissance – und Geschichtsverfälschung! Wilhelm Kammeier: Die Fälschung der deutschen Geschichte, 1935

Vor etwa 1800 hatte niemand ein Interesse, wahre Geschichte zu schreiben und genaue Zeitangaben zu machen.

Eugen Gabowitsch, 2006

Die alte Geschichte ist eine Glaubensgeschichte und fußt auf einem Geschichtsglauben.

Statement des Autors

Hinweise

Die fremdsprachigen Zitate sind vom Autor übersetzt worden.

Die deutschsprachigen Bibelzitate entstammen der Zürcher Bibel von 1955.

Die Datumsangaben vor 1800 („1453“, „11. Jahrhundert“) sind wegen ihrer Irrelevanz grundsätzlich in Anführungszeichen gesetzt, ebenso häufig die Epochenangaben wie „Altertum“, „Völkerwanderungszeit“, „Mittelalter“, „Reformation“.

Bei den Namenanalysen ist der Akkusativ dem Nominativ voranzustellen. Dies deshalb, weil der erstere Fall mehr gebraucht wurde und Grundlage der Worterklärungen darstellt.

Beispiel: CHRISTUM, Christus.

Die Prinzipien der Entvokalisierung werden im Text erklärt.

Lateinische und griechische Formen werden grundsätzlich unterschiedslos gebraucht: ANDRONIKOS oder ANDRONICUS (Andronikus).

Ausdrücklich soll als Ergänzung zu diesem und den anderen gedruckten Werken des Autors auf dessen Beiträge auf seiner Webseite (www.dillum.ch) verwiesen werden.

Inhalt

Das Thema der älteren Geschichte

Zweifel an der Geschichte

Absurditäten in der älteren Geschichte

Aus der Geschichte der Geschichtskritik

Der analytische Ansatz von Fomenko

Eigene Methoden und Ansätze

Die Entstehung der abendländischen Kultur im 18. Jahrhundert

Materialien für eine Neubetrachtung der alten Geschichte

Das Kreuz mit der christlichen Zeitrechnung

Scaliger, Calvisius und Petavius

Sinn-Namen: von Vespasian über die Germanen bis Luther

Begriffe, Ortsnamen und Namenlandschaften

Tausend Jahre wie ein Tag oder die überdehnte Baugeschichte

Alte Technik und Technologie

Über die alten Römer

Rom zwischen Mittelalter und Neuzeit

Pompeji, der Vesuv und die pompejanische Kunst

Naturkatastrophen als historischer Faktor?

Wann war die Romanik, wann die Gotik?

Das antike Griechenland zwischen Franken und Türken

Griechenland, Thrakien, Anatolien. Palästina, Mesopotamien und Ägypten in Westeuropa

Byzanz, Konstantinopel, Istanbul

Die Burgen der Kreuzfahrer

Trojanische Löwenplastik

Christliche, orientalische und salomonische Architektur

Die Quellen und ihr Alter

Quellenglaube versus Quellenkritik

Handschriften und Drucke

Papyrus, Pergament und Papier

Die verkehrte „mittelalterliche“ Schriftentwicklung

Textüberlieferung: Glaube an das Absurde

„Mittelalterliche“ Buchmalerei

Urkunden: Wahrheit auf Pergament?

Münzen und Inschriften

Fälschungen im Mittelalter?

Matrix, Strukturen und Parallelitäten der alten Geschichte

Petrarca, Dante und Thomas von Aquin: verfrühte Geistesgrößen

Antike und mittelalterliche Schriftsteller und Künstler und ihre neuzeitlichen Parallelen

Die einfache Matrix

Der Sagenkreis um Troja

Jesus und seine Doppelgänger

Historische Numerologie

Numerologische Symmetrien

a) Symmetrien mit der Zahl 450

2. Ausbruch des Vesuvs – Gründung von Monte Cassino - Aufstand der Samaritaner in Palästina

b. Symmetrien mit der Zahl 666

c. Numerologische Symmetrien mit 666 und 450

d. Christus-Chronogramme

Eroberungen von Rom

Reichsteilungen

Die sieben Könige Roms nach Livius

Athen und Sparta

Die Plebejer, Hannibal, Pyrrhus, Scipio, die Gracchen, Rienzo und Spartakus

Marius, Sulla, Diokletian, Saul, Solon, Sertorius, Pompejus

Die Parallelen zwischen Cicero und Demosthenes

Römische Gottkaiser und Sonnenkönige

Die strafenden Severer

Vesuvkaiser und Vesuvnamen

Barbarenkönige

Die Könige der Ostgoten

Die Erfindung der Alamannen und Franken

Die sagenhafte römisch-deutsche Kaiserzeit

König Salomon und seine Doppelgänger

Friedrich II. von Hohenstaufen: Staunen über die Geschichtsschreibung

Wann waren die Kreuzzüge?

Die Namen der englischen Königsgeschlechter

Nikäa und Konstanz

Babylon, Ninive, Avignon, Pisa

Glaubensspaltung oder Reformation?

Das veraltete Paradigma

Literatur

Abbildungen

Abbildung 1: Die Göttin Nike. Wandmalerei aus dem "Haus des Augustus" auf dem Palatin in Rom

Abbildung 2: Die Storchensäule (le Cigognier) in Avenches (Aventicum); Kanton Waadt, Schweiz

Abbildung 3: Fomenko: Die Parallelen zwischen den Königen des Teilkönigreichs Israel im Alten Testament und den Herrschern Spätroms

Abbildung 4: Die Namenlandschaft des Harz’

Abbildung 5: Der gallorömische Umgangstempel I auf der Engehalbinsel bei Bern mit der Ägidius-Kapelle

Abbildung 6: Grundriß-Vergleich zwischen dem Pantheon in Rom (oben) und dem Teatro Marittimo der Hadriansvilla in Tivoli (unten)

Abbildung 7: Der Titusbogen in Rom

Abbildung 8: Rom: Stadtansicht von Giambattista Falda, „1676“ (Ausschnitt), mit dem Kolosseum und dem Forum Romanum (Campo Vaccino)

Abbildung 9: Plan von Pompeji

Abbildung 10: Stilleben der italienischen oder pompejanischen Renaissance: Caravaggio: Früchtekorb (unten) – Villa in Oplontis bei Pompeji: Feigenkorb (oben)

Abbildung 11: Italienische oder pompejanische Renaissance: Tizian: Liegende Kurtisane (unten) - Liegende Mänade aus Pompeji (oben)

Abbildung 12: Die Alexanderschlacht aus Pompeji

Abbildung 13: Die Schlacht im Jammertal (Bern)

Abbildung 14: Der Septimius Severus-Bogen in Rom mit dem Kapitol im Hintergrund

Abbildung 15: Turm der gotischen Kathedrale von Freiburg (Fribourg), Schweiz

Abbildung 16: Straßburg im Elsaß mit seinem Münster in einer Abbildung aus der Weltchronik von Hartmann Schedel

Abbildung 17: Das gotische Kloster Notre-Dame d'Isova auf Morea (Peloponnes)

Abbildung 18: Die Akropolis von Athen auf einem Foto von 1865

Abbildung 19: Die erhaltenen Säulen des Olympieions in Athen

Abbildung 20: Grundriß-Vergleich: Hagia Sophia (Ayasofya) (oben) und Moschee Sultan Suleimans des Prächtigen (Süleymaniye) (unten) in Konstantinopel – Istanbul

Abbildung 21: Ritterhalle in gotischem Stil in der Kreuzfahrer-Burg Krak des Chevaliers in Syrien

Abbildung 22: Der Marmorlöwe von Stavros (Kantza) bei Athen

Abbildung 23; Der wiederaufgerichtete Löwe von Chaironeia (Heronia) in Böotien (Viotia), Griechenland

Abbildung 24: Grundriß-Vergleich zwischen Castel del Monte (Apulien) (oben) und Vailly-sur-Sauldre (Cher) (unten)

Abbildung 25: Der Rundturm (Donjon) von Coucy (Aisne)

Abbildung 26: Das Herodion, arabisch Dschebel Fureidis, südlich von Jerusalem in Palästina

Abbildung 27: Vergleich zwischen dem römischen Forum von Gerasa (Jerash) in Jordanien und dem Petersplatz in Rom

Abbildung 28: "Mittelalterliche" Buchmalerei: Die Ermordung von Johann ohne Furcht „1419“ auf der Brücke von Montereau

Abbildung 29: Dekor von Villard de Honnecourt: Wange eines Chorgestühls

Abbildung 30: Goldmünzen mit den Porträts von Kaiser Vespasian (oben) und Titus (unten)

Abbildung 31: Das Castello di Noli an der Riviera di Ponente

Abbildung 32: Fomenko: Die Parallelen zwischen den Herrschern des römisch-deutschen Reichs im Hochmittelalter und den Königen des Teilkönigreichs Juda im Alten Testament

Abbildung 33: Mosaik-Medaillon aus Hinton Saint Mary (Dorset)

Abbildung 34: Monumentalkopf eines Bischofs aus dem Berner Skulpturenfund

Abbildung 35: Löwen-Relief in Wappenform aus Akkon

Tabellen

Tabelle 1: Daten großer Ereignisse der Weltgeschichte nach Petavius

Tabelle 2: Alte Ortsnamen im Osten

Tabelle 3: Antike und mittelalterliche Schriftsteller und ihre neuzeitlichen Parallelitäten

Tabelle 4: Die vier wichtigsten Parallel-Geschichten des Trojanischen Krieges

Tabelle 5; Die Parallelen zwischen dem Trojanischen Krieg und der Geschichte zwischen Israeliten und Benjaminiten im Buch Richter (Kapitel 19 und 20) des Alten Testaments

Tabelle 6: Jesus-Figuren

Tabelle 7: Die Parallelitäten zwischen Jesus und Basilius dem Grossen

Tabelle 8: Numerologische Konstruktionen

Tabelle 9: Eroberungen von Rom

Tabelle 10: Reichsteilungen

Tabelle 11: Die sieben römischen Könige

Tabelle 12: Die Parallelen zwischen den Herrschern Sulla, Solon, Saul und Diokletian

Tabelle 13: Die Parallelen zwischen Cicero und Demosthenes

Tabelle 14: Die Parallelen zwischen Caligula, Caracalla, Elegabal

Tabelle 15: Severer-Parallelen

Tabelle 16: Vesuv-Kaiser

Tabelle 17: Die Könige der Ostgoten

Tabelle 18: Salomonische Herrscher

Abbildung 1: Die Göttin Nike. Wandmalerei aus dem "Haus des Augustus" auf dem Palatin in Rom

Abbildung 2: Die Storchensäule (le Cigognier) in Avenches (Aventicum); Kanton Waadt, Schweiz

Aufnahme: Autor, 22.7.2000

Einzig aufrecht gebliebene Säule aus der „Römerzeit“ nördlich der Alpen.

Nach Meinung des Autors liess man die Säule absichtlich stehen, weil sie als Markpunkt der Landvermessung diente.

Das Thema der älteren Geschichte

Zweifel an der Geschichte

Geschichte als Wissensfach mag zwiespältige Gefühle wecken. Man denkt dabei vielleicht an verstaubte Archive, altes Gemäuer und Ehrfurcht gebietende Museumshallen. – Von der Geschichte als Unterrichtsfach haben wohl viele schlechte Erinnerungen, wie sinnloses Auswendiglernen von Jahrzahlen und von unerheblichen Inhalten. – Und die Geschichte als solche scheint eine Aneinanderreihung von Greueltaten zu sein, mit nur wenigen Lichtblicken.

Dann gibt es von der Geschichte auch Bonmots und Allerweltsweisheiten. So beweise die Geschichte, daß die Leute aus der Geschichte nichts lernten. – Und von den Leuten, welche dieses Fach betreiben heißt es, Historiker seien rückwärtsgewandte Propheten.

Man kann sich sogar fragen, wozu man denn Geschichte betreibe und ob das überhaupt sinnvoll sei.

Friedrich Nietzsche hat eine vortreffliche Betrachtung Vom Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben geschrieben und dabei die Geschichte als meistens lebensfeindliche Materie kritisiert.

Wäre es also nicht besser, dieses Wissensgebiet überhaupt abzuschaffen? - Der berühmte Auto-Pionier Henry Ford erklärte hierzu kurz und bündig: Geschichte ist Müll (History is bunk).

Die Apologeten der historischen Betrachtung sind schnell zur Stelle: Die Menschheit hat nun einmal eine Vergangenheit, so gut wie jeder Einzelne eine hat. Man lebt in der Gegenwart und muß die Zukunft meistern, aber jedes Handeln hat einen geschichtlichen Hintergrund.

Wir beugen uns dieser Erkenntnis. Gleichzeitig aber weisen wir darauf hin, daß nicht die historischen Fakten nicht immer richtig sind.

Geschichte wird tatsächlich angezweifelt. Besonders das 20. Jahrhundert ist überreich an Beispielen dafür. Trotz unwiderlegbarer Beweise, trotz Augenzeugen, Bildern, schriftlichen und mündlichen Dokumenten versuchen Einzelne, einzelne Gruppen, manchmal auch Nationen, ganze Ereignisblöcke zu verniedlichen oder sogar zu leugnen.

Die Geschichte selbst ist objektiv, aber jede Darstellung ist subjektiv verzogen. Also werden wir nie ein genaues Bild von der Vergangenheit bekommen.

Je weiter man auf der Zeitachse zurückschreitet, desto weniger kontrovers wird die Geschichte. Ob Napoleon positiv oder negativ zu beurteilen ist, wird vielleicht noch diskutiert.

Die Frage, ob die Französische Revolution notwendig war oder nur eine zufällige historische Eruption ebenfalls.

Wer aber wollte noch über einen Ludwig XIV. streiten? – Und wer wollte den Dreißigjährigen Krieg für die Gegenwart verständlich machen?

Schon bei Ludwig XVI., dem König am Anfang der Französischen Rvolution, beginnt die Geschichte ins Absurde zu drehen – und die meisten merken es nicht.

Es sollte einleuchtend sein, daß unsere Kenntnis der Menschheitsgeschichte mit zunehmender Entfernung von heute abnimmt. Also wissen wir vom 19. Jahrhundert weniger als vom 20., und vom 18. weniger als vom 19. Jahrhundert.

Aber was wissen wir überhaupt vom 18. Jahrhundert? – Dort gab es menschliche Kultur und Geschichte. Doch wissen wir wenig davon.

In den geschriebenen Darstellungen jedoch wird so getan, als könnten wir Jahrtausende von Menschheits- und Kulturgeschichte überblicken.

Die jüngste Vergangenheit wird diskutiert, verteidigt, bezweifelt, geleugnet.

Die alten Zeiten jedoch scheinen so fest gefügt und unwidersprochen zu sein wie die figürlichen Darstellungen auf assyrischen Flachreliefs.

Wir leben in einer absurden historischen Gegenwart:

Über die wahre Geschichte der jüngeren und jüngsten Epochen haben wir eine Vielzahl von Meinungen, da wogen die Gefühle und die Emotionen. - Aber über die ältere Geschichte gibt es weder Auseinandersetzungen, noch Streit, noch Diskussionen. Dort scheinen sich alle einig zu sein.

Nun hat schon Bertrand Russell gesagt, daß man dort vorsichtig werden solle, wo sich alle Fachleute einig sind.

Die alte Geschichte ist ein solcher Fall: Niemand scheint dort zu sehen, daß wir es in jenem Gebiet nicht mehr mit wirklichen Geschehnissen und Zeiträumen zu tun haben.

Von einem gewissen Punkt auf der Zeitschiene rückwärts löst sich die wirkliche Geschichte auf und taucht ein in ein Universum von Geschichten und Phantomzeiten, die nur in unseren Büchern und Meinungen existieren.

Wer eine bestimmte Geschichte falsch auffaßt, hat über bestimmte Bereiche ein falsches Bewußtsein. – Doch wie steht es mit historischen Zeiten, die nur behauptet werden, die es aber nicht gegeben hat? Wir bewundern dort des Kaisers neue Kleider, ohne wahrhaben zu wollen, daß man uns diese schönen Dinge nur eingeredet hat.

Und eine bestimmte Meinung ist bekanntlich ansteckend. Wenn nur ein Teil der Leute von einer Sache überzeugt ist, so übernehmen es alle. Und vor allem wagt niemand mehr zu widersprechen.

Mit der älteren Geschichte ist es so. Alle beten die alten Griechen und die alten Römer nach. Schließlich hat man davon schon in der Schule gehört. Und alle Bücher und alle Gelehrten erzählen davon. Also wird es wohl stimmen, meinen die meisten.

Daß schon die alten Römer dieses oder jenes gekannt oder getan hätten, ist eine sprichwörtliche Redensart geworden.

Und der Begriff Mittelalter hat längst eine volkstümliche Note bekommen und wird auf eine breite Palette von historischen Dingen angewendet, die man meint, damit erklären zu können.

Niemand protestiert, wenn eine ganze Epoche als Mittelalter erklärt wird. – Aber wer würde sich getrauen, das 20. Jahrhundert allein mit dem Begriff dialektischer Materialismus zu deuten?

Die ältere Geschichte ist eine groteske Konstruktion, aber sie wird nicht als solche wahrgenommen. Damit frönt die Gegenwart in vielen Bereichen dem Absurden, wie die Akteure in einem Theaterstück von Eugene Ionesco.

Widervernünftig ist nicht die erfundene Geschichte selbst, sondern die Tatsache, daß sie für wahr gehalten wird.

Niemand würde Gustav Schwabs schönste Sagen des klassischen Altertums für etwas anderes halten als mythologische Erzählungen. – Aber verhält es sich nicht gleich mit der Geschichte jenes Altertums, vornehmlich also den Griechen und Römern?

Bei der berühmten Märchensammlung der Gebrüder Grimm nehmen wir ein paar Beispiele heraus.

Jeder würde sich lächerlich machen, der behauptet, Aschenputtel habe dreihundert Jahre vor Rotkäppchen gelebt.

Wer aber sagt, Alexander der Grosse sei drei Jahrhunderte vor Augustus anzusetzen, gilt als kluger Kopf, der viel von Geschichte weiß.

Wollte jemand eine gelehrte Untersuchung schreiben über die Außenpolitik von Hänsel und Gretel, so würde man am Verstand einer solchen Person zweifeln.

Ein Buch über die Reichspolitik von Kaiser Augustus jedoch würde niemand bezweifeln und dem Verfasser womöglich Ruhm und Ehre einbringen.

Dabei kommt Augustus und seine Frau Livia auch in Grimms Märchensammlung vor, nämlich in den erwähnten Gestalten Hänsel und Gretel.

Der absurde Zustand ergibt sich daraus, daß eine alte Geschichte einmal als historisch, in einer anderen Fassung als Sage oder Märchen angesehen wird. Statt des Inhalts wird die Form einer Erzählung als Kriterium für Geschichtlichkeit oder Dichtung genommen.

Den Historikern der älteren Zeiten fehlt ein elementares kritisches Vermögen. Eine Geschichte wird um so mehr geglaubt, je älter sie ist. Anders gesagt hört nach einigen Jahrhunderten vor heute jede kritische Distanz gegenüber der Überlieferung auf. Wir mißtrauen der Zeitgeschichte und vertrauen in geradezu naiver Weise der älteren Geschichte.

Charlie Chaplin sagt in seiner Schlußrede im Film Der große Diktator: Wir denken zu viel und fühlen zu wenig.

Aber wenn im Folgenden die ältere Geschichte analysiert und ihr absurder Charakter erwiesen wird, bekommt man den Eindruck, daß nichts gefühlt und ebenso wenig überlegt wird. Anders kann man nicht erklären, daß bis heute ein Geschichtsbild geglaubt wird, welches man nur als einen riesigen Fantasy-Roman kennzeichnen kann oder - wie Uwe Topper einmal bemerkte - als eine Art science fiction à l’envers.

Die absurde, die irreale Geschichte ist zwar noch gegenwärtig, hat aber keine Zukunft mehr.

Absurditäten in der älteren Geschichte

Um Geschichte zu verstehen, muß man zuerst etwas von Geschichte wissen. Doch schon bei der Aufnahme des Wissens sollten Gedanken kommen, nicht erst nachher.

Die meisten unglaubwürdigen Inhalte der älteren Geschichte entlarven sich bereits in ihren Grundzügen, nicht erst bei der Analyse von Einzelheiten.

Bei der altorientalischen Geschichte sind dem Autor zuerst solche unmöglichen Dinge aufgefallen.

Da soll es ein „altassyrisches Reich“ gegeben haben - fast 1400 Jahre vor Christus. Nach dessen Zerfall sei nach vielen Jahrhunderten Pause um „750 AC“ ein „neuassyrisches Reich“ entstanden, das knappe anderthalb Jahrhunderte währte, bis es von Nachbarvölkern zerstört wurde. Selbstverständlich hieß dieser Machtstaat „Assyrien“, mit den Hauptstädten „Assur“ und „Ninive“.

Wenn es dieses „Assyrien“ nicht gegeben hätte, wer hätte denn die eindrucksvollen Flachreliefs hergestellt, die man heute im British Museum in London bewundern kann?

Ist es nicht vielmehr so, daß man diese Flachreliefs irgendwelchen „Assyrern“ zugeschrieben hat?

Die Geschichte des alten Ägyptens fordert den gesunden Menschenverstand noch mehr heraus: Schon „um 4000 AC“ – also 6000 Jahre vor heute – sollen bei Kairo die berühmten Pyramiden gebaut worden sein. – Offenbar konnte der Zahn der Zeit diesen Bauwerken nicht viel anhaben.

Und die Geschichte dieses Landes quält sich durch ein altes, ein mittleres und ein neues Reich mit endlosen Dynastien, von Ramses I. bis Ramses dem Wievielten. – Kann jemand nur die Reiche, geschweige denn die Dynastien und die Herrscher auseinanderhalten?

Altägyptens große Zeit war angeblich schon vorbei, als es noch nicht einmal die Namen Griechenland und Rom gab – über 3000 Jahre vor heute!

Aber im Neuen Reich Ägyptens wurde schon die griechische Sprache und Schrift verwendet. - Ist die Sprachentwicklung rückwärts gelaufen?

Und weshalb konnte man vor vielen tausend Jahren im Nil-Tal Monumente von einer Größe errichten, die erst mit den technischen Mitteln des 20. Jahrhunderts wieder möglich gewesen wären?

Vor solchen unangenehmen Fragen geht man lieber zurück nach Europa, dort wo alles viel klarer zu sein scheint.

Also kommt man in ein „klassisches Altertum“, nach Griechenland mit Athen und Italien mit Rom.

Hier glaubt man zu wissen, daß die klassische athenische Kultur und Baukunst „vor über 2400 Jahren“ geblüht hat.

Als Zeugnisse dieser sagenhaft frühen Hochkultur wird die Akropolis von Athen mit ihren berühmten Bauwerken, dem Parthenon, dem Erechtheion und den Propyläen vorgezeigt. – Doch stammen diese Bauwerke wirklich aus jener Zeit? Und wer hat sie errichtet?

Die Griechen bauten Säulentempel, die Römer ebenfalls. Doch merkwürdigerweise begannen die Römer erst etwa vierhundert Jahre nach Perikles mit Marmor und mit Säulen zu bauen. Augustus soll der erste gewesen sein.

Doch die erhaltenen „römischen“ Bauten werden alle einer Spätzeit, dem 3., 4., 5. oder sogar 6. Jahrhundert unserer Zeitrechnung zugeschrieben. – Wer erklärt dieses über fünfhundertjährige Nachhinken der „Römer“ gegenüber den „Griechen“? – Schließlich liegen zwischen diesen beiden Ländern nur die Adria und die Meerenge von Otranto.

Obwohl die Antike angeblich im Schnitt 2000 Jahre vor heute zurückliegt, werden aus dieser fantastisch fernen Zeit häufig viel genauere Daten überliefert als aus der neueren Zeit.

So wissen wir, daß Kaiser Augustus „am 19. August 14 nach Christus, zwischen drei und vier Uhr nachmittags“ gestorben ist. – Das Zivilstandsarchiv der italienischen Provinz Neapel – in welchem des römischen Kaisers Todesort Nola liegt – ist offenbar vollständig erhalten.

Vielleicht schätzten schon „die alten Römer“ die Vorzüge der digitalen Datenspeicherung.

Auch historische Daten wurden im Altertum sehr genau überliefert.

Also soll „am 1. Oktober 226 AD“ an den Ostgrenzen des Römischen Reiches das persische Sassanidenreich eines Ardaschir und Schapur entstanden sein! – Waren etwa Reporter von CNN oder Al Dschazeera beim Gründungsakt anwesend?

Wie lange die Antike gedauert hat, läßt sich kaum sagen. Doch irgendeinmal hörte das Römische Reich auf und begann ein völkisches Mittelalter der Goten, Franken und Germanen. Es war dies eine Zwischenzeit, dazu bestimmt, in unserer Neuzeit aufzugehen.

Die Zwischenzeit, welche zwischen „Antike“ und „Neuzeit“ eingeschoben ist, dauerte jedoch satte 1000 Jahre und bekam „1688“ den Namen „Mittelalter“.

Dieses „Mittelalter“ muß ungemein gläubig gewesen sein. Fast alle alten Kirchen sollen nämlich – wenigstens in ihren Anfängen – in diese sagenhaft lange Epoche zurückreichen. Und gelesen wurden nur die Bibel und die Kirchenväter, sowie ein paar ausgewählte heidnische Autoren.

Aber dieses angebliche Mittelalter selbst besaß kaum Münzen. Wie wollte man denn die vielen Klöster, Kirchen und Burgen gebaut haben?

Als Schriftsprache gab es nur das Latein, doch dieses beherrschten nur ein paar Geistliche. Wie soll eine Hochkultur unter lauter Analphabeten entstehen?

Und wie will man erklären, daß die Schrift, die Bibel, die Autoren und sogar die Formulare für die Urkunden sich über tausend Jahre nicht verändert haben?

Die Technik und die Kultur sackte gegenüber der Antike stellenweise auf ein erbärmliches Niveau ab. - In dieser tausendjährigen Zwischenzeit muß die Zeit nicht vorwärts, sondern rückwärts gelaufen sein.

Vor kurzem ist eine Untersuchung mit dem programmatischen Titel Das wohlstrukturierte Mittelalter erschienen (Mario Arndt). Der Autor weist durch Analyse der verschiedenen mittelalterlichen Dynastien nach, daß die Abfolge der Namen genauen Konstruktionsmerkmalen folgt.

Beispielsweise hat die Herrscherreihe des deutschen Hochmittelalters vier Segmente: Die Königsnamen beginnen jedesmal mit einem Konrad, gefolgt von einem Heinrich. Danach folgen verschiedene Namen, um am Schluß mit einem Heinrich zu enden. – Und das ganze System hat in der Mitte den Vesuvkaiser Lothar von Supplinburg.

Und soll es Zufall sein, daß 1314 in Frankreich König Philipp der Schöne stirbt, während in Deutschland ein Friedrich der Schöne zum König erhoben wird?

Besser diesen Zweifeln und Einwänden nicht nachgehen, sonst könnten die behaupteten Zeitalter, also die „Antike“ und das „Mittelalter“, einbrechen und sich in mythologischen Dunst verflüchtigen.

Das beste Mittel gegen den allgemeinen Zweifel ist das Studium von Einzelaspekten und Details.

Bei den Römern meint man besonders klar zu sehen. Das Reich eines Augustus scheint ebenso sicher in den Geschichtsbüchern zu stehen wie dasjenige von Karl dem Grossen. – Doch wie erklärt man sich, daß beide Herrscher mit ihren Todesdaten genau 800 Jahre auseinander liegen, nämlich „14 AD“ und „814 AD“? – Waren hier nicht die gleichen Geschichtsschöpfer am Werk?

In der alten Geschichte geht alles sehr schnell oder unendlich langsam vorwärts.

Die angebliche lateinische Bibelübersetzung des „Hieronymus“ soll „um 400 AD“ geschaffen worden sein. – Doch erst auf dem Konzil von Trient, das angeblich „1563“ endete, wurde diese Version der Heiligen Schrift in der katholischen Kirche offiziell. – Die Bürokratie im alten Vatikan hat offenbar unglaublich langsam gearbeitet. Also mußte sich der Kirchenvater Hieronymus 1150 Jahre gedulden, bis sein Lebenswerk anerkannt wurde.

„Luther“ war der erste „Reformator“ des Glaubens. Seine Ideen verbreiteten sich unglaublich schnell – und noch schneller übernahmen gewisse weltliche Herrschaften die neue Lehre.

Doch viele Theologen stellten fest, daß die Ansichten Luthers sich in verdächtiger Weise mit jenen des Kirchenvaters Augustinus decken, der doch 1100 Jahre vorher gelebt haben soll.

Gewisse Völker, Städte und Strassen mußten länger auf die Reformation des Glaubens warten: Genf und Frankreich durften diese erst eine Generation nach den deutschen Gebieten annehmen.

Doch Frankreich soll deswegen nicht gekränkt sein:

Dieses Land erfand den gotischen Baustil, und zwar schon „um 1150“. – Bis die deutschen Lande die Gotik übernahmen, dauerte es jedoch 150 bis 300 Jahre. – Der schleppende kulturelle Austausch war offenbar durch fehlende Brücken und schlechte Strassen bedingt.

Bei hohen Feiertagen wie Ostern und Weihnachten kramt die ganze offizielle Publizistik – Presse, Fernsehen, Bücher – die alten Märchen hervor, als sei alles so klar wie Suppe.

Rom gilt als das Zentrum der Christenheit. Also wird auch immer wieder die angebliche Geschichte der Bauten im Vatikan erzählt:

Mit der heutigen Peterskirche habe man „vor fünfhundert Jahren“ zu bauen begonnen, und nach 120 Jahren sei alles fertig gewesen.

Dabei ist die Petersbasilika mit den Palastanbauten und den Kolonnaden des Petersplatzes ein Werk der barocken Baukunst – weniger als zweihundertfünfzig Jahre alt.

Und die antiken Bauten Roms stehen selbstverständlich seit 1700 bis 1900 Jahren:

Die Kuppel des Pantheons sieht zwar ziemlich barock aus. Dennoch wird steif und fest behauptet, diese sei 1900 Jahre alt.

Das Kolosseum soll ebenso alt sein. Und in ihm hätten christliche Märtyrer den Tod gefunden.

Aber diesem monströsen Amphitheater kann man kaum 300 Jahre geben. – Und Bauherren waren vielleicht altchristliche Priester und Bischöfe – die Vorläufer der heutigen Päpste.

Das Prunkschloß von Versailles bei Paris wird ebenfalls absurd früh datiert. Nicht vor dreihundert, sondern vor vielleicht 240 Jahren wurde mit dessen Bau begonnen.

Das Geschichtsbuch der älteren Zeiten ist eine Abfolge von Absurditäten. – Nur wenn man nichts überlegt und an der Oberfläche verbleibt, scheint alles stimmig zu sein.

Bei der alten Geschichte darf man keine Fragen stellen. Die Materie muß pfleglich behandelt werden. Das besorgen die offiziellen Historiker, Archivare, Kunsthistoriker, Philologen und Archäologen. Diese glätten die unzusammenhängenden einzelnen Geschichten, blenden Widersprüche aus oder schieben sie zur Seite.

Also besteht noch heute das Monstrum der alten Geschichte. Es findet sich in den Büchern „Altertum“, Mittelalter“ und „Neuzeit“. – In diesen Teilen der Geschichte scheint es keinen Zweifel zu geben. Alles wird als wahr hingestellt – die Inhalte, die Zeitstellungen, die Bezeichnungen.

Doch es hat schon immer Leute gegeben, die das monströse Gebäude der alten Geschichte nicht anerkannt haben, welche auf Widersprüche, Absurditäten und Verdoppelungen aufmerksam gemacht haben. Nur haben sich diese bisher nie durchsetzen können. Deshalb diese neue Betrachtung.

Aus der Geschichte der Geschichtskritik

Die Kritik an der älteren Geschichte ist so alt wie diese selbst. Die große geschichtsliterarische Schöpfung hatte schon von Anfang an ihre Kritiker. Damit wird indirekt bereits ein Hinweis gegeben, wann diese historische Theologie geschaffen wurde.

Der angebliche Beginn der Geschichtskritik fällt selbst in die Geschichtsnacht.

So soll „um 1470“ der Humanist Lorenzo Valla, der Sekretär von Papst Pius II. Piccolomini, die sogenannte Konstantinische Schenkung als Fälschung entlarvt haben. – Aber damit sind wir noch dreihundert Jahre vor der schriftlich aufgezeichneten Geschichte.

Im 16. Jahrhundert soll es an der Universität Salamanca einen Professor de Arcilla gegeben haben, der in zwei Büchern die Behauptung aufstellte, die gesamte alte Geschichte sei im Mittelalter gefälscht worden (Fomenko, I, 96). – Doch auch diese Mitteilung muß späteren Datums sein, da es kein „16. Jahrhundert“ gegeben hat.

Die erste plausible Auseinandersetzung mit der älteren Geschichte wird „um 1650“ angesetzt – richtig muß man aber noch gut hundert Jahre dazugeben. Damals stritten sich zwei katholische Ordenskongregationen um die Echtheit der eben aufgetauchten Urkunden.

Jean Mabillon als Vertreter der benediktinischen Mauriner suchte durch sein Werk De re diplomatica griffige Instrumente zu schaffen, um echte von gefälschten Urkunden zu unterscheiden. – Er wollte damit dem Jesuiten Papebroch entgegnen, der behauptet hatte, alle Urkunden seien gefälscht.

Ungewollt gibt der Streit um die Echtheit der Urkunden einen Hinweis auf die Entstehungszeit der historischen Fälschungsaktion: Um diese Zeit wurde das Gros der Urkunden hergestellt. – Aber Jahre vorher hat noch keines dieser Dokumente bestanden. – Und Wissenschaften beginnen dann, wenn der Gegenstand, den sie behandeln existiert.

Ein anderer Jesuit, Germon, erklärte zur gleichen Zeit, daß die alten Quellen gefälscht seien. – Der Geistliche jedoch drang mit seiner Meinung nicht durch. Die eben geschaffene ältere Geschichte behauptete sich in den Köpfen der meisten Gelehrten und in den Büchern. Eine wichtige kritische Stimme war ignoriert worden.

Germon und andere Gelehrte hätten der Irrmeinung der Hyperkritik angehangen, erklärte der Urkundenforscher Harry Bresslau (Bresslau, I, 25 ff.).

Der bekannteste Angriff auf die ältere Geschichte kam von einem anderen Jesuiten namens Jean Hardouin (angeblich 1654 – 1729) (Kammeier, 2000, 68 ff.; Topper: Grosse Aktion, 13 ff.; Fomenko, I, 96 f.). Dieser Gelehrte war Bibliothekar, Lehrer und Editor von seltener Belesenheit.

Hardouin stellte die These auf, die gesamte schriftliche Überlieferung der älteren Zeit, also des Altertums und des Mittelalters, aber auch die Kirchenväter und die Konzilsakten, sei von Mönchen gefälscht worden.

Selbst die griechische Fassung der Bibel ist nach Hardouin unecht.

Und vor allem sollen sich die Fälschungen nicht auf Schriften beschränken, sondern auch Kunstwerke, Inschriften und Münzen umfassen.

Hardouins Fälschungsthese war kühn und erregte großes Aufsehen. Mehrere seiner Werke seien sogar verboten, der Autor zum Widerruf gezwungen worden.

Aber Hardouin ist in das letzte Drittel des 18. Jahrhunderts zu setzen. – Damit beweist er, daß in seiner Zeit die Grosse Aktion der Geschichtserfindung im Gang war.

Hardouin aber war selbst an der Grossen Aktion beteiligt. Er schuf unter anderem eine bereinigte Sammlung der Konzilsakten von Nikäa bis Trient.

Man kann wohl sagen, daß Hardouin den alten Konziliarismus erfand. Er war der einzige von allen Mitwissern, der klar gesagt hat, wie die neue Kirchengeschichte hergestellt wurde (Topper: Zeitfälschung, 250). – In Tat und Wahrheit fand vor 1870 kein allgemeines Konzil statt.

Hardouin hat für das Zeitalter der Aufklärung ein gewisses Maß an historischer Kritik vorbereitet. Ein kritischer Geist wie Voltaire hätte es sonst vielleicht nicht gegeben.

Voltaire (angeblich 1694 – 1778) gilt als geistiges Haupt der französischen Aufklärung. In seinen literarischen und essayistischen Werken, aber auch in seinen zahllosen Briefen, finden sich immer wieder kritische Bemerkungen zur älteren Geschichte. Darin erweist sich Voltaire als moderner Geschichtskritiker.

Zuerst untersuchte Voltaire unter anderem die historische Methode, die Quellenbetrachtung und die Frage nach der Gewißheit der alten Geschichten. Und überall stieß er auf Absurditäten in den Inhalten.

Die bloße Idee einer Abstammung der Kelten von den Hebräern findet Voltaire eine Torheit des menschlichen Geistes.

Die angebliche Gründungsgeschichte des Frankenreiches mit dem Geschichtsschreiber Gregor von Tours, den Königen Chlodwig und Karl Martell, erscheinen Voltaire vollkommen unglaubwürdig.

Bei der Notiz, wonach der römische Kaiser Caligula die Dichter Homer und Vergil kritisiert hätte, zieht Voltaire über die Geschichtsschreiber her: Die Abschreiber in allen Ländern wiederholen tagtäglich diese unwahrscheinlichen Märchen (Versaille, 523). - Er findet es ungehörig, daß man im Zeitalter der Vernunft solche erbärmliche Geschichten noch veröffentlicht.

Für Voltaire sind auch die Ursprünge aller Völker und Staaten absurd.

Und die historische Methode versagt nach Voltaire deshalb, weil es keine wissenschaftliche Gewißheit, sondern bestenfalls eine relative Plausibilität gibt.

Voltaire hat das Gebäude der alten Geschichte nicht umgestürzt, aber geschichtskritische Ansätze geschaffen, die später zum Tragen kamen.

Die Französische Revolution und ihre Folgen bedeuteten einen Rückschlag für die Geschichtskritik. Die literarische Formung und Verklärung der behaupteten Vergangenheit gewannen Oberhand.

Doch unbedingt ist auf ein fast geniales Werk hinzuweisen, das am Ende der Napoleonischen Zeit erschienen ist, nämlich Meine Ansicht der Geschichte von Peter Franz Joseph Müller, Düsseldorf 1814.

Der Autor ist leider erst spät auf das Buch von P.F.J. Müller gestossen. Sonst hätte er es mehr zitiert.

Klar spricht Müller aus, daß die gesamte Geschichte bis zu seiner Zeit gefälscht ist, daß darüber unzählige Dokumente, Münzen, Inschriften usw. geschaffen wurden und daß die alten lateinischen und griechischen Schriftsteller von Homer bis Titus Livius gedungene Erzeugnisse jüngerer Zeit seien, also nicht in den Zeiten entstanden sind, denen sie zugerechnet werden.

Die gefälschte Geschichte tauschte nach Müller das Wahre mit dem Falschen und versetzt Ereignisse aus späteren Jahrhunderten in frühere und umgekehrt.

Angesichts der luziden Geschichtsanalyse, welche Müller bietet, bedauert man die Entwicklung der historischen Wissenschaften der letzten zwei Jahrhunderte als einen kolossalen Irrweg.

Das 19. Jahrhundert erlebte parallel zur Industrialisierung und zur Entwicklung der exakten Wissenschaften einen großen Aufschwung der Geschichtsforschung. Diese nahm sich vor, kritisch an die alten Dokumente heranzugehen. Institutionen wie die Monumenta Germaniae Historica und die französische Ecole des chartes waren Ergebnisse dieser systematischen Quellenkritik.

Der neuen Geschichtswissenschaft war es zu verdanken, daß mehrere offensichtlich mythische Zweige der älteren Geschichte gekappt und einzelne besonders verdächtige Quellen verworfen wurden.

Trotz der kritischen Methode blieb die absurde alte Geschichte bestehen. Das hatte mehrere Gründe.

Vor allem vergeudete die historische Text- und Urkundenkritik ihre Energie auf den Nachweis einzelner Fälschungen. Nirgends aber reifte die Erkenntnis, daß das ganze Geschichtsbild falsch war, weil eine umfassende Fälschungsaktion dahinterstand.

Der zunehmende materielle Wohlstand, der sich entwickelnde Materialismus und vor allem der Nationalismus waren der Geschichtskritik ebenfalls nicht förderlich.

Besonders im Deutschen Reich entfaltete sich die klassische Philologie zu einsamen Höhen, Damit aber wurden die sagenhaften alten Griechen und Römer auf ein Podest gehoben, wo kein Zweifel sie mehr erreichen konnte.

Die Geschichtskritik blieb bei einzelnen Forschern haften.

David Strauss und Bruno Bauer etwa erkannten durch ihre Leben-Jesu-Forschung, daß die Evangelien und die biblischen Geschichten als religiös gefärbte Literatur zu betrachten ist.

1866 veröffentlichte der Berliner Gymnasialprofessor Reinhold Pallmann eine Betrachtung über die damals bekannt und populär gewordenen Pfahlbauten. Darin forderte er eine radikale Umdeutung und Verjüngung dieser Ufersiedlungen. – Und vor allem übte Pallmann Kritik an der damals aufkommenden Datierungsmanie und der Sucht der Archäologen, Kulturepochen nach den verwendeten Materialien wie Stein, Bronze und Eisen einteilen zu wollen.

Gewisse Aussagen Pallmanns können sogar als Grundannahmen der Chronologiekritik verwendet werden:

Es ist überhaupt ein weiterverbreitetes und tief eingewurzeltes Bestreben, Gegenstände der Altertumskunde in ein recht hohes Alter zu setzen. Als ob der Fund dadurch wertvoller würde (Pallmann, 78).

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts veröffentlichte der englische Altphilologe Edwin Johnson zwei Werke, deren kühne Erkenntnisse erst heute zum Tragen kommen.

Während Johnsons erstes Werk Antiqua Mater von 1887 noch recht konventionell anmutet, so bedeutet sein letztes Buch The Pauline Epistles von 1894 einen genialen Wurf. Hier werden grundlegende Fragen zur geschichtlichen Erkenntnis aufgeworfen.

Johnson behandelt die Entstehung der Paulus-Briefe und kommt auf Grund quellenkritischer Überlegungen zum Schluß, daß diese den Geist und die Diskussionen der Reformatoren widerspiegelten. Folglich müßten diese und alle anderen biblischen Schriften und selbstverständlich auch die Kirchenväter Schöpfungen des 16. Jahrhunderts sein.

In The Pauline Epistles erkennt Johnson auch, daß die abendländische schriftliche Überlieferung eine zeitliche Untergrenze hat. Dabei nennt er für England das Jahr 1533.

Ebenfalls sieht Johnson, daß die Schöpfung der religiösen und sonstigen Literatur das Werk einer planvollen Aktion verschiedener Gruppen ist. Er nennt dies den runden Tisch der Mönche.

Sogar bestimmte Fälscherzentren macht Johnson aus, zum Beispiel Bury Saint-Edwards in England; Saint-Denis, Tours und das Kloster Saint-Irénée von Lyon in Frankreich, Bobbio und Montecassino in Italien.

In Ansätzen glaubt Johnson sogar die Herkunft oder die Alter egos von Kirchenvätern zu erkennen. So sei nach ihm Hieronymus wahrscheinlich in der Gegend von Lucca oder Pisa entstanden. Und Augustinus ist für ihn ohne Luther undenkbar.

Für Edwin Johnson stellt die Geschichtsfälschung ein gewaltiges Monument dar für die menschliche Neigung zu betrügen und sich betrügen zu lassen (an enormous monument of the propensity in human nature to deceive and tobe deceived).

Auch Johnson widerfuhr das Schicksal, daß seine Erkenntnisse und Gedankenanstöße nicht wahrgenommen wurden. Der Autor blieb unbekannt. – Der Autor hat ihn erst Ende 2001 kennengelernt.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts erschienen im deutschsprachigen Raum unter dem Pseudonym Robert Baldauf zwei Schriften, welche allein die gesamte literarische Überlieferungsgeschichte hätten revolutionieren können (vgl. Topper: Grosse Aktion, 16 ff.; Topper: Zeitfälschung, 255; Fomenko, I, 97).

Die Abhandlung Der Mönch von Sankt Gallen erschien 1903 in Leipzig. Darin schloß Baldauf auf Grund quellenkritischer Analysen, daß die Gesta Caroli Magni, die einem Mönch namens Notker Balbulus des 9. Jahrhunderts zugeschrieben wurden, identisch seien mit dem Autor Ekkehard IV., der ins 11. Jahrhundert gesetzt wird.

Die Methode, die Baldauf hier anwendete, ist mustergültig. Aber das Werk muß einige Jahre früher geschrieben worden sein, weil es in seinen Schlußfolgerungen dem zweiten Werk nachsteht.

Wirklich genial, sowohl in seiner Kürze von hundert Seiten, in der Reichhaltigkeit der Zitate und vor allem in seinen Schlußfolgerungen, ist das zweite Werk von Baldauf, 1902 in Basel erschienen. Es trägt den umständlichen und wenig auffälligen Titel: Historie und Kritik (einige kritische bemerkungen); IV. Das Altertum (Römer und Griechen); C. Metrik und Prosa.

Übergeht man den Titel, so findet man ein Werk, das vor allem Textbeispiele klassischer römischer und griechischer Autoren bringt und durch knappe Bemerkungen des Autors ergänzt und zusammengehalten wird.

Die kritischen Einwände Baldaufs gegen die angebliche antike Textüberlieferung sind revolutionär, besonders am Schluß.

Baldauf weist mittels scharfsinniger Textanalyse nach, daß alle alten Autoren in Wirklichkeit in der Renaissance geschrieben, beziehungsweise gefälscht worden sind. In diesen Texten - sei es Caesar, Plautus, Horaz, Ovid oder Homer – scheinen für ihn die romanischen Sprachen und der deutsche Stabreim durch.

Die gesamte „antike“ Textüberlieferung stammt nach Baldauf folglich aus einem einzigen Jahrhundert. Mehr noch: Auch die Bibel, sowohl das Alte wie das Neue Testament seien gefälscht. - Ferner sei die gesamte europäische Quellenliteratur bis weit in die Reformation hinein erdichtet und erfunden worden.

Für Baldauf ist der Humanismus folglich keine receptive mit gelehrtem sammeleifer gewesen, sondern eine welt der ureigensten, produktivsten, ungeheuersten geistigen thätigkeit (Baldauf, 1902, 98).

Baldaufs Entlarvung der angeblichen alten Literatur als humanistische Schöpfung ist nicht zu widerlegen. Sie liefert zusammen mit anderen Überlegungen die wichtigsten Argumente für die Kritik an der älteren Geschichte.

Über Baldaufs Leben und allfällige weitere Manuskripte ist nichts bekannt. Der geniale Philologe lebt nur durch seine beiden Broschüren weiter.

Vor kurzem hat ein Forscher nachgewiesen, daß Friedrich Nietzsche der Verfasser von Baldaufs Schriften ist. Der Philosoph begann bekanntlich als Professor für Altphilologie in Basel.

Nietzsches unorthodoxe literarische und philologische Analysen wurden also postum von dessen Erben herausgegeben.

Es beschämt die ganze historisch-philologische Wissenschaft, daß Robert Baldauf wie Edwin Johnson nirgends zur Kenntnis genommen wurden und heute vergessen wären, hätten nicht russische Forscher seit 1990 diese beiden Kritiker wieder im Westen bekannt gemacht.

Die Zeit nach 1914 war der Geschichtskritik wenig günstig – bis hin zur Gegenwart.

Die Gründe liegen in der Geschichte des zwanzigsten Jahrhunderts. Dieses war geprägt durch zwei Weltkriege und eine dazwischen liegende Weltwirtschaftkrise. – Kriege und Krisen sind nie gut für eine gedeihliche Entwicklung der Wissenschaften.

Zudem entstanden im 20. Jahrhundert in den totalitären Systemen besonders häßliche Staatsformen, welche sich zum Ziel machten, jegliche Freiheit des Denkens zu vernichten und durch eine pseudoreligiöse Ideologie zu ersetzen.

In diesen schwierigen Jahrzehnten wirkte ein Mann, der wie kein zweiter die Quellenkritik und die Kritik an der älteren Geschichte vorangebracht hat.

Seit den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts Jahren beschäftigte sich in Deutschland der Jurist und Privatgelehrte Wilhelm Kammeier (1889 – 1959) (vgl. Topper: Grosse Aktion, 20 ff.; Kammeier 2000, Einleitung und Nachwort) mit den Quellen der mittelalterlichen Geschichte, also den Urkunden und Chroniken.

Im Gegensatz zur Schulwissenschaft erkannte Kammeier, daß das Problem der Fälschungen in den mittelalterlichen Quellen nicht akzidentiell, sondern substantiell ist. Die ganze alte Überlieferung also war gefälscht oder verfälscht. Er sah diese Aktion in folgender historischer Skizze ablaufen.

Das alte Christentum sei volksnah, undogmatisch und regional organisiert gewesen. Auch habe es ein Papsttum zuerst in Frankreich gegeben. – Avignon sei nicht ein Exil, sondern der ursprüngliche Sitz des Pontifex Maximus gewesen.

Nach dem sogenannten avignonesischen Exil, genauer gesagt mit dem Konzil von Pisa „1409“, sei dann ein römisch-katholisches Papsttum mit Sitz in Rom geschaffen worden. – Mit dieser Entscheidung habe die Grosse Aktion der Geschichtsfälschung begonnen. Zweck dieser Unternehmung sei es gewesen, die wahren Ursprünge des Christentums und der Kirche zu vernichten und dafür gefälschte Geschichte im Sinne des neuen universalkirchlichen römischen Dogmas zu schaffen.

Die Grosse Aktion, welche Kammeier beschreibt, habe darauf abgezielt, die gesamte deutsche mittelalterliche Vergangenheit nach einem bestimmten Grundplan umzugießen und dann von Grund auf neu zu formen (Kammeier, 2000, 81). Als Mittel dazu hätten die spätmittelalterlichen und humanistischen Schreiber in ihre Quellen den absichtlichen Widerspruch und das absichtliche Dunkelmunkel eingebaut (Kammeier: Neue Beweise, 46; in: Kammeier, 1979).

Der geplante Widerspruch ist für Kammeier ein zentrales Argument für die Kritik der alten Quellen.

Kammeiers Schicksal entspricht den verqueren Zeitenläufen. Sein Hauptwerk Die Fälschung der deutschen Geschichte hatte er bereits in den 1920er Jahren verfaßt, aber dafür keinen Verlag gefunden. Erst in der Nazi-Zeit wurde das Buch 1935 gedruckt. – Dabei hatte der Autor keinerlei Sympathien mit dem braunen Regime. Kammeier profitierte nur von einer für ihn günstigen politischen Großwetterlage. – Die Versuche von konventionellen deutschen Historikern, Kammmeier deswegen politisch zu diffamieren, sind niederträchtiger Rufmord.

Zwischen 1936 und 1939 publizierte Kammeier noch mehrere interessante Aufsätze, die erst 1979 unter dem treffenden Titel Die Wahrheit über die Geschichte des Spätmittelalters herauskamen. Darin lieferte er weitere Beweise für seine universale Fälschungsthese des Mittelalters, beschäftigte sich mit der merkwürdigen Rolle Roms im Spätmittelalter und präzisierte seine These von der Übersiedlung des Papsttums von Avignon nach Rom als Auslöser der Grossen Aktion.

Nach Kriegsteilnahme und Kriegsgefangenschaft schrieb Kammeier in der damaligen DDR um 1957 noch einmal in gewohnt polemischer, aber fundierter Art ein Werk mit dem Titel Die Fälschung der Geschichte des Urchristentums. Hier beschäftigte sich der Forscher mit den Quellen der biblischen Schriften, den Papyri, den Codices und den Majuskelhandschriften.

Auch hier sah Kammeier durchwegs eine Fälschungsaktion der Renaissance dahinter, bei vielen berühmten Manuskripten und Papyri sogar eine des 19. und 20. Jahrhunderts.

Dieses letzte Buch konnte in dem kommunistischen Land nicht erscheinen. – Kammeier soll verhungert sein. – Das Werk über das Urchristentum kam erst 1981 in Westdeutschland heraus.

Kammeier verdankt die Geschichtskritik den treffenden Begriff Grosse Aktion für die Fälschung der Quellen und Literatur des Altertums und des Mittelalters. – Und seine Urkundenkritik ist mustergültig und setzt die ganze universitäre Diplomatik und Mediävistik schachmatt.

Die notwendige Kritik an Wilhelm Kammeier soll nicht ausgespart werden.

Kammeier sieht die plausible Geschichte im Spätmittelalter entstehen. Dabei hält er dafür, daß es vor 1300 keine zuverlässige und bis 1400 nur eine schattenhafte Überlieferung gebe. Erst nach 1409 habe die Fälschungsaktion eingesetzt, so daß die Vergangenheit ab 1500 in etwa plausibel sei.

Die folgenden Darlegungen werden zeigen, daß Kammeier die Entstehung der plausiblen Geschichte zeitlich weit überschätzt hat.

Dann hat sich Kammeier nie mit Chronologie befaßt. Also sah er eine Fälschung der Textüberlieferung und übersah dabei, daß Geschichts- und Zeitfälschung Hand in Hand gingen.

Der wirtschaftliche Aufschwung des Westens nach 1945 brachte lange Zeit kein befreites historisches Denken hervor. Die geistigen Verheerungen der Kriege und Krisen wirkten nach. Der Ausbau der wissenschaftlichen Forschung nützte nur den überholten dogmatischen und orthodoxen universitären Systemen.

In gewissem Sinne fiel die Geschichtsforschung sogar unter das vor 1914 erreichte kritische Niveau zurück. Die ältere Geschichte wurde nirgends hinterfragt. Stattdessen bemühten sich die Wissenschafter in verstärktem Masse, die alten Mythen und die Geschichtsliteratur wieder als wahre Geschichte hinzustellen.

Das berühmte Sachbuch der 1950er Jahre, Und die Bibel hat doch recht, war in gewissem Sinne ein Wahrspruch der historischen Tendenzen bis zum ausgehenden Jahrhundert.

Die Wiederbelebung von geschichtskritischen Bestrebungen kam fast unbemerkt gegen Ende der 1980er Jahre.

Von der Erdgeschichte her wurde der Katastrophismus neu belebt. Das bisherige Dogma von den Millionen Jahren währenden Erdzeitaltern kam ins Wanken.

In der Erdgeschichte wurden der Ursprung der Menschheit und die Urgeschichte als eine radikal verkürzte Entwicklung begriffen. Der Titel von Gunnar Heinsohns Schrift Wie alt ist das Menschengeschlecht? war programmatisch.

Vom Ursprung des Menschen wurden erste Überlegungen zur Plausibilität der Epochenfolgen und der Quellen der altorientalischen, besonders ägyptischen Kulturgeschichte gemacht. Grundtendenz war, daß die alten Epochen zeitlich viel kürzer gewesen seien und viele Verdoppelungen von Herrschern und Dynastien eliminiert werden müßten.

Doch noch gegen Ende der 1990er Jahre war die Geschichtskritik vollkommen zersplittert. Vor allem fehlten genügend Gedankenanstöße und gedruckte Grundlagen.

Der Autor selbst sah damals schon das Problem, welches hier dargelegt wird. Doch es mangelte an Vorarbeiten und an Diskussionsmöglichkeiten.

Um das Jahr 2000 änderte sich die Lage zum Besseren. Dank gebührt hier Eugen Gabowitsch (1938 – 2009), Dieser Physiker aus Estland und hat zuerst von Karlsruhe und seit 2003 von Berlin aus sich unermüdlich um die Organisation eines Kreises von geschichtskritischen Leuten bemühte und dazu Vorträge und Tagungen organisierte.

Uwe Topper war der zweite Kopf der deutschen Szene, der durch eine rege publizistische Tätigkeit und durch Bücher zu den Themen Urgeschichte und Geschichtsfälschung, auch durch kunstgeschichtliche Betrachtungen der älteren Epochen, zu einem neuen Bild der Vorgeschichte anregte.

Eugen Gabowitsch war es auch, der die Arbeiten der russischen Vorreiter der Geschichtskritik, von Morosow bis Fomenko, im Westen bekannt machte.

Ohne die russische Vorarbeit stünde die Analyse der alten Geschichte auch heute noch in den Anfängen. Aus diesem Grunde rechtfertigt die neue russische Schule der historischen Kritik um Fomenko hier ein eigenes Kapitel.

In Frankreich, England und Amerika sind die geschichtskritischen Bemühungen erst schwach ausgeprägt.

Die Geschichtskritik taucht langsam an der Oberfläche des Ozeans der historischen Diskussion auf. – Wie weit sie wahrgenommen wird, läßt sich nicht sagen. Doch die Richtung kann auf jeden Fall nicht mehr ignoriert werden.

Der analytische Ansatz von Fomenko

Obwohl Rußland die meiste Zeit des 20. Jahrhunderts unter einem totalitären System zu leiden hatte, konnte sich durch glückliche Fügung ein geschichtskritischer Ansatz von der Zeit vor 1914 bis nach 1990 hinüberretten (vgl. zum Folgenden u.a.: Topper: Grosse Aktion, 271 ff.).

Um 1900 begann der Chemiker und Geschichtsforscher Nikolaj Morosow (1854 – 1946) mit einer umfassenden Analyse der Ursprünge des Christentums und entlarvte dessen Geschichte „bis zum 5. nachchristlichen Jahrhundert“ als Fälschung.

Von seinem siebenbändigen Werk Christ ist nur ein erster Band vor 1914 auf Deutsch erschienen.

Morosow zeigt sich als scharfsinniger Analytiker, der unter anderem die von mir betriebene Namenanalyse begründet hat.

Anatolij Fomenko (Jahrgang 1945) war von Haus aus Professor für Mathematik und Statistik an der Universität Moskau und Mitglied zweier Akademien. Nach einer langen Forschungstätigkeit in seinem engeren Gebiet begründete er die Gruppe Neue Chronologie, die sich zur Aufgabe machte, die Inhalte der erzählenden historischen Quellen der älteren Zeit, des Altertums und des Mittelalters zu analysieren.

Für die mathematisch-statistische Analyse von narrativen Strukturen wurde die alte Weltgeschichte nach bestimmten Kriterien auf wiederkehrende inhaltliche und zeitliche Elemente untersucht.

Dabei stellte Fomenko fest, daß sich die älteren Geschichtsepochen in ihrer Dauer und in ihren Aussagen überlappen und letztlich auf etwa sechs Textbücher zurückgeführt werden können.

Zentral sind für Fomenko die Begriffe der Zeitverschiebung (shift) und des inhaltlich zusammenhängenden Erzählstroms (jet).

Das narrative Material (narrative material) läßt sich für ihn zu einer globalen chronologischen Tabelle (global chronological diagram) anordnen.

Abbildung 3: Fomenko: Die Parallelen zwischen den Königen des Teilkönigreichs Israel im Alten Testament und den Herrschern Spätroms

Nach: A.T. Fomenko: History: Fiction or Science, vol. 2, Paris, etc. 2005, p. 32. Vom Autor bearbeitet.

In dieser Aufstellung ergeben sich einzelne Geschichtsepochen mit Längen von meistens etwa 250, 300, 1000 oder 1800 Jahren. Eine historische Epoche kann man durch Parallelverschiebung in eine andere einsetzen.

Die meisten Herrscher zeigen sich beim Vergleich deckungsgleich in der Länge ihrer Herrschaft und teilweise in ihren Namen.

Die mathematischen Modelle ergeben statistische Maxima und Graphen, welche die Identität von bestimmten pseudohistorischen Daten und Epochen beweisen.

Fomenkos Entdeckung der Duplizitäten oder Isomorphismen von Herrschern, Ereignissen und Daten in scheinbar vollkommen verschiedenen Epochen ist genial und in diesem Umfang noch nie erkannt worden.

Eine besondere Stärke in Fomenkos Hauptwerk sind seine zahlreichen Tabellen, welche die Parallelitäten zwischen Herrschern und Dynastien veranschaulichen. Einen großen Teil seiner Überzeugungsarbeit leistet jener Autor durch die Graphiken.

Fomenko erkennt vor allem, daß die Bibel, besonders die historischen Bücher des Alten Testaments, eine wichtige Grundlage der historischen Matrix darstellen.

Das Teilkönigreich Israel zum Beispiel widerspiegelt sich im spätrömischen Reich (Abbildung 3).

Oder das Teilkönigreich Juda stellt ein exaktes Spiegelbild des Römisch-deutschen Reiches des Hochmittelalters dar (Abbildung 30).

Wichtige von Fomenko erkannte Parallelitäten sind ferner:

Die Geschichte des Byzantinischen Reiches entpuppt sich als eine vierfache Wiederholung des gleichen Textbuches.

Die römische Kaisergeschichte spiegelt sich sowohl in der späten römischen Republik, der spätrömischen Geschichte, der Karolingergeschichte, der Kaisergeschichte des deutschen Hochmittelalters und sogar im Habsburger Reich des Spätmittelalters und der frühen Neuzeit.

Sogar die Abweichungen und Unterschiede zwischen diesen Geschichten erklären sich häufig auf dialektische Weise: Herrscher können vertauscht oder in mehrere Figuren aufgeteilt werden.

Fomenko zählt nicht weniger als 34 Charakteristika der Personenanalyse auf, die man in einem erzählenden historischen Text berücksichtigen muß (Fomenko, I, 57 ff.):

Geschlecht einer Person, Geburts- und Todesjahr, Geburts- und Todesort, Lebensdauer, Dauer der Regierung, Status des Herrschers, Verwandtschaft, Todesumstände, astronomische Erscheinungen und Naturkatastrophen während der Herrschaft, usw.

Kriege, Siege und Niederlagen, Freunde und Feinde, völkische Gruppen, religiöse Ereignisse sind weitere Elemente, welche in eine Analyse einzubeziehen sind.

Wichtig sind auch die Namen der Völker, Personen, Länder und Städte. Wie schon Morosow, sieht Fomenko in den alten Namen Sinn-Namen, wobei ein Übername oder Spitzname ebenso aufschlußreich sein kann wie der Hauptname und Vorname.

Fomenko hat mit seiner Methode die antike und mittelalterliche und später die griechische und russische Geschichte analysiert.

Ausführlich werden auch alte astronomische Traktate, etwa der Almagest des angeblichen Claudius Ptolemäus behandelt.

Die beiden Hauptwerke von Ferdinand Gregorovius, nämlich seine umfangreiche Geschichte der Stadt Rom im Mittelalter und die Geschichte der Stadt Athen im Mittelalter sind für Fomenko wichtige Quellen, in denen sich die antike römische und griechische widerspiegeln.

Auch die Technikgeschichte, die Kunst- und Architekturgeschichte spielen in den Werken von Fomenko eine wichtige Rolle.

In allen seinen englisch erschienenen Büchern wird auch auf das Problem Pompeji eingegangen. – Denn je mehr man sich mit jener vom Vesuv verschütteten Ruinenstadt beschäftigt, desto mehr rückt jener Ort ins Mittelalter, oder besser gesagt in die Neuzeit.

Ebenfalls behandelt Fomenko die unmöglich frühe Datierung von anderen antiken Bauten wie des Parthenons in Athen.

Und ihm fällt auf, daß die gotischen Kathedralen in den europäischen Städten nicht aus einem fernen „Mittelalter“ stammen können.

Fomenkos teilweise in hohen Auflagen gedruckten Werke sind in Russisch erschienen, was die Wirkung im Ausland erschwerte.

Glücklicherweise ist jedoch sein Hauptwerk Empirico-statistical analysis 1994 in einer sehr guten zweibändigen Ausgabe auf Englisch herausgekommen (Fomenko, 1994).

Und seit 2003 erschien auf Englisch eine auf sieben Bände angelegte Gesamtschau der historisch-analytischen Werke und Ideen von Fomenko (Fomenko: History: Fiction or Science).

Fomenkos Analysen der älteren Geschichte bilden eine unverzichtbare Grundlage der historischen Forschung.

Fomenko hat seine statistischen Inhaltsvergleiche auch für den Vergleich einzelner Texte eingesetzt.

Beispielsweise ergibt ein Vergleich zwischen der römischen Geschichte des Titus Livius und der römischen Geschichte des Baronius eine vollkommene Übereinstimmung im Umfang und in den Inhalten der beiden Werke. – Der neuzeitliche und der antike Schriftsteller haben also einen einzigen Urheber (Fomenko: History, vol. 2, 420).

Es gibt nur wenige Einwände zu Fomenkos Methoden und Ergebnissen.

Vor allem sind für einen Nicht-Mathematiker die mathematischstatistischen Grundlagen der Analysen schwer zu verstehen; ebenfalls die behaupteten zeitlich exakten Epochenlängen und Rückverschiebungen von Ereignissen.

Fomenko hat die Analyse der antiken und mittelalterlichen Geschichtsbücher und Autoren sehr weit vorgetrieben. – Die Erzählungen des trojanischen Krieges etwa werden in zahllosen literarischen Ausformungen analysiert.

Allein es fehlen bei Fomenko ganze Blöcke von Parallelitäten. König Salomon zum Beispiel wird nicht als Blaupause erkannt, welche alle alten Textbücher durchzieht.

Fomenko hat auch ausführlich die Geschichte seines eigenen Landes analysiert.

Beispielsweise entpuppt sich die russische Dynastie der Goldenen Horde als eine genaue Kopie der Habsburger Herrscher des Spätmittelalters.

Der berühmte Iwan der Schreckliche zeigt sich als zeitgleiche Parallelität zu Karl V. von Habsburg (Fomenko: History, vol. 1, 284 f.).

Die Beispiele, die Fomenko bringt, sind fast unausschöpflich. – Eine moderne Geschichtswissenschaft würde hier ein weites und lohnendes Tätigkeitsgebiet finden.

Die mathematisch-statistischen Methoden zur Analyse literarischer Texte hat Fomenko auch bei modernen Werken angewandt:

Seit langem wird gemutmaßt, daß das Epos Der stille Don (1929 – 1940) des sowjetrussischen Schriftstellers Michael Scholochow nicht von diesem geschrieben wurde, sondern ein Plagiat darstellt.

Fomenko bestätigt in einer Analyse diesen Vorwurf: Die Invarianz der Partikel- und Wortwahl, der Satzlängen, sowie eine Durchleuchtung der Biographie von Scholochow ergibt, daß der größere Teil des Romans über die Kosaken im russischen Bürgerkrieg nicht von dem Autor stammen (Fomenko: History, vol. 2, 425 ff.)

Fomenko hat die ideelle und strukturelle Grundlage für das vorliegende Buch vorgegeben. Er wies als erster nach, daß nicht nur geschichtliche Inhalte, sondern auch Epochen erfunden wurden. Dank ihm heißen die Bemühungen Geschichts- und Chronologiekritik.

In fast jedem Kapitel weist Fomenko zum Beispiel auf den Chronologen Joseph Justus Scaliger hin, den er für den Urheber der verqueren Zeitstellungen der älteren Zeit hält.

Die Geschichtswissenschaft war während Jahrhunderten eine Domäne der Vertreter der Theologie, Philosophie und Philologie geblieben. Diese Fächer entwickelten nie einen Sinn für materielle, baugeschichtliche und technologische Fragestellungen. – Mit diesen Werkzeugen aber hätte man das überholte Gebäude der älteren Geschichte schon längst einreißen können.

Eigene Methoden und Ansätze

Seit Jahrzehnten hatte der Autor vage Zweifel an der älteren Geschichte. – Vor mehr als zwanzig Jahren verdichteten sich diese Vorbehalte und mündeten schließlich in eine universale Geschichts- und Chronologiekritik.

Allerdings war der Weg zur heutigen Klarheit nicht immer fließend und geradlinig. – Die wenigen kritischen Stimmen zur älteren Geschichte lernte der Autor erst nach und nach kennen. Noch länger dauerte es, bis sich brauchbare methodische Ansätze fanden. Und erst zuletzt reifte eine Gesamtschau der Thematik heran.

Danach ist die Geschichte zweizuteilen in Geschichte und Vorgeschichte. Die Geschichte kennen wir in etwa, weil sie durch plausible Inhalte und Zeitstellungen zu fassen ist.

Die Vorgeschichte hingegen kennen wir nicht. In ihr können wir höchstens ein paar begründete Mutmaßungen über Inhalte und Datierungen anstellen.

Die Entwicklung der Zivilisation hing jedoch nicht von der Schriftkultur ab. - Schon vor der plausiblen Geschichte gab es Hochkulturen mit Metallverarbeitung, später mit Mörtelmauerwerk und mit einer Reihe von technischen Innovationen. Doch diese alten Kulturen sind und bleiben stumm.

Aus der Unterscheidung zwischen Geschichte und Vorgeschichte ergibt sich eine grundlegende Fragestellung: Wann beginnt die plausible, die sicher datierbare Geschichte?

Hier ist zuerst auf einige Irrtümer der historischen Betrachtungsweise hinzuweisen.

Die konventionelle Methode ist für die im Folgenden behandelten Themen und Epochen falsch. Wir haben in den älteren Zeiten theoretisch wohl einen Zeitablauf. Aber diesen kennen wir nicht. Den Geschichten waren zuerst keine Zeitangaben beigefügt. Die schriftlose Vergangenheit steht auf einer einzigen zeitlichen Ebene. Früheres und Späteres kann sich überlappen oder sogar ins Gegenteil verkehren.

Das Charakteristikum der Vorgeschichte ist die völlige Dunkelheit. Wir haben wohl bauliche und dingliche Überbleibsel, die sich aber weder zeitlich noch inhaltlich richtig einordnen lassen.

Die Wissenschaft kann hier nur beschreiben, analysieren und über mögliche Hintergründe mutmaßen. Das verändert sich erst mit dem Übergang von der Vorgeschichte zur Geschichte.

Doch auch dort gibt es ein quälendes grundsätzliches Problem: Wann endet die Vorgeschichte und wann beginnt die Geschichte?

Der Übergang ist nur ungefähr zu fassen. Man muß zwingend eine geschichtliche Grauzone annehmen. Aber welche Ereignisse zeitlich und inhaltlich plausibel sind und in welchem Umfang, ist und bleibt Ansichtssache.

Für den Geschichtsgläubigen beginnt die Geschichte früher. Wer sich in kritischer Zurückhaltung übt, sieht den Beginn der wahren Geschichte später. Kein Gremium und keine historische Methode können diesen unangenehmen Sachverhalt verkürzen oder beseitigen.

Aus diesen Bemerkungen ergibt sich auch die Einteilung dieses Werkes.

Zuerst sollen Realien betrachtet werden. Das sind besonders baugeschichtliche und kunstgeschichtliche Zeugnisse und die Technologiegeschichte. - Burgen und Wehrbauten werden aus einsichtigen Gründen besonders aufgeführt.

Ein erstes Mal sollen die alten Griechen und die alten Römer kritisch durchgesehen werden.

Das Problem Pompeji ist – wie bei Fomenko - in einem gewissen Sinne als Schlüssel zu einer ungefähren Datierung des Anfangs der Geschichte zu sehen.

Doch auch die Chronologie, die Orts- und Personennamen zählen zu den Materialien, welche einer Betrachtung der geschichtlichen Inhalte vorangehen müssen.

Eine Verkürzung und schnelle Abfolge der Kulturen, sogar gewisse kulturelle Überlappungen und Parallelitäten, werden bereits deutlich.

Das schwierige Thema der Schwelle zwischen Vorgeschichte und Geschichte wird immer wieder angegangen. Wiederholte Diskussionen sind die einzige Möglichkeit, hier mehr Klarheit zu gewinnen.

Eine wenigstens kursorische Betrachtung der angeblichen Quellen der älteren Geschichte muß eingefügt werden.

Hier wird bei einer detaillierten Betrachtung deutlich, wie unzuverlässig, widersprüchlich und widersinnig die ersten schriftlichen Überlieferungen sind. Nur die pflegliche Behandlung dieser Erzeugnisse durch die meisten Historiker hat bisher verhindert, daß sie als Fälschungen oder Schöpfungen erkannt wurden, die einen späten zeitlichen Anfangspunkt haben.

Der letzte Teil ist der umfangreichste. Hier wird das Werk dem Titel gerecht. Die wichtigsten Inhalte der Geschichtserfindung und der Grossen Aktion werden analysiert. Dabei bekommt auch der frühere Untertitel seinen Sinn: Die erfundene Geschichte ist religiös gefärbt, gleichgültig in welche Epochen die Inhalte gesetzt wurden.

Vom Umfang her sind die alten Geschichten überschaubar und der darunter liegende Bauplan - eben die Matrix - klar zu erkennen.

Doch je mehr man in die Einzelheiten geht, desto größer wird die Vielfalt. Es braucht eine gewisse Disziplin, um die Übersicht zu behalten. Die alte Geschichte gleicht einem Kaleidoskop, das bei jeder Bewegung neue Bezüge, Anspielungen, Verwandlungen und Vexierbilder zeigt.

Man kann diesen Sachverhalt mit den Rätselbildern des Holländers M.C. Escher vergleichen: Betrachtet man ein solches vordergründig stimmiges Bild genau, so gerät man unversehens von einer Ebene in eine andere, und eine Formengruppe zeigt bei näherem oder weiterem Zusehen plötzlich andere Figuren.

Bei der Behandlung vieler Themen zeigt sich, wie sich der Geschichtskritiker häufig auf historischem Neuland bewegt. Bei gewissen Fragestellungen, etwa der Entstehungszeit des Buchdrucks, müssen erste Anhaltspunkte als Grundlage dienen.

Die Wissenschaft hat wohl eine Menge Fakten zur Geschichte zusammengetragen, aber meistens unter veralteten oder unbrauchbaren Gesichtspunkten – und vor allem innerhalb der verqueren konventionellen Chronologie.

Die gestellte Aufgabe ist groß. Sie würde bedingen, alle alten Quellen noch einmal zu betrachten und zu analysieren. Das übersteigt die Möglichkeiten eines Einzelnen bei weitem.

Aber man braucht nicht an der Materialfülle zu verzweifeln. Eine kombinierte Methode gewährt genügend Durchblick.

Gewisse Themen werden nur in großen Zügen behandelt, bei anderen geht es bis in Einzelheiten.

Das Buch sei Anregung, der Sache weiter nachzugehen. Nicht fertige Erkenntnisse werden deshalb vorab geliefert, sondern neue Fragestellungen.

In der älteren Geschichte braucht es wie überall ein Grundwissen. Doch Wissenschaft muß zum Denken anregen, sonst erstarrt sie in Dogmatismus und Orthodoxie.

Die offizielle Geschichtswissenschaft der älteren Zeit hat schon längst diesen Irrweg eingeschlagen. Deshalb scheinen hohle Wissensgebäude wie das Altertum und das Mittelalter so unwidersprochen.

Das Buch ist unter dem gleichen Titel zuerst 2002 herausgekommen. Der Kern ist bei den Neubearbeitungen geblieben.

Allein in dem jungen Gebiet der Geschichtskritik verändert sich in kurzer Zeit sehr viel. Einige Berichtigungen hätten nicht gereicht. Viele Akzente mußten neu und anders gesetzt werden. Dazu brauchte es ein neues Gerüst und eine neue Gruppierung der Themen und Kapitel.

Tabellen sind zur Erklärung der Materie ebenso wichtig wie Abbildungen.

Der berühmte Leopold von Ranke schrieb über den Zweck der Geschichtsschreibung, sie solle darstellen, wie es eigentlich gewesen sei.

Man sollte Rankes Maxime abändern und sagen: Die Geschichtskritik stellt dar, was sicher nicht gewesen und was vermutlich passiert ist.

Die Entstehung der abendländischen Kultur im 18. Jahrhundert

Zwischen den verschiedenen Ausgaben dieses Werks machte der Autor viele historische Detailuntersuchungen.

Die Einzelbetrachtungen, vor allem der älteren Schweizer Geschichte, führten zu klaren Erkenntnissen hinsichtlich der Matrix der alten Überlieferung, dem Beginn der Schriftkultur und dem Einsetzen der wahren Geschichte.

Es erwies sich, daß die heutige abendländische Baukultur, die Entstehung der heutigen „mittelalterlichen“ Städte, etwa dreihundert Jahre vor heute zurückliegen.

Vorher – nach heutigem Sprachgebrauch „zu Beginn des 18. Jahrhunderts“ – herrschte in Europa noch eine Kultur, die man als römisch bezeichnen kann.

Danach scheint sich ein spätrömisches Reich entwickelt zu haben. In diesem verschob sich das politische Machtzentrum von Gallien nach Germanien.

Dieses spätrömische Reich war bereits christlich oder besser gesagt altchristlich. In Germanien entwickelte sich die neue Kultsprache des Hebräischen. Gemeinsam, als Hebräer und Germanen, versuchte dieses Reich die alten Provinzen, also Britannien, Gallien, Iberien, Italien und sogar Nordafrika zu kolonisieren.

Das römisch-germanisch-hebräische Streben nach Überlagerung des Westens und Südens von Europa hat sich in der Geschichtsschreibung unter dem wenig zutreffenden Begriff Völkerwanderung eingetragen.

Das germanische Überlagerungsstreben ist in den genannten Ländern mißlungen. Dabei scheint auch das autoritäre spätrömische Reich auseinandergebrochen zu sein.

Der Zusammenbruch des spätrömischen Reiches war Tatsache. Jedoch kann nicht gesagt werden, welches die Ursachen waren. Naturkatastrophen, Seuchen, politische, wirtschaftliche und kulturelle Faktoren werden als Auslöser genannt.

Das Auseinanderbrechen der alten römischen Macht schuf die Grundlage für eine neue „mittelalterliche“ oder neuzeitliche Kultur.

Diese wurde in gewissem Sinne auf der Grundlage einer Tabula rasa neu aufgebaut. Es gab eine Zäsur der Kultur mit offenbar nur wenigen Anknüpfungspunkten zur früheren Zivilisation.

Die neue abendländische Kultur entwickelte sich mit revolutionärer Schnelligkeit. Innert weniger Jahre und Jahrzehnte entstanden die Dinge, für welche die konventionelle Wissenschaft Jahrhunderte und sogar Jahrtausende einsetzt: neue Städte mit Kirchen und Ringmauern, Steinburgen, eine Schriftkultur, zahlreiche teils revolutionäre technische Erfindungen wie die Hochsee-Schiffahrt, der Spiegel, das Schießpulver und der Buchdruck.

Die kulturelle Dynamik Europas war dabei expansiv nach außen. Gegen Westen waren es die Entdeckung und Kolonisierung der beiden Amerikas und danach Afrikas und Asiens. Gegen Osten führte der Eroberungsdrang zu den sogenannten Kreuzzügen gegen den Balkan, gegen Griechenland, den Bosporus, Kleinasien, Syrien, das Zweistromland, Palästina und Ägypten.

Die Kreuzzüge endeten in einem Fiasko. Das Osmanische Reich der ursprünglichen Thraker verdrängte die Westeuropäer. Doch auch dieses Reich setzte römische oder oströmische Traditionen fort.

Auch gegen die Sarazenen in Nordafrika – die alten Karthager der erfundenen Geschichte – hatte West- und besonders Südeuropa lange Zeit wenig entgegenzusetzen.

Die erfolgreiche Kolonisation der Neuen Welt und Ostasiens retteten Europa und bescherten ihm etwa seit der Mitte des 18. Jahrhunderts eine bevorzugte Stellung als weltumspannende Kolonialmacht.

Das neue Europa, das in den ersten Jahrzehnten des 18. Jahrhunderts entstand, erfand auch die heute erhaltene Schriftkultur.

Die erhaltene Kunst und Baukunst sind zum großen Teil erst nach der großen politischen und kulturellen Zäsur entstanden.

Die Detailuntersuchungen erlaubten es auch, den Beginn der schriftlichen Überlieferung genauer zu bestimmen. Diese scheint ziemlich genau um 1760 begonnen zu haben – gleichzeitig mit der Schöpfung der heutigen Anno Domini-Jahrzählung mit vierstelligen Zahlen.